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Re: Asyl

Di 8. Nov 2022, 21:20

Besorgt sah sie Minan nach, als er den Baum hoch gezogen wurde. Sie schien ihm seine Angst einfach nicht nehmen zu können. Er schien alles zu fürchten. Sogar sich am Seil hoch ziehen zu lassen schien ihm Angst zu machen, oder dass ihre Grossmutter ihn anlächelte.

Dann folgte sie den anderen rasch ins Baumhaus. Gemütliches Licht erhellte den Raum, der gut für zehn Leute Platz hatte. Gut, nur zwei konnten in einem Bett schlafen, aber auf dem Boden hatte es genügend Platz.

Minan hockte sich unglücklich neben die Türe, während die Dea al Mon gleich geschäftig alles für die Nacht vorbereiteten. Genauer gesagt, ruhte sich Talyn auf dem einen Bett aus und die Männer achteten darauf, dass sie auch ja nicht mit dem Essen in Kontakt kam, bevor es zubereitet war.
Da Eoshan wusste, dass sie, freundlich gesagt, nicht kochen konnte, überliess sie es denn Männern und breitete statt dessen auf dem Boden Felle und Decken aus.

Anschliessend hockte sie sich neben Minan hin und fragte ihn leise: "Was kann ich tun, damit du dich wohler fühlst, kleiner Bruder? Was ist mit dir los?"

Di 8. Nov 2022, 21:20

Re: Asyl

Di 8. Nov 2022, 21:21

Die Dea al Mon entzündeten in der Hütte Licht und die Männer machten sich daran zu kochen, während die ältere Dea al Mon sich auf eines der zwei Betten gelegt hatte, um sich auszuruhen. Nur zwei Betten... ein Umstand, der Minan doch beschäftigte. Die Königin selbst begann Felle und Decken auf dem Boden auszubreiten und der zerbrochene Prinz bemerkte erst jetzt, dass das so etwas wie ein Nachtlager werden sollte. Es verwunderte ihn auch, dass Eoshan das alles selbst machte. Wie die Dea al Mon miteinander umgingen, war auch total anders als alles was er zuvor gekannt hatte. Im Vergleich zu Hayll war es ein Unterschied wie Tag und Nacht. Minan wußte nicht, ob er sich hier je zurecht finden würde, er wußte nur, dass er Angst hatte, vor allem weil er nicht voraussagen konnte was noch alles passieren würde und weil die Umgebung ihm fremd war.
Die Königin schien seine Angst, die nicht nachgelassen hatte, zu bemerken, denn sie setzte sich neben ihn und fragte ihn doch tatsächlich, was sie tun könne, damit er sich wohler fühle und was mit ihm los sei. Leicht verständnislos hob Minan den Kopf und blickte sie irritiert an. Warum fragte sie ihn denn, was sie tun könne? Normalerweise war das doch immer anders rum. Er mußte Dinge tun, damit andere sich besser fühlten... befriedigt.

Obwohl sie so nah bei ihm saß, rutschte Minan nicht fort, wobei es ihn viel Kraft kostete diesen Impuls wieder zu flüchten zu unterdrücken.
"Es.. es ist nichts", sagte er ganz leise, wollte nicht, dass es die anderen Fremden hörten (allerdings unterschätzte er ihre scharfen Ohren). "Ich.. ich will nur nicht andere anfassen oder dass sie mich..." Er brach ab, konnte nicht weitersprechen, doch die Königin verstand sicher auch so. Ob sie verärgert war? Sie hatte ihm ja gesagt, er müsse nichts für sie tun, doch es gab so Herrinnen, die sich zunächst freundlich verhielten und einen in Sicherheit wiegten. Er dachte an Timaris. "Ich bin müde, ich will nur schlafen", gab er deshalb noch einen Vorwand vor, warum er jetzt nicht wollte. Dabei war es noch nichtmal gelogen, er war wirklich müde und erschöpft. Der junge Prinz fragte sich nur, ob er einschlafen würde können, während die anderen um sie herum waren und jederzeit ein Wolf anfangen könnte zu heulen und zur Jagd anzustimmen.
Sein zierlicher Körper erzitterte leicht, dann hatte er sich wieder im Griff. Minan blickte zur Seite, hoffend, dass die Dea al Mon ihn wieder in Ruhe ließ und nicht näher kam.
Draußen hörte er den Wind und wie er durch das Blättergewirr rauschte, Knacken und Knistern im Unterholz, doch zum Glück noch kein Wolfsgeheul.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 07:11

Irgend etwas stimmte ganz und gar nicht. Sie verstand ihn nicht und er verstand sie nicht. Das merkte sie schon nur an dem irritierten Blick den er ihr zuwarf. Und die leisen Worte die er vor sich hinmurmelte, halfen ihr auch nicht, ihn zu verstehen.

"Du hast einen langen Weg hinter dir", nickte sie bestätigend dazu, dass er meinte, dass er müde sei. "Gleich gibt es etwas zu essen und dann kannst du dich schlafen legen. Du kannst das andere Bett haben."

Da trat Rachhad zu ihnen und reichte ihnen je eine Schale mit Eintopf und Löffel. "Danke Rachhad", meinte sie mit einem freundlichen Lächeln und machte sich hungrig über das warme Essen her. "Ich darf nicht mehr kochen", meinte sie scherzhaft. "Sie sagen, sie wollten nicht vergiftet werden."

Einige Löffel später fragte sie dann doch leise und sehr verwundert: "Warum solltend andere Leute dich anfassen? Und was mit dir tun? Ich verstehe nicht was du meinst."

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 10:36

Die Dea al Mon Königin schien Verständnis für seine Erschöpfung aufzubringen und sagte ihm, er könnte gleich etwas essen und dann in dem Bett schlafen. Minan blickte sich um. Wo würden die anderen schlafen? Er konnte sich rein gar nicht vorstellen, dass die Königin von Dea al Mon auf dem Boden schlief, während er im Bett lag, also bedeutete das wohl, dass sie diese Nacht zusammenschlafen würden. Während all ihre anderen Männer dabei waren? Er wurde aus dem Volk nicht schlau und so missverstand er auch Eoshans Worte.
"Danke.. aber ich kann auch auf dem Boden schlafen, das macht mir nichts aus", wies er ab, hinter der Höflichkeit verbarg sich natürlich auch der Versuch nicht mit ihr in einem Bett zu landen. Da interessierte Minan auch nicht, dass sie hübsch aussah, er hatte einfach Angst davor und wollte nicht. Er wollte nur in Ruhe gelassen werden.

