Re: Kostas Entführung
von Eneas » Fr 5. Aug 2022, 18:29
"Ich will aber reden! Erklärs mir, danach - hey!", brachte Eneas heftig atmend vor, kam aber nicht dazu während des Gerangels zu sagen, was er vor hatte. Allzu heftig schlugen sie sich nicht. Er wollte Kosta ja nicht weh tun, ihn bloß dazu bringen stehen zu bleiben anstatt sofort nach diesen gemeinen Worten vom Schiff zu stürmen. So durfte es nicht enden. Und seitdem Kosta gesagt hatte, er wolle nie mehr zurück, war bei dem Kapitän sowieso alles vorbei. Es war nun mehr die Angst vor dem Verlust, der ihn antrieb.
Er hatte ihm wirklich nicht weh tun wollen, weswegen Eneas auch sofort nach seinem Freund greifen wollte, als man es unter ihnen knacken hörte und eines der Bretter brach. Es half nichts. Kosta verlor das Gleichgewicht, kippte unglücklich zur Seite und knallte mit dem Hinterkopf gegen die Kante des Steges.
"Kosta!" Eneas stürzte entsetzt zu ihm, wäre dabei beinahe vom Steg und ins Wasser gefallen. Nun kamen Olintes und Farell doch den Steg hoch.
"Was ist hier eigentlich los? Ihr streitet?", fragte Olintes.
Eneas ignorierte ihn zunächst, beugte sich über Kosta. "Hey, alles okay? Oh nein, er wacht nicht auf! Das ist alles meine Schuld!"
"Ist es nicht. Ihr zwei seid nur Idioten", sagte hinter ihm Damien. "Maria sollte gleich hier sein."
Farell tastete Kostas Hals ab. "Er ist nur bewusstlos. Die Planke hat ihn glatt ausgeknockt."
"Ist vielleicht auch besser so", warf Olintes grinsend ein. Eneas fand das alles überhaupt nicht amüsant. Er griff vorsichtig unter Kostas Arme und zog ihn etwas in die Höhe.
"Schnell, helft mir ihn reinzubringen", sagte er. "In meine Kajüte."
Die drei warfen sich einen fragenden Blick zu, packten dann aber Kostas Füße und transportierten den bewußtlosen Krieger wieder zurück ins Schiffsinnere. Andere der Mannschaft kamen fragend vom Deck runter, Blicke wurden ausgetauscht. Damien wedelte mit der Hand im Hintergrund, um zu bedeuten, sie sollten die Fragen erst einmal sein lassen. Eneas bekam davon nichts mit, da er sowieso nur Augen für Kosta hatte.
Vorsichtig bettete er ihn auf das Bett, das sich hinter einem Wandschirm in der Kapitänskajüte befand.
"Also was ist hier los?", wiederholte Olintes seine Frage, nachdem sie Kosta abgelegt hatten.
"Er will uns verlassen", sagte Eneas leise und ziemlich erschüttert. Er klammerte sich an Kostas Hand ehe er sich abrupt erhob und die anderen anstarrte. "Schnell, macht die Leinen los! Zieht den Anker, Segel setzen, wir brechen auf!"
"Was? Hast du nen Sockenschuss", setzte Farell an.
"Er will weg!", erwiderte der Kapitän panisch. Er musste das verhindern. Sie brauchten mehr Zeit. Er musste irgendwas tun. "Los, klar Schiff! Timaris hat auch keinen Auftrag mehr, wir können aufbrechen, genau!" Er rannte aus der Kajüte, die Treppen hinauf und begann hektisch die Taue alleine zu lösen.
Inzwischen waren auch Ulysses und Solomon zurück, die frische Vorräte gebracht hatten. Kopfkratzend sah der bullige Solomon sich seinen geschäftigen Kapitän an. "Jetzt isser endgültig verrückt geworden", brummte er.
"Los, los, Leinen los. Segel hissen", rief Eneas und versuchte alles gleichzeitig zu machen. Schließlich ging Olintes ihm zur Hand.
"Was machst du da?", zischte Damien.
"Dann kommt hier vielleicht mal was in die Gänge", erwiderte der zweite Maat salopp. "Ihr habt den Käpt'n gehört! Wir legen ab!"
Rachel deutete zum Hafen. "Es sind noch nicht alle wieder zurück. Da ist Maria!"
Maria! Eneas rannte zurück nach unten und zog die Heilerin fast vom Steg, schob sie hastig zur Kapitänskajüte. "Bitte, du musst ihm helfen. Er ist hingefallen, er wacht nicht auf. Es war ein Unfall", versuchte er ihr rasch alles zu erzählen. Maria kniete sich neben das Bett.
"Er hat nichts, Eneas. Er wird bloß eine ordentliche Beule davon tragen und einen Brummschädel haben, wenn er aufwacht. Siehst du, nichtmal Blut." Sie zog ihre Hand wieder fort. "Aber was ist hier für ein Chaos? Und.. wie siehst du aus? Habt.. Eneas, habt ihr euch geprügelt?", hakte sie nach. Der Krieger raufte sich aufgewühlt die schwarzen, dichten Haare.
"Nein.. ja, ich weiß nicht, ich wollte doch nur, dass er nicht geht."
