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Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:36

Namenlose

Sie spürte seine Blicke, merkte wie ein Wind ihre Haare bewegte und dies alles berührte sie nicht. "Ich bin eine Schwarze Witwe, so wie du. Doch ich habe gelernt den Schritt zur Seite zu tun, an den Netzen vorbei zu gehen um hier her zu gelangen", erklärte sie ihm mit ruhiger, neutraler Stimme. Langsam hob sie den Kopf und sah zu ihm. Die Ständig wechselnde Farbe von Braun zu Blau in ihren Augen war übergehend und lies einen glauben ihre Augen führten ein Eigenleben. "Niemand kann dir deine Juwelen nehmen und zerbrechen mit Waffengewalt oder Körperkraft. Nur ein anderes Juwel das so mächtig, wenn nicht mächtiger ist als deins kann dein Juwel zerstören. Du selbst zerstörst es wenn du Zuflucht in der Macht suchst und sie in deiner Hast überschreitest und ich will dir noch etwas sagen. Ein Splitter ist der Teil vom Ganzen und auch der Teil kann wieder zum Ganzen werden. So wie der Samen ein Teil vom Baum ist und selbst wieder zu einem Baum werden kann", ein wissendes lächeln umschmiegte ihre Lippen, erreichte ihre Augen die in einem sanften Feuer erglühten, bevor sie den Blick wieder senkte und den Boden unter ihren Füßen betrachtet.

"Talian hatte Angst vor dir", erklärte sie ihm sachlich. "Angst treibt Wesen zu unmöglichen Taten. Die einen sind Gut die anderen Böse und nutzlos. Die anderen Verzweifelt die anderen Durchdacht. Alles läuft auf das selber aber hinaus. Die Angst gibt uns Macht die wir zu so gut wie allem nutzen können. Und wenn du willst erkläre ich dir das Verzerrte Reich", sie wartete nicht auf eine Bestätigung sondern legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Mit einem lautlosen seufzen senkte sie den Kopf wieder und sah zu ihm.

"Das Verzerrte Reich ist ein Ort ohne Vergangenheit, Gegenwart noch Zukunft. Alles existiert hier einfach. Das Verzerrte Reich IST einfach. Schwarze Witwen können diesen Ort aufsuchen um ihrer Arbeit nach zu gehen. Hier kommen wir hin wenn wir zerbrechen, da uns keine Netze mehr von hier fernhalten. Es ist ein Art Auffangbecken in dem wir so lange existieren bis wir sterben. Schwarze Witwen können hier her kommen, den Geist suchen und ihn zurück holen, somit können sie ihn in gewisser Hinsicht heilen.
Dafür müssen sie aber ihre Juwelenkraft zurück lassen", sie blickte gerade aus und 13 gerade mal Handflächen große Netze entstanden vor ihr. Sie waren übereinander und gingen von weiß bis schwarz. "Schwarze Witwen gehen bis zu ihrem inneren Netz das ihren Juwelen entspricht. Das Netz existiert weil ihre Juwelen existieren und die Juwelen existieren weil es das Netz gibt", 13 Steine entstanden die in der Mitte jedes Netzes lagen und die entsprechende Farben besaßen. "Eine Schwarze Witwe mit weiß geht bis zu ihrem inneren Netz", eine kleine Figur entstand die auf dem weißen Netz erschien. "Als Schwarze Witwe geht sie einen Schritt zur Seite, lässt ihre Juwelen zurück weil sie ja ohne Netz nicht existieren können und geht dann in Verzerrte Reich", bildlich tat die kleine Figur genau das was die Namenlose sagte. Somit ist jeder im Verzerrten Reich gleich. Jeder ist ohne Juwelen aber nicht notgedrungen ohne Verstand.
Jene die zerbrechen zerstören ja ihr inneres Netz und zerbrechen ihre Juwelen. Darum ja auch die Beschreibung "Zerbrochen". Das Verzerrte Reich fängt jene auf die über das schwarze Netz hinaus fallen in die tiefe. Es ist ein Auffangbecken. Hier leben die Geister im Zwielicht zwischen der Realen und der anderen Welt. Die Welt die einfach danach kommt.

