Re: Der Verrat
von Kosta » Sa 20. Aug 2022, 20:40
"Ich habe dich kaum belogen, Zucker", beteuerte Kosta treuherzig. "Meine Geschichten sind wahr, auch wenn sie dir unglaubwürdig erscheinen." Sein ganzes Leben, er war offensichtlich unglaubwürdig. Das tat weh. Dabei war er es doch eigentlich gewohnt, dass seine eigenen Wünsche, sein Ich, seltsam und nicht richtig waren. Dass Zucker das als ein Kompliment gemeint hatte, mit den interessanten Geschichten und Persönlichkeiten nahm Kosta nicht an an. Dazu hatte der Prinz eine zu verschlossene Körperhaltung.
"Und meine vielen Persönlichkeiten... das stimmt doch nicht. Ich habe... ich habe nur eine Persönlichkeit. Ich... ich bin einfach so, wie mein Gegenüber mich hätte. Also meistens. Du kennst das doch", versuchte er sich hilflos zu erklären, in der Hoffnung, Zucker als ehemaliger Sklave verstünde ihn. Als Sklave passte man sich meistens möglichst gut an. Dass er selber besonders fügsam war, wusste Kosta zwar, aber er wusste selbst nicht, wie empathisch veranlagt er tatsächlich war.
"Gualterio Malateste war schon immer ihr wahrer Hauptmann", schüttelte Kosta seinen Kopf. "Auch wenn er die letzten zwanzig Jahre nicht offiziell gedient hat. Nun aber ist Krieg und ein starker Kriegerprinz mit jahrelanger Kriegserfahrung vonnöten. Sobald er seinen Entzug durchgestanden hat, wird er Prinz di Ragie wieder ablösen." Wenigstens war das glaubhaft genug, dass Prinz Rashar zustimmend nicken konnte.
Als es jedoch um seine Person ging, wollten sie genauere Beweise. Kosta rief das Siegel herbei, welches ihm Einlass bis zu den Privatflügel der Königin verschaffte und zeigte es den beiden Prinzen. Wie befürchtet sagte es ihnen nicht all zu viel. Woher sollten sie auch genau wissen, wie Timaris Siegel aussah? Schliesslich dienten sie nicht als Wachen im draeger Palast.
"Sie hat mich nicht offiziel hier her geschickt", erklärte Kosta noch einmal. "Im Gegenteil, wie gesagt, haben mir viele von dieser Reise abgeraten. Doch der offizielle Bote kommt bald. Ich kann den Kontakt zu ihm herstellen, wenn Ihr wünscht, Prinz Rashar. Und bis dahin... möchtet Ihr eine Erinnerung von meinem letzten Besuch gezeigt bekommen?" Halbherzig stimmte Zucker zu und Kosta konzentrierte sich auf seine Erinnerung, bemüht, Damiens und die Gesichter der anderen Sklaven nicht zu zeigen.
Demütig kniete er sich zu ihr vor das Sofa und blickte ergeben zu ihr auf.
"Eigentlich wollte ich mehr nach einer Aufgabe für ... fragen", korrigierte sich Kosta leise, nachdem sich die anderen auf Timaris Wink hin auf die anderen Sofas und Sessel verteilt hatten. "Er würde dir gerne dienen. Vielleicht auch als Gärtner oder als Leibwächter. Ich durfte feststellen, dass er ziemlich gut kämpfen kann." Fragend und ziemlich skeptisch blickte seine Königin ihn an und schaute dann zu dem versklavten Prinzen.
"Die Mannschaft der 'E..." Kosta brach die Stimme und er brachte es nicht fertig, den Namen seines Freundes auszusprechen. Weder den einen noch den anderen. Zu sehr schnitt es ihm ins Herz, ihn zu verlassen und ihn somit in gewisser Weise auch zu verraten. "Die Mannschaft", wiederholte deswegen nur. "Wie ... sagte, hatte sie eine sehr anstrengende und gefährliche Reise durch Raej und zuvor waren wir auf einer Hetzjagd durch alle Meere, um ein entführtes Mädchen zu befreien. Sie hat sich etwas Erholung verdient", sprach er für seine Freunde. "Doch selbstverständlich ist sie bereit, eine Aufgabe von dir zu übernehmen, solltest du ihre Hilfe benötigen. Und meine Aufgabe steht sowieso fest. Deswegen bleibt eigentlich nur noch Nathaniel, der..."
"Deine Aufgabe?" wurde er von der Königin mit seidener, leiser Stimme unterbrochen. Sie hatte ihm ihre Finger in seine Haare gekrallt und zwang ihn so, sie anzusehen. Willig liess er es geschehen und blickte ergeben zu ihr auf.
