Re: Das Ritual
von Ciryon » Di 18. Okt 2022, 18:17
Sachte landete seine Hand auf der nackten Brust des Prinzen. Sie fühlte sich fest und warm an. Eigentlich nicht unangenehm. So grundsätzlich. Dennoch hatte Ciryon das Gefühl seine Hand würde auf einer glühenden Eisenplatte liegen, die ihn unerbittlich verbrannte. Seine Beklemmung wurde immer intensiver und er dachte immer mehr daran, auf Abstand gehen zu wollen. Dabei wollte er doch lernen, das alles besser ertragen zu können. Nur schien er kläglich dabei zu versagen. Er verstand ja noch nicht einmal, was Prinz Sastre ihm alles mitteilen wollte. Das war alles so verwirrend.
Zu seiner Erleichterung schob der Prinz ihm seine Hand wieder von der Brust weg. Fragend blickte der Jüngling ihn an, ob er unzufrieden mit ihm sei. Gleich darauf musste er allerdings eifrig nicken. Ja, er war sehr verwirrt. Prinz Sastre war ihm deswegen glücklicherweise nicht böse. Stattdessen machte er sich sogar die Mühe, ihm alles auf einem anderen Weg zu erklären. Dass man es als junger Mensch nicht leicht hatte, herauszufinden, was man mochte und was nicht, weil man noch keine Erfahrung hätte oder allgemein wankelmütig sei. Das konnte Ciryon verstehen. Prinz Sastre fand es ausserdem gut, wenn Ciryon jetzt schon genau wisse, was ihm nicht gefalle. Er solle es ihm nur sagen. Zuerst vielleicht noch zwei, drei Atemzüge warten, um sich sicher zu sein und vielleicht auch um heraus zu finden, warum es ihm nicht gefiel. Danach sollte er es ihm sagen und sie würden etwas neues probieren.
Ciryon nickte erneut. Ja, das verstand er. Nur war er sich noch unsicher, ob er den Prinzen tatsächlich so zurück weisen durfte. Es würde ihn sicherlich verletzen. Prinz Sastre schien seine Gedanken zu erraten, denn er gab ihm auch die Erlaubnis ihn oder seine Hände fortzuschieben, wenn er sich nicht traute zu sagen, dass er es nicht mochte. Er würde nicht verärgert werden. Ciryon staunte nicht schlecht. Er konnte den Prinzen doch nicht von sich schieben. Das wäre so unhöflich. Seine Wangen färbten sich wieder leicht rosa. Nervös nagte er an seiner Unterlippe und wagte es schliesslich sogar, seine Hand aus der von Prinz Sastre zu ziehen. Ganz langsam und behutsam, so dass sie sich gar nicht mehr berührten. Angespannt erwartete er Schelte. Doch als nichts dergleichen passierte, blickte er scheu zu dem Prinzen auf, der ihn einfach nur freundlich anlächelte. Ciryons Herz machte einen Satz und er erwiderte schüchtern und ergeben das Lächeln.
Einfühlsam und hilfsbereit fuhr Prinz Sastre fort, dass es sein könne, dass sie viel ausprobieren würden und ihm trotzdem nichts davon gefiele. Ciryon machte ein erschrockenes Gesicht. Das sollte doch so nicht sein? Sie mussten möglichst viel finden, dass ihm gefiel, damit er Lady Lusian glücklich machen konnte. Prinz Sastre mahnte ihn, dass er den Fehler nicht nur bei sich selber suchen solle. Denn es könne auch an dem Prinzen liegen und dass Ciryon ihn nicht auf diese Weise mochte. Das verstand der junge Krieger schon wieder nicht mehr. Ciryon mochte den Prinzen doch sehr. Er wusste nicht, was auf diese Weise bedeuten sollte.
Prinz Sastre fand, dass er es deswegen nicht erzwingen solle. Schliesslich wäre es das erste Mal, dass sie ausserhalb der Arbeit so viel miteinander redeten. Ciryon nickte schüchtern. Das stimmte. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, überhaupt jemals mit jemandem so lange und ausführlich geredet zu haben. Das war etwas besonderes. Ensprechend erschreckte es ihn, dass es sein könne, dass es sein konnte, dass er die Berührungen des Prinzen womöglich erst in ein paar Monden mochte. Oder vielleicht sogar gar nie. Das wäre ja furchtbar.
"Ich vertraue Euch", stiess er inbrünstig aus. "Und ich mag Euch." Innig blickte er den Prinzen mit grossen, grünen Augen an. Flehentlich hoffte er, dass Prinz Sastre ihm glaubte. Er war ihm so dankbar, dass er sich so eine Mühe mit ihm gab und so sanft und geduldig mit ihm war. Es war ihm ein tiefes Bedürfnis, diese Freundlichkeit zurück zu geben.
