Re: Lehrzeit als Kerkerwärter
von Ayden » Do 22. Sep 2022, 19:58
Ayden ging in raschen Schritten die Treppe hinunter, nachdem er gewartet hatte, dass niemand auf dem Gang war, der ihn beobachten konnte. Der Prinz hatte kurzzeitig überlegt, sich eine Uniform der Wärter zu organisieren, doch es dann verworfen. Sein Gesicht war bekannt genug in der Festung. Wenn er doch jemanden antraf, würde es ihm eher helfen sich als Haushofmeister aufzuplustern und nach einer Heilerin zu verlangen.
Die Sorge war unbegründet. Niemand kam ihm entgegen, die Gänge unten in den Katakomben des Kerkers waren wie leer gefegt. Kosta schien ganze Arbeit geleistet zu haben. Nun, als Ayden hier unten war, konnte er spüren was die Wärter hier so völlig außer Konzept brachte. Die Lust war nahezu greifbar, drang durch jede Pore und floss in einen hinein wie ein Gefäß. Ayden unterdrückte ein Keuchen, versuchte sich dagegen abzuschotten. Minan...
Er konnte immer noch nicht recht glauben, dass der Junge hier war. Dass er noch lebte. Aber das war unverkennbar seine Signatur, die mittlerweile den gesamten Kerkerbereich auszufüllen schien. Vermutlich hielten sich die Wärter und Heilerinnen schon zu lange hier unten auf und merkten es nicht einmal. Ayden durfte sich nicht ablenken lassen, obwohl es ihn instinktiv Richtung des Labors zog. Es würde zumindest nicht schwierig werden Minan später zu finden. Der Prinz hatte sich den Weg zu Lady Ellels Arbeitszimmer genau eingeprägt, so dass er an keiner Abzweigung zögern musste. Trotzdem hielt er ab und zu inne, spähte um die Ecke, tastete nach Signaturen. Alle Wärter schienen sich an einem Ort zu sammeln. Dort musste Kosta sein. Hoffentlich hielt er die Kerle lange genug beschäftigt. Und hoffentlich würde Zorya ihn selbst nicht ausgerechnet jetzt vermissen.
Der Prinz bog in den Gang, wo das Büro von Lady Ellel sein musste. Dritte Türe. Er rief den Schlüssel herbei. Ayden atmete nochmal tief durch. Sein Körper kribbelte. Er schüttelte leicht den Kopf, um Minans Aura zu ignorieren. Sein Fuß wippte leicht zu einer unhörbaren Tangomusik. Vor der Türe rief er einen Flacon herbei, bestäubte sich damit. Es würde seine Signatur verschwinden lassen. Lady Ellel sollte schließlich nicht mißtrauisch werden. Ayden rückte sich nochmal die Handschuhe zurecht, seine Hand glitt zum Türgriff, nachdem er die Türe nach verborgenen Netzen abgetastet hatte. Er hatte an alles gedacht, sagte er sich zufrieden. Nur noch nach Signaturen überprüfen. Zur Sicherheit.
In dem Moment öffnete sich die Türe von innen. Eine goldige Heilerin blickte ihn aus großen Augen an, vollkommen perplex. Sie trug eine gestärkte weiße Uniform, ihre Haare zu einem Dutt gebunden, hielt ein Tablett mit mehreren Fläschchen und einer Spritze fest.
Ayden brauchte nur ein Augenblinzeln um sich zu fangen, schenkte ihr ein umwerfendes, charmantes Lächeln. Bevor sich ihre Überraschung überhaupt in Verwirrung wandeln konnte, schossen seine Hände blitzschnell vor und er riss ihren Kopf kraftvoll herum. Das Licht in ihren Augen verlosch abrupt, das Tablett entglitt ihren Händen. Während Ayden die Heilerin auffing und dabei zurück in den Raum schob, griff er mit der anderen Hand rasch nach dem Tablett, schaffte es noch gerade so auszubalancieren bevor es umkippte. Mit geschmeidigen Schritt folgte er ihr in das Büro und schloss die Türe hinter sich.
Erst dann erlaubte Ayden sich innerlich zu fluchen. Ärgerlich, ärgerlich. Er packte die tote Heilerin am Kragen ihrer Uniform, damit sie nicht hinfiel, streckte sich, um einen niedrigen Tisch erreichen zu können, wo er das Tablett abstellen konnte. Ayden sah sich kurz um. Es war so wie Kosta beschrieben hatte. Sein Blick ging zu dem großen, klobigen Spiegel. Darum würde er sich später kümmern müssen. Erst musste er die Heilerin beseitigen. Zum Glück war er aufgrund seiner... Neigungen immer bestens vorbereitet eine Frauenleiche verschwinden zu lassen.
Ayden hielt sie weiterhin fest, rief ein großes, weißes Tuch herbei und breitete es schwungvoll mit einer Armbewegung auf dem Boden des Büros aus. Sanft ließ der Prinz die Heilerin darauf niedergleiten. Dann rief er einen leeren, großen Reisekoffer herbei, klappte ihn auf und kniete sich neben der Toten auf das Tuch. Ayden betrachtete sie seufzend. So etwas dummes...
