Re: Kostas Entführung
von Eneas » Mo 8. Aug 2022, 19:16
Natürlich würde man das vergiftete Blut nicht nach Dhemlan schicken, denn es gab dort auch gute Menschen. In der Mannschaft selbst befanden sich Dhemlaner und Eneas war auch mit einigen befreundet. Er hoffte inständig dass es bald eine Lösung gab Sion von seinem Thron zu stoßen, wo er sowieso nichts zu suchen hatte.
"Ein Dämon also? Das erklärt einiges." Eneas schüttelte den Kopf leicht schockiert. Damit hatte er nicht wirklich gerechnet, anderseits sollte es ihn nicht überraschen nach allem was man so von Sion hörte. "Jemand sollte ihn zurück in die Hölle schicken." Am besten ohne Rückkehrmöglichkeit. Eneas hatte noch nie gehört, dass solch ein Wesen diese Ebene verlassen konnte.
Er konnte sich nicht bremsen, suchte nach weiteren Möglichkeiten Timaris im Kampf zu unterstützen. Selbst wenn es so draufgängerische Vorschläge waren wie Schwarze Witwen zu entführen. Timaris grinste daraufhin, meinte, sie benötigten nur eine Schwarze Witwe und das wäre Zorya Earcir.
"Dummerweise habe ich bisher nicht mitbekommen, dass sie Dhemlan oft verlässt." Ansonsten wäre es mit dunklen Juwelen womöglich sogar machbar gewesen.
Es gab bald keine Vorschläge mehr, die ihm noch einfielen und Timaris musste zurück zum Palast. Eneas hoffte, sie würde nicht gleich zu arbeiten beginnen, sondern sich stattdessen ausruhen. Allerdings standen die Chancen hier für nicht sonderlich hoch. Die Königin versprach, dass sie Kosta bis zum Brief noch bei sich behalten würde. Dann erwähnte sie seltsamerweise Eneas' Geburtstag. Er lächelte sanft.
"Darüber würde ich mich sehr freuen." Er war froh, dass sie sich nicht mehr endgültig von ihm verabschieden wollte so wie es bei dem Abschiedskuss noch gewirkt hatte. Eneas geleitete sie nach oben an Deck, wo Prinz Thalasch schon ungeduldig zu warten schien und sie besorgt in ihre Arme zog. Etwas, wogegen die Königin sich erst einmal wehrte. Insgeheim genoss sie es wahrscheinlich schon.
"Danke für euren Besuch. Danke für deine Ratschläge", bedankte Eneas sich noch einmal bei Timaris.
Die Mannschaft stand an der Reling, blickte der Königin nach wie sie die Kutsche bestieg und davon fuhr. Eneas sah ihr länger nach, bemerkte so nicht die eindeutig neugierigen Blicke der anderen.
"Was? Habt ihr nichts zu tun?", fragte Eneas, als er es bemerkte.
"Stimmt es? Was Kosta gesagt hat", fragte Olintes als erstes. Eneas nickte.
"Kein Wort zu niemanden", schärfte er ein.
Farell fluchte unflätig. "Scheiße, was machen wir jetzt? Nach Dhemlan zu schippern is ne Nummer zu groß für uns."
"Wir bleiben noch zwei Tage hier. Dann segeln wir nach Mineva. Die Königin möchte einige Kinder in Sicherheit in Nuranessa wissen. Das ist vorerst alles was wir tun können", erklärte der Kapitän. "Was immer ihr in Draega noch machen möchtet, tut es bald. Ulysses, kannst du Laertes benachrichtigen? Ich würde ihn gerne vorher noch sehen." Sein Freund nickte, kam näher.
"Und... habt ihr auch über... den Streit gesprochen?", erkundigte er sich. Eneas wurde seltsam beklommen zumute. Hastig nickte. Er wollte nicht zu viel sagen.
Gemeinsam mit Damien ging er zurück in die Messe, sie aßen noch etwas Frühstück, wobei das Essen kaum angetastet wurde. Sie planten vielmehr die Reiseroute und ob sie in Draega eine Handelslieferung nach Mineva mitnehmen könnten.