"Ich bin der Einzige, den du hier entbehren kannst, der mit der sechsten Kompanie und den raejer Rebellen Kontakt aufnehmen kann", erklärte er arglos und fragte sich noch verwundert, warum Timaris so ausschaute als hätte sie gewollt, er hätte nicht weiter gesprochen, als ihn eine Ohrfeige auch schon zum Verstummen brachte. Saftig, doch nicht so hart wie gewohnt.
"Das ist noch immer meine Entscheidung, wann, wo und wie ich dich in den Tod schicken werde", zischte seine Königin eisig. Doch ihre Augen wurden nicht von dem Eis erreicht. Diese wirkten eher traurig.
"Aber sie werden niemand anderem glauben, ausser mir", wagte Kosta leise zu widersprechen und berührte sie ganz zärtlich am Knie. Verschwieg, dass er sich noch nicht einmal sicher war, ob sie ihm glauben würden. Doch es war unleugbar, dass er zumindest die besten Chancen hatte.
Ein Mann, den Kosta nicht genau zeigte, erhob heftigen Einspruch.
"Ich habe NICHTS aus Raej vergessen", antwortete Kosta ... mit schneidender Stimme, die für Timaris überraschend kam. Fragend blickte sie den Prinzen an, ob das öfters bei Kosta vorkam. So hart und verschlossen kannte sie ihn gar nicht. Der Krieger schaute auch gar nicht zu seinem Freund, sondern blickte unverwand zu ihr hoch. "Ich habe KEINE Sekunde aus Raej vergessen und was dort alles getan werden musste. Weder Lorcanns metallbeschlagene Schwertscheide, noch die Geräusche, als die Raejer erschossen worden sind, noch das stinkende Klo im Schwarzen Kessel, noch das Knacken von Boverts Genick, als ich es ihm gebrochen habe, noch all die anderen Dinge. Selbst wenn ich in Loraka gesucht werde, nehmen die wohl kaum an, dass ich noch da bin. Wir sind ja alle auf der... dem Schiff geflohen und haben noch mehrere gegnerische Schiffe im Hafen versenkt. Wer wäre da so blöd, zurück zu kehren. Ausserdem habe ich nicht vor zurück nach Loraka zu gehen. Die sechste ist viel weiter im Landesinneren stationiert. Von der Mannschaft werde ich mich morgen verabschieden. Bitte, Herrin", flehte er sie nun nach der leidenschaftlichen Verteidigung wieder sanft und unterwürfig an. "Bitte lass mich gehen. Selbst wenn ich nicht der einzige wäre, der gehen könnte. Ich möchte Hayll helfen. Ich möchte dir helfen." Und dann schlug er unvermutet seine Lider nieder. "Und ich möchte einem Freund helfen, den ich sehr, sehr gerne habe. Ich möchte ihm helfen, den Krieg zu überstehen und seinen Frieden zu finden. Er hat es nicht verdient dort zu sein, wo er jetzt ist."
Kosta stockte und wurde verlegen rosa auf den Wangen. Vor lauter darauf achten, dass er Damien schützte und verbarg, hatte er viel zu viel von sich selber preisgegeben. Hastig sammelte er sich und versucht sich auf den Rest der Erinnerung zu konzentrieren.
Da legte ihm Timaris unvermittelt ihren schlanken Finger auf seine Lippen. Er sollte wohl schweigen. Auch auf mentaler Ebene. Also verstummte Kosta und senkte demütig seinen Kopf, wartete ergeben auf ihr Urteil oder weitere Fragen die nun kommen mochten. Doch irgendwie wusste er, dass er nicht mehr weiter für sich sprechen konnte und nun alles von seiner Königin abhing. Trotz der Angst war dies ein erfüllendes Gefühl. Das einzige positive seit einer Ewigkeit, wie es ihm vorkam.
"In Ordnung", war schliesslich Timaris tonlose, leise Stimme zu hören. "Wenn dir das so wichtig ist, Kosta, werde ich dich von deinem jetztigen Auftrag abziehen und dich als mein offizieler Bote nach Raej schicken. Ich erwarte aber von dir, dass du uns da zum Sieg verhilfst und unversehrt wieder zurück kommst. Wenn du mit diesen Bedingungen einverstanden bist, werde ich dich ziehen lassen."
Kosta blinzelte erstaunt, als er diese Antwort hörte, ohne sie so ganz zu realisieren. Er durfte nach Raej. Das war alles was zählte. Mit klopfendem Herzen verneigte er sich tief und presste seine Stirn gegen den Boden. "Mein Leben gehört ganz dir, Herrin", bedankte er sich ergeben.