Der Mann mit dem silbrigen Haar kam zu ihnen und reichte ihnen Schalen mit Eintopf. Minan klemmte seine Schüssel zwischen seine Knie, damit sie eine etwas erhöhte Position hatte und er so bequem mit dem Löffel daraus essen konnte. Natürlich war er auch ein wenig misstrauisch, aber der Hunger überwog und Eoshan aß bereits. Ein simpler Eintopf für eine Königin? Hier war so vieles anders... sie wirkte... der Prinz suchte ein Wort dafür. Bescheiden. Vielleicht war sie nett, vielleicht stimmte alles was sie sagte und er war schwach und versucht ihr zu glauben. Erst als sie meinte, sie dürfe nicht mehr kochen, weil sonst die anderen wieder vergiftet würden, sah er sie verwundert an und begriff im ersten Moment auch gar nicht, dass das ein Scherz war. Und warum hatte sie mal gekocht?
"Habt ihr keine Diener fürs Kochen?", fragte er zaghaft. Aber zunächst war Eoshan an der Reihe ihn etwas zu fragen, auch leise und etwas irritiert. Minan nahm gerade etwas von dem Eintopf zu sich, nun ließ er den Löffel leicht sinken. Verstand sie wirklich nicht, was er sagen wollte oder war das ein Test?
Verlegen blickte er zu der Schale, konnte ihr nicht in die Augen sehen. "Ich bin... oder war ein.. Lustsklave", hauchte er leise. "Timaris hat mich befreit von dort wo ich vorher war und dann war ich bei ihr, aber dann... dann war da die Geburtstagsfeier und sie hat mir weh getan und.." Er stockte. "Jetzt denken dort alle ich bin tot und nun bin ich bei euch und wo sie doch eure Freundin ist, dachte ich... ich.. müßte das jetzt auch bei euch machen." Das war mehr als er in den vergangenen Stunden zusammen gesagt hatte, doch es war einfach so aus ihm heraus gesprudelt. Minan zog leicht die Schultern zusammen wie als erwarte er einen Schlag oder Gelächter. Er aß hastig den Eintopf weiter aus der tief sitzenden Angst jemand könnte ihm das Essen wieder wegnehmen.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 19:52

Bestimmt schüttelte sie den Kopf, als er meinte, er könne auch auf dem Boden schlafen. "Du schläfst im Bett", stellte sie klar. "Du brauchst diese Erholung."
Ihre Fragen schienen ihn verlegen zu machen. Denn er konnte ihr nicht in die Augen sehen und der gefüllte Löffel senkte sich wieder. Und dann sprudelte es nur so aus ihm heraus. Leise, stockend, aber ungehemmt und sie brauchte einen Moment, bis sie realisierte, was er alles gesagt hatte.

Während sie inzwischen aufgehört hatte zu essen, stopfte Minan das essen geduckt in sich hinein. Aber weshalb? Was war die Ursache dafür. Mutter der Dunkelheit, das war alles so verwirrend.

"Halt! Langsam", meinte sie besorgt. "Du verdirbst dir sonst noch den Magen und wir haben keine Heilerin dabei." Sie hielt inne und überlegte, was sie nacher langsam sagen konnte. "Zu Hause kocht Naischa. Sie ist eine eyrische Herdhexe", erklärte sie zuerst das einfachste. "Timaris Tolarim und ich sind keine Freundinnen", stellte sie klar. "Wir sind nur Verbündete und wenn es nach uns beiden ginge, würden wir nichts miteinander zu tun haben, aber als Territoriumskönigin hat man manchmal keine Wahl. Dass die anderen dich für tot halten, ist sehr schlau. Auch wenn das für dich und die anderen sehr schwer ist. Aber sie hätte dir dabei nicht weh tun dürfen. Das war nicht richtig. Aber du kannst dir sicher sein, dass du hier nicht als Sklave behandelt wirst."

Erneut hielt sie inne und sah nun ihrerseits Minan schüchtern an. "Du, was ist eigentlich ein Lustsklave und was dachtest, dass du bei mir tun müssen würdest", fragte sie leise und kam sich wieder einmal unglaublich naiv vor. Aber was konnte sie denn dafür, dass die anderen Völker so seltsame Gebräuche hatten.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 19:57

Erholung? Wie sollte er sich denn erholen, wenn er bei ihr im Bett schlief? Minan sah sie wieder irritiert an, er verstand sie nicht. Dass es ihr umgekehrt ähnlich ging, war ihm nicht bewußt. Die Dea al Mon maßregelte ihn auch gleich, dass er nicht so schlingen sollte, damit er sich nicht den Magen verdarb und der junge Prinz gehorchte gleich und aß ein wenig langsamer. Denn bisher hatte auch noch niemand Anstalten gemacht, ihm die Schale mit dem Eintopf wieder wegzunehmen. Dann erklärte die Königin ihm wer sonst kochte und Minan blickte kurz wieder unsicher zu den beiden Männern, die bisher recht einsilbig gewesen waren. Er fragte sich, was diese zwei Männer für eine Stellung am Hof einnahmen. Hier gab es doch einen Hof oder? Anderseits befanden sie sich gerade mitten im Wald, vielleicht war die Gesellschaft hier ja auch ganz anders, doch er wagte immer noch nicht zu hoffen. Zu oft waren seine Hoffnungen schon zerstört worden und es hatte sehr wehgetan. Wenn man nichts erwartete, konnte man auch nicht enttäuscht werden.
Aber Eoshan nährte mit ihren nächsten Worten wieder eine kleine Flamme der Hoffnung in dem Prinzen und sie stellte klar, dass Timaris nur eine Verbündete wäre und sie sonst nicht viel miteinander zu tun hatten und es wäre auch falsch von ihr gewesen, Minan weh zu tun. Seine Augen füllten sich wieder mit Leben als die Königin abermals bekräftigte, er würde hier nicht als Sklave behandelt werden. Timaris hatte das damals zwar auch behauptet, aber er war nie sicher gewesen und am Ende hatte sie doch mit ihm gespielt und sein Vertrauen mißbraucht. So war Minan jetzt umso vorsichtiger nicht noch einmal auf dieses so verlockende Versprechen reinzufallen.

Er nahm wieder einen Löffel Eintopf zu sich und schaute die Königin dann seltsam an, als diese sich plötzlich schüchtern gab und etwas herumdruckste. Minan kannte das sonst nur von sich selbst. Was Eoshan dann aber fragte, warf ihn völlig aus der Bahn. Seine Mandelaugen verengten sich noch weiter, als er sie mißtrauisch anblickte. Das konnte... sie konnte das nicht ernst meinen, sie machte sich lustig über ihn indem sie vorgab, sie wüßte nicht was das war. Verstohlen blickte er in die Runde, aber wenn die anderen dieses leise geflüsterte Gespräch verfolgten, so zeigten sie es nicht und nirgendwo sah er feixende höhnische Gesichter wie es sonst der Fall gewesen war, wenn man sich einen gemeinen Scherz mit ihm erlaubt hatte.
"Ich.. ich dachte, das gibt es überall. Wißt ihr wirklich nicht was das ist?", fragte er ebenso leise zurück. "Das sind Menschen, die dafür da sind, anderen Lust zu bereiten... mit ihnen zu schlafen oder andere Dinge zu machen, die ihnen gefallen. Sie wurden dazu ausgebildet und sind nur für diesen Zweck da." Er sprach so darüber als gehöre er nicht selbst dazu, doch redete er nur so, weil es ihm leichter fiel. "Und.. und es ist egal, ob diese Menschen das auch wollen oder nicht. Sie sollen nur ihre Herrin oder ihren Herrn zufrieden stellen." Minan stockte, es kostete ihn Mühe diese Worte so leise vorzubringen, er schämte sich für das was er war, obwohl es ja nicht sein freier Wille gewesen war so zu werden. "Das ist mit mir auch passiert..."

