Re: Auf der Suche nach Lia
von Darken » So 12. Feb 2023, 19:53
Nach weiteren Küssen, Liebesschwüren und Beteuerungen, dass sie sich vermissen würden, lösten sie sich widerstrebend voneinander und gingen zurück zur Stadt, wo Merion ihn noch bis zu seinem Zimmer im Palast begleitete, wo sie sich ein letztes Mal in den Armen lagen und so lange küssten, dass Minan beinahe nur allein davon wieder hart geworden wäre. Nur leider mußte er den Krieger doch ziehen lassen. Den Rest des Tages verbrachte Minan mit Vorbereitungen, einige davon welche ihn fast gänzlich erschöpften und ohne Hilfe von Hexe hätte er es wohl nicht geschafft. Auch wenn sie den größten Teil der Zeit damit verbracht hatten, ihr die Lage zu erklären. Am Ende hatte es Hexe wohl nicht wirklich begriffen oder wie wichtig ihnen Lia war, doch sie half. Der junge Prinz packte seine Sachen für die Reise, schrieb drei Briefe. Einen an Merion, einen an Eoshan und einen... an sich selbst. Nachdem alles vorbereitet war, ging er erschöpft und müde zu Abendessen, bat einen der Dea al Mon Eoshan aufzutragen, dass er morgen soweit wäre und gleich danach aufbrechen wollte.
Anschließend legte Minan sich in sein Bett, schloss die Augen und versenkte sich in tiefe Konzentration. Noch einmal mußte er das vollbringen was er vor einigen Jahren geschafft hatte. Er hatte das Gefühl statt vorwärts nur rückwärts zu gehen, er wollte doch geistig endlich heil und klar sein... nicht noch mehr Schwierigkeiten durch die Konflikte der unterschiedlichen Splitter haben. Aber jeder Splitter hatte damals eine wichtige Aufgabe und Funktion gehabt, es war überlebenswichtig gewesen. Ohne ihre Hilfe wäre er schon viel früher zerbrochen, hätte sich vielleicht nie die Kraft bewahrt, die er jetzt besaß.
Seine Gedanken glitten wieder zu Liasanya. Sie sollte nicht so zerbrechen wie er, er wollte diese Leere nicht auf sie laden, es wäre ganz allein seine Schuld wenn es passierte. Und Lia hatte nichtmal einen Splitter, der ihr dabei half... einer, der sie zurückholte. Also würde Minan ihr einen geben... nur für eine zeitlang so hoffte er, ein unbeschriebenes Blatt, ohne Erinnerungen an all die Schrecknisse von einst, aber auch ohne die Erinnerungen an Hayll, an seinen Vater oder Dea al Mon, Merion. Was machte es für einen Unterschied wenn Minans Geist noch etwas zersplittert war? Er ruhte tief in sich selbst, griff auf die Bewußtsein seiner Fragmente zurück, wobei ihm alle halfen. Sie waren nicht immer so gewesen wie jetzt, er mußte nur an Eis denken und wußte, dass es Splitter gab, die irgendwann wieder verschwanden oder schwächer wurden.
Minan glitt immer tiefer in seinen Geist und während er in die Tiefe eines dunklen Sees sank, wurde der Himmel immer ferne und jemand anderer stieg auf. Einer, der nie wissen würde was am Grund des Sees lag. Einer, der nie mitbekommen würde, dass er nicht allein war....
Der Morgen brach bereits an und das Licht fiel warm durch das offene Fenster auf das Bett wo der junge Prinz lag, sich noch im Schlaf hin- und herräkelte. Irgendwann schlug er jedoch die Augen auf, streckte sich und gähnte wohlig. Sein Blick fiel an die Decke und ein plötzlicher entsetzlicher Gedanke durchfuhr ihn. Er erkannte das Zimmer nicht wieder, wo war er? Der Prinz griff sich an den Kopf, zog verwirrt die Beine an.
"Hallo?", rief er in die Stille hinein. Keine Antwort. Er versuchte sich zu erinnern wie er hierher gekommen war, doch er konnte sich an gar nichts mehr erinnern. Nichts. Da war nur Leere. Verstört wollte er die Arme um sich schlingen, als er bemerkte, dass da nur ein Arm war und er sich niemals selbst würde umarmen können. Erschrocken befühlte der junge Prinz seine Schulter wo kein Arm war. War das schon immer so gewesen? Oh, Dunkelheit, was sollte er bloß tun? Wo war er? Vorsichtig rappelte er sich aus dem Bett auf, aus einem Impuls hinaus eilte er zum Fenster um hinaus zu sehen. Ihm wurde schwindlig als er in einen Abgrund starrte, und überall waren riesige Bäume, er kam sich plötzlich sehr winzig vor.
