Antwort schreiben

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:45

Minan errötete prompt, als Aaron ihm antwortete, dass Timaris und er in der letzten Nacht nicht leise gewesen wären. Er war so in dem Safframaterausch gewesen, dass er nicht einen Gedanken an die Umgebung verschwendet hatte. All seine Gedanken und Gefühle hatten zu dem Zeitpunkt nur Timaris gegolten und auch jetzt noch, dachte er recht oft an sie.
Es schmerzte ihn, zu wissen, dass sein Vater geglaubt hatte, er würde Schmerzen leiden und ihm zu Hilfe hatte eilen wollen. Würde sein Vater jetzt schlecht von ihm denken? Irgendwie wollte Minan das nicht... er hatte Angst, was passierte, wenn sein Vater erfuhr, dass Minan teilweise sogar mit Timaris hatte schlafen wollen.
"Ich.. ich hatte auch Schmerzen, aber... nicht nur", gestand er, "Als Timaris mir den Ring abgenommen hat, hat sich ein Netz von Talian aktiviert und ich... naja, ich hatte sehr viel Safframate im Blut... das und einen Zauber..."

Minan schwieg wieder und zupfte selbstvergessen einen Grashalm vom Ufer, um es zwischen den Fingern hin und herzurollen.
"Ich bin froh, dass mein Vater nicht da war... vermutlich hätte er mich dann nicht mehr gemocht... zu sehen, was ich getan habe."
Er stützte seinen Kopf leicht auf seinem angezogenen Kinn auf. "Sie wollte mich dreizehn Mal schlagen, aber sie ist nur bis zum sechsten Schlag gekommen... und eine Heilerin hat es später geheilt." Das war wirklich etwas erstaunliches, Talian hatte nicht immer sofort eine Heilerin kommen lassen.
"Behandelt sie dich sehr schlimm? Darf ich das fragen?" Minan sah den anderen Sklaven an. "Wenn du wieder zurückgehen mußt... ich.. ich werd versuchen, ihr nichts zu sagen." Versprechen konnte er nichts, das wußte Aaron auch. Wenn Timaris wirklich wollte, konnte sie ihn einfach zum Reden zwingen.

Di 1. Nov 2022, 21:45

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:47

Sie hatte Minan also den Ring abgenommen, scheinbar meinte sie das Angebot an Minan wirklich ernst. Dann redete Minan weiter und erwähnte, dass er nur bis zum sechsten Schlag gekommen wäre. "Ja, sie mag keine Narben, die Heilerin kommt immer gleich", meinte er dann, hörte sich dann Minans Frage an. Gut, dass dieser noch meinte er würde Timaris nichts verraten auch wenn er es ihm nicht versprach. Aaron verstand das, schließlich kannte Timaris ihre Wege um jemanden zu reden zu bringen.

"Sie behandelt mich schlimmer als es jemals eine andere Herrin mit mir getan hatte, doch so schlimm wie du von Talian behandelt wurdest ist sie zu mir nicht. Sie..." Wie sollte er das jetzt erklären? "Sie ruft die Heilerin immer kurz bevor ich vor Schmerzen ohnmächtig werden kann. So dass ich nicht mal den Moment Ruhe genießen kann, wenn sie gerade mal wieder den Drang hat an irgendwem ihre Aggressionen loszuwerden. Vielleicht ruft sie die Heilerin nicht nur weil sie keine Narben mag, sondern auch weil sie mir nicht die Möglichkeit geben will, dass mein Körper das tut was ich möchte."

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:48

"Vielleicht beides", sagte Minan leise, als ihm Aaron erzählte, wie Timaris mit ihm verfuhr und dass sie bisher seine schlimmste Herrin wäre. Minan selbst konnte sich kaum vorstellen, dass es bessere Herrinnen als Timaris gäbe. Vielleicht, weil er einfach nichts kannte... er kannte so wenig besseres.
"Talian wollte auch nicht so viele Narben... aber ein paar hat sie mir gelassen, dort wo die Flügel waren..." Er nagte an seiner Unterlippe. Nein, er wollte lieber nicht mehr daran denken. Flüchtig lächelte er Aaron an.
"Jetzt hast du ja einen Moment Ruhe... vielleicht sollten wir dann über etwas anderes sprechen. Es tut mir leid, dass ich darüber geredet habe. Bisher habe ich nicht sehr viele normale Gespräche geführt", gestand er.