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:03

Erst sah er sie misstrauisch und fragte sie, ob sie das wirklich nicht wusste, was er meinte. Ehrlich schüttelte sie den Kopf. Hier gab es keine Sklaven und erst recht keine Lustsklaven, was auch immer schreckliches das sein mochte.

Und dann erklärte er es ihr. Menschen, die dafür da waren, Lust zu bereiten, ob sie wollen oder nicht. Mit ihnen schlafen und andere Dinge tun. Sie hatte zwar nicht die leiseste Ahnung, was diese anderen Dinge waren, aber inzwischen wusste sie, das mit jemandem Schlafen ein anderer Ausdruck für Sex war.
Hände die sie ungewollt an intimen Stellen berührten, Lippen, die sich auf ihre pressten.
Und das und noch viel schlimmeres war Minan angetan worden. Wie konnte man so etwas nur jemandem antun?

Entsetzt starrte sie ihn an und bemerkte nicht, wie sie in ihrem ohnmächtigem Zorn eisige Kälte ausstrahlte. Ihr Atem ging ganz flach.
"Nein", presste sie hervor und knallte ihre Schüssel auf den Boden. Der Appetit war ihr eindeutig vergangen. "So etwas gibt es in Dea al Mon nicht", fügte sie eisig hinzu.

Anschliessend erhob sie sich abrupt und meinte zu ihren Begleitern: "Wir werden diese Nacht draussen schlafen." Sie verstand jetzt weshalb Minans Angst nicht verschwunden war, als sie ihm von dem Haus erzählt hatte. Er hatte Angst davor, dass sie ihn benutzen würden. Eigentlich hätte sie das als Beleidigung gesehen, doch aus eigener Erfahrung, wenn auch nicht so schlimmer, wusste sie, dass man in so einer Situation nicht rational denken konnte.
"Vor meiner Grossmutter brauchst du keine Angst zu haben", wandte sie sich beherrscht an Minan. Mit ihr musste er einfach klar kommen, denn sie würde sie nicht hinaus werfen. "Dein Freund kann aufpassen." Damit schnappte sie ihr Bettzeug und stürmte nach draussen, um etwas dringend benötigte Luft zu schnappen. Zitternd setzte sie sich auf einen Ast und kuschelte sie sich in ihre Decke.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:04

Lange Zeit beobachtete Rachhad mit ernster Miene das Gespräch zwischen Eoshan und Minan. Das zubereiten der Speise mit Gwenderon zusammen liess ihn ein wenig abschweifen und er genoss es. Ohne Zustimmung seines Bruders liess er es darauf ankommen, wer schneller die Zwiebeln schälte und schnitt und gekonnt in den Topf zu dem feinen Braten warf. Sie schauten sich gegenseitig an und lachten amüsiert. Nach einem kurzen Köcheln servierten sie es der Rangfolge nach das Essen und nahmen danach selber eine Schüssel und setzten sich in den Eingang.

Obwohl beide sich so zurückzogen, waren ihre Sinne fein und nahmen schnell den Umschwung von Eoshans Stimme wahr.Eisig. Kalt. Einer wütenden Territoriumskönigin gleich. Ihrer Königin! Ein lautes Poltern störte das Essen und beide liessen ihre Schalen verschwinden und standen auf.

"Wir werden draussen schlafen."

Nun, das hatten Gwenderon und er sowieso vor. Ansonsten konnte wohl ihr Gast nicht einschlafen und nächtigen. Doch die Abruptheit von Eoshan liess Rachhad leicht erschaudern.

*Eoshan, was ist los? Wieso dieser Zorn?* sandte der Erste Begleiter sanft aber direkt ihr zu.

Rachhad liess sie gehen und schritt mit schnellen Schritten zu ihrem Gast hin. Seine schwarzen Augen blickten ihn tief an. Während er seine Hand auf dessen rechte Schulter legte sprach Rachhad mit tiefer hallender Stimme: "Prinz Darken, erhole dich von deiner langen mühsamen Reise. Du wirst heute Abend sicher hier drinnen sein. Dein Freund kann Dich ja auch beschützen. Ich werde mich nun, als Erster Begleiter, meiner Königin zuwenden. Vielleicht reden wir beide morgen miteinander."

Eine kleine Drehung und Rachhad verneigte sich leicht vor Lady Talin und wünschte ihr eine wunderbare Nacht.Anmutig, einer Raubkatze gleich und doch anders wendete sich Rachhad der Türe zu und lief Eoshan nach.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:05

War ihr Entsetzen gespielt? Aber diese kalte Wut, das konnte man doch nicht spielen. Minan erschauderte, blickte die Königin mit großen schweigsamen Augen an. Zuerst dachte er instinktiv, dass sie wütend auf ihn war und rutschte ein wenig von ihr fort, doch dann sagte sie beherrscht und eisig, es gäbe in Dea al Mon keine Lustsklaven. Dabei knallte sie ihre Schüssel auf den Boden und erhob sich. Der zerbrochene Prinz hatte das Gefühl, er hätte etwas falsch gemacht, aber da waren noch ganz andere Gefühle. Hatte sie die Lustsklaverei etwa gerade scharf verurteilt? Ihr Tonfall hatte danach geklungen. Verwirrt und verunsichert blickte er ihr hinterher. Sie war anders als jede Königin oder auch Frau, die er zuvor kennengelernt hatte. Timaris hatte ihn zwar bis zu seinem Geburtstag hin auch nett behandelt, aber sie hatte noch andere Lustsklaven gehabt und Aaron ja auch sehr zugesetzt. Aber bei Eoshan hatte es tatsächlich so geklungen, als besäße sie gar keine Sklaven. Immer noch Kälte ausstrahlend, sah sie zu den zwei männlichen Dea al Mon und sagte ihnen, sie würden draußen schlafen. Minan traute seinen Ohren kaum. Er war viel zu überrascht und verwirrt, um zu reagieren.
Die Welt schien auf den Kopf gestellt. Statt, dass sie ihn rausschmissen, ging die Königin zusammen mit den zwei Männern und Minan blieb allein mit Caelvar und der alten Frau, die anscheinend ihre Großmutter war, zurück. Er blickte der Königin ratlos hinterher. Es wirkte fast so als floh sie vor ihm, was er zwar bei Menschen gewohnt war, die seine Verkrüpplung und seinen zerbrochenen Geist abstoßend fanden, doch bevor er ihr das mit dem Lustsklaventum erzählt hatte, hatte sie doch fast "normal" auf ihn reagiert.

