Re: Das Ritual
von Kalliope » Fr 21. Okt 2022, 19:32
Endlich machte er die Augen auf und dann lächelte er sie bloß träumerisch an wie als würde er nicht nackt und besudelt vor ihr liegen, übersäht mit Kratz- und Bissspuren, blauen Flecken und Rötungen überall. Kalliope war außer sich. Sie hatte heute morgen nur diskret alle leeren Weinflaschen entsorgen wollen wie sie es so oft tat bevor sich die Zimmermädchen um die Gemächer kümmerten. Sion kümmerte sich zwar nicht darum, wenn seine Untergebenen sich ihren Lastern hingaben, doch er reagierte sehr unbarmherzig, wenn die Arbeit und Effizienz derselbigen darunter litt. Kalliope wollte vermeiden, dass man über Andiëls hohen Alkoholkonsum sprach.
Die Priesterin hatte einen Schlüssel für die Zimmer, doch heute hatte sie keine leeren oder gar zerbrochenen Flaschen vorgefunden. Nicht eine einzige. Dafür roch es seltsam. Nicht der abgestandene Geruch eines einsamen Besäufnis. Anders.
Im Schlafzimmer hatte sie dann den Grund entdeckt. Andiël hatte nackt im Bett gelegen, die Decken fortgezogen und in einer seltsamen Position wie als hätte sich jemand an ihm vergangen und ihn dann einfach liegengelassen. Aufgewühlt fragte sie nach dem Täter und spürte sofort wie sich das lodernde Feuer der Rache in ihr regte. Sie schien machtlos dagegen. Vielleicht weil sie machtlos gegenüber Sion war. Sie war nur eine einzelne Priesterin. Sie konnte keinen Dämon aufhalten. Aber sie konnte etwas gegen die Menschen tun, die ihrer Familie geschadet hatten. Und Andiël war Familie.
Verzweifelt versuchte sie von ihm herauszubekommen was ihm passiert war, doch er murmelte nur etwas von Ciryon. Kalli konnte sich bald zusammenräumen, dass Andiëls Gehilfe hier oben gewesen war. Aber wieso? Hatte Andiël versucht ihn zu verführen? Die Priesterin mäßigte sich zur Ruhe und versuchte einfach nur für ihren Gefährten da zu sein, der sichtlich erschöpft von der Tortur wirkte. Als er sich umzudrehen versuchte, floss eine große Menge Samen aus ihm heraus. Gewiss mehr als von einem einzelnen Mann.
Kalliope wischte es mit mehreren Tüchern sanft fort. Wieder redete Andiël von Ciryon. Was hatte er denn plötzlich mit diesem Krieger?
"Inwiefern hast du ihm bei seiner Schüchternheit geholfen?", hakte sie mit sanfter Stimme nach und legte vorsichtig einen Arm um den Prinzen. Andiël lächelte vielsagend.
"Auf dem Sofa... er wollte eine mmmhhh... Umarmung...", erzählte er, "Dann hat er angefangen mich zu küssen... überall..." Er grinste breit. Mehr musste er eigentlich nicht erzählen. Kalli konnte sich auch so zusammenreimen, dass die beiden Sex gehabt hatten.
"Da hat er seine Schüchternheit aber schnell verloren", bemerkte sie nur. Andiël nickte heftig und ächzte als er versuchte sich erneut aufzusetzen.
"Ohh.. viel zu schnell... der ist gar nicht schüchtern. Jedenfalls nicht im Bett", bestätigte er. "Kalli, ich glaub, ich hab mich übernommen", klagte er dann.
Die Hayllierin verbiss sich ein Schmunzeln. "Was du nicht sagst", erwiderte sie. Behutsam half sie Andiël sich am Bettrand aufzusetzen. "Aber was ist danach passiert? Wer hat dich so zugerichtet?"
"Ciryon", wiederholte Andiël. Kalli hatte das Gefühl, sie drehten sich im Kreis.
"War er dabei? Haben sie ihn auch angegriffen?", fragte sie. Andiël blickte sie verwirrt an ehe er an sich herunterschaute. "Oh.. oh, du denkst... nein, das war Ciryon."
Die Priesterin riss die Augen erstaunt auf und erhob sich vom Bett. "Du willst mir sagen, das alles war dein kleiner Gehilfe?", fragte sie verblüfft. Andiël nickte.
"So klein ist er nicht. Da unten. Er hat da außerdem so ein dickes Metallpiercing...", bemerkte er versonnen. "Es sieht schlimmer aus als es ist, Kalli", beteuerte er. "Er ist eben was ungestüm."
"Hast du dich mal im Spiegel angesehen?! Das ist keine Kleinigkeit. Wo ist er überhaupt? Hat er dich einfach hier liegen gelassen?" Sie verschränkte die Arme verärgert. Zwar hätte sie niemals für möglich gehalten, dass Ciryon dazu imstande war, doch sie durfte nicht unterschätzen was für eine Macht das Leben im Schloss mit sich brachte. Sie hatten sich alle verändert.
"Er ist unerfahren. Er kann seine Kraft noch nicht richtig einschätzen oder sich bremsen", entschuldigte Andiël seinen neuen Liebhaber.
"Er lernt es besser schnell", beschwerte sich Kalliope, "Das sind ernsthafte Verletzungen, die wir uns momentan nicht erlauben können." Sie half ihm vorsichtig auf und brachte ihn Schritt für Schritt aus dem Schlafzimmer. Andiël wimmerte bei fast jedem Schritt.
"Es hat mich überrollt...", verteidigte er seinen Situation, "Und es war heiß... für einen Moment alles andere zu vergessen."
"Andiël, etwas geht im Schloss vor sich. Sie haben die Königinnen aus dem Kerker gebracht. Alienor hat es erwähnt", sagte Kalliope ernst. "Schwarze Witwen und Priesterinnen sind dauernd unterwegs und er bereitet Alienor auf irgendetwas vor. Etwas wird passieren. Schon bald." Sie führte Andiël ins Bad und half ihm dann dabei sich zu waschen. Ihr Blick fiel auf eine weitere Dose Gleitcreme, die vor dem Waschbecken geöffnet auf dem Boden lag. Die beiden waren ja wirklich überall zur Sache gegangen. Nun, es war besser als das Trinken oder?
"Die Nachrichten, die ich aus den Zeitungen halten muss, besagen, dass Haylls Truppen bald hier sein werden. Wir müssen nur bis dorthin durchhalten. Dann wird alles gut", sagte Andiël zuversichtlich. Kalliope schüttelte energisch den Kopf.
"Nein. Nein, ich glaube niemand im Schloss wird überleben. Er wird es nicht zulassen. Andiël, wir müssen hier weg und zwar bald", stellte sie ihn vor vollendete Tatsachen. Kalliope tupfte mit Wundsalbe über eine Bissspur an seiner Brust.
"Das haben wir schon öfter versucht. Sie wären sofort hinter uns her", gab Andiël zu bedenken.
"Vielleicht ist jetzt der beste Moment. Wo sie abgelenkt sind", sagte Kalli leise. "Aber du musst bereit sein. Kein Alkohol und kein brutaler Sex mit Ciryon", schärfte sie ein. Der Prinz blickte sie schmollend an ehe er ergeben seufzte.