Re: Ein langer Weg
von Kosta » Mo 10. Okt 2022, 14:00
Kosta nickte erleichtert, als Eneas ihm versicherte, dass sie keine Pläne, Aufträge oder Ziele, weswegen sie einfach dahin gehen könnten, wo es sie hinverschlagen würde. Das war gut. Das gab ihm Zeit nachzudenken. Gab ihm die Zeit, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Zum Beispiel heraus zu finden, warum er nicht traurig war wegen Tileo. Eneas meinte nur, dass das nicht schlimm sei. Jeder würde anders mit Abschieden umgehen. Trotzdem. War das normal, wie er reagierte? Es konnte doch nicht sein, dass Eneas so traurig und unglücklich war und Kosta dagegen beinahe froh.
Schweigend sassen sie beieinander, während sie darauf warteten, dass die Pilze fertig wurden. Gedankenverloren schob Kosta sie mit eienr Holzkelle etwas hin und her, damit sie nicht anbrannten. Dass er nach dem Bier hatte schauen wollen, war längst wieder vergessen. Er war es auch zufrieden, einfach nach dem Essen zu schauen. Als es fertig war, füllte er ihrer beider Schalen, die Eneas ihnen bereit gestellt hatte. Es duftete köstlich und er freute sich darauf, davon zu probieren. Eneas war jedoch schon wieder weiter und am Planen. Irgendwann müssten sie zu einem Dorf, um ihre Vorräte aufzustocken. Kosta spürte unvermittelt wieder Druck auf seinen Schultern lasten und zuckte prompt etwas zusammen. Sachte zitternd setzte er sich wieder hin, nachdem er ihnen geschöpft hatte. Eneas' Kompliment hörte er schon gar nicht mehr.
"Müssen wir nicht", erwiderte er langsam und versuchte sich zu fassen. "Man kann jahrelang in der Wildnis leben, wenn man möchte. Man braucht in keine Dörfer zu gehen oder andere Menschen aufzusuchen." Eneas Erwartungen und Pläne und waren sie noch so klein, überforderten ihn sofort wieder. "Kannst du es nicht einfach einmal sein lassen?" fragte er leicht verzweifelt. "Kannst du nicht einfach mal los lassen? Sieh was auf dich zukommt. Lass dich treiben. Kannst du nicht einfach mal vertrauen und dich führen lassen? Wenigstens mal eine Stunde lang?" Wie sollte Eneas ihm glauben können, dass er ihm die Wahrheit sagte, wenn er sich nicht auf ihn einliess? Noch nicht einmal dann, wenn sie ohne Pläne, Aufträge und Ziele mitten im Wald sassen und er ihm sogar angeboten hatte, zu entscheiden, wohin sie gingen.
Kosta war der Appetit vergangen. Dabei hatte er noch keinen einzigen Bissen gehabt. Verloren starrte er auf seine Schüssel und fragte sich verzweifelt zum unzähligsten Mal, wie er Eneas Wünschen gerecht werden sollte. Und auch Eneas hängte seinen Gedanken nach, denn irgendwann seufzte er leise. Als Kosta ihn fragend anblickte, erklärte er, dass er nur an Tileo denken würde. Da auf der anderen Seite des Feuers wo ein leerer Platz sei, da würde er sitzen, wenn er noch bei ihnen wäre. Eneas vermutete, dass das Gefühl wieder gehen würde. Tileo hätte es jetzt ja gut bei seinen Eltern. Sie hätten etwas gutes getan.
"Ja, das haben wir", nickte Kosta. "Ich bin froh, dass er nicht mehr bei uns ist." Er wollte Tileo hier nicht haben. Er würde sich ewig um ihn sorgen. Dabei war er doch so unendlich erschöpft. Aber Eneas wollte Tileo gern bei sich haben. Oder irgend ein Kind? Wollte er jetzt Vater werden? Oder ging es mehr darum, dass er jemanden lieben konnte, der ihn bedingungslos zurück liebte? Konnte Eneas nur bei Kindern erkennen, dass er das hatte? Jemanden, der ihn bedingungslos liebte.
"Ich will keine Kinder haben, Eneas", platzte es aus ihm heraus. Eneas hatte gesagt, er solle für seine Wünsche einstehen. Aber eigentlich war sein Wunsch, Eneas glücklich zu machen. Wenn Eneas Kinder haben wollte, würde er ihm damit helfen, wenn er durfte. Aber dann konnten sie kein Paar sein. Kosta konnte sein Sklaventum nicht auf Kinder abfärben lassen. Wobei, doch, für Eneas würde er es können. So schrecklich der Gedanke auch war, der ihn nun heftig erzittern liess. Rasch stellte er seine noch gefüllte Schale auf das Schneidebrett ab, damit sie ihm nicht aus den Fingern glitt.