Minan lehnte sich zurück und sah wieder hinüber über den See. Sie schwiegen und Minan wollte dem anderen Sklaven wirklich seine Ruhe gönnen. Er wußte nicht wie oft Aaron überhaupt die Gelegenheit hatte nach draußen zu kommen, deswegen wollte er ihn lieber nicht stören.
Auch hatte er nicht nach diesen vierundzwanzig Stunden fragen wollen, als Aaron die Frage nicht weiter beantwortet hatte.
"Danke, dass ich so mit dir reden durfte..." So frei und ohne Angst auf eine Bestrafung. Es bedeutete Minan viel.

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:49

Es tat gut einfach mal einen Moment zu schweigen, auch wenn dabei noch immer seine Gedanken um Minans Aussagen kreisten. Sie hatte ihm seine Flügel genommen, für einen Eyrier musste das das schlimmste sein was geschehen konnte. Er kannte zwar nicht viele von der Sorte, doch sie waren alle sehr stolz auf ihre Flügel, einer hatte sogar mal gesagt er würde lieber rasiert werden als seine Flügel zu verlieren, zwei Wochen später war dieser Kerl dann rasiert worden. Die Königin damals hatte scheinbar die Worte des Sklaven ein wenig zu ernst genommen.

Da riss Minan ihn wieder aus seinen Gedanken, aber Aaron nahm ihm das nicht übel. "Wenn du hier bleiben solltest wird sich sicher noch das eine oder andere Mal dazu die Gelegenheit bieten", meinte er dann und lächelte Minan ehrlich an. Es war zwar ein schwieriges Gespräch gewesen und trotzdem ein gutes.

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:51

"Ja.. ja, vielleicht", sagte Minan zögerlich. Er wußte nicht, ob er wirklich öfter mit Aaron sprechen wollte. Natürlich, er wollte schon, der andere Mann schien ihm nett.

Aber nett war auch Kaden gewesen. Talian hatte nicht immer nur Minan als Sklave gehabt, da waren manchmal auch andere gewesen. So auch Kaden, ein junger Dhemlaner. Dadurch dass sie Leidensgenossen gewesen waren, hatte sie etwas verbunden und sie hatten ihren Kummer teilen können. Wenn Kaden sich leise in den Schlaf geweint hatte, hatte Minan daneben gesessen und war einfach da gewesen. Viel hatten sie nie gesprochen, es hatte nie viel gegeben und ihre Gespräche waren weniger und weniger geworden. Am Anfang hatte Kaden noch Pläne geschmiedet auszubrechen. Am Anfang... dann war er immer mehr abgestumpft und seine Augen waren so leer und matt wie die von Minan geworden. Und schließlich hatte Talian das Interesse an Kaden verloren.
Minan war gezwungen worden ihn... ja, was war eigentlich mit ihm passiert? Er konnte sich gerade nicht erinnern.

In seine Augen traten Tränen, wenn er nur daran dachte. Hastig blickte er von Aaron weg. Minan konnte immer noch nicht glauben, dass Timaris ihm wirklich die Freiheit schenkte, er konnte nicht aufhören wie ein Sklave zu denken.
"Vielleicht stehen wir uns irgendwann gegenüber... wenn sie will...", sagte er leise, "Vielleicht ist es dann besser wir kennen uns nicht so gut und wir reden nicht so oft. Dann ist es hinterher nicht so schlimm..."

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:52

"Ja, das könnte passieren, dass ist doch eines der größten Probleme für einen Sklaven. Sie wollen, dass man allein bleibt und sich mit niemanden verbündet. Und wenn sie es heraus bekommen dann lassen sie sich irgendetwas einfallen wie sie dieses Bündnis zerstören können. Meist hat einer der Beteiligten zu sterben." Oh ja, Aaron kannte es. Er selbst hatte einen Verbündeten töten müssen, genau bei solch einer Sache. Seine damalige Herrin hatte herausgefunden, dass sie sich angefreundet hatten und sie dann zu einem Kampf auf Leben und Tod gezwungen... Aaron hatte gewonnen.

"Doch, du bist frei und bauchst dir darüber keine Gedanken mehr zu machen, sie kann dich nicht mehr dazu zwingen." Wie er es aussprach war er sich sicher, dass sie es doch konnte, es wäre besser für Minan mit seinem Vater mitzugehen.

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:53

Aaron schien den Zwiespalt zwischen Sklaven auch zu kennen. Vielleicht hatte er gleiches schon mal erlebt, hatte das tun müssen, wozu auch Minan gezwungen worden war. Und sie beide hatten überlebt, nicht die anderen...
"Oder man.. darf mit dem anderen schlafen...", fügte Minan leiser hinzu. Er konnte nicht anders, manchmal fühlte er sich deswegen immer noch wie ein Verräter. Der wie ausgestorbene Blick von Kaden geisterte in seinen Gedanken. Natürlich hatten sie auch miteinander geschlafen, versucht so sanft wie möglich zum anderen zu sein, selbst wenn Saffrmate ihr Denken vernebelt hatte.

