Re: Unerwartete Geschenke der Vergangenheit
von Timaris » So 2. Okt 2022, 19:49
Wenn Laree das wüsste, dass über sie gelästert wurde, sie würe ihre Nase überall reinstecken. Wo sie doch ausgerechnet das Timaris immer vorwarf. Die Hexe würe es ertragen müssen, dass Timaris sie nun erneut ausfragen würde. Diesmal über Minan und Merion. Sie hatte sie gewarnt, dass das Schloss verlassen sollte, solange sie noch konnte.
Weniger wollte sie von Ayden wissen, wie sehr Minan hatte leiden müssen. Wochen. Das war furchtbar. Dennoch hörte sie es sich an, genau wie sie die Erinnerungen von Minan nie hatte wegmachen lassen. Wenn man jemanden gern hatte und in beschützen wollte, konnte man nicht nur das Gute sehen. Man musste sich auch dem Schlechten stellen. Genau so, wie sie sich auch Kostas Leid anhören würde. Gleich, wenn er hochgekommen war.
"Das habe ich schon einmal versucht, als es ihm sehr schlecht ging und er der Meinung war, wir wären ohne ihn besser dran", gab sie zu, nachdem Ayden vorgeschlagen hatte, Kosta in Behandlung von Priesterinnen zu geben. "Er hat sich erstaunlich hartnäckig dagegen gesperrt." Erst Eneas Vergebung hatte ihn wieder geheilt. "Ich werde mir seine Erinnerungen ansehen und mir dann etwas einfallen lassen, wie es ihm wieder besser gehen könnte." Nur fürchtete sie, dass es nicht leicht sein würde, ihm zu helfen und sie hatte keine Zeit sich lange mit ihm zu beschäftigen. Zur Not würde sie ihm befehlen müssen, durchzuhalten und am Leben zu bleiben, bis sie ihm helfen konnte.
"Du bist wirklich sehr stark geworden", lächelte Timaris ihren Haushofmeister stolz an, nachdem er ihr erklärt hatte, dass er sie nicht mit der Nachricht über Minan hatte belasten wollen. "Ich weiss doch, dass es dich kränkt, dass ich dich wegen Minan nicht eingeweiht habe. Dennoch machst du mir keine Vorwürfe." Sie küsste ihn erneut auf den Mund. Diesmal länger, fester. Es war schön, wie er ihr über den Rücken streichelte.
"Nein, ich werde nicht nach ihm fragen", schüttelte sie dann jedoch ihren Kopf. "Nicht bevor Sion besiegt ist. Ich will ihn nicht unabsichtlich auf die richtige Fährte locken. Deswegen werden wir zwei auch nicht mehr über ihn sprechen, bis er wirklich in Sicherheit ist. Danach können wir nach ihm fragen. Vielleicht ist er gewillt, uns eine Nachricht zu übermitteln." Zumindest Ayden, der ihn nicht so grausam hintergangen hatte, wie Timaris es getan hatte.
Bald darauf verabschiedete sie sich von Ayden. Nochmals mit einem Kuss und einem begehrlichen Funkeln in den Augen. Vielleicht gerade weil sie Beide gerade so schlimmes durchstehen mussten. Es verband und tröstete. Ausserdem war Ayden nun einmal scharf. Daran änderte auch der Rollstuhl nichts.
Kosta wollte sie in ihrem persönlichen Salon empfangen, aus dem sie auch Aaron solange verbannte. Sie wollte nicht gestört werden, wenn der Krieger bei ihr war. Entsprechend liess sie auch schon Getränke und Essen vorbereiten. Selbst wenn sie wahrscheinlich keinen Appetit haben würden. Nicht, nachdem, was sie alles von Ayden gehört hatte. Deswegen setzte sie sich auch nicht aufs Sofa, sondern liess viele Kissen vor dem Feuer im Kamin hinlegen, wo sie es sich gemütlich machte.
Kurz darauf trat Kosta ein, nachdem sie ihn, auf sein höfliches Klopfen hin, herein gerufen hatte. Wie immer verneigte er sich tief vor ihr. Doch kaum hatte sie eine einladene Armbewegung gemacht, sass er auch schon neben ihr auf den Kissen und hielt sie ganz fest in seinen starken Armen. Er war auch dünn geworden. Es überraschte sie nicht. Liebevoll küsste sich ihn auf die Schläfe, streichelte ihm tröstend über den Rücken und liess ihn weinen. Erst hatte er ihr noch unbedingt das Gegengift geben wollen. Timaris hatte es angenommen und in ihrem eignen Juwelengepäck verschwinden lassen. Es würde erst morgen wichtig werden. Der Abend gehörte Kosta.
