Re: Regen
von Darken » Fr 9. Dez 2022, 22:05
Dass er sanfte und gefühlvolle Finger hatte, wollte er nun eigentlich wirklich wissen. Es klang fast so als hätte Lia zu viel getrunken, so wie sie mit belegter Stimme sprach und schwafelte. Nachdem er ihre Rippen untersucht hatte, wies sie ihn an nur einen Stützverband anzulegen, was Darken allerdings nur mit ihrer gemeinsamen Hilfe schaffte und indem er sich halb hinter sie kniete, um sie zu stützen, während er den Verband herumwand. Stumm verfluchte er das gesamte Unglück, auch weil es ihn regelrecht dazu zwang intensiven Körperkontakt mit ihr zu haben.Danach bettete er sie vorsichtig zurück, durchwühlte schweigend die Tasche nach dem Rundholz. Was sollte er schon sagen? Lia redete ja genug für zwei. Und was sie da erzählte, passte ihm nicht unbedingt. Vielleicht weil sie recht hatte mit dem was sie sagte.
Und was hieß das, ob er stark genug wäre ihr Gelenk wieder einzurenken? Natürlich war er das. Der Prinz hob wieder den Kopf, empfing den herausfordernden Blick der Dea al Mon, konnte ihr aber nachfühlen, dass sie diese Stärke nur spielte. Er hörte ihren flachen Atem und bestimmt hatte sie Schmerzen bei jedem Atemzug, er kannte das. Lia versprach wenigstens keine Kunst mehr einzusetzen, nur forderte sie dafür auch etwas im Gegenzug von ihm. Er sollte sich ausziehen. Natürlich hatte sie recht.
"Sag du mir nicht was ich zu tun habe", knurrte er sie trotzdem an, nachdem sie ihm gesagt hatte, er solle sich nachher zu ihr ins Bett legen. Was auch immer sein Problem war... Darken wollte nichtmal daran denken. Trotzdem lächelte er schwach, als die Heilerin ihn daran erinnerte, er müsse doch später mit ihr schimpfen können.
"Ich bin kein Heiler...", wand er leise ein. Seine Augen glitten in eine dunkle mondlose Nacht, wo er sich daran erinnerte, dass er ganz gewiss kein Heiler war.
Lia gab zu, dass sie zu schwach wäre und nachher nicht mehr ansprechbar wäre. Erneut stellte sie auch fest, er sähe furchtbar aus und er bräuchte ebenso Wärme und Schlaf. Das letzte was er wollte war einzuschlafen, die Visionen, die ihn überfielen, waren auch so schon zu viel. Oder... würde das Netz von Eoshan auch hier funktionieren? Es stimmte, er war erschöpft und ja ihm war kalt. Ihr erging es da nicht anders. Darken trat an das Bett an ihre Seite, als sie ihn so direkt ansprach und in ihren Augen konnte er die Tränen schimmern sehen.
"Ja, es wird höllisch weh tun und ja, ich weiß, was ich tun muss. Ich habe mir schon mehrmals selbst was eingerenkt." Wie es dazu gekommen war, ließ er lieber unerwähnt. Darken reichte ihr die Tasse, setzte an ihre Lippen und half ihr ein paar Schlucke zu nehmen. Dann strichen seine Finger kurz und zögerlich über ihre Wange. Vermutlich fühlten sich seine Finger entsetzlich kalt an und er bereute die Geste fast sofort. "Du mußt keine Angst haben." Seine Stimme bekam einen unterschwelligen Tonfall, dem man sich nicht entziehen konnte. Seine milchigen Augen blickten tief in die ihren. "Es wird alles wieder gut. Du wirst nur noch etwas länger durchhalten müssen, Lia. Dann kannst du das schaffen. Ich werde jetzt den Fuß einrenken und ich werde bis drei zählen." Der Prinz gab ihr das Rundholz zum Draufbeißen, trat zurück zum Bettende und kniete sich darauf, nahm ihr Bein zwischen seine Beine, um es zu stabilisieren.
"Eins." Er atmete tief durch, legte seine Finger um ihr Gelenk. "Zwei." Er renkte es abrupt wieder ein. "Drei." Darken blickte zu Lia, lächelte dünn. "Ich hab nie gesagt, ich drehs bei Drei um." Außerdem wars besser, wenn es unvorbereitet kam. Sanft strich er über ihr Gelenk, doch es fühlte sich wieder gut an.
Behutsam deckte er die Heilerin wieder zu und legte dann auch die Wärmflasche, die er inzwischen mit heißem Wasser gefüllt hatte, ans Fußende des Bettes. Darken hustete leise und gestattete sich, nun auch endlich einen Schluck von dem Tee zu nehmen, wobei er fast die Tasse fallen gelassen hatte, als ihn die Bilder eines Krieges überströmten. Sein Atem ging rascher, er stellte die Tasse fort, blickte zögernd zu Lia. Sie hätte recht mit der Kälte und dem Wärmen und ihm war so furchtbar kalt.