"Ich verstehe das nicht...", sagte er leise. Da kam der Dea al Mon mit dem silbrigen Haar auf ihn zu, den Eoshan einmal Rachhad genannt hatte. Minan erschauderte unter dessem intensiven Blick, mehr aber noch als der Mann ihn so plötzlich an der Schulter berührte. Der zerbrochene Prinz zuckte zusammen und versteifte sich, doch Rachhad sagte ihm nur, dass er hier in Sicherheit wäre und er sich erholen solle. Minan bekam noch mit, dass der Dea al Mon Eoshans erster Begleiter war, dann hörte die Berührung zum Glück auf und er gestattete sich wieder durchzuatmen. Dann folgten die zwei Männer der Königin dunklen Schatten gleich.
Abgesehen von der Großmutter waren alle Dea al Mon nach draußen verschwunden und Minan erhob sich, blickte sich ratlos um. So etwas hatte er noch nie erlebt. Die ältliche Frau lächelte ihn an in einer Weise, die Minan auch fremd war, andere hätten es mütterlich genannt. Sie sagte ihm, es wäre alles in Ordnung und er solle sich nur tüchtig ausschlafen. Die Schwarze Witwe selbst legte sich dann auch hin mit der Entschuldigung im Alter bräuchte sie mehr Schlaf und ihre alten Knochen wären müde. Sie sah unglaublich fragil und auch grazil aus mit ihren dünnen langen Händen, aber ihre Augen waren trotz des Alters immer noch voller Leben.

Minan kauerte sich auf sein "eigenes" Bett, nachdem er seine Stiefel abgestreift hatte. Caelvar näherte sich ihm und ließ sich neben ihm schweigend auf den Fellen auf dem Boden nieder. Dem jungen Prinzen lagen so viele Fragen auf den Lippen und fürs erste war seine Angst einfach verschwunden, weil er so irritiert durch das Verhalten der Dea al Mon war. Er war so oft gequält, hintergegangen und enttäuscht worden, dass er schlicht keine freundlichen Menschen mehr erkannte, wenn sie ihm begegneten. Natürlich waren Aaron und auch sein Vater freundlich und er hatte sie sehr gern, aber das waren einige wenige Personen inmitten tausend anderer gewesen. Hier aber drängte sich der Eindruck auf, alle wären so.. gut?
Caelvar sagte ihm, die Sitten und die Lebensart bei den Dea al Mon wäre eine völlig andere und er müsse sich vielleicht erst daran gewöhnen, aber eventuell wäre dieser Lebenswechsel ja auch etwas, was Minan gut tun würde. Dem Prinzen fiel daraufhin nichts mehr ein, er nickte nur matt und kuschelte sich in die Decke, dicht an die Holzwand gepresst. Es dauerte bis er einschlief, da er immer noch aufgewühlt und verstört war, doch schließlich forderte die Erschöpfung und lange Reise und Wanderung ihren Tribut und ihm fielen die Augen zu.

Die Albträume ließen nicht lange auf sich warten...
Im Schlaf hörte er Talians gurrende süßliche Stimme und wie sie ihn quälte und verfolgte und er war ganz klein wie ein Schmetterling und mit ihren langen spitzen rot lackierten Fingernägeln riss si ihm die Flügel einzeln aus. Er stürzte flügelos in einen dunklen Schlund und kam so hart auf dem Boden auf, dass er zerbrach. Blut vermischte sich mit der Finsternis, er stemmte sich wieder hoch, taumelte durch die Dunkelheit und rief nach seiner Mami wie ein kleines Kind. Er war wieder ein kleiner Junge, aber seine Mutter war nicht da und stattdessen sah er überall glühende rote Augen, die ihn einzukreisen schienen und er sah blutrote Zungen aus Mäulern mit spitzen Zähnen ragen. Sie sagten, er gehöre zu ihnen und es würde Zeit mit in die Musik der Nacht einzustimmen. Als er schauriges Heulen hörte, fuhr er schreiend aus dem Schlaf, schweißgebadet und mit tränenüberströmten Gesicht, nur um festzustellen, dass er das Wolfsheulen nicht geträumt hatte. Im ersten Moment glaubte er, sich mitten im Wald bei der Jagd zu befinden und strampelte deshalb um sich als Caelvar ihn zu beruhigen versuchte. Angst und Panik schnürte ihm die Kehle zu.
"Ich will nicht, dass die Wölfe mich holen, ich will nicht", stammelte er und trat nach dem Eyrier, versuchte rasselnd Luft zu holen.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:06

Es dauerte nicht lange, da folgte ihr Erster Begleiter nach draussen und setzte sich neben sie. Auch Gwenderon trat aus dem Haus heraus, verschmolz mit den Schatten der Nacht und hielt sich taktvoll im Hintergrund.

Langsam viel es ihr leichter zu atmen und sie lehnte sich trostsuchend an ihren dunklen Prinzen. Schon lange hatten sie nicht mehr die Gelegenheit gehabt, sich so nah zu kommen. Oft war sie ihm immer wieder ausgewichen, weil sie nicht gewusst hatte, wie sie zur Zeit mit ihm umgehen sollte. Doch jetzt konnte sie sich einfach an ihn anlehnen und sich von ihm trösten lassen.
*Sie haben ihm sehr weh getan*, meinte sie nach einer Weile, nachdem sie aus ihrer eisigen Wut aufgetaucht war, traurig. *Wie können Menschen nur so grausam sein?* Weiter kam sie nicht und sie kuschelte sich einfach nur noch etwas enger an Rachhad.

Auf einmal war schrilles Schreien zu hören und Eoshan zuckte erschrocken zusammen. Es dauerte einen Moment, bis sie realisierte, das Minan so geschriehen hatte. Dann war sie aber schnell auf dein Beinen und stürmte ins Haus.
Talyn und Caelvar versuchten den schon fast panischen Jungen zu beruhigen, doch der Eyrier wurde von dem Prinzen zurück gestossen. Schnell war sie bei ihnen und liess ein paar Kerzen aufflackern.
"Sie werden dich nicht holen, Minan", sagte sie deutlich. "Die Wölfe sind nicht interessiert an dir und sie können auch nicht hier hoch kommen." Gleichzeitig beriet sie sich mental mit ihrer Grossmutter, wie sie dem Prinzen wenigstens für diese Nacht seine Angst nehmen könnten, damit er sich etwas erholen konnte.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:12

*Nun mir wurde nur gesagt,dass wir jemanden abholen und wir denjenigen Schützen sollen, mittlerweile denke ich mehr vor sich selbst als vor irgendjemanden anderem*, sandte Gwenderon seinem Bruder als Antwort, *ansonsten weiß ich genausoviel wie du mein Freund*

Der restliche Verlauf der Reise schritt Gwenderon schweigend neben Rachhad her und lauschte dem Gespräch. Er war nicht sehr froh darüber, dass Eoshan den Weg zu Fuß beschreiten wollte. Eine Königin und ihr Blutsdreieck hatten schließlich mehr zu tun als vier Tage lang durch den Wald zu spazieren.
Der Krieger war überrascht, beinahe erschrocken über seine eigenen Gedanken, vier Tage dem Wald völlig ausgeliefert, ohne irgendwelche politischen Geschehnisse, militärische Besprechungen oder sonstige höfische Angelegenheiten. Genauso hatte er den größten Teil seines Lebens verbracht und genau das hatte er vermisst als er ihn den Dienst Eoshans getreten war. Und nun ärgerte er sich darüber dass er vier Tage seines Lebens an den Wald "verlor"!
Gwenderon blickte zu Rachhad und musste grinsen als er sah wie dieser den Wald und die Natur genoss und er beschloss es ihm gleichzutun. Er atmete tief ein schloss die Augen und ließ sich ganz allein durch die Verbundenheit mit dem Wald leiten.