Da wir Wesen sind die von der Dunkelheit berührt sind, brauchen wir das gewisse Maß an Dunkelheit um ...", sie verstummte und schien nach einem Erklärungsversuch, "Ein Schmetterling fliegt weil er Flügel hat. Er lebt weil er von Blüte zu Blüte fliegt und den Nektar trinkt. Nehmen wir ihm aber die Flügel weg, vergeht er, aber nicht weil er nicht mehr an die Blüten kommt, sondern weil er nicht mehr fliegen kann. Die meisten zerbrochen geben auf weil sie keine Macht mehr haben, eine die ihnen das göttliche Näher bringt. Die wenigen die trotzdem weiter Leben sind jene die wirklich mutig sind. Die niemals aufgeben. So wie du", sie wendete den Blick ab und sah gerade aus. "Weil dieser Ort nichts besitzt und doch alles, ist er zeitlos, grundlos, einfach losgelöst von allen. Wir sehen durch das verzerrte Reich vieles anders, nehmen es anders war und verarbeiten es auch anders.
Du weißt ich bin sehr weit weg und doch sitze ich neben dir und rede mit dir. Das ist ein gutes Beispiel für die Macht des verzerrten Reiches. Und jetzt kann ich dir auch sagen was ich hier mache. Ich kann dir das Warum erklären. Ich bin hier weil mir etwas fehlt. Ich weiß nicht was, doch es fehlt mir und ich will es finden. Das Verzerrte Reich als Auffangbecken ist dafür gut. Oder was meinst du?"

Fr 4. Nov 2022, 21:36

Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:37

Minan hörte ihr schweigend zu, sagte die ganze Zeit über kein Wort und gab auch durch nichts zu erkennen, ob er ihre Worte verstanden hatte oder nicht. Seine dunklen Augen blinzelten kein einziges Mal, er blickte sie durchdringend an, verfolgte das seltsame Farbenspiel ihrer eigenen Augen.
Erst als sie davon zu sprechen begann, was sie unter jenen Leuten verstand, die zerbrochen waren, erhob sich Minan und sah sie verständnislos, aber auch voller Melancholie an.
"Das denkst du wirklich?", hauchte er, "Dass ich mein inneres Netz, meine Juwelen freiwillig zerbrach? Das ist nicht einfach so passiert... ich wollte das nie. Ich wollte nicht, dass alles zerbricht. Aber es ist zweimal geschehen."
Vielleicht hatte sie es auch nicht so gemeint, doch in seinen Ohren hatte es so geklungen, als würden ihrer Ansicht nach, die Zerbrochenen ihre Netze zerstören. Aber er hatte es nicht getan. Es hatten die anderen getan.
"Zuerst ist schwarz zerbrochen... und später rot...", sagte er leise und ließ den Kopf sinken. "Ich wünschte, ich hätte meine Flügel noch." Damit meinte er nicht seine Eyrierflügel, sondern ihr Bild vom Schmetterling ohne Flügel.

