Re: Der Verrat
von Yadriël » So 21. Aug 2022, 19:30
Iason hatte ihm zwar gesagt, dass der Bote gefährlich sei, aber das hatte Zucker nicht daran gehindert so zu sein wie er immer war. Und dass war kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Klug? Nicht unbedingt. Er merkte auch schnell, dass man bei dem Prinzen auf der Hut sein konnte. Er hatte ein gewisses Temperament, das sehr dicht unter der Oberfläche zu brodeln schien. Zucker wusste auch nicht wieso es ihn so reizte herauszufinden was darunter war. War der Mann Hayllier? Seine Haut war viel zu hell dafür. Vermutlich ein Mischling.
Iason hatte Zucker auch gleich einen leichten Schlag verpasst, um ihm zu bewegen höflich zu bleiben. Der Soldat riss sich zusammen. Er reagierte ein wenig allergisch auf Befehle und Autoritäten. Das hätte ihm bereits als Sklave und Gefangener viele Schwierigkeiten eingebracht und als Soldat war es auch nicht unbedingt eine erstrebenswerte Eigenschaft.
Wie auch immer, die Botschaft war jedenfalls überbracht. Dem Schnösel schien das alles viel zu langsam zu gehen, wollte in zwei Tagen ein Treffen haben und Zucker sollte sofort aufbrechen. Jetzt sah sich der Soldat doch mal genötigt was einzuwenden. Schnell war alles geklärt. Zucker sollte die beiden morgen zum Ort des Rendevouz bringen und dann Rashar Bescheid geben. Zucker fragte sich wieso der Bote es so eilig hatte. All die Monate zuvor hatte Hayll sich nicht wirklich bequemt mal in diesem Höllendschungel von Land aufzutauchen. Wieso auf einmal jetzt? Merkten die auch endlich, dass es eng um sie herum wurde?
Zucker wurde von Iason in eine kleine Hütte gebracht, wo er sich ausruhen konnte. Es sah mehr wie ein Gefängnis aus, aber Zucker hatte schon schlimmeres gesehen. Er ließ sich auf der Decke nieder. Iason entschuldigte sich für den Schlag. Zucker winkte ab. Das war ihm egal. "Ich war so höflich wie ich konnte", erwiderte er grinsend. Der Krieger blickte ihn länger an ehe er nur sagte, er käme später.
Als er wiederkam, schlief Zucker bereits. Es war ein langer, schneller Marsch gewesen und morgen würde nicht einfacher werden.
Am anderen Morgen verliesen sie das Lager. Zucker hatte es nicht gesehen, aber er vermutete, dass es irgendeiner kleineren Rebellengruppe gehörte. Es gab viele Splittergruppen. Das war auch zum größten Teil ein Problem. Viele der Rebellen hatten unterschiedliche Ziele, eigene Interessen. Manche bekämpften auch die Benksaba Soldaten anstatt Sions Soldaten und so fort. Der große Dschungel war ein einziger Hexenkessel geworden. Und sie hatten erst den Rand davon erreicht. Zucker mochte es sich gar nicht vorstellen, wenn sie in ein paar Tagen in den Norden aufbrachen. Aber Rashar und Tiger sagten, es wäre notwendig und sprachen von einem großen Durchbruch. Etwas was die Rebellenanführerin Pélage entdeckt haben sollte. Aber was es war wusste der Soldat auch nicht. Was genau konnte in diesem dampfenden Dschungel schon sein?
Stunden ging es durch den Wald, der immer dichter wurde. Das hier war kein lauer Buchenwald mit tanzenden Sonnenstrahlen, aber auch kein finsterer Nadelwald Glacias. Dieser Wald hier pulsierte nur so vor Leben. Die Bäume waren riesig, behangen mit weiteren Pflanzen. Breit fächerten sich die Baumkronen auf, filterten das Licht zu einem flirrenden grünen Schein. Zucker war es bereits gewohnt. Trotzdem registrierte er mit Genugtuung wie das Hemd des hayllischen Boten an ihm klebte und er ebenfalls schwitzte.
Erst zum Nachmittag kamen sie zum Treffpunkt an. Sie waren bereits weit im Territorium von Pélages Bande. So war sichergestellt, dass Zucker die beiden auch alleine lassen konnte. Zuckers Spruch war also eher Schau.
"Mich alleine lassen? Weiß nicht, wenn ich eine heiße Nymphe sehe, könnte es was länger dauern", scherzte Zucker zurück. Er zwinkerte Iason zu und machte sich dann auf dem Weg.
Es war abends als er beim Fort ankam. Nachdem er Rashar den Brief gegeben und ihm alles gesagt hatte, ließ sich Zucker bei Anzalya blicken, damit sie nicht Verdacht zu schöpfen begann was um sie herum so ablief. Trotz seiner Erschöpfung schaffte er es doch noch die Botin zufrieden zu stellen und als sie eingeschlafen war, schlich er sich wieder zu Rashar und Tiger. Es sah so aus, als würde Rashar packen, während der Kriegerprinz unruhig im Raum herumtigerte.
"Wie siehts aus?", fragte Zucker, lehnte sich an die Türe.
"Was ist mit der Schlampe?", fragte Tiger.
Zucker grinste breit. "Schläft wie ein Baby. Soll ich euch jetzt zum Treffpunkt bringen?"
"Ja", sagte Rashar.
"Nein", grolle Tiger. "Ich traue denen nicht. Ich rieche eine Falle."
"Sie sind unter Pélages Bewachung", wandte Zucker ein.
"Ich will hören was er zu sagen hat", beharrte Rashar. "Tiger, du musst hier bleiben. Wenn wir beide weg sind, wird es verdächtig."
