Re: Tileo
von Kosta » Mi 6. Jul 2022, 06:04
Zelika sah ihn ihrer eigenen Kleidung viel besser aus. Vielleicht etwas dünn, doch das würde Solomon rasch ändern, wenn die Schwarze Witwe entschied, dass sie mit ihnen reisen würde. Was sie hoffentlich auch tat. Allerdings hatte sich ihre Signatur nun wieder verändert. Es schien, als sei sie nun doch das, was sie zuerst angenommen hatten. Eine einfache Blutfrau ohne Juwelen. Ein eindeutiger Beweis dafür, dass sie eben doch eine Schwarze Witwe war. Sein Blick huschte zu Eneas, der darauf nicht zu reagieren schien. So sagte Kosta auch nichts, lächelte ihr nur zu und widmete sich Tileo, der kräftig zulangte.
Nach dem Essen verabschiedeten sie sich von Leto, die natürlich gleich wieder mahnte, sie sollten auf sich aufpassen und nicht erst spät in der Nacht wieder zurück kommen. Kosta errötete leicht, während Eneas seine Gefährtin innig küsste. Das machten sie doch nicht absichtlich. Es passierte eben manchmal einfach, dass sie aus verschiedensten Gründen erst spät in der Nacht wieder zurück kommen konnten.
Nachdem Zelika noch Schuhe von Leto bekommen hatte, konnte es weiter gehen. Für Tileo hatten sie leider keine Kleidung oder Schuhe. Der Junge wäre selbst in einem Hemd von Kosta verschwunden. Er schien aber ganz zufrieden mit dem Mantel zu sein, den er bekommen hatte. Er klammerte sich auch gleich an Kosta und schien wieder von ihm getragen werden zu wollen. Das machte dem Krieger nichts aus und so war es auch gar nicht schlimm, dass er noch keine Schuhe hatte.
"Wie könnte man sich nicht mit so einem lieben, jungen Mann nicht anfreunden", erwiderte Kosta ebenfalls schmunzelnd, keuchte dann aber auf. Er hatte Tileo wieder huckepack genommen und dieser hatte sich als Antwort auf Eneas Bemerkung noch fester und besitzergreifend um seinen Hals geklammert. "Nicht so fest, Tileo", keuchte Kosta und streichelte ihm über die Unterarme, damit er sie wieder etwas lockerte. "Keine Sorge, ich lasse dich schon nicht fallen." Mittlerweile kam er sich irgendwie wie der Teddy des Jungen vor.
In der Stadt gingen Eneas und Zelika in einen Laden für Frauenkleider. Kosta verabschiedete sich auf später von den beiden, um mit Tileo in ein Laden zu gehen, der auch Kinderkleidung führte. Nur fünf Häuser weiter fanden sie einen und er sandte Eneas sogleich in der Geheimsprache, wo sie sich befanden. Kaum hatten sie den Laden betraten, überfiel sie eine übereifrige Verkäuferin und liess sich nicht abschütteln. Mit grausiger Faszination starrte Kosta sie an. Die Hexe hatte eine Unmenge von Farbe in ihrem Gesicht. Er nahm an, dass sie das wohl Schminke nannte, doch für ihn sah es nur aus wie eine grauenhafte Maske, mit der man kleine Kinder erschreckte, damit sie auch schön artig waren.
Es wirkte, denn Tileo vergrub sein Gesicht und wimmerte leise. Das schreckte die Hexe jedoch nicht ab. Sie war gleich begeistert von dem kleinen Jungen und sie kam mit einem ganzen Stapel Kostüme, die dem kleinen Sklaven ja so gut stehen würden und Kosta nacher viel Freude bereiten würde, wenn er gewaschen war und sie trug. Wütend hätte Kosta ihr am liebsten den Kopf abgerissen. Die waren hier doch alle krank. Merkte sie denn nicht, dass sie Tileo eine riesen Angst einjagte und er kurz davor war, wieder in Tränen auszubrechen.
Kosta gab sich grosse Mühe, ihn zu trösten, als sie für einen Moment alleine in dem separaten Raum waren, wo die Umkleidekabinen sich befanden. Mit einem widerlichen Augenzwinkern, hatte die Schreckschraube sie endlich mal alleine gelassen. Da versicherte er Tileo eindringlich, dass er vor ihm keine Angst haben brauchte. Er sei nicht sein Sklave. Unvermutet brach Tileo dann erst recht herzzerreisend in Tränen aus. Etwas überfordert ging Kosta vor ihm in die Hocke und versuchte heraus zu finden, was denn los sei.
