Re: Sklaven für Hayll
von Kosta » Mi 17. Aug 2022, 17:45
Waren die Gassen von Garois schon immer so vollgedrängt gewesen? Ja, wahrscheinlich schon. Nur kamen sie Kosta jetzt gerade besonders gedrängt vor, weil er es so eilig hatte, wieder zum Hotel zurück zu kommen. Vielleicht waren aber auch tatsächlich mehr Menschen unterwegs. Sklaven, die zu fliehen versuchten, gierige Menschen, die sie einfachen wollten, schaulustige Neugierige, aufgebrachte Bürger, die zu ihrem Stammtreff wollten, um die Geschehnisse zu besprechen, wachen, die für Ordnung sorgen wollten. Und natürlich beinahe die gesamte garoiser Unterweld, wie es Kosta scheinen wollte.
Ihm kam es jedenfalls so vor, als musste er dauernd jemandem ausweichen. Bis er irgendwann den Nerv dafür verlor und an einem Gerüst eines Hauses, welches gerade renoviert wurde, hochkletterte und seinen Weg über die Dächer von Garois fortsetzte. So kam er bedeutend schneller vorwärts. Auch wenn es bedeutend gefährlicher war. Nur ein falscher Tritt würde ausreichen, um in den Tod zu stürzen. Es brauchte nur ein loser Ziegel, um ihn ins Schliddern zu bringen. Dennoch zauberte Kosta dieser Sprint ein Lächeln auf die Lippen. Es machte Spass. Er genoss das prickelnde Gefühl, wenn er von Häuserdach zu Häuserdach sprang und er manchmal gar mit der Kunst etwas nachhelfen musste, um auf das nächste Dach zu gelangen. Er fühlte sich so richtig lebendig.
Schliesslich erreichte er das Gasthaus in dem er mit Ayden abgestiegen war. Über die Dächer der Stallungen erreichte er einen der Balkone. Von hier aus war es ein leichtes, von Balkon zu Balkon zu springen und schliesslich auf dem zu landen, der zu ihrem Wohnzimmer gehörte. Er sah sich auf dem kleinen Platz vor dem Gasthaus um. Takona schien eindeutig noch nicht hier zu sein. Doch Kosta erspähte einige... Individuen, bei denen er gewettet hätte, dass sie zu ihr gehörten. Dazu erblickte er noch einige von Aydens Wachen. Na hoffentlich hatten die Nerven wie Drahtseile. Nachdem er sich einen Überblick verschafft hatte, klopfte er grinsend an die Balkontüre und winkte gut gelaunt. Ihm tat die Wange zwar noch immer weh von der letzten Ohrfeige her. Doch das Abenteuer belebte ihn zu sehr, als dass er jetzt Trübsal blasen wollte.
*Wir werden bald Besuch bekommen, Onkel*, sandte er Ayden scheinbar unbesorgt. Er musste nur genügend Zeit schinden, bis Sano und ihre Leute aus dem Mausviertel hier waren. Dann würden die Chancen ausgeglichen sein. *Ella hat uns angeschwindelt. Im blutigen Dolch war niemand, der auf mich wartete. Sie wollte nur ihr Eis und das Geld abstauben.* Dieser Frechdachs. Doch es wäre zu riskant gewesen, dem nicht nachzugehen. *Takona ist auf dem Weg hier her. Wenn es Recht ist, werde ich sie zu einer geschäftlichen Besprechung einladen.* Wenn er sie überrumpelte und sich nicht in eine defensive Position drängen liess, konnte das ganze womöglich doch noch glimpflich verlaufen.
Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie Bewegung in die Leute auf dem Platz kam. Respektive wurde er ziemlich zügig verlassen, wie er feststellte, nachdem er sich umgedreht hatte. Selbst der Portier ihres Hotels hatte plötzlich im Inneren etwas zu tun. Es blieben nur Aydens Wachen zurück und Takonas Leute, die sich nun gegenseitig misstrauisch beäugten.
*Es scheint loszugehen*, sandte er Ayden, der vielleicht die Balkontüre etwas öffnen wollte, um zuzuhören. Ansonsten konnte er das sicherlich auch mit der Kunst. *Sie ist hier.* Kosta schwang sich vom Balkon und hangelte sich an den baulichen Verzierungen des Hotels hinunter. Auf der anderen Seite des kleinen Platzes tauchte eine etwas mollige, gutbürgerlich gekleidete Frau und ihre starken Begleiter auf. Eine Freundin schien sie ebenfalls zu begleiten, die eifrig auf sie einschwatzte, was jedoch eher einen nervenden Effekt zu haben schien. Denn als Kosta der Gruppe unerschrocken entgegen trat, winkte sie mit der Hand ab, als wolle sie eine surrende Fliege verscheuchen. Die schlankere Frau schwieg daraufhin beleidigt und starrte Kosta wütend an.
"Willkommen in unserer bescheidenen Bleibe, Lady", grüsste Kosta die Unterweltkönigin mit einer formvollendeten Verneigung und lächelte charmant. "Ich war soeben auf dem Weg zu Euch, um Euch untertänigst eine Einladung zu überbringen." Takona blieb stehen und musterte ihn interessiert. Ihre Begleiterhin hingegen spuckte sogleich Gift und Galle.
"Gar nichts wolltest du", ereiferte sie sich. "Du wolltest nur wieder Unruhe stiften und alles durcheinander bringen. Aber diesmal bist du zu weit gegangen. Du hättest Ella nicht entführen sollen. Jetzt wirst du endlich deine längst fällige Strafe erhalten."