"Ich weiß nicht, ob ich wirklich frei bin...", gab Minan leise zu, "Ich weiß nicht, ob ich das glauben kann. Vielleicht sollte ich hier fort solange sie es sich nicht anders überlegt. Vielleicht sollte ich es wenigstens versuchen..."
Er klang nicht sehr hoffnungsvoll, Minan wartete ergeben auf das böse Erwachen. Wenn er mit seinem Vater mitgehen konnte... würde sie es erlauben? Würde sie gekränkt sein? Eben hatte er noch gedacht, er würde bei ihr bleiben, jetzt neigte er sich in die andere Richtung. Dass Entscheidungen so schwer sein konnten...
"Meinst du, ich muss jetzt wieder zurück gehen? Sie hat nicht gesagt, wie lange ich hier sein darf..."

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:55

Oder man.. darf mit dem anderen schlafen... das war nun wieder eine Sache zu der Aaron zwar auch gezwungen war, aber nur mit einer weiblichen Sklavin. Dabei waren sie noch nicht einmal sonderlich gut befreundet und der Herrin hatten sie damit auch keine sonderlich gute Schau geliefert.

"Ich weiß es nicht genau, eigentlich kannst du hier draußen noch eine Weile bleiben, wenn sie von dir eine Entscheidung hören möchte wird sie dich bitten zu ihr zu kommen." Er machte eine Pause und blickte missmutig drein. "Aber ich muss bald wieder rein gehen, ich weiß nicht wie lang sie noch beschäftigt ist."

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:55

"Dann möchte ich dich nicht länger aufhalten, Aaron", sagte Minan leise, als er plötzlich sah wie sein Vater auf einem der Nebenwege durch den Garten schritt und ihn offenbar suchte.
*Minan, wo bist du? Ich würde gerne mit dir reden*, sandte dieser dann und auch wenn es nur der Speerfaden seines Vaters war, Minan versteifte sich gleich sofort und zuckte zusammen wie als hätte man ihn geschlagen.
"Ich bin hier, Vater", sagte er laut, senden konnte er ja nicht mehr. Minan blickte zu Aaron hinüber und erhob sich dann. "Ich sollte zu ihm gehen... und das bedeutet wohl, dass Timaris nun nicht mehr beschäftigt ist." Was sie und Vater wohl besprochen hatten? Auf der anderen Seite des Sees traf er dann endlich auf seinen Vater und senkte ergeben den Kopf.

"Ihr.. du hast mich gesucht."
"Du mußt nicht den Kopf senken, wenn wir miteinander reden. Ich würde dir gerne etwas sagen, Minan." Sein Vater ging mit ihm zu einer Bank, wo er sich hinsetze und Minan daneben Platz nahm. Gespannt wartete er auf das, was sein Vater ihm sagen wollte und bekam leichte Angst. Was, wenn er sein Angebot zurückzog? Wenn er doch nicht mitkommen durfte? Wenn es Timaris verboten hatte? Und warum hatte er solche Angst davor? Bedeutete es, dass er lieber bei seinem Vater war? Er wußte es nicht genau.
"Weißt du, Talian war nicht die einzige Frau mit der ich... zu dem Zeitpunkt war ich seit kurzem erst verheiratet und noch jung... Talian zwang mich dazu mit ihr zu schlafen. Ich wollte meine Frau nicht betrügen, aber ich tat es gezwungenermaßen und weil ich mich dafür schämte, sagte ich meiner Frau nichts davon", offenbarte sein Vater dann. Minan blickte ihn verwirrt an. Er verstand nichtmal die Hälfte davon.
"Deine Frau?"
"Ja, Minan, ich habe eine Ehefrau daheim in Scelt. Ich bin verheiratet." Sein Vater sagte es so, als wäre es furchtbar wichtig, aber Minan sah ihn nur weiterhin verständnislos an.
"Was ist eine Ehefrau, Vater?"

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:56

Was ist eine Ehefrau, Vater?
Nun war es an Cerco seinen Sohn verblüfft anzuschauen ehe es ihm dämmerte. Minan wußte überhaupt nicht was die Ehe war, woher auch? Talian hatte es offensichtlich nicht für nötig gefunden, das ihrem Sohn zu erklären. Cerco hatte bereits drei Kinder erzogen und bei jedem hatte er es am schwierigsten gefunden, sie irgendwann beiseite zu nehmen und ihnen zu erklären was es mit der körperlichen Liebe auf sich hatte. Den Jungen hatte er gesagt wie vorsichtig sie bei einer Jungfrau sein mußten und dass sie die Frauen immer respektvoll zu behandeln hätten. Mabh hatte er gesagt, dass sie sich den Mann für ihre Jungfrauennacht sehr sorgfältig aussuchen solle und Ruth überlassen ihrer Tochter zu erzählen was in jener Nacht passieren würde und könnte.

