Re: Auf der Suche nach Lia
von Darken » Sa 11. Feb 2023, 21:00
Darken war nicht der einzige, der wütend war, sondern auch Ryak, der aufgebracht aufstand und vor dem Sessel hin und her tigerte bis er den dunkelhaarigen Prinzen anfuhr, dass Lia ihm natürlich nichts gesagt hätte, wenn es ihr schlecht ginge würde sie immer stumm für sich leiden. Aber trotzdem hätte er mitbekommen, dass es ihr nicht gut ginge.
Dem Tänzer hat sie anvertraut wie es ihr ging, dachte Darken. Aber auch nur weil sie glaubte, sie befände sich in ihrem Traum. Es war ein verfluchtes Schlamassel. Eines was er aber auf keinen Fall Ryak erzählen konnte, der würde das nur falsch verstehen. Und Merion wußte auch bloß die Hälfte. Ryak war sowieso schon fest davon überzeugt, dass Darken an allem Schuld wäre, baute sich vor ihm auf und bedachte ihn mit finsteren Blicken. Nur ließ sich der Prinz nicht davon beeindrucken, vor jemanden wie Ryak hatte er keine Angst, da mußte weitaus schlimmeres kommen.
Der Dea al Mon berichtete, dass Lia anscheinend bloß hier gewesen war um sich zu verabschieden, zunächst bei ihren Eltern und ihrer Schwester und zuletzt bei ihm. Sie hätten zwar versucht ihr zu helfen, doch vergeblich. Ryak schien auch schon gedanklich Vermutungen anzustellen was Darken angestellt hatte, es gäbe ja nicht viele Möglichkeiten.
Es gibt ne Menge Möglichkeiten, dachte Darken biestig, die aber alle über dein Vorstellungsvermögen hinausgehen.
Aber was hieß, er wäre zu spät gekommen und sie hätte sich von allen verabschiedet? Das schlechte Gefühl verstärkte sich bis Ryak sich mit einem Aufseufzen zurück in den Sessel setzte und meinte, dass Lia weg wäre. Darken hatte schon die Frage 'wohin' auf den Lippen, aber der andere Prinz wehrte gleich ab, er wüßte es nicht. Also hatte die Heilerin sich klammheimlich verdrückt und nur einen Brief dagelassen, sah ihr ähnlich.
Nachdenklich rieb sich Darken die Schläfe. Verflucht, sie hatten doch alle gehofft, hier Lia zu treffen und das mit ihr zu klären. Anscheinend war der Abstand zwischen ihm und ihr noch zu gering gewesen, dachte er sarkastisch. Aber wo war sie?
"Sie hat nichtmal irgendwelche Andeutungen gemacht? Kann ich mal den Brief haben?", fragte er. Ryak zögerte noch und Darken verdrehte leicht die Augen. "Es ist wichtig, ich will ihn nur mal in der Hand halten." Das schien der Dea al Mon komplett falsch zu verstehen, so erklärte sich der Prinz rasch weiter. "Ich bin ne Schwarze Witwe, vielleicht find ich noch was raus."
Er hatte zwar seine Juwelenkraft nicht mehr, aber für Visionen empfänglich war er leider noch sehr, sehr gut.
Ryak reichte ihm den Brief doch noch und Darken überflog ihn kurz.
Liebster Ryak,
Dir Zeit mit dir war wieder einmal wunderschön. Besonders die Nacht am Teich zwischen all den Glühwürmchen. Mir war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ich dich vermisst habe. Es hat mir sehr viel bedeutet. Danke.
Nya
Der Prinz verzog das Gesicht. Was für ein Kitsch. Und wenn sie den Kerl so vermisst hatte, warum war sie dann nicht bei ihm geblieben? Schien ja mächtig Spaß mit ihm gehabt zu haben. Darken schüttelte die gehässigen Gedanken ab, strich über das Papier und konzentrierte sich dann. Normalerweise machte er das nicht gerne wenn andere dabei waren, aber die Zeit drängte und Merion saß ja neben ihm. So driftete Darken ins Verzerrte Reich ab, seine dunklen Augen überzogen sich mit einem Schleier wie von grauen Federn.
Verflucht, Lia, wo bist du? Vor seinen Augen wurde im Verzerrten Reich der Zettel riesengroß, wie ein Wandteppich hing er in der Luft, die Handschrift Lias verzog sich zu Schnörkeln, begann sich zu verformen bis die Tinte ein neues Bild zeigte. Auf dem Sofa sitzend erzitterte Darken und eine Gänsehaut bildete sich auf seiner Haut.
"Es ist kalt... sie ist nicht mehr in Dea al Mon... aber in Kaeleer, irgendwo in Kaeleer... ich sehe Türme... aber aus Holz und auf.. Rollen?" Was zum Teufel war das? Die Szenerie verschwamm immer wieder. Waren das Zelte? Zuerst wirkte es wie kleine Watteflöckchen. Darken presste die Lippen zusammen, konzentrierte sich stärker und wollte das Bild regelrecht mit Gewalt dazu zwingen endlich klar zu werden. "Fliegende Baumstämme..." Er sollte das vielleicht nicht mehr laut sagen was er sah, ohne die Bilder klang es sicher noch sinnloser. "Nein, geworfene Baumstämme... und Zelte mit.. Fellen, verflucht, ich kann einfach nicht erkennen wo das ist. Aber auf jeden Fall nicht in Dea al Mon und-" Er verstummte abrupt, verharrte steif auf dem Sofa, die milchigen Augen weit aufgerissen. Was daran lag dass er im Grauen Reich gerade die Spinnenkönigin sah. Die, die ihn damals schon oft versucht hatte nach Dhemlan zu locken. Jetzt sah er ihre richtige Gestalt, glaubte er, nachtschwarze Haut, langes dunkles Haar, gekleidet in weißen fließenden Gewändern. Sie blickte in seine Richtung und doch sah sie ihn nicht, es sah aus als ob sie mit jemand anderem kommunizierte, eine andere Schwarze Witwe, doch er hörte nichts.
Darken zerstörte rasch die Vision, zog sich in die tieferen Bereiche des Verzerrten Reiches zurück. Zwar schützte ihn das Netz, doch sicher war sicher, er wußte nicht ob die Frau die Vision aufschnappen konnte. Sein Körper wurde allmählich kälter und es dauerte eine längere Zeit bis Darken es schaffte zurückzukehren. Mehrmals kniff er die Augen zusammen, lehnte sich erschöpft im Sofa zurück.
"Ich hab nichts mehr erfahren können, ich bin darin nicht so gut wie meine Schwester", sagte er bloß, blickte zur Seite, um seine gealterten Augen vor Merion zu verbergen. Er brauchte immer einen kurzen Moment um diesen Ausdruck zu vertreiben. "Danke für deine Hilfe, Ryak." Er reichte ihm den Zettel zurück.