"Amancio wollte sowieso zum Hafenkontor, er wird was auftreiben", meinte Damien, legte die Füße hoch auf die Bank, ein Stiefel auf dem anderen. "Also... Kosta. Rückt die Königin ihn raus?" Er grinste.
Eneas verbarg seine Miene kurz indem er einen tiefen Schluck Tee nahm. "So einfach ist das nicht... ich.. ich muss vorher den Streit mit Leto in Ordnung bringen und mit ihr reden..."
Damien nickte wissend, sagte nichts mehr dazu. Es dauerte auch nicht mehr lange bis Leto zurück an Bord war. Das war gut, schätzte Eneas, denn die Warterei machte ihn sehr nervös. Wenn er das jetzt nicht los wurde, machte er vielleicht einen Rückzieher. Nein, er wollte Kosta nicht verlieren - oder zumindest nicht die Chance auf ihn. Er musste jetzt da durch.
Leto kam mit drei Kisten Vorräte zum Trinken zurück, stapelte sie neben der Kombüse und begann eine Liste abzuhaken. Eneas näherte sich ihr vorsichtig.
"Wie war das Treffen?", fragte sie, wischte sich eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Es gab sehr viel neues zu erfahren und... können wir kurz reden?", erwiderte Eneas, wippte nervös mit einem Fuß. Die Heilerin stellte zwei Flaschen zurück, richtete sich auf. Ernst sah sie Eneas an, doch da war fast so etwas wie Unsicherheit in dem schlanken Gesicht zu sehen.
Der Weg zur Kapitänskajüte kam Eneas quälend lang vor, ein unangenehmes Schweigen lag zwischen ihnen. Seine Beine fühlten sich weich an. Auf der Hälfte des Weges kam ihm der Gedanke, dass es eine scheiß Idee war ausgerechnet jetzt mit ihr zu reden. Er versuchte immer noch zu begreifen, dass zum einen seine Ex-Freundin schwer vergiftet war und zum anderen... dass Kosta... dass er viel mehr für ihn empfand als er sich eingestanden hatte.
Leto lehnte sich gegen den Schreibtisch in der Kajüte, verschränkte die Arme abwehrend. "Was willst du mir sagen?", fragte sie.
Eneas räusperte sich. "Also zunächst einmal... der Streit gestern, das tut mir leid. Ich habe dich nicht vergessen gehabt, die Entscheidung abzulegen, das kam so plötzlich, das war eine Bauchentscheidung. Du bedeutest mir sehr viel.." Eneas kam näher, streichelte sanft über ihre Arme, sah sie an. Nein, verdammt, was machte er da? Er sollte sie nicht streicheln, wenn er eigentlich eine Trennung... Eneas zog seine Hände rasch zurück. Ach, aber er hatte sie auch gern, er liebte sie und das hier war schwer.
"Red nicht drum herum. Eneas, ich halte das nicht aus. Sag mir, was du sagen willst", forderte Leto.
"Der Streit mit.. Kosta.. ich weiß nicht wieso er so wütend geworden ist, aber ich will das wieder gut machen und ihn zurückholen. Ich kann ihn nicht verlieren. Nur ist das nicht fair dir gegenüber und...", begann Eneas umständlich.
"Weißt du was, ich hab mich umentschieden", unterbrach die Hayllierin ihn plötzlich, schob sich rasch an ihm vorbei. "Ich will das nicht hören, ich sortiere lieber Flaschen. Mach was du tun musst, damit er zurück auf Schiff kommt. Es ist mir egal." Sie öffnete die Türe. Eneas war für einen Moment perplex, folgte ihr dann hinaus.
"Leto... ich möchte dir das erklären. Ich glaube nicht, dass dir das egal ist." Er fasste sie an der Schulter ehe sie zurück in die Messe stürmen konnte. Die Heilerin hielt inne, lehnte sich gegen die leicht gewölbte Holzwand. Im Zwielicht erkannte man nicht gleich die Tränen an den Wimpern.
"Es ist vorbei oder?", hauchte sie erstickt.
"Ja", konnte Eneas nur zugeben. Er hatte einen Kloß im Hals.
"Ich hab dich nie vor die Wahl gestellt. Ich dachte, das reicht, dass wir beide eine Chance haben", sagte Leto leise. Eneas sah sie bestürzt an. Es schmerzte ihn selbst ihr so weh tun zu müssen.