Minan aber brauchte all diese Aufklärung nicht. Nach Aussagen von Timaris wußte er sehr genau über jede sexuelle Fantasie bescheid und hatte vermutlich mehr Erfahrung darin als Cerco selbst. Dafür schien Minan über nichts anderes Bescheid zu wissen und die Frage nach der Ehefrau bewies das wieder einmal. Cerco sah immer mehr ein, dass er sich für Minan viel mehr Zeit als für alle seine anderen Kinder zusammen nehmen mußte.
"Nun, es gibt verschiedene Formen des Zusammenlebens. Wenn sich zwei Menschen mögen und Zeit miteinander verbringen wollen, dann können sie sich dazu entscheiden ihr Leben miteinander zu teilen. Sie sind dann Gefährten. Und wenn man einen Bund fürs ganze Leben schließen möchte, kann man heiraten. Das bedeutet, dass man nur noch mit diesem Partner zusammenlebt. Man nennt das eine Ehe. Ruth ist meine Ehefrau und ich bin ihr Ehemann. Und normalerweise ist man in einer Ehe treu. Das bedeutet, man schläft nur noch mit seinem Ehepartner", erklärte er und hoffte, dass Minan wenigstens einen Teil davon begriffen hatte.
"Du warst aber nicht treu", erkannte sein Sohn. Cerco seufzte und nickte.
"Nein, weil ich mit Talian geschlafen habe. Ich wollte es nicht, aber dadurch, dass ich es getan habe, habe ich meine Ehefrau betrogen." Der Krieger atmete tief durch und sah Minan an. "Ich will aber ehrlich zu Ruth sein, deswegen muss ich es ihr sagen und ihr auch von dir erzählen."

"Gehört Ruth dir?", fragte Minan und bewies dadurch, dass er das Prinzip der Ehe nicht wirklich erfasst hatte. Cerco schüttelte rasch den Kopf.
"Nein, natürlich nicht. Die Ehe ist ein gleichwertiger Bund. Ruth und ich sind gleichgestellt, aber es gibt trotzdem Regeln, die wir beide befolgen sollten", versuchte er es zu erklären.
"Wird sie dich dann bestrafen?", stellte Minan eine weitere Frage und wirkte beinahe ängstlich. Cerco rieb sich nachdenklich die Stirn.
"Ich glaube, sie wird schon wütend werden... und sicher wird sie verletzt sein, aber ich hoffe, sie versteht, dass ich dazu gezwungen wurde. Freiwillig hätte ich sie nicht betrogen. Ich hoffe, sie glaubt mir." Dann bemerkte Cerco den zerknirschten Blick seines Sohnes und wie dieser nach unten sah. "Nein, Minan, das ist nicht deine Schuld. Ich bin froh, dass es dich gibt. Und ich bin sicher, Ruth würde dich auch mögen. Sie ist eine sehr gute, liebe Frau."

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:57

Minan versuchte wirklich zu verstehen was es mit der ganzen Ehe auf sich hatte, er bemühte sich unheimlich, aber irgendwie begriff er es dennoch nicht ganz. Trotzdem verstand er wie wichtig das für seinen Vater war und dass diese Ruth ihm viel bedeutete. Was Minan gleichzeitig Angst machte. Was, wenn die Ehefrau seinen Vater bestrafte dafür, dass es Minan gab? Sein Vater beruhigte ihn zwar gleich und sagte, es wäre nicht seine Schuld, doch so ganz war Minan nicht davon überzeugt und er war sich auch nicht sicher, ob ihn diese Ruth mögen würde, wo er doch das Kind einer anderen Frau war und das in einer Ehe anscheinend sehr sehr schlimm.
"Hast du mit ihr auch Kinder?", traute er sich dann zu fragen und sein Vater wirkte beinahe erleichtert über diese Frage. Schließlich nickte er.
"Drei Kinder. Es sind deine Halbgeschwister." Der dunkelhaarige Mann lächelte Minan an. "Ja, du hast Geschwister, Minan. Weißt du, was Geschwister sind?"
Minan nickte. Irgendwo hatte er das mal aufgeschnappt und auch weil Talian gesagt hatte, sie wäre froh, dass es nur eine Sorte von Minan gäbe und er keine Geschwister hätte. Also hatte sie damit auch gelogen.
"Der älteste heißt Hagen und ist achtzehn Jahre alt. Meine Tochter Mabh ist fünfzehn und Tarek, das ist der jüngste, ist dreizehn. Sie leben alle in Scelt. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen", erzählte ihm sein Vater. Hagen.. Mabh.. Tarek. Minan versuchte sich die Namen einzuprägen. Es war seltsam, plötzlich hatte er Geschwister, auch wenn die eine andere Mutter hatten.