"Entführt? Lady Ihr kränkt mich", gab sich Kosta verwegen unschuldig. "Ella ist schliesslich eine Dame und ich behandle Damen nur mit ausgesuchter Höflichkeit. Egal wie jung sie auch sein mögen. Zumal ich anmerken möchte, dass die junge Lady sich selbst auf zwei Eis und einen Besuch beim blutigen Dolch eingeladen hat. Sie meinte, Ihr würdet mich dort erwarten. Ein Ruf, dem ich natürlich sofort nachgeeilt bin, nur um dann von Ella sitzen gelassen zu werden, als sie merkte, dass ihr Lügengespinnst aufgeflogen ist."
"Pah, von wegen jede Dame nur mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt", schnaubte die Dürre, während Takona nun doch lachen musste, stolz auf ihre freche Tochter. "Zu mir warst du noch nie höflich", beschwerte sich die Nörglerin.
"Das liegt wohl daran, dass du keine Dame bist", antwortete Kosta eisig und mit abschätzigem Blick. Gerade konnte er sich nicht an die Frau erinnern und welcher Bande sie zugehörte, doch sie war ihm überaus unsympathisch. Was wohl auf Gegenseitigkeit beruhte, denn nach seinem abschätzigen Kommentar, flippte sie vollkommen aus. Mit einem wütenden Aufschrei stürzte sie sich plötzlich mit einem Dolch in der Hand auf ihn zu. Kosta reagierte instinktiv. Solche Attacken hatte er schon zuhauf abgewehrt und die Dürre war weder sonderlich stark noch besonders begabt. So gab es eigentlich nur eine schwungvolle Bewegung, eine Drehung und die Frau lag in seinen Armen, ihren eigenen Dolch an ihrer Kehle. Erschrocken keuchte und quitschte sie, hielt aber still und zappelte nicht weiter, nachdem sie die Klinge an ihrem Hals gespürt hatte. Dafür wurde die ganze Situation nun ziemlich angespannt. Takonas Männer hatten ebenfalls ihre Dolche gezogen, bereit ihn auf das kleinste Zeichen hin anzugreifen.
"Mach keine Dummheiten, Iason", warnte Takona ihn nun mit bedrohlicher Stimme. Vorhin war sie noch amüsiert über sein charmantes Getue gewesen. Aber jetzt war sie ebenfalls auf der Hut. "Wir sind viel mehr als ihr und deine Wachen sind so schlecht, dass sie noch nicht einmal ihre Waffen gezogen haben." Takona machte eine Handbewegung die den ganzen Platz umfasste. In jeder Gasse die zu ihm führte, waren einige Leute von Takona zu sehen. Doch Aydens Wachen hatten nicht deshalb ihre Waffen noch nicht gezogen, weil sie schlecht waren, sondern weil sie nur Ayden und die Sklaven zu verteidigen hatten und nicht ihn. Doch Kosta hütete sich, dies Takona unter die Nase zu reiben.
"Ts, ts, ts", meinte er stattdessen mit einem selbstbewussten Tadel. "Lady, Ihr solltet doch wissen, dass ich niemals alleine unterwegs bin. Denkt Ihr wirklich, ich wäre so wagemutig, alleine auf Euch zuzukommen, wenn ich nur die paar Wachen auf meiner Seite hätte? Ich weiss, wie mächtig ihr seid."
"Du kannst aufhören Süssholz zu raspeln. Hier ist niemand zu sehen, der dich beschützen könnte."
"Genau", grinste Kosta selbstbewusst. "Niemand ist zu sehen." Nun geriet Takona doch etwas ins Stocken und musterte ihn skeptisch.
"Du spielst nur", warf sie ihm nur halb überzeugt zu. Kostas Grinsen wurde breiter und er stiess eine Pfeifmelodie aus, die im Mausviertel ein Erkennungszeichen war. Innerlich flehte er jedoch die Dunkelheit an, dass sie Sano schnell genug hatte sein lassen. Das warten auf eine Antwort dehnte sich auf einen nervenzermürbenden Herzschlag aus, einen zweiten, einen dritten und schliesslich war die erlösende Antwort ganz in ihrer Nähe über ihnen zu hören. Ein zweiter Erkennungspfiff folgte und immer mehr, bis schliesslich unverkennbar zu hören war, dass der ganze Platz umkreist war. Womöglich waren Takonas Leute noch immer in der Überzahl, doch das war schwer abzuschätzen. Entsprechend unsicher schauten sie sich auch nach den unsichtbaren Pfeiffern um. Nur die Königin fixierte ihn mit einem durchdringenden Blick.
Charmant lächelnd gab Kosta seine Geisel frei, behielt jedoch ihren Dolch und verneigte sich galant vor der Unterweltchefin. "Lady Takona, darf ich Euch jetzt zu einer geschäftlichen Besprechung einladen?" fragte er freundlich. "Mein Onkel hätte ein überaus lukratives Angebot für Euch." Einladend bot er ihr seinen Arm an.
"Onkel?" fragte sie mit einem skeptischen Grinsen, nahm aber die Einladung an und hakte sich bei ihm unter. "Du stehst wirklich auf abartige Sachen, Iason." Mit einem jungenhaften Grinsen zuckte er etwas hilflos mit seinen Schultern. Er konnte nichts dafür. Ayden würde ganz sicher sein Onkel bleiben und nicht als Haushofmeister auftreten. Das war zu gefährlich. Kosta war nur froh, dass der Mann so ein guter Schauspieler war. So sehr er ihm auch sonst misstraute, war er sich sicher, dass er bereits mit Kaffee und Kuchen oder ähnlichem als Gastgeber auf Takona warte, um ihr ein geschäftliches Angebot zu unterbreiten.