Rettung einer jungen Königin
von Tileo » Fr 12. Aug 2022, 19:40
Gerade hatten sie sich noch gefreut, dass sie die armen Mädchen gerettet und in Sicherheit nach Chaillot gebracht hatten. Obwohl er nicht viel mitgeholfen hatte, war Tileo auch sehr stolz gewesen und hatte sich riesig über sein Eis zur Belohnung gefreut. Er hoffte nur, dass nun nicht mehr so traurige Stimmung sein würde auf dem Schiff. An Bord, wie der Kapitän ihm erklärt hatte. Die Mädchen, wobei er eigentlich fand, dass das schon ziemlich alte Frauen waren, waren ganz leise und ängstlich gewesen und hatten viel geweint. Sie hatten Tileo sehr leid getan und er hätte ihnen auch gerne etwas gegeben, damit sie nicht mehr so traurig waren. So etwas wie seinen Teddy. Aber seinen eigenen wollte er dann doch nicht hergeben. Den brauchte er doch selber, wenn er Nachts manchmal ganz traurig war und seine Eltern vermisste.
Tileo war auch sehr froh, als endlich der unheimliche Eisprinz das Schiff verliess und hoffte, dass er nie wieder kommen würde. Und auch um die wütende Glacierin trauerte er nicht wirklich. Die gehörten sowieso nicht zur Mannschaft. Jetzt würde es wieder lustiger an Bord werden. Dessen war der Junge sich sicher. Aber anstatt, dass sie nun eine dieser berüchtigten Piratenfeste feierten, mussten sie nun ganz plötzlich ablegen. Ohne Zelika. Die Schwarze Witwe, die zusammen mit ihm befreit worden war, wollte lieber auf Chaillot bleiben und zur Ruhe kommen. Was auch immer das heissen mochte. Tileo gefiel es jedenfalls nicht, sie zurück zu lassen. Sie gehörte doch irgendwie zur Familie.
Ängstlich und verwirrt, dass er auch irgendwo in der Fremde zurück gelassen wurde klammerte er sich die nächsten Tage ganz fest an Iason, der eigentlich Kosta hiess. Tileo nannte ihn weiterhin Iason und auch Eneas nannte er lieber Taelos. Schliesslich wollte er sie doch nicht ausversehen an die falschen verraten. Zum Glück störte Iason das nicht, sondern behielt ihn immer dicht bei sich und versuchte ihm zu erklären, was los war. Taelos jüngere Schwester sei in ganz grosser Gefahr und man wollte sie retten. Tileo nickte verstehend. Natürlich musste sie gerettet werden. Er versuchte auch tapfer zu nicken, als es hiess, dass sie sich an einem Ort befand, wo es ganz viele Soldaten in schwarzer Uniform gab. Das waren die bösen. Aber für Tileo waren alle Soldaten in Uniformen böse. Die, die sein Dorf überfallen hatten, hatten auch ausgesehen, als trügen sie so etwas wie Uniformen. Er hatte riesige Angst vor solchen Männern. Dennoch wollte er Taelos Schwester helfen und sie retten.
Iason meinte jedoch, dass sie in Mineva von Bord gehen würden. Der Heimatstadt von Taelos und anderen aus der Mannschaft. Zu seiner grossen Verwunderung hörte er, dass Taelos eine Mama und einen Papa und noch ganz viele andere Geschwister hatte. Er hatte sogar eine Nichte und einen Neffen und Grosseltern. Einen Opa hatte Tileo auch mal gehabt. Vor dem Überfall. Tileo war froh, dass er nicht mit nach Raej musste. In dem Territorium war auch der Sklavenmarkt, der ihn nachts noch immer aufschreien liess. Es war sicher besser, wenn er mit Iason hier wartete, dass die anderen wieder zurück kehrten. Sie könnten eine Feier für sie vorbereiten, wo sie die andere Feier doch schon verpasst hatten.
In einem riesigen Haus in Mineva lernte er unglaublich viele Leute kennen, so dass ihm bald der Kopf schwirrte. Die Eltern der hayllischen Territoriumskönigin sollten auch hier leben. Das klang schon beeindruckend. War aber bald wieder vergessen. Schon nur, weil es hier so unglaublich viele Leute gab, die Uniformen trugen. Das wollte Tileo gar nicht gefallen. Doch Iason beruhigte ihn und erklärte ihm, was diese Uniformen bedeutete und stellte ihm sogar die beiden Personen vor, die das Kommando über all die Uniformierten hatten. Das waren Mama Lela und Massimo Ivores. Die Eltern des Piratenkapitäns! Tileo fielen fast die Augen aus dem Kopf und er fragte sich unwillkürlich, ob die beiden Eltern, die so ordentlich wirkten, wussten, dass ihr Sohn selber gar nicht so ordentlich war. Aber er mochte Mama Lela. Sie hatte auch gleich erkannt, dass Milch und Kekse etwas leckeres war und eine der Uniformierten los, um ihm Milch und Kekse zu holen. Iason hatte recht gehabt. Nur weil sie alle das Selbe anhatten, mussten sie nicht schlecht sein.
