Re: Bei der Provinzkönigin
von Kosta » Do 21. Jul 2022, 20:24
Es war eine anstrengende Reise nach Poyo Mor gewesen. Die See hatte es ihnen zwar leicht gemacht und sie mussten nun auch nicht mehr Kaynes eisige Kälte ertragen, dafür hatten sie nun mit schlimmerem zu kämpfen. Womöglich war es gemein, das so zu sagen, doch das Schicksal der geretteten Frauen ständig vor Augen zu haben, brauchte starke Nerven. Zumal es unter der Besatzung nicht wenige gab, die vor einem ähnlichen Schicksal geflohen waren. Einmal davon abgesehen, tat es ihnen allen in der Seele weh, die Hexen so leiden zu hören. Es verging nicht eine Stunde, in der nicht eine wegen irgend etwas, meistens einen Albtraum, erschrocken aufschrie oder verzweifelt leise vor sich hinweinte.
Kosta gab sein bestes, sich so gut es ging um die Frauen zu kümmern, es ihnen so angenehm wie möglich zu machen. Er kümmerte sich alleine mit Maria um die geretteten, um auch den Rest der Mannschaft etwas zu schützen. Eneas sorgte derweil für Tileo, der wirklich ein tapferer Junge war. Kosta nahm sich vor, ihm nacher zur Belohnung etwas tolles zu schenken. Jetzt hatte er leider kaum Zeit für ihn. Er achtete einzig darauf, dass er ihn jeden Abend zu Bett bringen konnte.
Am schlimmsten jedoch war es mit Julia, Kayne und Siandra. Die Pruulerin weinte und schrie nicht. Sie schien gar nicht da zu sein, was ihre Freunde einfach nur fertig machte. Da verbrachte Kosta die meiste Zeit, versuchte ihnen zu helfen, damit fertig zu werden und gab ihnen lieb und geduldig Tipps und Ratschläge, wie sie mit Siandra umgehen sollten. Was sie tun konnten, damit sie eigenständig wurde. Vielleicht kehrte so ihr Ich wieder zurück. Julia und Kayne müssten einfach durchhalten.
Das schienen sie wenigstens bis zu Chaillot tun wollen. Julia war zwar sehr skeptisch, als sie hörte, dass sie bei der Provinzkönigin von Amstel Unterschlupf suchen sollten. Sie schien jedoch einzusehen, dass Lady Hoia mehr Mittel und Bequemlichkeit aufbieten konnte, die Siandra zu gute kam. Zumindest sagte sie erst einmal nichts mehr dagegen und packte ihre und Siandras Sachen, als es soweit war und sie in Poyo Mor einliefen.
"Alle bereit", antwortete er zackig, lächelte Eneas aber sanft zu, nachdem er alles für den Landgang vorbereitet und dann an Deck gekommen war. Tileo streichelte er sanft über den Kopf, um ihn zu begrüssen. Kosta hatte nun, im Gegensatz zu den anderen Tagen, einen eleganten Anzug an, beziehungsweise ein weisses Hemd, dunkelgraue Hosen aus weichem Stoff und eine passende Weste dazu. Immerhin wollten sie heute eine Provinzkönigin besuchen und um Asyl für ihre Passagiere bitten. Da zeugte es nur von Respekt, wenn man sich anständig anzog, anstatt in den salzverkrusteten Piratenklamotten aufzutauchen.
Kosta wollte gerade noch auf Eneas Speerfaden antworten, als ihm etwas auffiel. Genau wie sein Freund hatte er zu dem Schloss geschaut und unwillkürlich nach einer Signatur einer Königin gesucht. Prompt hatte er auch eine gefunden, die jedoch viel näher war, als das Schloss. War Lady Hoia etwa hier im Hafen? Das wäre ja überaus praktisch.
*Du, ich glaube, sie ist hier*, sandte er Eneas überrascht und zeigte ihm, was er spürte. *Ich glaube, da ist es besser, wenn wir sie erst einmal hier lassen und alleine Lady Hoia unsere Aufwartung machen. Nicht dass wir sie überrumpeln. Ich mach das schon.* Abgesehen von Damie vielleicht kannte Kosta sich am besten im höfischen Protokoll aus und war sicherlich der einzige auf dem Schiff, dem es leicht viel, sich darin zu bewegen. Und das obwohl sie ziemlich viele Adlige in der Mannschaft hatten. Doch im Gegensatz zu Kosta waren die alle vor dem Hof und dem Protokoll geflohen. Deswegen war auch oft er derjenige, der in Kontakt mit Adligen trat, wenn es die Situation erforderte.
"Ich bin gleich wieder da und dann gibt es ein leckeres Eis für dich", versprach er Tileo und zerzauste ihm das Haar. Auf Eneas Erlaubnis wartete er gar nicht erst, da er wusste, dass sein Freund es nicht gerne sah, wenn er sich Adligen alleine stellte. Es war auch immer ein Risiko. In mehrerlei Hinsicht. Auch hier. Gerade deswegen wollte Kosta alleine gehen und niemanden sonst aus der Crew gefährden. Das Schiff war inzwischen auch schon vertäut und der Steg angelegt.
Bevor Eneas noch weitere Einwände darbringen oder ihm gar befehlen konnte zu bleiben, war er an Land gegangen. Freundlich wehrte er einen gut genährten Landen ab, der ihm Saft verkaufen wollte. Er gab ihm nur rasch einige kleine Münzen und den Auftrag, Tileo doch einen frischen Orangensaft zu bringen, wenn der Kapitän ihn an Bord liess. Dann eilte er rasch auf die Signatur der Königin zu, die ihn prompt zu einer gut bewachten Kutsche führte. In respektvollem Abstand blieb er stehen, wenn auch frech mitten im Weg, so dass auch die Kutsche halten musste, wenn sie ihn nicht überfahren wollte, und verneigte sich ehrerbietig.
"Man nennt mich Iason", stellte er sich mit freundlicher, klarer Stimme vor. "Ich bin soeben an Land gekommen und möchte Lady Hoia im Namen meines Kapitäns um eine Unterredung ersuchen."