"Und Ihr wärt mir wirklich nicht böse, wenn ich Euch darum bäte, auf dem Sofa etwas zurück zu rutschen und mir mehr Freiraum zu geben?" fragte er beschämt und ängstlich. Es kostete ihn viel Überwindung diese Frage zu stellen. Er kam sich so undankbar vor. Prinz Sastre hingegen schien es gar nicht zu stören. Lächelnd beteuerte er, dass er gar nichts dagegen hätte und rutschte zum Beweis auch etwas weg von ihm. Ciryon atmete erleichtert auf. Als er zu seiner Verwunderung sah, dass der Prinz noch weiter von ihm weg rutschte. Bis zum anderen Ende des Sofas. Da fragte er ihn, ob das weit genug sei.
Verdutzt blickte er den Prinzen an. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, dass dies ein Scherz sein musste. Scheu lächelte er Prinz Sastre an und rutschte ein ganz klein wenig näher, um zu signalisieren, dass der Abstand nicht ganz so gigantisch gross sein musste. Zehn Zentimeter weniger ginge auch. Wobei er sich so schon sehr viel wohler fühlte. So wohl, dass ihm der Abstand zwischen ihnen Beiden sogar etwas gross vorkam. Zumindest wenn sie noch weiter miteinander sprechen wollten, war es so selbst für Ciryon etwas komisch. Vorsichtig rutschte er auf dem glatten Ledersofa noch etwas näher. Das Möbelstück war allerdings wirklich sehr gross. Ciryon rutschte noch etwas näher an Prinz Sastre heran. So war es dann gut. So konnte er es aushalten und es war ihm immer noch angenehm.
Dabei kam ihm jedoch in den Sinn, dass er Prinz Sastre wirklich sehr gerne mochte und dass er ja hatte üben wollen, Nähe und Berührungen gut zu finden. Vielleicht konnte er es wagen, noch etwas näher zu rutschen. Behutsam probierte Ciryon es aus. Der Rutscher wurde schon etwas kleiner als die anderen zuvor. Er war nervös. Doch es ging. Konzentriert arbeitete er sich weiter vor und war so in Gedanken versunken, dass er Prinz Sastre gar nicht anschaute. Stattdessen betrachtete er nur den Abstand zwischen ihnen, der sich Stück für Stück verringerte, bis sie nur noch eine Hand breit Platz zwischen ihnen hatten.
Das war dann allerdings auch komisch. Zu nahe, um miteinander zu sprechen. Eher um zu kuscheln, wie Ciryon von Lady Lusian wusste. Etwas, was sie sehr gerne tat, ihn jedoch immer in tiefste Verwirrung und Panik stürzte. Jetzt hingegen ging es mit der Nähe zu Prinz Sastre eigentlich ganz gut. Aus einem Impuls heraus, lehnte er sich etwas zu dem Prinzen hinüber und legte ihm behutsam seinen Kopf auf die Schulter, anstatt wieder zurück zu rutschen.
"Mögt Ihr mich im Arm halten?" fragte er atemlos und kaum hörbar. Sein Herz wummerte wie verrückt in seiner Brust. Es tat weh. Trotzdem war es anders als sonst. Unbewusst sandte er mit seiner Frage ein Bild seiner Vorstellung, wie er dachte, dass Prinz Sastre ihm einen Arm um die Schulter legen konnte. Sehr locker, aber dennoch behütend. Behutsam kam sein Arbeitgeber seinem unerkanntem Wunsch nach. Sachte legte er seinen starken Arm um ihn und schien ihn vor der ganzen Welt zu beschützen. Ciron erschauderte unwillkürlich und ein sehnsüchtiges Wimmern entfloh ganz von selbst von seinen Lippen. Ihm war, als wäre sein Herz, sein innerstes mit Steinen behängt gewesen, die nun alle abfielen. Als könne er seit langer, langer Zeit zum ersten Mal wieder durchatmen. Es war, als könne er fliegen.
"Das ist wunderschön", hauchte er tief ergriffen. Tränen rannen ihm plötzlich über die Wangen vor lauter Erleichterung. Der junge Krieger verstand nicht, was mit ihm passierte. Warum es ihm plötzlich gefiel. Es war einfach nur schön, behütet in Prinz Sastres Arm zu sitzen. Er schluchtzte leise vor lauter Überwältigung. Sein schlanker Körper bebte immer mal wieder erschaudernd.