Wohler fühlte er sich dann aber trotzdem, als sie Taelos Bruder und seine Familie besuchen gingen. Die wohnten nicht in diesem riesigen Haus, was schon für sich selber ein ganzes Dorf zu sein schien. Sie wohnten etwas weiter unten am Rande der Stadt in einem kleinen, zweistöckigen Haus, hinter dem es eine grosse Wiese und einen kleinen Garten gab. Das war fast wie zu Hause. Es gab da auch zwei Kinder. Arion der etwa so alt wie Tileo selbst war und Pandora, die schon ein paar Jahre älter war und sich unglaublich wichtig vorkam. Aber sie war auch sehr nett und bot an, ihm das Haus und den Garten zu zeigen. Das wollte Tileo aber nicht, weil er Angst hatte, dass es wieder so wie in Shalador sein würde, wo sie ihn hatten zurück lassen wollen.
Und tatsächlich zog Iason ihn dann zu einem ernsten Gespräch heran. Erklärte ihm, dass auch er nach Laree suchen gehen wollte. Ja, das verstand Tileo, erstarrte dann aber, als Iason ihm deutlich sagte, dass er hier bleiben müsse. Dass er diesmal nicht wieder abhauen dürfte. Nein, das wollte Tileo ihm nicht versprechen und er flehte ihn unter Tränen an, ihn nicht hier alleine zu lassen, klammerte sich so fest er konnte an Iason, wie er konnte, erinnerte ihn daran, dass er ihm versprochen hatte, ihn nie im Stich zu lassen. Es half alles nichts. Iason wollte ohne ihn gehen. Weil es so gefährlich war und weil er sich auf seine und die Sicherheit von Laree konzentrieren musste. Da könne er nicht auch noch auf ihn aufpassen.
Ausserdem hätte Tileo seine ganz eigene Aufgabe als Mitglied der Piraten. Er müsse auf Pandora und Arion aufpassen, die Taelos doch so sehr mochte. Nicht dass die auch verloren gingen. Daran glaubte Tileo nicht. Besonders wo die beiden doch so einen riesigen Papa hatten, der auch so eine Uniform trug und auch noch ein Wächter war. An die Beiden würde sich doch niemand heran wagen. Dennoch versuchte er tapfer Iason zu versprechen, auf sie aufzupassen und artig zu sein. Versuchte ihm zu glauben, dass er wieder zurück kommen würde. Wenigstens waren sie hier in der Stadt, wo irgendwie Iasons zuhause war. Da würde er bestimmt eher wieder zurück kehren, als in irgend so eine Stadt in Shalador.
Trotzdem verkroch er sich erst einmal unter sein Bett, was ihm zugeteilt worden war und umklammerte seinen Teddy, um ganz bitterlich zu weinen, nachdem Iason gegangen war. Diesmal konnte er sich auch nicht mehr zurück aufs Schiff stehlen, da dies schon längst abgelegt hatte. Er konnte nirgendwohin und er verstand ja, dass er Iason in Raej nur im Weg war. Er konnte nicht wirklich kämpfen und hatte immer nur Angst. Trotzdem fühlte er sich so alleine. Auf die Rufe und Bitten der anderen wollte er nicht achten. Bis Arion irgendwann zu ihm unters Bett gekrabbelt kam und fragte, ob sie Höhle spielen würden. Tileo nickte und hielt sich an Arions Hand fest. Es war dunkel und schon spät und so dauerte es nicht lange, bis sie eingeschlafen waren.
Am nächsten Morgen wachte er in einem Bett auf. Verschreckt richtete er sich auf und krabbelte zur Wand, um sich an sie zu pressen. Mit grossen Augen blickte er sich um. Die Sonne schien schon zum Fenster hinein und erleuchtete das fröhliche Zimmer. Es waren ganz viele Zeichnungen aufgehängt, die wohl von Arion stammen mussten. Der Junge schlief in einem anderen, kleinen Bett in dem Zimmer. Gähnend erwachte nun auch er und sprang dann sogleich auf, um zu ihm zu hüpfen.
"Guten Morgen, Tileo", strahlte er ihn an. "Wollen wir heute draussen spielen. Ich habe einen kleinen Garten. Zusammen mit Pandora. Wir können Fangen spielen. Ich bin suuuuuuper schnell."
Etwas überrumpelt nickte Tileo, musste dann auch lächeln. Scheu folgte er Arion nach aus dem Zimmer. Ioakim war nicht mehr da. Estella und Pandora sassen schon angezogen am Tisch und frühstückten. Während er selbst noch ganz zerzaust und im Pyjama war. Wie peinlich. Dennoch tat er nichts der gleichen und begrüsste die Frauen überaus charmant, wie Iason es ihm beigebracht hatte und entschuldigte sich für sein Benehmen gestern.