"Minan, ich werde für kurze Zeit zurück nach Scelt reisen müssen, um meiner Ehefrau und deinen Geschwistern sagen zu können, dass es dich gibt und dass du uns vielleicht besuchen kommst oder bei uns leben möchtest." Sein Vater sprach sehr langsam, als fiele es ihm schwer und Minan bekam nun doch noch mehr Angst, dass sein Vater einfach gehen und nicht mehr wiederkommen würde. Er blickte ihn aus seinen dunklen Augen an.
"Aber du kommst doch wieder oder? Wie lange bist du fort?", fragte er ängstlich. Sein Vater lächelte matt und strich dann Minan über die Haare, der prompt zusammenzuckte.
"Ich verspreche dir, ich komme in zwei Tagen wieder. Lady Tolarim gibt mir eine Kutsche mit der ich besonders schnell reisen kann. Ich verspreche es", betonte er und zog seine Hand wieder zurück. "Minan, ich werd dich nicht im Stich lassen. Ich bin um die halbe Welt gereist, um dich zu finden und zu befreien. Nutz die zwei Tage doch, um dich auszuruhen und herauszufinden was du möchtest. Timaris würde dich dann übrigens gerne wiedersehen." Sein Vater erhob sich langsam und Minan stellte sich neben ihn.
"Du reist jetzt sofort ab?", fragte er zögernd. Irgendwie wollte er nicht, dass sein Vater ging. Dieser nickte seufzend.
"Übermorgen bin ich wieder da." Er schien Minan umarmen zu wollen, doch er machte furchtsam einen Schritt zurück und so blieb sein Vater stehen wo er war. "Pass auf dich auf... und unterschreib keinen Vertrag und nichts bevor ich nicht wieder da bin."
"Ja, Vater." Minan nickte ergeben und blieb wartend stehen, weil er nicht wußte was jetzt weiter passieren sollte.

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:57

Es war so schwer mit ihm umzugehen. Timaris hatte ihm zwar gesagt, dass es schwer werden würde, doch erst jetzt begriff Cerco das ganze Ausmaß. Minan stand vor ihm und wartete anscheinend auf eine weitere Anweisung, wo sich Cerco einfach nur verabschieden wollte. Wie, wenn der Junge selbst Angst vor einer Umarmung hatte? Er mußte lernen, dass Berührungen auch gut sein konnten.
Zumindest schien sein Sohn ihn zu vermissen, weil er so besorgt klang, dass Cerco nicht wiederkommen könnte. Vertraute er ihm nicht? Wie könnte er auch...
"Komm, begleite mich doch bis zu den Ställen. Dann kannst du dir die Kutsche ansehen und danach kannst du zurück zu Timaris gehen", sagte Cerco. Klare Anweisungen, hatte Timaris gesagt und es schien zu funktionieren. Minan nickte und einträchtig gingen sie nebeneinander her.

Als sie um den Garten herum gingen, kamen sie zu dem Hof, wo die Ställe lagen und Cerco suchte den Stallmeister auf, dem er sagte, dass die Königin ihn erlaubt hatte, eine Kutsche zu benutzen, um nach Scelt zu reisen.
"Übermorgen bin ich wieder da, Minan. Ruh dich aus und erhol dich von allem... so gut du kannst." Er strubbelte Minans dunkles Haar und für einen kurzen Moment lächelte der Junge, was Cerco ebenfalls lächeln ließ.
Trotzdem hatte er ein mulmiges Gefühl, seinen Sohn hier so alleine mit Timaris zu lassen. Zum Glück war es nur für zwei Tage. Er brauchte die Tage, um mit Ruth zu reden und seine anderen Kinder wiederzusehen? Würden sie verstehen? Cerco stieg in die Kutsche, sah durch das Fenster das schwermütige Gesicht seines Sohnes. Wie gerne hätte er ihm gesagt, dass alles wieder gut würde... wie gerne...

Re: Vierundzwanzig Stunden

Di 1. Nov 2022, 21:58

Minan öffnete vorsichtig die Türe wieder und fand Timaris immer noch beim Frühstücken vor. Er trat zu ihr und verneigte sich dann, weiterhin unsicher wie weit er bei ihr eigenständig handeln durfte.
"Mein Vater ist abgereist, um seine... Ehefrau von mir zu erzählen", sagte er und es klang selbst in seinen Ohren sehr seltsam. "Und er hat mir gesagt, ich habe drei Geschwister..."