Als sie einige Stunden gegangen waren und das Thema "Wölfe" angeschnitten wurde wunderte sich Gwenderon wie man sich vor den Wölfen des Waldes fürchten konnte. Natürlich Wölfe waren Raubtiere, aber sie hatten immer einen Grund zu töten - nicht so wie manche Menschen - außerdem verband Gwenderon viel mehr mit Wölfen als nur den Fakt das sie Raubtiere waren - Wölfe waren stolze, edle, und höchst intelligente Wesen.

Der Tag verging und Gwenderon schwieg und genoss Dea al Mon. Als sie bei ihrer Nachtlager angekommen waren, war er erfreut darüber das Kochen selbst zu übernehmen. Er hatte Eoshan Koch-"künste" nie kennengelernt - und hoffte auch nie in eine solche Situation kommen zu müssen - doch war dies nicht der Grund dafür, es freute ihn ganz einfach wieder einmal selbst kochen zu dürfen. Dies mit Rachhad zu tun, welcher mittlerweile zu einem richtigen Freund geworden wurde freute ihn natürlich umsomehr.

Von seinem Platz im Eingang aus verfolgte er das Geschehen, als seine Königin nach draußen stürmte war sein erster Impuls der Königin nachzulaufen und sich um ihr wohlergehen zu kümmern, doch schon nach ersten Schritten wurde er immer langsamer und blieb schließlich stehen. Er konnte ihr nicht helfen, dies war Aufgabe des ersten Begleiters.
So setzte er sich im Dunklen auf einen Ast ein wenig entfernt von den Beiden.

Der Schrei ließ Gwenderon sofort wieder aufspringen Zeitgleich mit Eoshan stürmte er in Haus.
Völlig bleich und zitternd saß der junge Prinz in seinem Bett. In diesem Moment fasste Gwenderon einen Entschluss. Er stieß Caelvar sanft zur Seite und nahm den Jungen an der Hand, fasste ihm mit der zweiten Hand an den Rücken und ging mit ihm zusammen nach draußen. Eigentlich konnte man es eher als ein vor sich herschieben bezeichnen, doch versuchte er es so zu tun, dass der Junge sich nicht gezwungen fühlte.

Mit Hilfe der Kunst hatten sie in wenigen Augenblicken den Waldboden erreicht. Der Prinz zitterte noch immer und jetzt sogar noch mehr am ganzen Körper. Der Behüter kniete sich hin und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. Unhörbar ließ er einen Ruf in den Wald hinausgleiten.
Schon nach wenigen Augenblicken zeichneten sich schemenhaft die Umrisse eines Wolfs zwischen den Bäumen ab. Geschmeidig bewegte sich das Tier auf sie zu und hatte sie schon bald erreicht. Ruhig fuhr ihm Gwenderon mit der Hand durch das im Mondlicht glänzende weiße Wolfsfell.
"Die beste Methode von seinen Ängsten befreit zu werden ist ihnen zu begegnen und ihnen gegenüberzutreten.", mit diesen Worte nahm er die Hand des Prinzen und legte sie auf das Fell des Tieres, mit der anderen Hand hinderte er den Jungen daran wegzulaufen.
"Er wird dir nichts tun solange du ihm nichts tust", es sei den er hat Hunger, großen hunger, fügte er in Gedanken hinzu doch hielt er es für klüger dies nicht auszusrpechen.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:14

Plötzlich waren da noch mehr Hände, die nach ihm griffen und ihn zu bändigen versuchten. In seinem Wahn erkannte Minan aber nichts freundliches und helfendes darin und zappelte so nur noch stärker und schrie auf, sie sollten ihn nicht anfassen. Schwach hörte er eine helle Frauenstimme, mußte sie erst richtig zuordnen ehe er sie als die Eoshans erkannte, die ihm sagte, die Wölfe würden ihn nicht holen kommen. Minans Atem überschlug sich, sein Herz klopfte wie wild in seiner Brust. Die Wölfe konnten nicht hier rauf, sagte er sich immer wieder selbst, die Leute wollten ihm nichts böses, niemand würde ihm etwas tun. Das Zittern seines Körpers ließ trotzdem nicht nach, doch wenigstens hörte er auf zu schreien.
Da schob der Dea al Mon dessen Namen Minan noch nicht kannte, Caelvar beiseite, und packte den jungen Prinzen an seiner einzigen Hand und zog ihn unbarmherzig vom Bett. Minan wimmerte auf, versuchte dem Griff zu entkommen. Mit schreckensgeweiteten Augen blickte er den schweigsamen Dea al Mon an, doch der kannte kein Erbarmen und schob ihn auf den Ausgang zu. Nein, sie werfen mich doch den Wölfen vor!
Als der Gedanke bei ihm angekommen war, versuchte sich Minan nur umso heftiger zu wehren, doch da der Krieger ihn an seinem einzigen Arm fest im Griff hatte, war seine verzweifelte Gegenwehr nur schwach. Mit den Füßen stemmte er sich dagegen, Tränen rannen ihm über die Wangen.
"Nein, bitte nicht, nein", bettelte er, "Ich werd brav sein, ich schrei nicht mehr. Bitte... ich schrei nie mehr, ich bin jetzt leise", versuchte er zu versichern so wie er es oft bei Talian getan hatte, wenn die ihn nachts aus dem Bett gerissen und ihn für seine Albträume bestraft hatte. "Nicht zu den Wölfen, bitte nicht."
Der Mann hörte nicht, er schleifte und schob ihn zum Eingang der Hütte und beförderte ihn dann mithilfe der Kunst auf den Waldboden. Kaum war Minan unten und sah den finsteren Wald, der nur spärlich vom Mondlicht beschienen wurde, verstummte er. Die Angst schnürte seine Kehle zu, sein Gesicht war kalkweiß geworden. Waren ihm zuvor die Berührungen des Mannes noch unangenehm gewesen, so drängte er sich nun regelrecht an den Krieger, wollte nicht, dass dieser ihn allein ließ. Sein Körper bebte vor Furcht und namenlosen Grauen und er hatte nicht gewußt, dass dies noch schlimmer werden konnte, doch da tauchte zwischen den Bäumen ein heller Schatten auf und tappte langsam näher. Lautlos und doch so unerbittlich wie der Tod.