Derweil herrschte auf dem Deck reger Betrieb, als nun doch alle hektisch versuchten die 'E' segelbereit zu machen. "Werden wir angegriffen? Wurde einer von uns erwischt?", fragte Amancio keuchend, als er eintraf.
Farell schüttelte den Kopf, grinste. "Ne, bloß Ehekrach", scherzte er.
Dann fielen ihre Blicke auf Leto, die nach Amancio auf Deck gekommen war. Sie trug ein umwerfendes schwarzes Kleid. Bloß ihre Frisur steckte zur Hälfte in Lockenwicklern. Es wäre vermutlich lustig gewesen, hätte sie die Gruppe nicht finster angesehen.
"Ich habs nich so gemeint", fing Farell an, doch da hatte die Heilerin sich schon umgedreht und war in Richtung Achterdeck gegangen.
Damien warf den anderen einen mahnenden Blick zu. "Echt toll. Ich red mit ihr." Rasch ging er Leto hinterher, während hinter ihnen die Segel langsam in die Höhe gezogen wurden.
Eneas hatte sich wieder neben Kosta gesetzt, hielt dessen Hand.
"So hab ich ihn noch nie erlebt", murmelte er. "Er sagt mir nicht alles. Ich weiß nicht was los ist."
"Du kannst ihn nicht an dein Bett festketten. Du musst ihn seine eigenen Entscheidungen treffen lassen", wandte Maria ein. Gerade wollte Eneas seinen Geliebten aber sehr gerne festketten und nie mehr weg lassen. Er hatte solche Angst ihn zu verlieren. Hatten sie schon abgelegt? Er musste das überprüfen.
Der Krieger erhob sich, eilte auf den Gang -
"Leto", stieß er überrascht vor. Er hatte ganz vergessen, dass sie eine Freundin besuchte und nicht in der Nähe des Hafens gewesen war. Sie hatte es trotzdem hierher geschafft. Nicht ohne Schwierigkeiten wie man sah. "Du siehst-", setzte er an.
Leto verpasste ihm sofort eine Ohrfeige. Die hatte gesessen. Und die hatte er verdient. "Er ist in unserem Bett oder?", fragte sie.
"Er hat sich den Kopf gestoßen", erklärte Eneas rasch, rieb sich die brennende Wange. "Er wollte uns verlassen. Für immer." Das musste sie doch verstehen.
Leto seufzte, biss sich auf die dunkelrot geschminkte Unterlippe. "Ich bin so blöd", sagte sie dann unerwartet, "Ich hab gedacht, ich mache nicht den Fehler wie deine Ex-Freundinnen. Ich geb dir genug Freiheiten, ich bin die perfekte Gefährtin, aber nein, das reicht dir alles nicht. Dir ist es gerade bequem genug dich nicht entscheiden zu müssen. Und ich fall auch noch auf deine Masche rein." Sie zog sich einen Lockenwickler aus dem Haar.
"Leto... lass mich erklären. Das ist alles überhaupt nicht so geplant gewesen. Siehst du, es war Kosta, der plötzlich so-", fing er an.
"Ich hab deine dummen Ausreden so satt! Zehn Jahre lang immer die gleichen Ausreden!", setzte seine Gefährtin nach und drehte sich um. Eneas eilte ihr nach.
"Leeeto." Die nächsten zwei Stunden stritten sie heftig miteinander. Eneas versuchte sie davon zu überzeugen, dass dies alles hier einfach eine blöde Verkettung seltsamer Zufälle war, die Heilerin unterstellte ihm andere Absichten und zum Schluss, dass sie wünschte, er würde ihr nur halb so viel Beachtung schenken wie Kosta. Eneas hielt entrüstet dagegen, dass dies alles nicht stimmte und sie maßlos übertrieb.
Die 'E' hatte inzwischen abgelegt und die Mannschaft versuchte sich so gut wie unsichtbar zu machen, während die zwei sich laut auf dem Deck Vorwürfe machten. Die meisten hingen weiter oben auf der Takelage oder hatten sich zu Solomon in die Kombüse verdrückt.
So hatte man den bewußtlosen Kosta ganz vergessen. Alle bis auf einen.
Damien war es, der auf einem Stuhl saß und wartete, dass Kosta mal wieder aufwachte. Plötzlich hörte man ein lautes "Timaris!", der Krieger schreckte auf.Das war wohl das Stichwort. Damien glitt aus dem Stuhl und trat ans Bett. Kostas Augen waren geöffnet, er atmete schnell.
"Na, wieder unter den Lebenden?" Er hatte ein Glas Wasser eingeschenkt, nahm es nun zur Hand, falls Kosta etwas trinken wollte. "Schlechter Zeitpunkt. Die streiten immer noch." Er deutete mit einem Finger über sich, wo man in der Tat gedämpft den heftigen Wortwechsel hörte.
"Bevor du aufspringst, mich überwältigst und rausrennst, es liegen mittlerweile mehrere Seemeilen zwischen uns und Draega. Käpt'n hatte Panik", erklärte Damien und verdrehte die Augen. "Warum hast du nach Timaris gerufen?" Das hatte irgendwie nach einem schlechten Traum geklungen.