Minan wagte nicht Timaris anzublicken. "Er hat gesagt, ich soll zu euch gehen... darf ich etwas für euch tun?" Hier war er. Gespannt wartete er, was genau seine Herrin von ihm verlangen würde. Er bemerkte gar nicht, wie sich wieder zwei Schmetterlinge von dem Garten auf seinem Haar und seiner Schulter niedergelassen hatten.

Re: Vierundzwanzig Stunden

Mi 2. Nov 2022, 07:27

Freundlich nickte sie Minan zu, als er eintrat und von seinem Vater erzählte. Doch in ihrem Blick war wohl die Überraschung zu sehen, als sie die beiden Schmetterlinge in seinem Haar und auf seiner Schulter bemerkte. Doch sie passten vollkommen dort hin, zu dem zarten, jungen, zerprochenen Prinzen. Gleichzeitig kamen ihr aber auch die Bilder auf, wie Talian ihm die Flügel abgeschnitten hatte. Ein grausames Blutbad und Timars wandte traurig den Blick ab, bis sie sich wieder im Griff hatte und ihn einfach nur freundlich ansehen konnte.

"Ja, er hat mir davon erzählt", nickte sie bestätigend. "Und ja, Ihr solltet zu mir kommen Prinz Darken, denn wir haben noch einiges zu besprechen", fuhr sie sanft fort. "Aber ihr braucht nichts für mich zu tun. Wenn Ihr jedoch wollt, könnt ihr mir von Euren Geschwistern erzählen. Ihr habt gleich drei? Das sind ganz schön viele. Seid ihr aufgeregt, sie kennen zu lernen? Möchtet ihr euch vielleicht wieder setzen und noch etwas mehr essen?" Nun hatte sie ihn wohl mit den vielen Fragen überfordert, war zu rasch vorgeprescht. Aber sie hatten Zeit und sie konnten alles noch einmal in Ruhe durchgehen.

Re: Vierundzwanzig Stunden

Mi 2. Nov 2022, 09:44

Warum sah sie so traurig drein? Minan verstand es nicht, doch der Moment verging so schnell, vielleicht hatte er sich auch einfach nur getäuscht. Dann blickte sie ihn wieder freundlich an und er versuchte den Blick zu erwidern, obwohl es ihm schwer fiel sich dazu zu bringen.
Prinz Darken... er sah sie mit großen Augen an und war vollkommen überrascht. Der Rest ihrer vielen Fragen rauschte deswegen nur so an ihm vorbei. Prinz Darken...

Er setzte sich schweigend und bemerkte erst jetzt die leichten Bewegungen des Schmetterlings auf seiner Schulter. Leicht zuckte er zusammen und das geflügelte Tier flog davon und auf das Fenster zu.
"Niemand hat mich je Prinz Darken genannt...", stellte er leise fest und mußte das erst einmal verdauen. Es hatte einen so seltsamen Klang, doch irgendwie hörte es sich auch wichtig an. Als wäre er eine wichtige Person. Das war er natürlich nicht, doch es war schön wenigstens so zu tun...
"Ja, ich.. habe drei Geschwister. Sie heißen Hagen, Tarek und Mabh... zwei Brüder und eine Schwester", zählte er auf. Was hatte sie noch gefragt? Ob er aufgeregt war? "Ich weiß nicht... ich weiß nicht, ob sie mich mögen. Wo doch mein Vater seiner Ehefrau nicht treu war... er hat mir von der Ehe erzählt", berichtete er und trank etwas von dem Saft. "Und dass man dort nur einen Partner hat... für den Rest seines Lebens." Er konnte sich das kaum vorstellen, überhaupt konnte er sich nicht vorstellen wie das war, wenn man einen Partner hatte. "Darf ich euch etwas fragen, Herrin?"
Er sah sie mit wachen Augen an. "Habt ihr auch einen Partner?" Es hatte so wichtig für seinen Vater geklungen und er wollte es gerne verstehen.

Re: Vierundzwanzig Stunden

Mi 2. Nov 2022, 19:17

Nun, so überfordert schien sie ihn gar nicht zu haben, stellte sie erfreut. Immerhin antwortete er auf all ihre Fragen, setzte sich hin, trank etwas Saft, fragte sie, ob er sie etwas fragen dürfe und tat es dann auch gleich. War er jetzt einfach mutiger geworden, oder war er nur sehr verwirrt? Es war noch nicht wichtig. Erst einmal würde sie ihm antworten.

"Ich kann euch auch Prinz Sarden nennen, wenn euch das lieber ist", meinte sie freundlich und erklärte ihm auch weshalb sie ihn nun so nannte. "Das hat wohl niemand getan, weil ihr bis vor kurzem ein Sklave wart. Die wenigsten sprechen ihre Sklaven mit ihrem Namen oder gar mit ihrem Titel an."