Zwar argumentierten die beiden noch eine Weile heftig, aber schließlich führte Zucker den Kommandeur der Sechsten in den Wald.
"Was denkst du?", fragte der flügellose Eyrier.
"Sie bieten uns Freiheit. Aber sie wollen auch viel dafür. Wenn wir das machen, gibt es kein zurück mehr", sagte der Feldwebel ernst. Er schob ein großes Farnblatt beiseite. Selbst nachts war es noch drückend hier, Luft, die an einem klebte.
"Das gibt es ohnehin nicht mehr", entgegnete Rashar düster. "Wir sind bald bereit."
Zurück am Findling rief Zucker ein Licht herbei, wedelte ein paar Moskitos fort. Langsam kam er auf die zwei Wartenden zu. Iason wirkte erleichtert, während der Prinz mehr genervt wirkte. Er erhob sich, trat Rashar gegenüber.
"Prinz Karssail?", fragte der hellhäutige Mann.
"Ja, und ihr seid?", fragte der Eyrier zurück, setzte sich auf einen der Findlinge. Zucker spürte die Ansammlung von Kunst, spannte sich gleich an.
"Ich habe einen Hörschutz errichtet, denn ich will nicht, dass unsere Bewacher zuhören", sagte der Bote. Rashar nickte lächelnd.
"Ich bin Prinz Ayden Asar, der Haushofmeister von Hayll", eröffnete der Mann. Zucker blickte ihn perplex an. Was? Machte sich der Kerl sich lustig über sie? Konnte das sein?
"Ihr seid es wirklich?", fragte auch Rashar kritisch. Der Prinz rief einen schweren Siegelring herbei, hielt ihn vor.
"Jetzt glaubt ihr mir vielleicht, dass dieses Treffen hier sehr wichtig ist und ich in offizieller Angelegenheit Haylls hier bin. Hayll ist es sehr ernst mit dem Kampf gegen Sion. Zu welcher Seite kann ich euch zählen? Ist es euch ernst?"
Der Kommandeur schwieg kurz. Zucker beobachtete die beiden Männer. Der eine in einer flickenreichen schwarzen Uniform Dhemlans, der andere in etwas zu weiter schlichter Kleidung. Jetzt wusste auch was Zucker ihm beim ersten Mal aufgefallen war. Der Prinz hatte nicht so gewirkt, als wäre es seine eigene Kleidung.
"Wenn es das nicht wäre, hätten wir euch längst gefangen genommen für Lösegeld", erwiderte Rashar. Zucker grinste. Das war auch sein erster Gedanke gewesen. "Warum seid ihr alleine gekommen? Wo ist eure Armee? Ist sie überhaupt auf dem Weg?"
Prinz Asars Blick verfinsterte sich. "Der Zeitpunkt wann Haylls Armee eingreift, muss gut gewählt werden. Wir können euch nicht in den gesamten Plan einweihen."
Rashar verschränkte die Arme. "Das solltet ihr aber, wenn ihr wollt, dass wir euch trauen. Meine Kompanie ist nicht größer als 100 Soldaten. Wir brauchen Waffen, wir brauchen Verstärkung."
"100 Mann? Das wird reichen...", bemerkte der Bote nachdenklich.
"Für was?", fragte Rashar. Zucker fragte sich auch was genau der Haushofmeister bezweckte. Warum war er selbst hierher gekommen? Er hatte Gerüchte gehört, dass der Mann ein ziemlicher Egoist war. Der Soldat glaubte nun eher, dass der Kerl sich maßlos selbst überschätzte.
"Zorya Earcir ist in Loraka", antwortete Prinz Asar. Er pausierte. "So eine Gelegenheit kommt nicht noch einmal."
Rashar schürzte die Lippen. "Ihr wollt, dass wir sie gefangen nehmen", erriet er. Der Haushofmeister nickte.
"Wenn ihr das schafft, könnt ihr sie persönlich nach Hayll bringen und es wird dafür gesorgt werden, dass keiner eurer 100 Soldaten zurück in den Krieg muss... oder jemals sich noch um Annehmlichkeiten im Leben sorgen muss."
Natürlich, Hayll lockte mit Reichtum. Wie immer. Aber so etwas ähnliches hatte Iason auch schon angedeutet. Jedenfalls, dass Hayll dafür sorgen würde, dass sie in Sicherheit kämen.
"Die Spinnenkönigin ist in Loraka im Fort. Keiner meiner 100 Leute würde dies überleben. Wieso schickt ihr nicht eure eigenen Leute dorthin?", wehrte Rashar ab.
"Ihr seid immer noch Soldaten Sions." Prinz Asar deutete auf die Uniform. "Ihr habt darin einen nicht unbestreitbaren Vorteil. Und ich bin hier, weil ihr mich als Köder nutzen könnt. Das wird sie aus Loraka locken. Direkt hierher." Der Haushofmeister lächelte kaum wahrnehmbar. Er schien sich ja sehr sicher. Zucker sah hinüber zu Iason. Hatte er davon gewusst?
"Ich sage nicht, es wird einfach, aber ihr wollt etwas ausrichten in diesem Konflikt, nicht? Das ist die beste Chance, die ihr bekommen werdet", fuhr der Prinz fort. "Danach könnt ihr Raej verlassen, für immer als die Helden bekannt, die die Spinnenkönigin bezwungen haben. Ich verspreche euch ein angenehmes Leben in Hayll."
Der Eyrier schwieg wieder länger. Er blickte in den Wald. "Wir tun das nicht für den Ruhm", sagte er schließlich leise. "Wir können nicht hier weg."