Re: Ein langer Weg
von Eneas » Mo 10. Okt 2022, 20:50
Kosta fragte ihn zurück, woher Eneas wissen wolle, dass es im Besitz einer geliebten Person nicht gefallen würde. Es gäbe doch kaum einen Unterschied, wenn diese ihm alle Freiheiten gewähren würde. Eneas wäre der gesellschaftliche Stand ja sonst auch nicht wichtig.
"Das stimmt, aber das ist etwas anderes", beharrte der Pirat. Er wollte gegenüber der Person, die er liebte gleichwertig sein. Kosta fühlte sich vielleicht schon jetzt so, doch Eneas verband viel zu viel anderes mit Sklaverei. Kosta hatte sich an das Leben gewöhnt, glaubte Eneas.
"Alle Freiheiten kann er mir dann doch nicht geben, selbst wenn er wollte. Und es geht auch mehr um das, wie es sich hier drinnen anfühlt." Er legte seine Hand auf die Brust. "Als Sklave.. ich weiß nicht.. allein das Wissen, dass diese Freiheiten nur von einer anderen Person ermöglicht werden.. das will ich nicht. Ich will selbst über mich bestimmen und nicht abhängig sein. Ich will wissen, dass wir beide auf der gleichen Ebene sind. Jedenfalls ist das für mich wichtig."
Sie konnten das gewiss weiter zerpflücken, und er sah, dass Kosta ihm seine Sichtweise beibringen wollte, aber sie hatten einfach zu unterschiedliche Gemüter, glaubte Eneas. "Genau wie es dir schwerfällt mir zu erklären wie es war in Sklaverei aufzuwachsen, weiß ich nicht, ob ich dir dieses Gefühl in mir erklären kann. Ich wurde in Freiheit geboren. Alles andere kommt mir so vor, als würdest du mir etwas wegnehmen. Womöglich noch stärker seit Nevander."
Eneas erinnerte Kosta nochmal daran, dass ein Sklave eben nicht alle Freiheiten haben konnte. Man könne keinen Besitz haben, keinen Bund eingehen, keine Positionen in der Gesellschaft inne haben. Der Schriftsteller fragte sich, ob Kosta irgendetwas davon fehlte, jedoch zeigte sich, dass der Krieger nichtmal daran gedacht hatte. Fast entsetzt fragte er was er mit einem offiziellen Bund solle. Oh.
Eneas wurde verlegen, strich mit dem Finger durch etwas Gras neben ihm. "Hmm... es könnte doch sein.. dass du irgendwann mal etwas offizielles..." Oh nein, er hätte es nicht erwähnen sollen. Das war eine ganz falsche Reihenfolge. Sie waren nichtmal zusammen. So wie es klang, wollte Kosta genausowenig einen Bund wie Kinder. Hoffentlich wollte er wenigstens mit Eneas zusammenkommen. Dafür, dass Kosta nicht so einen hohen Wert auf Freiheit gab, schien er sich erstaunlich wenig binden wollen.
"Sprichst du von dem, was ich denke oder ist da auch nur wieder ein Missverständnis zwischen uns?", wollte sein Freund wissen.
"Oh.. ähm, ich weiß nicht.. das war nur so ein Beispiel, das mit dem Bund... nicht, dass wir das mal machen müssten.. einen Bund eingehen", stammelte er überrumpelt. Eneas war alles andere als gut vorbereitet auf diese abwehrenden Reaktionen. Sie könnten sowieso keinen offiziellen Bund eingehen, wenn Kosta Sklave war. Eneas wollte hauptsächlich mit seinem Liebsten zusammenkommen. Der Rest war nicht so wichtig, dachte er.
Dass Kosta keinen Besitz und keine Position haben könne, lehnte er schmunzelnd ab, dass ihn das nicht kümmere, da er ja Pirat wäre. Eneas blickte ihn verliebt an. In letzter Zeit hatte er befürchtet, dass Kosta sich damit nicht mehr identifizierte. Er hatte sich so oft von der Mannschaft abgekapselt und sich nicht zugehörig gefühlt. Jetzt zu hören, wie er sich als Pirat bezeichnete, wärmte Eneas das Herz.
"Ja, es wäre sicherlich schwer, als ehemaliger Sklave eine Position zu bekommen", gab er zu, "Dafür sollte es viel mehr Programme geben." Sie konnten nicht jeden befreiten Sklaven auf Nuranessa bringen. Wenn es mehr Leute in Hayll gäbe, die ehemalige Sklaven einstellen würden, wäre schon vielen geholfen. "Allerdings würde dir Timaris dabei sicher auch helfen."
Kosta gab ja auch zu, dass es praktisch wäre, ihr Sklave zu sein und dass er deswegen viele Privilegien genoss. Er könnte im Palast sofort zu ihr und niemand würde dies beanstanden oder eine Konkurrenz in ihm sehen. Das wäre anders, wäre er in einem ihrer Kreise.
Eneas hörte ihm aufmerksam zu. "So habe ich das noch nie gesehen", bemerkte er, "Du hast recht, das klingt in der Tat sehr vorteilhaft. Es ist schön, dass du ein gutes Leben im Palast hast." Es war ja quasi Kostas zweites Zuhause. "Ich möchte es dir auch nicht erschweren, zu Timaris zu kommen."
Sein Geliebter erzählte wie er früher Angst gehabt hatte, alleine klarzukommen. Er hätte immer von Timaris beschützt und gefangen sein wollen. Eneas nickte. "Ich weiß, ich erinnere mich daran wie unsicher du warst." Sie hatten oft ihre eigenen Probleme gehabt, da Kosta etwas missverstanden oder nicht gewusst hatte. Er war noch so jung gewesen. Eigentlich hätte so jemand junges überhaupt kein Sklave sein dürfen. Er hatte Eltern gebraucht, keine Besitzer. Natürlich war Timaris da seine Beschützerin gewesen.
"Ausserdem wollte ich natürlich auch nicht, dass Timaris und du euch meinetwegen streitet", sagte er lächelnd. Eneas lächelte ertappt zurück. Sie hatten sehr viel über Kosta gestritten. Mehr als er ahnte.
"Wenn wir gestritten haben, war das nicht deine Schuld, sondern unsere eigenen Beziehungsprobleme. Und sie hat viel früher als ich erkannt, dass du mehr Freiheiten brauchst", gab er zu. "Ich war so vernarrt in dich, dass wir mehrere Urlaube gemacht haben, damit ich von dir loskomme", sagte er halb scherzhaft. Er schüttelte lächelnd den Kopf. Er war so kaputt damals gewesen. "He, da fällt mir ein, dass wir ihr einen Brief schreiben könnten. Den letzten hatte ich ihr geschrieben kurz bevor wir von Draega abgelegt sind. Sie fragt sich bestimmt wie es dir mittlerweile geht", schlug er vor.