Seufzend entledigte er sich seines Shirts, öffnete dann seine Hose und zog sich aus, mußte unwillkürlich daran denken wie er sich in ihrem Zimmer wieder angezogen hatte. Was stellte er sich überhaupt so an? Schließlich hatte sie ihn schon in aller Ausführlichkeit nackt gesehen. Der Prinz zog sich ganz aus, hängte alle Kleider auf einem hölzernen kleinen Klappwäscheständer aus. Vermutlich waren öfter Jäger hier und gerieten in Unwetter oder dergleichen. Mit einem Handtuch trocknete er sich ab, sah dabei wieder nachdenklich zu Lia. Noch einmal trank er einen Schluck Tee, wärmte seine Hand an der heißen Tasse. Trotzdem verschwand die Kälte nicht und seine Glieder fühlten sich so schwer an.
Was ist eigentlich dein Problem, hm? Magst du Nähe nicht? Das ist doch das was normale Menschen tun, wolltest du nicht dazu gehören? Er trat näher zu dem Bett. Zum Glück war die Heilerin wohl wirklich schon etwas hinweggedämmert, so dass sie hoffentlich nicht viel von dem inneren Kampf mitbekam den der Prinz hier ausfocht und wieviel Überwindung es ihn kostete, hinter ihr ins Bett zu steigen und unter die Decke zu ihr zu kriechen. Es fühlte sich an als hätte er verloren und er wußte nichtmal was. Seufzend zog er die Decke und das Fell dicht um sie beide. Da Lia auf dem Rücken lag wegen ihrer Verletzung, lag es wohl an ihm sich an sie zu... schmiegen und ihr Körperwärme zu spenden.
Ja, das hast du jetzt davon, dass du unbedingt diese eine Vision gerade biegen wolltest. Vielleicht hatte er auch gar nichts verändert, vielleicht war alles genau so gekommen wie es sollte. Ermattet von dem Kampf im Fluss, vom Kampf um Lias Leben, vom Weg hierher und der Versorgung von ihnen beiden, drehte sich Darken schließlich zur Seite, rutschte langsam näher an die Heilerin heran bis er sich an ihren nackten Körper gedrückt hatte und seinen Arm über ihren Bauch legte. Er bemühte sich, nicht zu stark zu zittern, obwohl er es nicht wirklich abschütteln konnte und er immer mal wieder husten mußte. Müde kam sein Kopf an ihrer Schulter zum Ruhen. War doch alles egal... seine Augen fielen zu.
Unwillkürlich mußte er daran denken wie er in der Dunkelheit auf dem Rücken in seinem Bett gelegen hatte. Von draußen hatte er ihre Schritte auf dem Flur hören können. Der schwache Teil hoffend sie würde vorüber gehen. Aber er selbst hatte nur gedacht, solle sie doch nur kommen. Dieses Mal... dieses Mal würde er stark genug sein sie zu töten. Und dann kam sie, stieg zu ihm ins Bett, drückte ihren nackten Körper an ihn, streichelte ihn. Seine Gedanken waren längst zu einem weiteren Albtraum von ihm geworden. Sein Wille war da ihr etwas anzutun, ihr das Gesicht zu zerkratzen, sie zu beißen, treten, schlagen, aber immer war er wie gelähmt, bewegungsunfähig, dazu verdammt alles zu ertragen was sie ihm antat.
Irgendwann erwachte er keuchend, rutschte sofort von Lia fort. Er konnte das nicht, er war nicht soweit und er hatte ein Bett lieber für sich ganz allein. Darken war kurz davor, aufzustehen und sich auf den Boden zu legen. Er hatte schon oft auf hartem Boden geschlafen, es machte ihm nichts mehr aus. Das einzige was ihn davon abhielt, war, dass die Dea al Mon doch seine Körperwärme brauchte. Ach verdammt, warum kümmerte es ihn überhaupt? Der Prinz rückte wieder näher, schlief erneut vor Erschöpfung ein, wobei er immer heftiger zu atmen begann.
Im Traum fand er sich im Fluss wieder und dieses Mal war dort kein helfender Ast, sondern nur das reißende Wasser, das ihn erbarmunglos mitzog. Er versuchte dagegen anzukämpfen, gegen den Strom zu schwimmen, doch es war unmöglich und irgendetwas schweres an seinen Füßen drohte ihn zusätzlich nach unten zu ziehen. Die Wassermassen schlugen über ihn zusammen, er trieb in die Tiefe und als er herabsah, erkannte er, dass es Talian war, die ihn an den Füßen festhielt. Wild strampelte er, aber sie zog ihn weiter in sein nasses Grab.
"Lass los... Talian, lass los...", stöhnte er gequält auf, wobei er tief in sich drin wußte, dass nicht sie es war, die loslassen mußte, sondern er.