Re: Wiedersehen in Loraka
von Eneas » So 31. Jul 2022, 11:00
Eneas durchsuchte zusammen mit den anderen das dhemlanische Schiff. Viel Zeit sollten sie sich nicht damit lassen, doch er wollte so viel mitnehmen wie möglich. Sie hatten kaum Gelegenheit gehabt in Zamora Vorräte zu kaufen und in Loraka erst recht nicht. So mussten die Plündereien ausreichen. Solomon fluchte, weil er glaubte, es wäre nicht genug, doch es würde schon reichen. Sie mussten haushalten und auf frische Speisen verzichten. Die frischen Gerichte, die sie auf dem Schlachtschiff gefunden hatten, könnten sie heute gut für ein großes Essen nutzen. Nach all den Kämpfen hatten sie sich das verdient. Sie hatten riesiges Glück gehabt. Niemand von ihnen war gestorben oder schwer verletzt worden. Es beflügelte die Mannschaft und so herrschte bei der Plünderei eine ausgelassene Stimmung. Auch Eneas fühlte sich gut. Als wäre der schwere Ballast der letzten Tage von ihm abgefallen.
Er dachte an den Kampf zurück. Die Überraschung war auf ihrer Seite gewesen, die Dhemlaner etwas überrumpelt, doch sie hatten sich schnell genug wieder gefangen. Eneas' einziges Ziel war Lorcann gewesen. Er hatte den Mann nie zuvor gesehen. Es reichte Eneas zu wissen, dass jener Soldat Kosta verletzt und gedemütigt hatte. Das genügte, um den Fremden zu hassen.
An Eneas' Seite war dieses Mal nicht Kosta, sondern Prinz Malateste. Er kämpfte für drei und bahnte ihnen den Weg bis zu Lorcann. Auf Deck war es dicht gedrängt, mehr Dhemlaner, als Piraten, aber der Hass beflügelte sie. Eneas erkannte Lorcann gleich, obwohl er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Sein hochmütiger, entschlossener Blick und diese gewisse, aggressive Aura... es gab viele Lorcanns auf der Welt. Ihre Klingen berührten sich. Eneas hatte kaum Geduld für den Kampf, er wollte den Prinzen für Kosta töten. Der Gedanke an seinen Freund trieb Eneas weiter. Der Säbel fuhr durch die schwarze Uniform des Dhemlaners, Haut und Blut kam zurück. Eneas zog den Säbel zurück, stach ihn wieder hinein, riss ihn nach oben. Lorcann sah ihn mit offenen Augen an, fast fragend, weil er den Mann nicht kannte, der ihm dort gegenüber stand.
Der Rest des Kampfes war danach schnell gewonnen. Eneas wollte keine Gefangenen, doch er tötete auch niemanden, der sich ergab. Das Schlachtschiff besaß zwei Beiboote und mit ein wenig Proviant wurden die Männer dem offenen Meer überlassen. Es würde dauern bis sie die Küste erreicht hatten und bis dahin wäre die 'E' schon längst fort.
Während Eneas noch in der Kapitänskajüte nach wichtigen Dokumenten und anderen Fundstücken suchte, kam seine Freundin zu ihm, um nach ihm zu sehen und einige kleinere Blessuren zu versorgen. "Sind die anderen alle in Ordnung?", fragte Eneas gleich.
"Kosta geht es gut und dem Rest auch", antwortete Leto. "Sein Rücken ist fast gänzlich geheilt", nahm sie die Antwort auf Eneas' zweite Frage vorweg. Der Krieger lächelte erleichtert, trat zu seiner Gefährtin und umarmte sie.
"Du benötigst dringend ein Bad", befand Leto danach. Eneas grinste verschmitzt.
"Nachher." Erst wollte er dafür sorgen, dass die Wertsachen und Lebensmittel auf ihr Schiff kamen. Er war wieder auf Deck, als Kosta ihn per Speerfaden fragte, ob Maeve sich von Lorcann verabschieden könnte. Eneas konnte gerade noch Noyan und Cleos davon abhalten den Leichnam über Bord zu werfen. "Den noch nicht." Er besah sich Lorcann. Schön sah er nicht mehr aus und vorne in seiner Brust klaffte eine breite, längliche Wunde von der Kehle bis zum Bauch hinunter. Kosta konnte gut nähen, vielleicht konnte er den Leutnant noch einmal etwas herrichten.
Wenig später kam Kosta über die Planke zwischen beiden Schiffen zu ihm. Eneas lächelte ihn erfreut an, wollte ihn gern umarmen, hielt sich jedoch zurück. "Wie geht es Lady Winter?", fragte er. Laree und Kosta sollten ihm nachher einmal erklären, wer die Heilerin eigentlich genau war. Und was Kosta damit gemeint hatte, Laree wolle nicht zurück. "Er war ihr ehemaliger Gefährte oder?" Sie traten zu dem toten Dhemlaner. "Es tut mir leid für sie... ich hatte darauf keine Rücksicht nehmen können... spätestens in der Nähe Zamoras wäre er zu einer echten Bedrohung geworden. Kannst du ihn behelfsmäßig zusammenflicken oder sollen wir seine Brust mit einem Tuch verdecken?" Eneas war es auch nicht so wohl den Toten allzu lange anzustarren. Cleos und Noyan trugen einige Kisten hinüber zur 'E' und so waren die beiden Freunde für einen Moment alleine.
"Er hätte dir nicht weh tun sollen", sagte Eneas leise, "Niemand soll dir weh tun. Der Gedanke, dass du in Raej ganz allein auf dich gestellt warst... es war fast unerträglich." Er wandte den Blick von Lorcann ab. Dass nun der Dhemlaner tot war und nicht Kosta dort lag, es machte Eneas glücklich.