"Leider kann ich euch nicht versichern, ob eure Geschwister euch mögen oder nicht", fuhr sie bedauernd fort. "Mit Geschwister habe ich nicht so viel Erfahrung. Aber da Euer Vater sie erzogen hat, denke ich, sie werden wenigstens versuchen, Euch vorurteilslos gegenüber zu treten. Wahrscheinlich wird es auch seine Frau versuchen, denn schliesslich hat er sie ja nicht ohne Grund geheiratet. Sie wird wissen, dass ihr bei der ganzen Geschichte am wenigsten etwas dafür könnt."

Und nun zu seiner Frage. Sie lächelte ihn warm an. "Nein, ich habe keinen Partner, so wie es dein Vater hat. Ich bin nicht verheiratet und habe keinen Ehemann. Auch habe ich zur Zeit keinen Gefährten. Doch ich habe einen Partner in anderen Dingen." Ihr Blick wurde ganz verträumt. "Mit ihm kann ich gut über viele Dinge reden, wir haben gemeinsam viel Spass und wir können und vertrauen. So etwas nennt man einen Freund haben. Das ist etwas sehr wichtiges, aber auch seltenes."

Re: Vierundzwanzig Stunden

Mi 2. Nov 2022, 19:19

Ihm wurde erst jetzt voller Wucht klar, dass sie ihn gar nicht mehr dutzte. Seine Hand, die sich nach dem Saft ausgestreckt hatte, hielt inne. Er sah sie schweigend an. Was war plötzlich anders? Hatte er etwas falsch gemacht? Oder bedeutete es nur, dass er jetzt wirklich kein Sklave mehr war?
"Prinz... Darken ist besser... selbst wenn meine Mutter diesen Namen hatte..." Er hielt den Kopf gesenkt.
Minan hörte zu wie Timaris ihm sagte, dass seine Geschwister ihn vielleicht mögen würden, doch sicher war es nicht. Er hoffte es nur... Hoffnung... früher hatte er nicht mal gewagt zu hoffen. Und war es so wichtig, dass die Geschwister ihn mochten? Er kannte sie ja nicht einmal... mußte er sich bemühen, dass sie ihn mochten? Dass sie nicht gemein zu ihm waren? Er hatte Angst vor der Begegnung und auch davor die Ehefrau seines Vaters zu sehen.

"Einen Freund...", wiederholte er leise, als Timaris ihn von jemanden berichtete, den sie anscheinend mochte. Spaß und vertrauen... etwas wichtiges und sehr seltenes... Ob er irgendwann von jemanden der Freund sein konnte? Er wußte nicht wie man überhaupt vertraute...
Alles was er konnte, war Angst zu haben. Angst, Angst, Angst. Er hasste dieses Gefühl... aber es war wenigstens irgendetwas als diese Leere in ihm. Die Welt drehte sich ohne ihm weiter, so fühlte es sich an. Minan wischte sich hastig über die Augen ehe sich noch eine Träne bilden konnte.

Re: Vierundzwanzig Stunden

Mi 2. Nov 2022, 19:21

Er schien erst jetzt langsam zu begreifen, was es bedeutete, dass sie ihn mit seinem Nachnahmen ansprach. Wohl eher unbewusst entschied er sich auch sogleich, welchen Namen er tragen wollte. Timaris war stolz auf ihn. Aber dann schienen ihn die Gefühle zu überwältigen. Angst und Hoffnung herrschten vor. Sie war etwas unsicher, wie sie nun weiter vorgehen sollte. So nickte sie ihm einfach mal freundlich zu.

"In dem Fall Prinz Darken", sagte sie lächelnd. "Es ist Eure Entscheidung." Sie wollte ihn darauf hinweisen, wollte ihm zeigen, dass es manchmal gar nicht so schwer war, sich zu entscheiden. "Ihr habt nun die Gelegenheit, diesen Namen in völlig anderem Licht erscheinen lassen."

Sie zögerte kurz und fragte dann aber nach: "Ihr habt mir vorhin viel von Eurem Vater und seiner Familie erzählt. Heisst das, dass ihr mit ihm nach Scelt gehen möchtet, Prinz Darken?"