Kosta musste ihm viel mehr Zeit verschaffen als gedacht.
Nichtsdestotrotz machte sich der Haushofmeister an die Arbeit der Frau alle Glieder zu brechen. Er drückte ihre Beine über ihren Kopf zurück bis es geräuschvoll knackte und er sie ganz nach hinten drücken konnte, ähnlich verfuhr er mit ihren Füßen, den Armen und Handgelenken bis er sie immer kleiner zusammenquetschen konnte, damit sie in den großen, rechteckigen Koffer passte. Ayden legte das Ende des weißen Tuches darüber, bedeckte die Leiche und schloss den Koffer wieder, um ihn dann in seinem Juwelengepäck verschwinden zu lassen. Der Prinz erhob sich wieder, widmete sich dann dem Tablett. Das Tablett war das Hauptproblem. Es sah so aus, als hätte die Heilerin etwas aus dem Büro besorgen sollen. Das bedeutete, man würde sie vermissen. Früher als Ayden lieb war. Er konnte nur darauf bauen, dass momentan alle wegen Minans Ausstrahlung anderes im Sinn hatten. Der Prinz versuchte es wenigstens so wirken zu lassen, als wäre die Heilerin nie bis zum Büro gekommen indem er sich die Regale und Behälter ansah, um festzustellen wo die Heilerin was weggenommen hatte. Vorsichtig stellte er die kleinen Behälter zurück an die leeren Stellen. Zum Glück beschriftete Lady Ellel alles sorgfältig. Danach verteilte Ayden noch etwas von dem Zerstäuber im Raum, um die Signatur der Heilerin ebenfalls auszulöschen.
Wenig später war es so, als wäre sie nie hier gewesen. Der Prinz drehte sich um zu dem großen Spiegel.
Vorsichtig schob Ayden den Spiegel zur Seite, um den dahinter liegenden Eisschrank zu enthüllen. Wie Kosta gesagt hatte, befand sich hinter dem klobigen Spiegel tatsächlich ein in die Wand eingelassener Schrank. Ayden tastete es mithilfe der Kunst ab, doch natürlich würde er nie die dunklen Netze der Heilerin erkennen können. Er musste es einfach wagen und hoffen, dass die Anwesenheit der Heilerin vorhin Beweis genug war, dass die Schränke tagsüber frei zugänglich waren.
Ayden probierte den Schlüssel aus von dem Kosta einen Abdruck gemacht hatte. Einen gespannten Augenblick lang passierte gar nichts. Dann schwang die dicke Türe des Eisschrankes auf. Kalter Dampf wallte dem blonden Prinzen entgegen. Ayden lächelte dünn, als er die verschiedenen Fächer sah. Viel befand sich nicht in dem Schrank. Rasch ging er die einzelnen Röhrchen, Ampullen und Flaschen durch. Sein Blick blieb an einer dünnen Flasche hängen, die sich oben hin filigran verengte.
"Durathiel Mealu" stand in akurater Schrift auf dem Etikett. Das musste es sein. Der Prinz rührte sich zunächst nicht, betrachtete genau den Inhalt des Schrankes und wie das Gegengift dort stand, in welchem Abstand zu den anderen Flaschen.
Ayden rieb seine Hände kurz gegeneinander, um ein Zittern zu verhindern, als er vorsichtig nach der Flasche griff. Er hielt es hoch, um es genauer zu betrachten. Es war eine rote Flüssigkeit, vielleicht war Durathiels Blut Teil des Gegenmittels.
Ayden hatte verschiedene Ersatzflaschen vorbereitet, mit schwarzer und roter Flüssigkeit, da er spekuliert hatte, dass das Gegenmittel eine von diesen beiden Farben besaß. Zorya hatte schon immer einen leichten Hang zur Dramatik gehabt. Leider hatte Ayden in seiner Ersatzflasche mit dieser Form eine schwarze Flüssigkeit. Er würde umfüllen müssen. Und was war da noch? Er sah leichte schwarze Flocken in dem Gegenmittel schweben. Er wusste nicht was es war, doch er würde das unmöglich replikieren können. Seine Täuschung würde nur einen flüchtigen Blick standhalten. Wenn sie Glück hatten, waren sie bis dahin längst weg.
Ayden hätte es vorgezogen, die Feste so schnell wie möglich zu verlassen, um bei der ersten Gelegenheit auf die Winde aufzuspringen und nach Askavi zu reisen. Es waren Verbündete und sie würden ihn durch das Tor der Winde lassen, so dass er schnell nach Hayll kam. Aber mit Minan war das unmöglich. Nach Kostas Berichten würde der Jugendliche keine Reise dieser Art überstehen. So oder so mussten sie auf normalen Wege aus Dalmadans Feste und wenn möglich einen großen Vorsprung erarbeiten, damit man sie nicht einholen würde. Alleine hätte er unter Vorwand einer Inspektions Dhemlans Provinzen bereisen können, aber mit Minan und Kosta...
