Re: Jagd nach Fjirell Uleste
von Eneas » Do 21. Jul 2022, 19:36
Eneas überlegte, welchen Hafen sie als nächstes ansteuern sollten. Sie konnten die Frauen nicht auf dem Schiff behandeln, jedenfalls nicht auf lange Sicht. Und er musste der Provinzkönigin bescheid geben, so dass sie sich mit Prinz Uleste und seinen Dienern auseinandersetzte. Es würde heikel werden, denn soweit Eneas wusste war der adelige Prinz reich und relativ angesehen. Vermutlich gehörte ihm sogar die Insel. Sklaven zu besitzen war nicht verboten. Eine freie Frau zu entführen und zu versklaven allerdings schon. Nur konnten sie auch beweisen, dass Siandra frei gewesen war? Er musste Julia nach den Papieren fragen. Was den anderen Frauen betraf, die sie gefunden hatte, wusste Eneas es nicht. Er würde den Fall vor die Provinzkönigin müssen, um Uleste in die Schranken zu verweisen. Allerdings wurde auch Eneas als Pirat gesucht und hatte schon öfter die Gewässer um Chaillot herum unsicher gemacht. Die Königin würde ihm also nicht unbedingt mit Freundlichkeit begegnen, ihn vielleicht sogar festsetzen wollen. Womöglich konnte Timaris helfen...
Der Kapitän der 'E' überlegte noch, während er nachsah wie es seiner Mannschaft ging. Inzwischen hatte Kosta sicher Damien gesendet, dass er sich um die Wachen am großen Steg kümmern sollte, damit sie anlegen konnten. Ein Teil seiner Leute plünderten bereits die Villa, die anderen sahen nach den Frauen oder bewachten die überlebenden Diener. Sie würden sie als Gefangene mitnehmen und der Königin übergeben.
Eneas trat zu Olintes, der gerade versuchte eine der Frauen zu beruhigen, die hysterisch zu fliehen versuchte, schrie und weinte. Als Olintes sie berührte, fiel sie prompt in Ohnmacht. "Ich kümmere mich darum. Geh vor zum Anlegesteg und sorg dafür, dass der Weg frei ist", trug Eneas ihm auf, hob die Hexe behutsam in seine Arme. Wie war sie hier gelandet? Suchte sie jemand?
Vorsichtig drückte er sie an sich, trug sie aus dem Zimmer. Er erhielt einen Speerfaden von Damien, dass die Lage an der Küste sicher wäre. Sie hätten einen der Wächter gefesselt, die anderen wären tot.
Der Krieger teilte dies Kayne und Julia mit, die sich energisch mit Kosta unterhielten, der alles versuchte, um besonders den Prinzen zu beruhigen. Eneas konnte ihm seine Emotionen nachfühlen, aber es gab nichts was sie tun konnten außer einen Schritt vor den anderen zu setzen.
In seinen Armen murmelte die Hexe etwas erschöpft. Eneas betrachtete sie besorgt. "Es ist jetzt vorbei", sagte er ihr, wissend wie hohl und unwahr diese Worte sein mochten. Leto kam aus dem Raum, wo Siandra war, erklärte was los war ehe sie Kosta sagte, dass sie die Piercings nicht hatte entfernen wollen. Piercings? Was hatte Uleste mit Siandra gemacht? Sie war doch noch fast ein Kind.
Dass Leto es in ihrer eigenen Sprache sagte, schien wiederum Julia aufzuregen. Die Nerven lagen überall blank. Eneas kam langsam näher, doch Kosta war bereits schon fast schützend vor Leto getreten und vermittelte.
"Piercings?", fragte Kayne nun auch entsetzt. "Dieses Schwein hat sie gepierct? Wo?"
"An intimen Stellen", sagte Leto dieses Mal offen. "Sie tun ihr nicht weh, aber ich möchte ihren Körper im Moment nicht belasten indem ich sie entferne."
Der Prinz schien nicht zu wissen was er sagen sollte, schüttelte ein weiteres Mal fassungslos den Kopf. "Danke", brachte er knapp heraus, betrat das Zimmer. "War viel zu heilen?", fragte Eneas leise. Seine Freundin schüttelte den Kopf, wollte sich gleich um das Mädchen auf seinem Arm kümmern.