Re: Vierundzwanzig Stunden

Mi 2. Nov 2022, 19:24

Warum dutzte sie ihn nicht mehr? Er verstand es überhaupt nicht, doch er traute sich ebensowenig nachzufragen. Es klang alles so seltsam. Er war nie Prinz Darken gewesen, immer nur Minan und oft nicht einmal das.
Aber du wolltest immer mehr sein... du wolltest es ihnen allen heimzahlen... du hattest nicht immer nur Angst. Da war auch noch ein anderes Gefühl, du weißt das. Ein Gefühl, was die Leere gefüllt hat...
"Nein..", hauchte er und blickte verstört auf, als er merkte, dass er es laut ausgesprochen hatte. Was hatte sie gefragt? Ob er lieber bei seinem Vater sein wollte? Minan rieb sich die rechte Schläfe, sein Kopf begann zu schmerzen.

"Ich weiß es nicht... ich hatte nicht gewußt, dass Entscheidungen so schwer sein können. Und wie soll ich wissen, ob ich da bleiben möchte bei... bei meinem Vater? Ich weiß ja gar nicht wie es da ist. Ich weiß gar nichts..." Er klang wieder vollkommen mutlos, schwieg lange ehe seine Stimme einen anderen, festeren Klang annahm.
"Ich glaube.. ich muss erst einmal dort gewesen sein. Dann entscheide ich mich." Minan war nicht klar, dass selbst das schon ein Entschluss gewesen war, den er soeben gefasst hatte.

Willst du es einem von beiden recht machen? Das kannst du nicht. Warum gehen wir nicht unseren eigenen Weg? Talian war nur der Anfang. Wir finden sie alle... jeden einzelnen, der uns jemals weh getan hat. Wir finden sie und zeigen ihnen, was wirkliche Angst ist...
Minan schüttelte unwillig den Kopf, kämpfte dagegen an, während er unbemerkt längst zur Hälfte wieder in dem Verzerrten Reich war. Es hatte ihm niemand je gezeigt, irgendwann hatte er es einfach entdeckt. Für ihn gehörte es mit zu seinem eigenen Geist und dort waren die anderen Splitter von ihm... ein Kind allein konnte nicht den Schmerz aushalten, irgendwann war es zu viel gewesen und die anderen waren dagewesen, um ihm zu helfen, um den Schmerz zu ertragen, wenn er es nicht mehr gekonnt hatte. Aber sie waren nicht einfach verschwunden, nur weil Talian jetzt tot war... sie waren immer noch da und warteten..

Minan kämpfte dagegen an, dass einer von ihnen die Kontrolle zurückgewann. In der Wirklichkeit tropfte ihm langsam Blut aus der Nase, ein grauer Schleier hatte sich über seine Augen gelegt. Langsam wandte er den Kopf zu Timaris um, sah sie und sah sie doch nicht.
"Talian hat mir den Ring nicht ohne Grund angelegt... sie hat mich damit zusammengehalten", hauchte er mit seltsamen Hall und kippte langsam vom Stuhl.

Re: Vierundzwanzig Stunden

Mi 2. Nov 2022, 20:13

Anscheinend hatte sie ihn nun doch überfordert und er schien ins verzerrte Reich ab zu gleiten, soweit sie dies erkennen konnte. Auf einmal tropfte Blut aus seiner Nase und er kippte vom Stuhl. Geistesgegenwärtig fing Timaris ihn mit Hilfe der Kunst auf und legte ihn auf das Sofa im Wohnraum. Auf dem Bett hätte er es wohl bequemer gehabt, doch wahrscheinlich war es nicht so gut, wenn er dort wieder aufwachte.

Behutsam setzte sie sich neben ihn, rief eine Schale mit kaltem Wasser herbei und tupfte vorsichtig ihm das Blut aus dem Gesicht. Talian hat mir den Ring nicht ohne Grund angelegt... sie hat mich damit zusammengehalten Was mochte das wohl bedeuten? Beim Feuer der Hölle, sie war schliesslich eine Königin und keine Schwarze Witwe.

"Na komm schon Junge", murmelte sie leise vor sich hin, während sie ihm besorgt die Stirn kühlte. "Du hast das doch bis jetzt so wunderbar gemacht. Du hast dich entschieden, welchen Namen du tragen möchtest und du hast dich dafür entschieden, dass du erst einmal mehr wissen musst, bevor du dich entscheidest. Das war sehr gut. Warum flüchtest du denn jetzt. Komm wieder zurück. Wie soll ich dir denn helfen, wenn du einfach nur daliegst. Mutter der Nacht, es muss doch auch einen anderen Weg geben, dich zusammen zu halten, als mit dem Ring. Was auch immer das bedeuten mag." Sie war zum Schluss immer lauter geworden.
Antwort schreiben



Bei iphpbb3.com bekommen Sie ein kostenloses Forum mit vielen tollen Extras
Forum kostenlos einrichten - Hot Topics - Tags
Beliebteste Themen: Erde, Essen, NES, USA, Reise

Impressum | Datenschutz