Die beiden nächsten Tage verliefen dann auch gar nicht so schlecht. Abgesehen davon, dass er Iason, Taelos und das Schiff ganz furchtbar vermisste, genau wie seine eigene Familie. Doch Pandora und Arion waren sehr lieb, spielten viel mit ihm und gaben ihr bestes, ihn zu trösten, wenn er wieder einmal traurig schaute. Auch Estella war sehr lieb und allmählich verlor er auch vor dem grossen Ioakim seine Scheu. Iason hatte ihm gesagt, dass er früher auch ganz furchtbare Angst vor ihm gehabt hätte. Bis er ihn näher kennengelernt hätte. Ioakim sei sehr lieb, eben nur sehr gross. So wie ein riesiger Kuschelteddybär. Das mochte die Erklärung sein, warum Tileo sich Abends an ihn kuschelte, wenn er eine Gutenachtgeschichte vorlas.
Dann aber, er hatte gerade begonnen vertrauen zu fassen, wollte ihn die Familie doch wieder wegschicken. Er hatte doch gewusst, dass es nicht so schön sein konnte. Er und auch die anderen beiden Kinder sollten an einen Ort Namens Schule geschickt werden. Etwas ganz furchtbares, wenn er in die Gesichter von Pandora und Arion schaute, die lieber zuhause bleiben wollten. Doch es wurde keine Widerrede geduldet. Tileo sagte gar nichts. Besonders, weil die anderen Kinder sich fügten und am Morgen freiwillig gingen. Schweigend begleitete Tileo sie. Doch sobald sich die Möglichkeit ergab, floh er durch die Strassen von Mineva und suchte sich einen Weg zum Hafen. Er würde einfach dort warten, bis Taelos und Iason wieder kamen.
Schon am späten Nachmittag jedoch, fand Ioakim ihn wieder und brachte ihn zurück nach Hause. Es dauerte eine ganze Weile, bis er aus Tileo heraus bekam, warum er geflohen war, doch schliesslich brach es aus dem Jungen heraus, dass er nicht wieder weggeschickt werden wollte. Er wollte nicht in diese Schule. Auch nicht, nachdem Ioakim ihm erklärt hatte, was das war. Er wollte lieber Ioakim begleiten und von ihm lernen, wie man kämpfte, um andere zu beschützen. Genau wie er es Iason beigebracht hatte.
Nachdem er sich jedoch drei Morgen lang die Beine in den Bauch gestanden hatte, war es ihm dann doch zu langweilig, mit Ioakim mitzukommen und er liess sich überreden, trotzdem mit zur Schule zu gehen, weil man da ebenfalls viel lernen konnte, was im Leben sehr wichtig war. Selbst für das Kämpfen. Dafür würde Ioakim ihm am Nachmittag beibringen, wie er mit seinem Dolch umgehen konnte. Tileo war ganz stolz gewesen, als der Krieger seine Waffe bewundert hatte und gesagt hatte, dass Kosta da etwas gutes ausgewählt hätte. Allerdings musste er dann gleich wie Iason eine Standpauke halten, dass ein Messer kein Spielzeug sei und so weiter. Das war weniger lustig. Doch er wagte es nicht, seine Augen zu verdrehen.
Die Schule mochte er nicht. Da waren so viele Kinder, die ihn anstarrten und ihn mit Fragen löcherten und mit dem was die Lehrerinnen und Lehrer erzählten, konnte er auch nicht viel Anfangen. Zelika hatte ihm zwar das Alphabet beigebracht und er konnte auch ein wenig rechnen. Doch die gleichaltrigen Kinder konnten alle schon viel mehr. Das war doof. Tileo konnte doch auch nichts dafür, dass es bei ihm Zuhause keine Schule gegeben hatte. Ausserdem waren sie dann überfallen worden. Da hatte er auch nicht lernen können. Zum Glück war die Schule immer nur am Morgen und es gab eine grosse Pause wo sie draussen Spielen konnten. Meistens blieb er da bei Arion. Doch einmal bekam er mit, wie ein etwas grösserer Junge blöde Sprüche zu Pandora sagte und sie ganz wütend wurde, deswegen. Also ging er vorsichtig näher zu den Beiden. Als der Fremde dann aber auch noch nach Pandoras Zöpfen langte, um daran zu ziehen, war jegliche Vorsicht vergessen.
"Lass sie in Ruhe", schrie er zornig, stellte sich zwischen die Beiden und boxte dem Kerl, dem ihm doppelt so gross wie er selbst vorkam, so fest er konnte in den Bauch, setzte gleich mit weiteren Schlägen nach und als dieser überrumpelt rückwärts taumelte und stolperte, stürzte sich Tileo gleich wild auf ihn, um ihn zu Boden zu werfen und zu verprügeln.