Es wurde ein langer Nachmittag und Abend und das Essen blieb, wie bereits vermutet, unangerührt. Nachdem er sich ausgeweint, respektive alle Tränen vergossen hatte, liess Kosta sie bedingungslos an seinen Erinnerungen teilhaben. An das Verändern seines Aussehens, die Einkäufe in Garois, den Entscheid, nach Raej zu Zorya zu reisen. An den Mord des Kutschers und seine zwiespältigen Gefühle Ayden gegenüber. Sie fühlte, wie Kosta sich über das Wiedersehen mit Zucker, insbesondere Zucker, und Tiger gefreut hatte. Besonders auch wegen Lhal. Gleichzeitig waren da die nagenden Gewissensbisse gewesen, weil er Ayden misstraute und Zucker nicht warnen konnte. Dann der schreckliche Verrat, die Hoffnung, Zucker ohnmächtig schlagen zu können, damit er nicht mitgenommen wurde. Grosse Enttäuschung, weil es nicht funktioniert hatte. Anschliessend folgte eine zermürbende Zeit, wo er keinen falschen Atemzug hatte tun dürfen. Weder bei Zorya noch bei Ayden. Dabei waren alle Beide ihm immer so betäubend nah gewesen, hatten ihn hemmungslos benutzt.
Ganz schlimm war auch gewesen, sehen zu müssen, wie die verratenen Soldaten zu Sion abgeführt wurden. Den Hass von Zucker zu spüren. Schon da wäre Kosta beinahe zerbrochen. Aber ihretwegen hatte er durchgehalten. Hatte alles getan, was getan werden musste, um sie zu retten. Bis an dem Tag, an dem er Minan hatte vergewaltigen müssen, damit er nicht aufflog. Da war etwas in ihm zerbrochen, wie Ayden ganz recht erkannt hatte. Durch die Dominanz des Haushofmeisters und später durch des Kerkerwärters, war der Krieger irgendwie zusammen gehalten worden. So dass er weiter hatte machen können. In der Hoffnung, Minan doch auch etwas Trost und Liebe geben zu können. Dennoch immer mit dem Gedanken im Hintergrund, dass er jederzeit Zuckers und Minans Hoffnungen zerstören würde, sollte er es tun müssen. Sie erfuhr von Kalliope und einem Mann, den Kosta nur verschwommen sah. Es musste sich dabei wohl um Andiël halten. Sie sah, wie Zucker und die Soldaten mehr tot als lebendig von Dunrobins Castle zu Dalmadans Feste gebracht wurden.
Kosta war jeder Atemzug wie ein Verrat vorgekommen, der darin gipfelte, dass er sich für Eneas ins Messer geworfen hatte, anstatt ihr das Gegengift zu bringen. All die Opfer schienen umsonst gewesen zu sein. Es war so viel erdrückende Schuld, dass Timaris im ersten Moment nicht wusste, wie sie Kosta je würde helfen können. Er hatte sich tief eingegraben und zugemauert, weil er sich so schuldig, besudelt fühlte. Es würde lange dauern, ihn einfach nur zu erreichen, geschweige denn, ihn überhaupt heilen zu können. Trotzdem versuchte Timaris es natürlich und sandte Kosta im Gegenzug dazu, was sie Gefühlt hatte, nachdem sie Minan sozusagen getötet hatte. Sie zeigte ihm auf, wieviel Verrat Minan schon hatte erdulden müssen. Doch jetzt hatte er einen Gefährten und eine Familie. Etwas wovon er niemals zu träumen gewagt hätte. Dank Kosta konnte er das weiter haben. Dank ihm hatte er überlebt und war nicht mit den Gedanken gestorben, dass ihm ohnehin niemals etwas gutes passierte. So grausam es auch gewesen sei, das war etwas vom wichtigsten überhaupt.
Kosta beruhigte sich nur allmählich. Verständlicherweise. Timaris nahm es als gutes Zeichen, dass er überhaupt so aufgewühlt war. Sie nahm ihm das Versprechen ab, durchzuhalten, bis sie auch wieder gesund war und sich ihm widmen konnte. Sie wollte nach dem Krieg auch einen Weg für Kosta finden, damit er sich bei Minan entschuldigen konnte. So lange würde Kosta aushalten müssen und bis dahin hoffentlich genug heilen, damit er sich nicht mehr selber umbringen wollte. Es graute der Morgen, als sie Kosta in sein Zimmer schickte, damit er sich etwas ausruhte. Bald würden Sorra und Daipha kommen, um sie zur hoffentlich letzten Heilung zu holen. Bis dahin sollte sie auch noch ein paar Stunden Schlaf bekommen. Oder wenigstens etwas zur Ruhe kommen.