Dem zerbrochenen Prinz stockte der Atem, er japste nur noch unkontrolliert. Alles in ihm schrie nur noch danach hier weg zu wollen, aber der Mann ließ ihn nicht, hielt ihn weiter fest. Minan stand Todesängste aus, kalter Schweiß rann seinen Rücken hinab. Dann war der Wolf bei ihm, sein Atem stieg warm und sichtbar auf. Der Prinz wäre schon jetzt zusammengeklappt, doch der Kerl hielt und stützte ihn ja weiter. Vor seinem inneren Auge stiegen die Erinnerungen daran auf wie seine schwarzen Juwelen zerbrochen waren. Heißer hechelnder Atem, schlanke Körper, die sich mühelos durchs Dickicht schoben, ihm immer dicht auf den Fersen. Hungrig, oh so hungrig. Der Schmerz wie sie sich in ihn hineinwühlten, ihn zerrissen, ihn zerbrachen...
Das Fell unter seiner Hand, nahm er kaum noch wahr. Seine Brust tat so weh als hätte man hundert Eisenketten darum gespannt. Er wollte den Dea al Mon anbetteln, dass er ihn gehen ließ, dass er ihm ja auch so gehorchen würde, dass er es freiwillig mit ihm tun würde, aber bitte bitte nicht der Wolf. Nein... Mutter, warum? Warum bist du so grausam zu mir?
Es war egal, dass der Wolf ruhig dort stand und nichts machte. Es reichte für Minan schon ihn nur zu hören, zu sehen, zu riechen, um voller Panik zu sein. Der Wolf rief all die qualvollen Erinnerungen in dem Prinzen hoch und er glaubte, noch einmal seine Juwelen splittern zu hören, noch einmal den Schmerz und dieses namenloses Entsetzen mit jeder Faser seines Körpers und Geistes zu fühlen.
Es war zu viel, es war einfach viel zu viel und Minan floh aus seinem Körper und aus dieser schrecklichen Realität und übertrat die Schwelle zum Verzerrten Reich. Seine Augen waren weiterhin vor Entsetzen weit aufgerissen, nun jedoch vollkommen leer und stumpf, ohne jeglichen Glanz. Sein Kopf fiel nach vorne und hätte der Dea al Mon ihn nicht gehalten, er wäre glatt über dem Wolf zusammengebrochen. Minans Geist, nun nicht mehr an seine irdische Gestalt gebunden, flog in seiner alten Form mit schwarzen großen Schwingen in die Tiefen des Verzerrten Reiches, hinunter in die Schichten, wo ihn ganz bestimmt niemand folgen würde. Er wollte sich verkriechen, seine Angst war zu groß als dass er seinem Körper noch hätte beistehen können.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:15

Minan zappelte und schrie, man solle ihn nicht anfassen, dabei berührte ihn doch nur Caelvar. Da schien es ihrem resoluten Hauptmann der Wache an der Zeit zu handeln. So packte er den Prinzen, sanft und bestimmt und ging mit ihm aus der Hütte. Der Junge flehte und bettelte, als er begriff, dass es auf den Waldboden gehen würde und meinte, er würde jetzt ganz leise sein und nicht mehr schreien. Aber darum ging es doch gar nicht. Eoshan begriff relativ schnell, was der Hüter vorhatte und liess ihn gewähren. Sie fand auch, dass man seine Angst am besten besiegte, wenn man sich ihr stellte.

Leise folgte sie den beiden hinunter und beobachtete gespannte die Begegnung von Minan mit dem Wolf. Bei dem Prinzen schien dieses sich der Angst stellen überhaupt nicht zu funktionieren. Seine Panik überwältigte ihn und er schien nicht zu realisieren, dass er überhaupt nicht in Gefahr war. So flüchtete er sich ins Verzerrte Reich.
Rasch stürzte sie zu den beiden, nahm den Prinzen in den Arm und liess sich mit ihm an den Wolf geschmiegt ins Gras sinken. Ihr Geist folgte ihm sogleich ins Verzerrte Reich. Neben sich nahm sie auch Talyn war, die gleichfalls nach ihm suchte. Doch wegen des Netzes konnten sie nicht die geringste Spur von ihm ausmachen. Na wenigstens hatten sie das gut hinbekommen.

*Minan*, rief sie eindringlich. *Minan, er wird dir nichts tun. Minan.* Es dauerte nicht lange und sie hatte ihre Grenze erreicht, konnte nicht tiefer in das Verzerrte Reich, ohne sich zu gefährden. Hätte sie nicht solch eine Verwantwortung getragen, hätte sie versucht ihm weiter zu folgen. Doch so sehr sie Minan auch beschützen wollte, das durfte sie nicht für ihn wagen. Ihre Grossmutter hingegen folgte ihm noch weiter, soweit es ihre eigenen Juwelen zuliessen. *Kleiner Bruder komm zurück. Er wollte dir doch nur zeigen, dass du keine so grosse Angst vor Wölfen zu haben brauchst. Komm zurück Minan.*

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:18

Er trieb in dem unendlichen Nebel des Verzerrten Reiches und sagte sich immer wieder, wenn er nicht gefunden werden wollte, würden sie ihn auch nicht finden. Um ihn herum sah er die schemenhaften Umrisse einer zerfallenen Burg, vielleicht eine Vision, manchmal sah er hier die merkwürdigsten Dinge. Vielleicht dachte er es sich auch selbst aus und diese Sachen entsprangen seinen Geist, doch er wußte es nicht genau. Minan zog sich geschmeidig auf einen Mauersims hoch, saß dort wie einige Meter weiter einer der steinernen Gargoyles. Im Nebel hörte er die Rufe von den zwei Dea al Mon Frauen und wußte, dass sie ihm gefolgt waren.
Talian war ihm früher auch oft gefolgt, wenn sie ihn nicht schon vorher davon abgehalten hatte zu flüchten. Aber sie hatte ihn nie einholen können, weder als er seine Juwelen noch besaß und erst recht nicht als er zerbrochen war und alle Grenzen und Beschränkungen im Verzerrten Reich abgestreift hatte. Und es war so groß... so tief...
Der Prinz faltete seine Flügel zusammen und hörte die Gedanken von Eoshan und wie sie ihn bat zurückzukommen und dass der Mann ihm nur hatte zeigen wollen, dass er keine Angst vor Wölfen zu haben brauchte.
Minan schüttelte schweigend den Kopf, die schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht. Dann konzentrierte er sich. Das Verzerrte Reich war anders als die wirkliche Welt, wo er keine Juwelenkraft mehr besaß, aber vielleicht... wenn er sich hier anstrengte, konnte er Eoshan trotzdem erreichen. Er hatte schonmal gesendet, er würde es wieder können...