Ayden vertrieb die Gedanken für eine Weile. Er musste sich auf die Aufgabe hier konzentrieren.
Vorsichtig füllte er die schwarze Flüssigkeit aus der passenden Flasche in eine leere um, gab dann die rote Flüssigkeit in die richtige Flasche, dabei bedacht auch ja keinen Tropfen zu verschütten. Ayden überlegte wegen den schwarzen Flocken und ob er einen passenden Ersatz dafür hatte. Er rief einen schwarzen Gürtel herbei und schabte mit einem scharfen Messer etwas von dem gefärbten Leder ab, verkleinerte es ehe er es in die Flasche gab. Der Prinz schwenkte sie hin und her. Nun, es würde reichen müssen.
Er hatte keine Kunst einsetzen wollen, aber jetzt erwärmte er doch kurz das Etikett auf dem Gegenmittel, um es leicht mit einer Pinzette ablösen zu können. Ab und zu überprüfte er die Umgebung nach Signaturen, verharrte angespannt wenn er eine spürte, doch niemand kam in das Arbeitszimmer. Ayden klebte das Etikett auf die falsche Flasche, überprüfte alles noch einmal genau ehe er sie auf den alten Platz des Gegenmittels platzierte.
Bedächtig schloss er den Schrank wieder und schob den Spiegel davor. Ayden rief eine Kühlbox herbei, die Kosta ihm besorgt hatte, und ließ das Gegenmittel darin verschwinden.
Danach verließ der Haushofmeister das Arbeitszimmer wieder. Er hatte nicht viel länger gebraucht. Die Heilerinnen mussten noch mit Minan beschäftigt sein und die Wärter mit Kosta. Ayden schritt rasch aus, um das untere Stockwerk so schnell wie möglich wieder verlassen zu können. Der Prinz wollte gerade um die Ecke biegen, als er Signaturen spürte. Hastig presste sich der Prinz gegen die Wand.
Er hörte Kichern und dann.. leises, erregtes Seufzen. Ayden rief einen runden Taschspiegel herbei, hielt ihn hoch und drehte ihn leicht, um sehen zu können was im nächsten Gang vor sich ging. Zwei Heilerinnen standen dicht beinander, die eine hatte die zweite gegen die Wand gepresst und schob gerade ihre Hand unter ihren weißen Rock. Sie küssten sich verzückt.
Ayden beobachtete sie und spürte wie er kurz davor war die Gefahr zu vergessen in der er sich befand. Minan... er konnte ihn selbst hier spüren. Er musste ihm irgendwie helfen können. Der Prinz ließ den Spiegel wieder verschwinden, ging zurück. Er würde eine andere Route nehmen müssen. Ayden mochte es nicht vom Plan abzuweichen, doch er hatte keine andere Wahl. Relativ schnell merkte er, dass es nur eine Route gab, die er nehmen konnte, um wieder herauszukommen. Bei den Gefangenen entlang. Alles andere als.. ideal.
Die Soldaten waren unberechenbar. Ayden hatte sie gedankenlos geopfert. Wieso hatten sie ausgerechnet hier landen müssen? In ihrer Dummheit und Rachsucht würden sie soweit gehen und Alarm schlagen.
Ayden würde schnell genug durch den Gang gehen müssen bevor sie begriffen wer er war. Vorzugsweise verkleidet. Wo hatte Kosta gesagt, waren die Spinde?
Der Prinz fand den Raum schnell genug wieder, schnappte sich eine Wärtersjacke und zog sie sich über. Das musste für einen flüchtigen Blick reichen. Der Wärter würde zwar seine Jacke vermissen, doch Ayden hoffte, dass es dem Wärter selbst zugeschrieben wurde. So machte sich der Prinz auf den Gang mit den Zellen zu durchqueren.
Für die ersten Meter beachtete ihn keiner. Aber es war der dumme Tigerlaner, der an die Gitterstäbe trat.
"Meinst du, du kannst dich unter fremder Kleidung verstecken? Deinen Gestank riech ich noch meilenweit", sagte er. Der Kriegerprinz schien gerade etwas rufen zu wollen, als Ayden rasch zu ihm trat.
"Ein Wort und ich sorg dafür, dass du deine Tochter nie wieder siehst. Schweig und du kommst bald frei", zischte er. Ayden wusste nicht, ob er dies halten würde oder nicht. Es kam darauf an, ob ein Ausbruch der Gefangenen für ihn nützlich sein würde. Zumindest verblüffte es den Tiger solange, dass Ayden sich mit schnellen Schritten entfernen konnte.
Endlich war er aus dem Kerker hinaus, entledigte sich rasch der Uniformsjacke. Er hatte vor, sofort zu Zorya zu gehen. Sollte der Einbruch in Lady Ellels Arbeitszimmer bemerkt werden, war es besser, wenn es so schien, als wäre Ayden die ganze Zeit über bei Zorya gewesen. Sie würde es selbst glauben wollen. Außerdem wollte er die Königin weiter ablenken. Nicht, dass sie ausgerechnet jetzt auf die Idee kam sich mit Kosta vergnügen zu wollen.