"Ich will ihn nicht verlieren", wiederholte der Krieger flüsternd. "Ich musste mich entscheiden... glaub mir, ich liebe dich. Auch jetzt, doch..."
Leto lächelte gequält, strich sich mit den Fingerspitzen unter den Augen entlang, um die Tränen abzuhalten. "Ihn liebst du mehr", beendete sie seinen Satz. Sie schwieg einen Moment. Eneas hatte keine Ahnung was er sagen sollte. Anscheinend hatte Leto bereits mehr geschlussfolgert, als er vermutet hatte. "War es jemals eine richtige Entscheidung?", fragte sie dann.
"Leto...", begann der Krieger gequält.
"Ich habe mein gesamtes Leben für dich geändert", hielt die Heilerin ihm vorwurfsvoll vor. "Das habe ich für dich getan. Ich... liebe dich. Können wir es nicht versuchen... ich, oh hölle, ich hab mir geschworen, ich bettle nicht, wenns soweit ist." Leto schniefte, fächerte sich mit einer Hand Luft zu. "Du bist ein Arsch, Eneas Ivores. Zehn Jahre lang hast du mir Hoffnungen gemacht!", steigerte sie sich abrupt in eine Wut hinein, stieß ihm gegen die Brust. Der Krieger konnte dies alles nur hilflos mit ansehen.
"Es tut mir doch auch weh", verteidigte er sich. Überraschenderweise aber längst nicht so schwer wie Leto, der wieder Tränen über die Wangen rannen. Eneas hätte sie so gerne getröstet, alle Worte wieder zurückgenommen. Sie hatte ja Recht. Er hatte ihr grundlos Hoffnungen gemacht. "Ich habe erst jetzt, wo er nicht mehr da ist, realisiert wie wichtig und besonders er für mich ist. Diese offene Beziehung tut uns allen drein nur weh. Leto, es tut mir so leid."
Die Heilerin hatte sich wieder umgedreht, ging energisch weiter und betrat die Messe. Vissarion, der gerade dabei war, die Reste des Frühstücks in sich hineinzustopen, ließ das Brot fallen und verkrümelte sich rasch sobald er nur einen Blick auf Leto geworfen hatte. Sie kniete sich neben die Kisten mit den Flaschen, begann sie auszuräumen. Hilflos stand Eneas daneben.
"Es tut mir leid", wiederholte er. "Es waren doch auch schöne zehn Jahre... du bist eine tolle Frau, schön und klug und.."
Leto starrte wütend zu ihm hoch, die Strähnen wild ins Gesicht hängend. Ein Blick, der ihn augenblicklich verstummen ließ.
"Lass mich in Ruhe. Ich will das hier zuende machen", beharrte sie. "Wir brauchen auch noch Gemüse. Wir..." Sie verstummte, blickte die Spiegelung in der Flasche an. "Das hier ist auch mein Schiff. Meine Freunde."
Daran hatte Eneas noch gar nicht gedacht. Das konnte er ihr nicht antun. Sie nach zehn Jahren rausschmeißen. Er war länger mit ihr zusammen, als er sonst je eine Freundin mit auf dem Schiff gehabt hatte. "Du bist Teil der Mannschaft. Du kannst hier bleiben...", setzte er zögerlich an.
"Und dir und Kostas neuem Glück zusehen? Nein danke, das brauche ich nicht. Ich sortiere die Flaschen noch...", lehnte die Heilerin ab.
"Du musst das nicht machen, ich kann doch auch-" Eneas wollte ihr zur Hand gehen, aber Leto schlug sofort seine Hand beiseite.
"Kapierst dus nicht? Du sollst mich in Ruhe lassen! Los, geh, geh zu deiner großen Liebe!", warf sie ihm vor, kehrte ihm den Rücken zu. Ihre Schultern zitterten. Eneas spürte nun auch wie ihm die Augen feucht wurden.
"Ich habe dir nie weh tun wollen", wollte er sie trösten.
"Hau endlich ab!", schrie Leto ohne ihn anzusehen und da zog sich Eneas doch eiligst zurück.