"Aber wenn man zerbricht... ich bin doch nicht immer hier. Nur manchmal. Wenn ich zu viel Angst habe und aus meinem Körper flüchten will, aber immer komme ich wieder zurück", erklärte er ihr. Minan wußte nicht wieso das so war, niemand hatte es ihm je erklärt oder beigebracht. Bis vorhin hatte er ja auch noch geglaubt, das hier wäre ein Teil seines Geistes.
"Dann sind meine Splitter nicht hier...", stellte er fest, "Ich dachte, sie wären hier.."
Minan trat an den Rand des kleinen steinigen Platzes auf dem sie sich befanden. Er blickte über das Reich hinweg. Die Wölfin hatte ihm gesagt, sie suche etwas hier. Etwas von dem sie nichtmal wußte was es war. Und er? Vielleicht suchte er sich selbst.
"Nein, es ist kein Auffangbecken", widersprach der zerbrochene Prinz leise, "Es ist der Ort für die, die sich verloren haben... die ihr Schicksal verloren haben. Niemand sollte zerbrochen werden. Niemand."
Minan strich sich die Haare nach hinten, wandte sich wieder zu ihr um. So ruhig und furchtlos war er sonst nur, wenn ein anderer Splitter die Kontrolle übernommen hatte, doch hier im Verzerrten Reich hatte er noch nie Angst gehabt.
"Weißt du... manchmal sehe ich hier Dinge. Wie als würde ich das Leben von anderen sehen, nur kurze Fäden, nur kurze Augenblicke.... sehr dunkle, sehr schreckliche Dinge... alle sind traurig." Minan sah sie an, schwieg, während um sie herum der Nebel des Grauen Reiches trieb. "Wie wirst du wissen, dass du das gefunden hast, was du suchst, wenn du nicht weißt was es ist?"

Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:38

Namenlose

Weiterhin bewegten keine Emotionen ihr Gesicht, nur ihre Augen schienen zu präsentieren was sie fühlte doch durch das verwirrende Spiel der Farben konnte man nicht mal genau sagen was sie jetzt fühlte. Traurigkeit und Freude, Mut und Angst, alles schien sich in ihren Augen die Hand zu erreichen und zu Unkenntlichkeit zu verschwimmen.
"Ich denke nicht das jene, die zerbrechen, dies freiwillig tun", erklärte sie mit samtiger Stimme. "Ich denke das sie dazu getrieben werden ihre Netze zu durchbrechen. Es ist ein Art aus versehen. Nicht beabsichtigt doch es passiert." Sie blieb weiterhin auf ihrer Schaukel sitzen, wippte nach vorne und zurück. "Ich weiß nicht wie man zerbricht, aber ich kenne das Gefühl zu fallen", meinte sie flüsternd, lächelte dann aber, sonderbarer weiße und machte somit ihre Aussage unwirksam. Es kam einen so vor als hätten diese Worte nie ihre Lippen überquert.

"Die Dunkelheit hat anscheinend noch Pläne für dich oder dein Schicksal treibt dich voran, sodass du nicht aufgibst und immer wieder zurück kehrst", meinte sie gelassen und hielt in ihrem vor und zurück schaukeln inne. "Und wenn du aufgibst sind deine Splitter wirklich nicht hier", kurz ruhten ihre Augen in der stehenden Farbe braun auf ihm, bevor zum braun sich wieder das blau gesellte und sie den Blick wieder senkte.

"Zerbrechen ist die Schwachstelle der Blutleute. Einen Landen kannst du nicht zerbrechen", erklärte sie mit neutraler Stimme. "Das Verzerrte Reich IST", meinte sie dann kurz darauf und betrachtet dann interessiert ihre Füße. So folgte erst langes schweigen, bevor sie seine Frage die auf sie bezogen war beantwortete. "Ich weiß ob ich das richtige gefunden habe, wenn ich mich glücklich fühle. Das Gefühl habe gesiegt zu haben. Kennst du dieses Gefühl? Es macht einen vor lauter Glück fast benommen."

Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:39

"Getrieben.... ein Versehen...", wiederholte er leise ihre Worte, als sie über das Zerbrechen sprach. Minan wandte sich ab von ihr, sah wieder durch die Nebel, die zäh und geronnen wie graue Milch waren. Seine verbliebene Hand trieb durch die leichten Staubflocken und Tropfen. "Sie treiben dich nicht dazu... und es ist auch kein Versehen. Und es ist auch nicht das Gefühl, als ob man fällt. Das sind alles viel zu schöne Worte. Es ist einfach alles zu viel. So viel Schmerz, so viel Angst und Todespein... so ohnmachtsvolles Grauen... solche Hilflosigkeit, die du noch nie gefühlt..."
Minan sank langsam auf die Knie. "Heißer Hauch des Todes... kalte scharfe Zähne in deiner Haut... wie sie dich beißen... und du wünschst dir nichts sehnlichster als den Tod und jedes Netz reißt, sie knallen wie durchschnittene Sehnen... und die Machtlosigkeit drückt dich zusammen, quetscht dich aus, auch noch das letzte Quentchen Qual."