Der Prinz taumelte zurück, wandte den Kopf zur Türe des Zimmers und bemerkte eine Kommode davor auf der ein Umschlag lag. Immer noch sehr perplex und neben sich stehend, öffnete er den Umschlag, zog einen Brief heraus. Ein Traum... das hier mußte ein Traum sein. Aber hieß es nicht, man könnte im Traum nicht lesen? Konnte er überhaupt lesen? Anscheinend, denn die Worte auf dem Brief ergaben durchaus einen Sinn.
Du mußt sehr verwirrt sein, aber das braucht dir keine Angst machen. Du hast dein Gedächtnis verloren, es kann sein, dass es dir wieder passiert. Deswegen habe ich mir selbst geschrieben. Dein Name ist Jonael. Öffne jetzt die oberste Schublade vor dir.
Sein Name war Jonael? Der Prinz konnte nichts anderes als die Schublade zu öffnen und sich an den roten Faden zu halten, dem ihm der Brief gab. In dem Fach lag ein weiterer Umschlag, der mit Eoshan beschriftet war. Was war ein Eoshan? Oder war es ein Name?
Dort drin liegt ein Brief, öffne ihn nicht! Er ist für Eoshan bestimmt, du kannst ihr vertrauen, sie wird wissen was zu tun ist. Ein Mädchen ist verschwunden, ihr Name ist Liasanya, du hast sie sehr gern und du mußt sie wiederfinden, sie und du haben eine gemeinsame Vergangenheit. Du mußt sie finden, sie ist in großer Gefahr und nur du kannst ihr helfen! Jetzt zieh dich an und geh zu Eoshan. Folge den Markierungen auf der Karte, versuche dabei den Menschen aus dem Weg zu gehen. Du kannst nur Eoshan vertrauen. Und vergiss nicht, die Tasche mitzunehmen, sie ist wichtig.
Jonael legte den Brief beiseite, griff sich an den Kopf. Das war doch alles Irrsinn. Was war ihm bloß passiert? Hatte er sich das wirklich selbst geschrieben? Der Prinz begann das Zimmer zu durchsuchen in der Hoffnung weitere Hinweise zu finden, doch es fehlten irgendwie persönliche Gegenstände. War er hier nur Gast gewesen? Wo immer "hier" auch war. Er fand ein Badezimmer, eine andere Tür dagegen war abgeschlossen. Der junge Prinz betrachtete sich im Badezimmer nachdenklich im Spiegel, befühlte sein ebenes hübsches Gesicht. Sein Herz begann schneller zu schlagen, vielleicht weil ihn die Situation zu überwältigen drohte. Er wusch sich unbeholfen und hatte sehr viele Probleme damit sich die Kleidung, die er gefunden hatte, anzuziehen. Es war eine khakifarbene Hose mit vielen Schlaufen und tiefen Taschen, darüber ein weißes Shirt.
Sein Blick fiel auf eine Tasche, ach ja, die sollte er mitnehmen, hoffentlich konnte ihm diese Eoshan wirklich helfen. Er bekam langsam Angst. Wie hatte er sein Gedächtnis verloren? Er wußte ja nichtmal was er gestern gemacht hatte oder den Tag davor, geschweige denn wie alt er war. Nach seinem Aussehen zu urteilen war er ungefähr so alt wie er sich fühlte. Vielleicht sechszehn... In der Tasche befanden sich hauptsächlich Pullover und andere warme Kleidung. Jonael lehnte sich gegen die Kommode, schob sie beiseite und nahm die Tasche mit sich. Er wollte stur auf die Karte schauen, doch die Gänge aus gewundenem Holz waren so wunderlich und gleichzeitig wunderschön. Staunend blickte er sich um. Andere Menschen kamen ihm entgegen, viele hatten silberne Haare, ihre Stimmen waren melodisch und die Kleidung, die sie trugen oft wald- und erdfarben. Sie grüßten ihn alle freundlich, aber Jonael war meist zu verwirrt um mehr zu machen als etwas vages zu murmeln.
Irgendwie schaffte er es bis zu einem Salon, die Türe stand halboffen und vorsichtig klopfte er an. Eine Frau saß am Tisch und frühstückte, ihr Haar war glänzend silbern. Fragend blickte er sie an. "Bist du Eoshan?", fragte er in dem Moment wo sie den Mund auftat, vermutlich um ihn zu begrüßen. "Ich... ich ähm ich kann mich nicht mehr erinnern. Sind wir uns schonmal begegnet? Ich soll dir das hier geben." Der Prinz reichte ihr den Umschlag.
Es gab keinen anderen Weg und ich will keine Netze mehr in mir haben. Niemand wird uns hinter ihm finden, dafür haben wir gesorgt. Und jeder, der seine Erinnerungen durchleuchtet, wird nichts finden, da er keine hat. Bitte lass mich auf diese Weise Lia suchen. Wenn alles gut geht, wird er verschwinden sobald er wieder mit Lia hier ist. Sein Name ist Jonael. Der Name, den er einst einem imaginären Freund gegeben hatte.