"Auf dem Schiff. Für den Moment bin ich ganz froh, dass sie nicht mehr panisch ist", erklärte Eneas traurig lächelnd. Leto strich ihm über die Schulter, nickte.
"Wieviele andere habt ihr gefunden?", fragte sie.
"Noch zwei weitere", antwortete Eneas, wartete noch bis Kayne und Julia mit Siandra wiederkamen. "Iason, hilfst du Lucero mit den anderen beiden Frauen?" Olintes rettete sehr gerne Frauen in Not, doch Kosta war sehr gut darin jemanden zu beruhigen. Währenddessen trug Eneas die Hexe auf seinem Arm vorsichtig die Treppen hinunter. Ein Blick in einem Raum zeigte ihm Cleos, der gerade eine Schmuckkassette aufzubrechen versuchte. Der ehemalige Sklave hob den Kopf, wie als hätte er Eneas' Blicke gespürt, nickte ihm zu. Er war nun schon über fünfzig Jahre dabei, nachdem sie ihn befreit hatten. Auch er hatte eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Manchmal hatte Eneas das Gefühl, sie wären alle hier an der 'E' gestrandet. Schiffbrüchige vom wirklichen Leben. Eneas konnte sich nicht beklagen. Er liebte sein Leben so wie es jetzt war. Es ist gut so wie alles gekommen ist.
Als sie das Haus verließen und eine kühlere Brise über seine Haut strich, schlug die Hexe auf seinen Armen wieder die Augen auf. Sie war dünn, mit dunkelbrauner Haut. Bloß ein rotes Leibchen bedeckte ihren Körper. Eneas sah tiefe Striemen an den Schenkeln. Ihre Augen schienen riesig, dunkle Seen, die ihn jetzt anstarrten.
"Es ist gut... schhh... ganz ruhig... ich bringe dich hier weg... ich werde dir nichts tun", erklärte er ihr in sanfter Stimme. Es spielte keine Rolle was er sagte solange der Klang seiner Stimme friedlich war. Eneas sah nach den anderen. Leto hatte wieder ihr Schwert gezogen, beobachtete die Umgebung, als sie durch den Wald gingen. Die schwüle Luft drückte auf ihn nieder, sein Hemd klebte bald an seinem Körper.
Unbeschadet kamen sie zum Schiff, wo noch die Spuren eines raschen Kampfes auf dem Steg zu sehen war. Das Holz war hie und da blutig gefärbt, zwei Tote lagen an der Seite. Noyan saß Beine baumelnd auf einem der Pole wo das Schiff angetäut war. Mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck blickte er über den Steg. Damien sah Eneas dagegen an der Ladeluke stehen.
"Ist niemand auf das Schiff gekommen?", fragte er, an die anderen auf der 'E' denkend.
"Sie haben es versucht." Noyan grinste. "Nicht besonders lange."
"Nimm leere Truhen und bring sie zum Anwesen. Es gibt einiges zum Mitnehmen", wies Eneas den Freibeuter an, wissend, dass ihm die Aufgabe besser gefallen würde als sich um die Opfer zu kümmern. Noyan nickte, sprang lax vom Pol und eilte die Planke hinauf in den Schiffsbauch. Maria war auch näher gekommen.
"Sind zwei Kojen vorbereitet?", fragte Eneas die Heilerin, als er Noyan die Planke hoch folgte. Maria sah hinter ihn zu Siandra.
"Oh, ihr habt sie gefunden! Das ist sie oder? Siandra", freute sie sich. "Ja, es ist alles vorbereitet." Eneas folgte ihr und trug die Hexe zu einer der Kojen, wo er sie vorsichtig auf ein Bett legte. Sofort wurde das Mädchen unruhig, ihre Arme klammerten sich plötzlich um seinen Hals.
"Es passiert dir nichts, du bist in Sicherheit", beruhigte Eneas sie. "Du bist keine Sklavin mehr. Keine Sklavin. Frei."