Er sah auf seine Hand, seine Stimme nur noch blanker Nebelhauch.
"Alles zerrinnt unter dir... dein Schicksal, deine Macht, dein Blut... was du warst, was du bist, was du hättest sein können... die Zähne beißen dir alles heraus, sie gehen tief und du splitterst, du brichst." Er seufzte auf. Ein Seufzen voller Ohnmacht vor dem was passiert war. "Dann waren meine schwarzen Juwelen zerbrochen... ich weiß nicht wie ich es schaffte, dass ich da noch rot behielt... ich hab mich daran geklammert, an diese Netze... ich stürzte von unten nach oben." Minan schwieg kurz. "Später dann zerbrach mich Talian ganz... indem sie meinen Arm abtrennte... nachdem ich danach flehte." Minan wandte leicht den Kopf zu ihr.
"Also nein... ich weiß nicht wie das Gefühl ist, gesiegt zu haben. Ich weiß nicht wie es ist vor Glück ganz benommen zu sein. Ich habe keine Siege." Der Blick seiner Augen wurde intensiver. "Aber du hast auch nicht immer gesiegt... wenn du etwas verloren hast."

Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:39

Namenlose

"So ist es wohl. So schmerzt es wohl was du erfahren und doch stehst du als Siege da", meinte sie mit leichtem Singsang in der Stimme. Sie stand auf und trat zu ihm. "Was geschehen ist geschehen und das einzig was sich ändert ist die Zukunft", kurz wollte sie Minan trösten, ihm im Arm wiegen, ihm Schutz und Halt bieten, doch dies wagte sie nicht. Sie wusste nicht ob er es falsch verstehen würde.

Als Minan in die Knie ging, blieb sie hinter ihm stehen, lauschte seinen Worten, nahm sie auf und versuchte zu verdrängen was in ihr aufkam.
"Ich habe nie gesagt das ich ein heiles Leben geführt habe. Ich habe Gefunden, ich habe verloren und habe mich selbst aufgegeben. Habe neuen Mut gefasst und von vorne begonnen. Habe gelebt, gelitten, geliebt und bin daran zersplittert. Aber nicht meine Juwelen gingen zu Bruch sondern mein Verstand. Was zurück blieb waren wir", der letzte Satz wurde von 5 Stimmen gesprochen. Hinter ihr tauchte für die Dauer der Worte "Kind", "Leid", "Bestie/Kriegerin" und "Mutter". Die anderen vier teile ihres Verstandes, die durch das Opfer an die Dunkelheit wieder zusammen gefasst worden waren und doch existierten sie immer noch in der ursprünglichen Form.

"Minan", das Wesen der Mutter hat nun ihren Körper ergriffen. Sie wirkte nun älter, erfahrener, einfach wie eine gütige Mutter. Ihre Haare waren dunkler und glatter und ihren erwachsenen Körper umschmeichelte ein sonnengelbes Kleid. "Du denkst du hast verloren", sie ging in die Hocke, "doch dabei bist du der Sieger. Man hat dir genommen was die Macht in dir war und doch lebst du noch. Ist das denn kein Sieg? Alles was du erlebt hast, hast du überlebt, es akzeptiert und mitgenommen. Du hast dich nicht aufgegeben sondern hast in gewisser weise gekämpft. Gegen das vergessen, gegen die Vernunft. Und das finde ich schön an dir. Nicht deinen Körper sondern das was du in dir drin bist. Ein Kämpfer. Einer der lebt, egal wie hart das Schicksal ihn trifft und ich wünsche dir, das du lernst diesen Sieg zu akzeptieren und das du etwas findest was dich mit Freude erfüllt. Liebe", sie schenkte ihm ein fürsorgliches, mütterliches Lächeln und strich ihm zärtlich durch das Haar, nur kurz und ohne jedweden Hintergedanken.

Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:41

"Ich bin kein Sieger!", schrie er ihr entgegen und entwand sich auch ihrer Nähe indem er rasch aufstand und ein paar hastige Schritte zurück zu machen. "Wage es nie mehr das Sieg zu nennen! Ja, ich lebe, aber sieh mich doch an... sieh mich an!"
Er hob seinen einen Arm. "Das ist kein Sieg, das ist nur mein Leben, das sie mir gelassen haben, damit es noch qualvoller ist. Tag für Tag... meinst du nicht, ich hab mir den Tod nicht gewünscht manches Mal? Ihn herbeigesehnt... gewünscht, es wäre endlich vorbei, dass ich nie mehr kämpfen müßte. Es ist kein Sieg", beharrte er. Der von Wildheit erfüllte Blick wurde wieder ein Stückchen ruhiger und damit auch leerer. "Ich hab überlebt... mehr nicht..."
Minan wich weiter vor ihr zurück, denn gerade ihr fürsorgliches Lächeln, jenes Auftreten machte ihm mehr Angst als das zuvor.
"Gebettelt hab ich um den Tod... aber sie hat ihn nie gewährt... warum, mein Vögelchen, sagte sie immer, ich mag dich doch viel zu sehr und macht es dir nicht auch Spaß? Das hat Talian gesagt... das hat meine Mutter gesagt, als sie mich ritt und ich in ihr steckte... so viele Male."

Er straffte sich und seufzte, blickte wieder zur Wölfin, auch wenn er Angst vor diesem Splitter hatte, den sie jetzt in sich trug. Es hatte ihn überrascht, die anderen Splitter von ihr zu sehen.
"Ich dachte, ich wäre der einzige, der so zersplittert ist.... viele denken, ich wäre verrückt, aber.. ich mußte es damals tun. Mich nach und nach wegschließen und andre haben, die stärker sind als ich... hab mich selbst zerbrochen..." Minan lächelte traurig. "Ich kann dir meine Splitter leider nicht zeigen, ich weiß selbst nicht wer da alles ist. Aber da ist der Andere, er ist sehr stark und er kämpft und gibt nie auf." Er legte einen Stein in den grauen Sand vor sich, für jeden Splitter einen. "Und der Tänzer... vor ihm hab ich am meisten Angst, er... ist da, wenn ich tanze und Musik spielt... er mag Sex." Er flüsterte es nur.
"Es gibt noch andre... ich weiß nicht genau wer." Minan sah hinüber zur Wölfin und dann zu den Steinen vor ihm.
"Tut mir leid, dass es so anstrengend ist mit mir zu reden. Wenn du auch zersplittert bist... hast du es geschafft, sie wieder zusammenzufügen? Ich will das auch können, ich weiß nur nicht wie."

Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:42

Namenlose

"Wenn du sterben wolltest, warum hast du es nicht getan?", fragte sie weiterhin überaus gelassen und verharrte an Ort und Stelle. Sie würde ihm nicht folgen, denn er wollte ihre nähe nicht und das sah sie ein. "Du hättest hier bleiben können. Hier im Verzerrten Reich. Du hättest dich verlieren können zwischen Traum und Wirklichkeit. Denn du musst nichts tun außer sterben und weil du was getan hast, hast du überlebt." Sie wirkte seltsam verständnisvoll und seufzte dann. "Du hättest dich vielem verweigern können. Wahrscheinlich wärst du dann nicht mehr hier", ein Mundwinkel hob sich, so als wolle sie lächeln, doch schon bald verschwand der Schein der Freude.