Was dann Eoshan erreichte war ein offener Speerfaden auf der untersten Ebene und ziemlich schwach, so als wäre er aus einer großen Tiefe gesendet worden.
*Er hätte das nicht tun sollen. Wenn er wüßte, was ich erlebt habe, dann wüßte er, dass meine Angst berechtigt ist. Ich komme erst wieder, wenn der Wolf fort ist.*
Unter seinen Blicken schoben sich Grabsteine aus dem Nebel und er sah auf einen Friedhof runter. Es waren unzählige und auf jedem Grabstein stand sein Name, so viele wie er schon tausend Tode vor Angst und Schmerzen gestorben war.
Nein, er wollte nicht zurück, er wollte nicht wieder erinnert werden und seine anfängliche Hoffnung, die Dea al Mon wären gut, war durch diese eine Aktion fast wieder gänzlich zerstört worden.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:18

Es dauerte lange, bis sie eine Antwort erhielt und als sie sie bekam war sie sehr schwach, so als käme sie von sehr weit her und von sehr weit unten. Dennoch atmete Eoshan erleichtert auf. Er hatte sich nicht ganz von ihnen abgekapselt. Das vergrösserte die Chance, dass sie ihn nicht nach Hause tragen mussten.

*Niemand bestreitet, dass deine Angst nicht gerechtfertigt ist, kleiner Bruder*, sandte sie ihm froh, dass er sich gemeldet hatte. *Wenn du willst, werde ich ihn fortschicken, doch Lord Amon Dîn hat recht.* Sie sandte ihrem Hauptmann der Wache, eine entsprechende Anweisung, dass der Wolf sich etwas zurück ziehen sollte.
*Wenn du dich dieser Angst nicht stellst, wirst du sie nie überwinden und keine ruhige Nacht hier in Dea al Mon zu haben, denn die Wölfe wirst du hier jede Nacht hören. Sie gehören dazu.*
Um ihm das zu verdeutlichen setzte sie sich im Verzerrten Reich auf eine Wiese und auf einmal war da ein kleiner Wolfswelpe. Mit aufgestellten Ohren und wedelnder Rute hopste er aufgeregt vor ihr herum und spielte mit ihrer Hand, die ihn zu streicheln versuchte.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:21

Eoshan sandte ihm zurück und versicherte ihm, wenn Minan wirklich wollte, würde sie den Wolf fortschicken. Natürlich wollte er. Warum fragte sie noch einmal nach? Er lauschte schweigend ihren Gedanken. Dann erwähnte sie einen Lord Amon Dîn und der Prinz wußte zuerst nicht wer damit gemeint war bis ihm aufging, dass es der Dea al Mon Krieger sein mußte, der ihm das angetan hatte. Eoshan sagte ihm weiter, er solle sich seiner Angst stellen, denn in Dea al Mon würden in jeder Nacht die Wölfe heulen. Sie hatte sicher recht, doch er wußte nicht wie er diese Angst jemals bezwingen könnte, wenn es immer diese schrecklichen Erinnerungen in ihm wach rief.
Trotzdem stieg Minan ein paar Schichten höher, sah schon aus der Ferne die geistige Gestalt der Königin und auch ein Abbild eines Welpen mit dem Eoshan spielte. Sofort zog sich der junge Prinz wieder weiter zurück, aber seine Angst hielt sich hier in Grenzen, denn er wußte ja, dass er hier fort konnte und auch all die Bilder nicht echt waren.

Sein Speerfaden vibrierte, war brüchig.
*Bitte, ich ertrage die Wölfe nicht. Vielleicht kann ich mich erst einmal an das Heulen gewöhnen...*, wand er kläglich ein. Er wußte ja auch nicht wie er diese Angst bekämpfen sollte, die so eng verwoben mit vielen seiner anderen Ängste war.
Es war nur gerade im Moment alles zu viel. Er hatte immer noch nicht geschafft, seine "Geburtstagsfeier" und das Verstoßenwerden aus Hayll zu verarbeiten und nun sollte er sich gleich schon auf dem Weg zu seinem neuen "Zuhause" den Wölfen stellen? Aber es sah fast so aus, als hätte er kaum eine Wahl. Irgendwann würde er die Angst bekämpfen müssen, wenn er hier leben wollte. Und er mußte sie auch bekämpfen, wenn er hier fortwollte, denn eines war klar: alleine würde er sich kaum noch einen Schritt in dem Wald trauen.
Minan blieb weiter versteckt, würde nicht zurückkommen, wenn Eoshan ihm nicht versicherte, dass für ihn keine Gefahr mehr drohte. Und selbst dann wußte er nicht, ob er den Worten der Königin noch Glauben schenken sollte. Sie hatte ihm gesagt, die Wölfe würden ihn nicht holen kommen und dann riefen die Dea al Mon auch noch selbst welche herbei und er hatte das Tier anfassen müssen.
*Vor was habt ihr Angst?*, fragte er dann plötzlich, der Gedankenfaden war kaum zu verstehen, schwach und zaghaft.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:28

Sie war nahe daran, Minan ganz zu verlieren und sie sandte Gwenderon eindringlich, dass er den Wolf fortschicken sollte. Es dauerte eine Weile aber dann konnte sie Minan mitteilen: *Innerhalb eines Umkreises von einem Kilometer befindet sich um unsere Körper kein Wolf mehr.*

Vom Verzerrten Reich konnte sie das nicht sagen, denn hier war alles anders. Allerdings schickte sie auch den Welpen weg, der mit ihr gespielt hatte. Minans Stimme hatte so brüchig und zittrig gewirkt, sie wagte es nun noch nicht einmal, ihn mit einem kleinen, tapsigen Welpen bekannt zu machen.

*Wenn du willst, kannst du dich auch erst einmal an das Heulen gewöhnen*, fuhr sie freundlich fort. Seine plötzliche Frage überraschte sie aber. Warum wollte er das wissen? *Ich habe, wie viele andere Königinnen, die Angst, dass meinem Volk Schaden zugefügt wird, dass es ihm nicht gut gehen könnte. Dazu habe ich natürlich auch noch ein paar persönliche Ängste, doch die werde ich dir nicht sagen. Ich kenn dich doch gar nicht.* Ein kurzes Zögern. *Und ich finde auch, du könntest endlich damit aufhören, mich zu beleidigen. Das habe ich wirklich nicht verdient.*

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:29

Obwohl sie ihm mitgeteilt hatte, dass alle Wölfe in ihrer Umgebung fort waren, zeigte Minan sich immer noch nicht, haderte mit sich selbst, ob er ihr vertrauen konnte. Aber was blieb ihm anders übrig? Es war verlockend hier zu blieben, doch das ging nicht und er wußte, was für schlimme Folgen es hatte, wenn man zu lange hier verweilte. Er hatte es schon einmal erlebt...
Sehr zögerlich stieg der zerbrochene Prinz wieder nach oben, seine dunklen Flügel strichen durch den feuchten Nebel. Es fühlte sich fast echt an... Trotzdem hielt er sich noch zurück, ganz zu der Schwarzen Witwe zu kommen, erst als sie ihm seine Frage beantwortete beziehungsweise es nicht tat mit der Erklärung, sie kenne ihn zu wenig, kam er näher.

