Geschenk für Goldauge
von Fabiene » Mi 17. Aug 2022, 19:09
Sein Herr liess ihn tatsächlich bei diesem grummeligen, kräftigen, furchteinflössenden Wirt alleine zurück und ging mit dem schmutzigen, frechen Mädchen weg. Ob sie mehr seinen Geschmack traf? Fabiene kam sich ganz schrecklich vor. Jahrelang hatte er gelernt, wie man sich seinen Herrn oder seine Herrin gewogen hielt und er schaffte es, seinen neuern Herrn innerhalb eines Tages mehrmals sehr wütend zu machen und ihn dann zu vergraulen. Dabei war er manchmal so lieb zu ihm gewesen, hatte ihn tröstend im Arm gehalten und sich um ihn gekümmert. Er hatte ihn sogar so geküsst, dass Fabiene ganze weiche Beine bekommen hatte und prompt vergessen hatte zu weinen.
Andererseits hatte sein Herr ihn doch nie wirklich gewollt. Er hatte ihn nur aus Mitleid mitgenommen und nun, nachdem er ihn verärgert hatte, war er tätowiert worden und sollte an einen Piraten abgegeben werden. Davor hatte Fabiene ganz fürchterliche Angst. Piraten waren ganz schlimme Leute. Wahrscheinlich würde er auf einer Galeere rudern müssen und ganz schwielige Hände bekommen. Dann würde sein Herr ihn erst recht nicht mehr wollen. Da auf dem Sklavenmarkt hatte er ihm noch gefallen, doch sobald er beschädigt worden war, hatte er ihn wieder loshaben wollen.
Vollkommen durcheinander und verwirrt, liess er sich von dem Wirt in eine kleine Kammer führen, wo er schlafen und sich erholen durfte. Fabiene nickte nur traurig und seine Tränen wollten nicht wirklich versiegen. Trostlos klammerte er sich an das Taschentuch, was er von seinem Herrn bekommen hatte. Es war das einzige, was von ihm geblieben war. Das Tüchlein Stoff und die Tätowierung. Und nun sass er alleine in diesem kleinen Zimmer auf dem schmalen Bett. Er hatte gar nicht gewusst, dass es so kleine Schlafzimmer gab, geschweige denn, dass Betten so klein sein konnten.
Am nächsten Tag musste er dann schon früh, zumindest für seine Verhältnisse früh, aufstehen und im Gasthaus mithelfen. Solange sein Knöchel noch etwas lädiert war, sollte er hinter dem Tresen stehen und Getränke ausschenken. Wenigstens etwas, das er konnte. Er hatte gelernt, wie man servierte. Dennoch verging er beinahe vor Scheu ob der vielen verschiedenen Menschen, die alle doch recht grob wirkten und ihn, wie es ihm vorkam, finster beäugten. Wie als überlegten sie, ihn zu verhauen, weil er Dhemlaner war. Hier war das etwas ganz schlechtes. Ach, er wünschte sich, seine Herrin hätte ihn nicht zum Verkauf gegeben. Dabei wäre das doch eingentlich sein Dank an ihre Güte und ihre grosszügige Ausbildung, dass er ihr möglichst viel Geld einbrachte. Stattdessen war er zu einem fremden Mann geflohen, der nichts für ihn bezahlt hatte und ihn nun an einen Piraten abschob. Fabiene verstand nicht, warum er so gehandelt hatte.
In den nächsten Tagen kam noch einmal die Heilerin vorbei, die ihn schon einmal widerwillig behandelt hatte. Heute wirkte sie freundlicher und auch nicht mehr so erschöpft und als Fabiene sie scheu anlächelte, lächelte sie zurück. Sie kümmerte sich noch einmal um seinen Fuss und seine Rippen und war zufrieden mit dem Ergebnis. Fabiene durfte von nun an auch den Stützverband um seine Brust weglassen. Ausserdem wollte sie ihm die Fäden ziehen. Das liess sein Herz gleich wieder vor Angst heftig in seiner Brust schlagen. Er wagte sich jedoch nicht zu wehren und hielt zitternd still. Hoffte er doch auch insgeheim, dass er nicht mehr so entsetzlich entstellt aussehen würde, wenn die schwarzen Fäden nicht mehr in seinem Gesicht prangten. Es tat auch gar nicht so sehr weh, die Fäden zu ziehen, wie er sich das vorgestellt hatte. Es ziepte etwas und irgendwie kitzelte es auch ein wenig. Dann war es auch schon vorbei und nur noch kleine Punkte und eine Linie dazwischen zeugten von den Nähten. Die Heilerin versprach ihm auch, dass die mit der Zeit ebenfalls verschwinden würden. Fabiene konnte ihr nicht so ganz glauben, dankte ihr jedoch artig. Immerhin waren die blauen Flecken und die Schrammen auch nicht mehr so deutlich zu sehen. Und auch den Verband am Handgelenk durfte er wegmachen. Jetzt konnte er sehen, was sein Herr da gezeichnet hatte. Es war ein Schleifchen. Liebevoll streichelte er darüber. Es war schon irgendwie süss. Und so klein. Das würde sicherlich niemandem auffallen und ihn deswegen hässlich finden.
Nun, wo er auch wieder etwas besser und vorallem länger gehen konnte, wies Lanto ihn an, auch die Gäste im Schankraum direkt an den Tischen zu bedienen. Das machte er gerne, denn das ging ganz gut. Besonders bei den Frauen, die nicht ganz so finster wirkten, wie die Männer. Sie lächelten ihm oft zu und waren freundlich zu ihm. Da konnte Fabiene nicht anders, als süss zurück zu lächeln.
Dass mit den Tagen die Kundschaft immer mehr aus Frauen bestand, fiel ihm nicht auf. Dass Lanto sich etwas verwirrt am Kopf kratzte und inzwischen nun einen Nachmittags Tee anbot, bekam er zwar mit, mass dem jedoch keine Bedeutung zu. Er wunderte sich nur etwas, dass der blaue Hecht ein Restaurant war, wo Frauen hingingen um Kaffee und Kuchen zu geniessen und um ausgiebig zu tratschen. Hierfür kannte er eigentlich mehr elegante Salons oder Lichtdurchflutete Pavillons. Aber vielleicht war das hier in Raej einfach anders als in Dhemlan. Er hatte ja eigentlich keine Ahnung.
Doch es gefiel ihm. Er bediente die freundlichen Frauen gerne, lächelte süss, wenn sie ihm Komplimente machten und schäkerte gar leicht mit ihnen, wenn sie ihn neckten. Das war etwas was er kannte. Darin war er ausgebildet worden. Eigentlich nur, um entsprechende Dame nacher ausgiebig im Bett zu verwöhnen, doch das ging hier ja nicht. Ausserdem gehörte er ja schon Lord Elajah, der fürchterlich böse auf ihn werden würde, wenn er sich ohne seine Erlaubnis jemand aneren hingäbe. Also blieb es beim Lächeln und beim Schäckern.
Es reichte, dass er sich sicherer und nicht mehr so verlassen fühlte. Langsam wagte er gar zu hoffen, dass tatsächlich alles wieder gut werden würde und sein Herr ihn wieder holen käme, ganz wie er es versprochen hatte.