Re: Rückkehr der Erinnerungen
von Darken » Fr 17. Feb 2023, 21:35
Er bekam kaum noch mit wie sein schlanker Körper aus der Hängematte fiel und in Eoshans Armen landete. Der junge Prinz wandt sich schreiend hin und her, stieß um sich, um sich gegen die Vision zu wehren, die stark genug gewesen war ihn sogar aus dem Schlaf zu reißen. "Nein, nein, er tut ihr weh! Er soll aufhören!", rief er aus einem Gefühl bevor er noch die richtigen Bilder dazu sah. Sein schmächtiger Körper bäumte sich mit unglaublicher Kraft auf, bog sich wie unter gewaltiger Anspannung. Auf dem Höhepunkt dessen riss er die Augen auf, die milchig weiß geworden waren, sackte mit einem Aufseufzen zurück und driftete endgültig ins Verzerrte Reich.
Unter ihm breitete sich eine Landschaft im Spätherbst aus. Graue Felder, dazwischen eine Straße sich entlang schlängelnd. Die Bäume waren umweht mit roten Blättern, so farbenprächtig und doch wie mit einem Nebelschleier belegt. Minan fixierte seinen Blick auf die Straße, eine Kutsche kam langsam näher. Aber der Junge wußte, dass die Kutsche hier nichts gutes erwarten würde.
"Nein, kehrt um! Nicht hier lang! Seht ihr nicht die Gefahr?!"
Er sah sie. Drei Monster befanden sich auf einem angrenzenden Hügel, dunkel und bösartig. Von ihren Gestalten peitschten Schatten mal in die eine, mal in die andere Richtung. Ihre Augen glühten wie gefrorenes Eis, wenn es von einem plötzlichen Lichtschein getroffen wurde. Nebel verdichtete sich. Minan konnte kaum weiter sehen. Ein Netz, das eigentlich verhindern sollte, dass er diese Szene sah. Oft hatte es ihn zurückgehalten hinter die Spiegel zu schauen, doch jetzt nicht. Mühelos wie als würde sich seine schlanke Gestalt durch ein Dornengeflecht schieben, sah er weiter als je zuvor. Dieses Mal, zum ersten Mal, würde er sehen, wer sich in der Kutsche befand.
Auch wenn Minan unglaubliche Angst davor hatte. Er mußte das aufhalten. Die schwarzen Reiter trabten an, ritten auf die Kutsche zu. Wie Schatten folgten die Monster dem Gefährt auf den Seiten. Unsichtbar, aber nicht für Minan. Er schrie wieder nach Timaris. Jetzt sah er ihre Gestalt auch in der Kutsche, so schön und machtvoll. Für den Jungen ein schmerzhafter Anblick. Er wollte sie warnen, schrie sich die Lunge aus dem Leib, wollte zu ihr und konnte sich nicht bewegen.
Ein Kampf entbrannte zwischen den Leibwachen und den Monstern. Sie sahen so hässlich aus, so furchtbar. Minan wollte sie kaum anschauen.
"Nein, nicht kämpfen! Flieh!" Das schlimmstete wartete doch noch. Die Aura des schwarzen Dolches brannte sich durchs ganze Land. Minan keuchte auf, konnte die Augen nicht schließen, die von der Macht geblendet wurden.
"Timaris!!" Einem Raben gleich schoss das letzte Ungeheuer auf sie nieder, versank mit ihr in der Kutsche. So oft hatte Minan schon die Vision gehabt wie der Dolch tief ins Fleisch drang, seine schwarzen Fäden ins Blut sickern ließ. Es ging sofort los. Warum sah es denn niemand? Durch ihre Venen floss das schwarze Wasser wie Eis, erstickte alles.
Minan rannen Tränen über die Wangen. Nein nein... sie sollte nicht sterben. Warum hatte er das nicht verhindern können? Er spürte die Wut der Königin am eigenen Leib, sie schrie, es klang nach Wut, nach Demütigung. Hexenfeuer brannte hell auf. Die Monster zogen sich zurück, verschwanden tief in der Erde. Aber das schlimmste Monster, es war durch den Dolch in Timaris' Blut gekrochen. Konnte das denn niemand sehen?
Die Bilder verschwammen, setzten sich zu einer neuen Szenarie zusammen. Die Königin lag in einem riesigen Bett, wo ihre Gestalt so winzig klein wirkte. Das Monster hatte sie fast vollständig erobert. Überall sah Minan die schwarzen Adern unter der blassen, wächsernen Haut hervortreten. Ihr Atem ging quälend. Ein blonder Mann kniete demütig neben ihrem Bett, die Stirn gegen ihre matt ausgestreckte Hand gepresst.
"Ich weiß mit Sicherheit, dass es eine Falle ist. Ich weiß, dass wir ihnen damit in die Hände spielen." Er schwieg. "Ich gehe trotzdem." Er küsste ihre Hand.
Dann wurde es schlagartig dunkel. Minan brauchte eine Weile bis er sich zurechtgefunden hatte. Er war in einem dunklen Zimmer. Leise hörte er aus einer Ecke das Schluchzen einer Frau, versteckt neben einer Kommode. "Timaris?", hauchte er fragend, kam langsam näher. In diesem Moment warf sich aus der Dunkelheit das Monster mit gewaltigen Brüllen. Erschrocken schrie der junge Prinz auf, strampelte um sich und erwachte mit keuchendem Luftschnappen.
"Timaris! Er tut ihr weh!", rief er panisch, starrte in Eoshans besorgtes Gesicht. "Sie ist das Ziel des Attentats. Die Monster werden zu ihr kommen! Und dann ist ein Monster in ihr und macht sie immer schlechter. Überall ist es schwarz, schwarzes Blut... nein nein...", schluchzte er aufgelöst.