Seine Schritte waren federnd und leicht, es war ja auch kein wirklicher Untergrund da. Hier besaß er auch noch seinen linken Arm, bekleidet war er mit einem bodenlangen schwarzen Rock und einem ärmellosen ebenso schwarzen engen Hemd. An einem eisernen Gürtel hingen an allen vier Seiten des Rockes lange Anhänger aus Silber, die schmale Mond- und Sonnengesichter mit geschlossenen Augen zeigten. Ein Mantel, der seine Flügel aussparte, wehte bei jedem Schritt mit. Nur diese Gestalt im Verzerrten Reich gab eine Ahnung davon, wie er hätte sein können, hätte man ihm nicht die Juwelen zerbrochen. In der wirklichen Welt war er wieder der verkrüppelte verängstigte junge Prinz.
Aus seinen dunklen Mandelaugen betrachtete er Eoshan fragend.
"Ich kenne euch auch nicht. Aber ich musste vor euch meine Ängste preislegen", sagte er dann und schaute in ihre Augen. Sein Blick wurde scheu. "Es tut mir leid, ich wußte nicht, dass ich euch beleidigt habe..."
Langsam ließ er sich neben ihr nieder, jedoch auch hier in einem gewissen Abstand.

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:30

Es dauerte lange, bis er schliesslich zu ihr kam. Wahrscheinlich musste er erst noch abwägen, in wie weit er ihr trauen konnte und dann war da noch der Aufstieg. Als zerbrochener konnte er viel weiter îns Verzerrte Reich eindringen, als sie mit ihrem roten Juwel.
Und auch als er in ihre Sichtweite trat, hielt er erst noch abstand. Sofort gab sie Talyn bescheid, zu der sie während der ganzen Zeit den Kontakt aufrecht erhalten hatte. Ihre Grossmutter sollte wieder zurück kehren, den anderen Bescheid geben und sich erholen. Sie hatte in den letzten Tagen schon mehr als genug geleistet mit dem Netz weben und brauchte dringend Erholung.

Verwundert sah sie Minan an, als er dann doch mit federnden Schritten näher kam. "Wieso hast du auf einmal so komische Sachen an?" entschlüpfte es ihr. Sie hatte in ihrer Vorstellung nicht ihre Kleidung gewechselt, als sie ins Verzerrte Reich getreten war. Ihrer Ansicht nach hatte sie noch immer die Jagdkleidung an. Was ihr aber nicht bewusst war, war dass sie nun nicht wirkte, als sei sie aus Leder, sondern aus Gräsern und Blättern, die sich um ihren Körper zu schmiegen schienen und irgendwie wirkte es auch so, als hätte sie gar nicht wirklich Kleidung an. Dennoch sah man keine Intimen stellen.
"Aber das steht dir wirklich gut", fügte sie nach kurzem Überlegen hinzu. Man musste sich einfach erst an diesen Stil gewöhnen.
Darauf dass er hier seine Flügel und seinen linken Arm hatte, reagierte sie gar nicht. Ihr fiel nicht wirklich ein Unterschied auf. Sie hatte die Flügel und den Arm von Anfang an gesehen, genau so wie seine Juwelen. Natürlich war ihr klar, dass er seinen linken Arm und seine Flügel nicht mehr hatte, doch manchmal hatten Schwarze Witwen vollkommen andere Sichtweisen auf die Welt die sie umgab, als andere Menschen.

Schliesslich setzte sich der Prinz in einigem Abstand zu ihr hin und sah sie fragend und scheu an. "Du hättest deine Ängste nicht vor mir preislegen müssen", widersprach sie ernst. "Doch du liessest dich von ihnen beherrschen und konntest sie deswegen nicht verheimlichen."
Ihr Blick wurde etwas sanfter, als sie sich ihm erklärte. "Ich darf mich nicht angreifbar machen, Minan. Wer weiss, wem du es erzählst. Ich habe eine grosse Verantwortung für mein Volk und wir befinden uns kurz vor einem Krieg."

Als er sich dafür entschuldigte, dass er sie beleidigt habe und gar nicht wisse wie überhaupt, winkte sie freundlich ab. "Ja, ich weiss, das ist so eine neumodische Sitte, die in den anderen Territorien herrscht. Seltsam widernatürlich, ein Wunder, dass sie sich hatte durchsetzen können. Aber mir wäre wirklich lieb, wenn du uns alle aufhören würdest zu siezen. Das ist so beleidigend, heuchlerisch und verlogen."

Re: Asyl

Mi 9. Nov 2022, 20:36

Als er näher kam, fragte sie ihn seltsamerweise sofort, warum er diese Kleidung trug. Minan blickte sie an, Eoshan trug ja auch etwas anderes, Blätter und Gräser hatten ihren hellen Körper umschlossen. Dann aber bemerkte sie, seine Kleidung würde ihm gut stehen und er lächelte sie aufrichtig an.
"Ich glaube, hier kleiden wir uns gerne in unsere Träume ein, die die wir haben und die die wir verloren. In das was wir sind und was wir wollen und hätten sein können...", erwiderte er. Eoshan kam nun auf seine Worte über die Ängste zurück und meinte, nur weil Minan sich von seinen so beherrschen ließ, war er auch gezwungen gewesen, sie zu zeigen und die Königin erklärte auch gleich, warum sie ihre nicht preis gab. Um sich nicht angreifbar zu machen.
Minan nickte, doch so ganz verstand er es nicht. Er sollte sich seinen Ängsten stellen, aber sie verbarg ihre?
"Jeder Mensch hat Angst, seine Angst zu zeigen..." War das nicht schon paradox an sich? Er vertrieb die Gedanken und hörte stumm zu wie Eoshan ihm erklärte wie genau er sie beleidigt hatte. Wieder stahl sich in den Ausdruck seiner Augen tiefste Verwirrung. Hier war es unhöflich seinen Gegenüber zu siezen? Er verstand es nicht, ihm war so oft eingeprügelt, respektvoll und unterwürfig damit zu sein, dass er gar nicht anders konnte.

"Es tut mir leid." Er senkte den Kopf leicht ergeben, blickte sie aber bald darauf wieder an, eine Gesichtshälfte durch seine dunklen glatten Haare verdeckt. "So wurde es mir beigebracht. Bei uns darf man den anderen nur dutzen, wenn man gesellschaftlich höher oder auf der gleichen Stufe ist. Oder wenn man sich besser kennt. Alles andere wird für respektlos und unhöflich gehalten. Ich glaube, an das Umgekehrte muss ich mich erst gewöhnen. Alles in deiner Welt ist so anders", gab er zu.
"Es tut mir leid, dass ich so anstrengend bin." Minan seufzte leicht. "Ich bemühe mich, aber es ist schwer..." Er wußte nicht, ob er in die Welt der Dea al Mon hineinpasste. Sie waren vom Wesen so verschieden... konnte man ihnen trauen und meinten sie ihre Worte wirklich ernst? Der Prinz konnte immer noch nicht ganz glauben, dass sie hier keine Sklaverei hatten.
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