"Ich will nicht alleine gelassen werden", brachte das Kind schliesslich schluchzend heraus. Zum ersten Mal konnte Kosta seine sanfte Stimme hören.
"Aber ich lasse dich doch nicht alleine", versicherte Kosta.
"Doch", heulte der Junge. "Wenn ich nicht dein Sklave bin, gehöre ich nicht mehr zu dir und muss weg. Aber ich weiss doch gar nicht wo ich hin soll, oder wo ich bin. Ich will nicht zu wem anderen oder auf der Strasse landen. Ich will nicht weg von dir. Bitte. Schicke mich nicht weg."
"Hab keine Angst, Tileo", tröstete Kosta ihn liebevoll und nahm ihn in seine Arme. "Ich werde ganz bestimmt nicht zulassen, dass du auf der Strasse landest. Ganz sicher nicht. Ich hatte eigentlich vor, deine Familie zu suchen, damit du wieder zu ihr kannst. Würde dir das denn nicht gefallen."
"Doch. Aber ich weiss nicht, wo sie sind."
"Dann werden wir eben etwas länger suchen. Und so lange bleibst du bei mir. In Ordnung?" Tileo nickte und wischte sich schniefend die Tränen aus dem Gesicht. "Gut, aber du musst mir versprechen, auf dem Schiff sehr vorsichtig zu sein und mir zu gehorchen, wenn ich dir etwas sage. Denn ich will nicht, dass dir etwas passiert. Auf einem Schiff kann es nähmlich sehr gefährlich werden. Abgemacht?"
"Jaaah." Nun strahlte der Junge wieder und umarmte ihn innig.
"Wunderbar. Und meinst du, du könntest als mein Freund bei mir bleiben und nicht als mein Sklave? Das ist doch viel schöner, oder?"
"Ja, ist es."
"Finde ich auch. Also, mal sehen, ob uns diese angemalte Hexe auch etwas vernünftiges gebracht hat." Tileo kicherte. Leider hatte die Hexe nichts brauchbares gebracht. Kosta hatte das schon vermutet, als er gesehen hatte, wie sie einen kleinen Matrosenanzug, angebliche Stalljungenkleidung, ein Schäferkostüm und sonst noch so Verkleidungen auf ihren Arm gestapelt hatte. Deswegen hatte er ebenfalls Kleidung für Tileo heraus gesucht. Die sollte der Junge nun anprobieren. Ein paar Hosen aus festem Stoff, Hemden, Shirts, Pullis und natürlich auch Unterwäsche.
Während sich das Kind in die Umkleidekabine zurück zog, sortierte Kosta die unbrauchbaren Kostüme aus, die die Verkäuferin ihnen gebracht hatte. Dabei umspielte ein sanftes Lächeln seine Augen. Er hatte auch so einen Matrosenanzug oder so eine Stallburschenkleidung. Massgeschneidert und aus Stoffen, die eine viel bessere Qualität hatten, als diese hier. Allerdings gingen ihm die Sachen nun nicht mehr, da er seit damals noch grösser geworden war und etwas an Muskeln zugelegt hatte. Obwohl er noch immer recht schlank und schon fast zierlich war, war er damals noch schmächtiger gewesen.
Schliesslich hatten sie einige Sachen für Tileo gefunden und konnten den Laden mit der schrecklichen Verkäuferin verlassen. Der kleine Krieger trug nun eine dunkelgraue Hose und ein hellgraues Hemd, beides etwas zu gross, damit er noch reinwachsen konnte. Tileo hatte die Sachen unbedingt haben wollen, obwohl sie weniger geeignet waren für auf ein Schiff. Der Stoff war zu fein und der Schnitt zu vornehm. Aber Tileo hatte erstaunlich stur darauf bestanden. Nun, wo er doch kein Sklave mehr sei. Da hatte Kosta es nicht über sich gebracht, es ihm zu verweigern, auch wenn ihm nicht klar war, warum der Junge diese Kleidungsstücke unbedingt hatte haben wollen. Dabei hätte ein Blick in den Spiegel gereicht. Doch auf den Gedanken war Kosta nicht gekommen. Stattdessen hatte er überlegt, dass sie Eneas und Zelika nun wohl bald im nächsten Schuhladen treffen konnten.