"Ich glaube das jeder auf seine Art mehrere Splitter in sich trägt aber davon nichts weiß. Huren zum Beispiel haben mehrere Splitter in sich, ansonsten könnten sie gar nicht ihre Arbeit machen. Ich habe mehrere Splitter in mir weil ich mit meinem Leben nicht im ganzen zurecht kam.
Das Einstige Kind in mir stellt meine Vergangenheit dar", bei diesen Worte entstand dieser Seelensplitter hinter ihr. Es war ein junges Mädchen mit langen lockigen Haar, das fast schon dunkel blond war. Dazu noch blaue Augen und ein strahlendes Gesicht. "Später habe ich sehr viel Leid erfahren und darum entstand ein Seelensplitter der diesem Aspekt meines Lebens entsprach", "Leid" entstand. Sie trug wie immer ein schwarzes Kleid, wirkte Blass und ihre Augen verweint. Sie wirkte hart und gepeinigt. Sie wirkte allgemein eher ungepflegt. "Eine Zeitlang hat mein Unterbewusstsein nicht aufgeben wollen und es entstand die Kriegerin die später durch Leids Einfluss zu einem Art Racheengel wurde. Eher zu einer Bestie", sie blickte zu ihrer Linken wo auch schon eine hochgewachsene Frau stand. Ihre Züge wirkten tierisch, ihr kurzes Kleid wirkte zerfetzt und blutverschmiert. Die Augen waren matt und eiskalt. "Da ich aber auch gerne Beschütze, für andere da bin, wurde ein Teil zu mir zu einer Art Mutter. Wie du an mir gerade sehen kannst. Alles andere was noch zurück blieb war das sanftmütige, ruhige aber auch zurückgezogene Mädchen das du bis jetzt kennen gelernt hast." Die Namenlose veränderte sich und wechselte von der Mutter zurück in ihre übliche Gestalt. Die Mutter stand nun hinter ihr.

"Ich habe eine Reise in mich selbst getan und habe mit jedem Teil meiner Seele gesprochen. Ich habe somit festgestellt woher sie kommen, was sie repräsentieren und was ich lernen muss wieder zu akzeptieren und anzunehmen. Darauf folgte dann die Opferung an die Dunkelheit und ich war wieder ein ganzes. Aber ich muss noch viel lernen zu akzeptieren. Ich habe viele Leute getötet und ich habe viel Leid erfahren. Das gilt es für mich noch zu verstehen", sie zuckte mit den Schultern und zwinkert ihm dann leicht verspielt zu.

Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:43

Sie fragte ihn, warum er nicht gestorben wäre, wenn er es so sehr gewollt hatte. Minan zuckte leicht mit den Schultern.
"Ich weiß nicht... sie hat mich nicht gelassen, mich immer wieder zurück geholt... und ein Teil von mir wollte auch nicht sterben. Ich weiß nicht wieso, es war ja nicht gerade so, als hätte das Leben mir viel zu bieten gehabt..." Außer Schmerzen, Folter und Vergewaltigungen. Minan blickte aus sicherer Entfernung zu ihr, während die Wölfin ihm erklärte, dass jeder solche Splitter in sich trug und dann zeigte sie ihm auf, welche Splitter sie besaß. Leicht ängstlich und mißtrauisch verfolgte er diese verschiedenen Verwandlungen und bei der Erwähnung der Mutter machte er noch mehr Schritte zurück und wagte erst später wieder näher zu kommen.

Es machte Minan neugierig zu hören wie sie darüber sprach wie sie sich selbst wieder vereint hatte. Kurz glomm so etwas wie Hoffnung in seinen Augen auf, etwas was man an ihm höchst selten sah. Als die Wölfin jedoch ihr Opfer an die Dunkelheit erwähnte, erstarb seine Hoffnung wieder, fiel in sich zusammen und seine Augen waren leer wie eh und je.
"Ich hatte mein Opfer an die Dunkelheit schon... auf meinem Geburtstag, wo sie..." Er wandte den Blick ab, als dieser sich mit Schmerz füllte. "Bedeutet das, ich kann mich nie wieder zusammenfügen? Brauche ich das Opfer?" Er klang furchtbar zerknirscht und mutlos. Minan wollte doch auch wieder eins sein, nicht mehr so grässlich zerstückelt, doch er wußte nicht wie. Es war so schwer...
"Ich weiß nicht was ich tun soll... ich hab kein Opfer mehr, mir wurde alles genommen."

Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:46

Namenlose

"Es war nicht die Opferung selbst die mich wieder zusammengefügt hat. Es war bloß der Anlass dazu", sagte sie besänftigend und wollte ihm somit die Hoffnung zurück geben. "Dein Geist wollte sich schützen und hat darum sich aufgeteilt. Wenn ein Teil stirbt, dann heißt das nicht das der ganze Geist zugrunde geht. Du verstehst?", sie strich sich die Haare nach hinten und blickte dann in die ferne.

"Glaubst du das wir aus einem bestimmten Grund leben?", ihre Stimme klang abwesend, so als wäre sie mit den Gedanken nicht mehr an Ort und Stelle. Und auch die Frage wollte nicht so recht zum Thema passen, über das sie beide gerade geredet haben.
"Ich weiß es nicht. Wenn es wirklich einen Grund gibt warum es mich gibt, dann kenne ich ihn nicht und ich bezweifel das ich ihn je finden werden. Manchmal kommt mir mein Leben sinnlos vor und doch geh ich jeden Tag Schritt für Schritt und gebe nicht auf. Vielleicht ist es die Kraft die ich Besitze, die mich antreibt, aber vielleicht ist es auch etwas anderes. Oder was meinst du?", sie richtete ihren Blick auf Minan und wirkte kurz erstaunt, so als sehe sie ihn das erste mal.

Re: Ungewohnte Freiheit

Fr 4. Nov 2022, 21:47

Und was nahm er als Anlass? Wie fand er die Kraft, sich selbst zu heilen, sich wieder zusammenfügen? Würde er das überhaupt alleine schaffen? Minan wußte ja nicht einmal in wieviele Teile er zersplittert war. Er hatte sich immer wieder abgespalten, um sich zu wehren, um den stärksten Teil übrig zu lassen, um... zu überleben. Sie fragte ihn, ob er glaube, ob sie aus bestimmten Gründen lebten und Minan konnte nur schwach mit den Schultern zucken.
"Ich weiß nicht... ich weiß nicht, was schlimmer ist zu glauben. Daran, dass ich das alles verdient habe... dass es so vom Schicksal vorher bestimmt war oder ob alles willkürlich war und es nichts als Chaos gibt...", antwortete er leise und seufzte kraftlos. "Es.. fühlt sich manchmal in mir drin so an, als hätte ich ein Schicksal gehabt, ein anderes als das hier. Als hätte ich etwas großes und gutes mit meiner Kraft fertig bringen können..." Der zerbrochene Prinz schwieg und blickte durch den sirupdicken Nebel. "Aber jetzt... nachdem man es mir genommen hat, ist das nur Leere... und dieses Gefühl verschwindet nie... so unglaublich leer zu sein."

Die Wölfin richtete ihren Blick wieder auf ihn, was Minan mit dunklen, melancholischen Augen erwiderte.
"Ich weiß nicht... ich denke, man glaubt immer gerade an das, was es am erträglichsten macht. Damit man überlebt und nicht aufgibt... ich will nicht aufgeben, aber manchmal ist es sehr schwer..." Er blickte zu Boden, dieser graue aschige Belag, der unter seinen Fingern zerstob wie flüchtige Gedanken.
"Ich sollte jetzt gehen... jemand macht sich Sorgen um mich." Minan konnte es spüren, ein undefinierbares Gefühl, doch greifbar und gegenwärtig. Sein Körper lag immer noch auf der Couch in seinem Zimmer, sein Geist mußte wieder zurückkehren. "Wir sehen uns bald wieder."
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