Er hasste den Dschungel. Es war so schwül, ständig aßen einen Moskitos und jedes Kleidungsstück war schweißgetränkt. Das ganze wäre noch angenehm gewesen, würden einem nicht dauernd Machtbälle um die Ohren fliegen und hinter jedem Baum einer von Sions Leute lauern. Oder die Hayllier, die im Eifer des Gefechts nicht schnallten, dass sie auf der gleichen Seite waren. Oder die Raejer, die prinzipiell jeden aus ihrem Dschungel haben wollten.
Und selbst das wäre noch ein ertragbar gewesen, wäre da nicht die Gruppe von Kriegerprinzen im aufgespritzten Blutrausch gewesen und voll im Entzugsrausch von ihrem geliebten Schwarztraum. Sie machten ganze Waldabschnitte den Erdboden gleich, Hayllier, Dhemlaner und Raejer gleichermaßen tötend.
"Dunkelheit, das bringt mich noch um", stöhnte Zucker, als er in einem gebuddelten Graben unter einigen Farnen saß.
"Wer von denen?", fragte Einauge knurrend.
"Das Jucken an meinem Arsch", gab der Dhemlaner zurück. Einauge warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Der Veteran hatte keine Geduld für Späße. Rashar hätte wenigstens kurz halb gelächelt, aber sie hatten ihren Kommandeur in der grünen Hölle verloren. Wenigstens spürten sie noch seine Signatur, zusammen mit einigen anderen.
"Wie lange braucht der noch?", fragte Teelan drängend. Zucker wagte es, die Farne etwas beiseite zu schieben, um hindurchzuspähen. Zwischen den mit Moos und Schlingpflanzen überwucherten Bäumen, sah er schemenhafte Gestalten miteinander kämpfen. Ab und an ein abgehackter Schrei, dann ein gelbroter Schatten, der sich im Flug an einem Baumstamm abfederte, in einem geschmeidigen Hechtsprung weiter war und in aufblitzenden Juwelenkünsten verschwand. Holz krachte und splitterte, das Brüllen eines durchgedrehten Kriegerprinzen. Katzenhaftes Fauchen.
Dann plötzlich kam Tiger aus dem dichten Unterholz gesprungen und rannte auf sie zu. Zucker duckte sich schnell. Kaum war Tiger in Deckung gesprungen, explodierte der Dschungel hinter ihm. Hexenfeuer raste über sie hinweg.
"Ich hätte bei Lhal bleiben sollen. Du bist schuld", fauchte Tiger ihn an. "Beende den Krieg. Tiger, wir brauchen dich. Denk an Rashars Schuld."
"Hey, du hast mich eingeholt. Wir wären ohne dich los", verteidigte sich Zucker und wischte sich einige verkohlte Äste und Blattwerk vom Kopf. "Und wenn nich wir den Karren aus dem Dreck ziehen, wer sonst?"
"Sion ist kein Karren. Die ganze Sache wäre erheblich einfacher, wäre er ein Karren", warf Klaue ein. Zucker lachte leicht, doch dann waren sie vollends beschäftigt damit sich flach auf den Boden zu pressen, als weitere Juwelenkämpfe um sie herum tobten. Die kleine Gruppe robbte über den mit Pflanzen überwucherten Boden. Zucker fluchte, die Schulterblätter dicht angezogen. Er konnte fühlen wie die Zweige gegen seine Kleidung drückten, der feuchte Tau, krabbelnde Insektenbeinchen.
"Das wird mich noch umbringen", keuchte er.
"Was diesmal?", fragte Einauge genervt.
"Irgendeiner von diesen giften Käfern. Das wirds sein, was mich ins Grab bringt. Nicht Sion oder so ein behämmerter Schnitter. Nein, so ein Raejer Käfer, der mir in den Sack beißt."
"Wenn du tot wärst, würdest du wenigstens nicht mehr reden", ätzte Tiger und sie robbten weiter unter dem dichten Farnwerk hindurch. Der Dschungel war ein undurchdringliches Labyrinth, aber eines was ihnen mittlerweile recht vertraut war. Nicht mehr lange und sie waren zurück bei der Ausgrabungsstätte. Nur brachte es einen Scheiß vor ein paar moosigen Steinen zu stehen, wenn man keine Priesterin war.
Sie mussten Minh zurückkriegen.
Nachts wurden sie angegriffen. Natürlich von Haylliern, diesen hinterlistigen Bastarden. Zucker riss sich den Dolch aus seinem Oberarm und schleuderte ihn seinem Angreifer zurück, der den Angriff geistesgegenwärtig mit einem Schild abwehrte. Es flackerte. Er schien fast all seine Juwelenkraft verbraucht zu haben. Zucker grinste gewinnend. Er griff nach dem nächstliegenden Ast. Argh, glitschig. Eklig, eklig. Hastig hieb er damit nach dem Hayllier, der stöhnend zur Seite fiel.
"Mann, wir sind auf eurer Seite", sagte er und ließ den Ast fallen, um sich das Sekret rasch an der Uniform des Mannes abzuwischen. Der Stoff sah noch frisch aus. Er war wohl noch nicht lange im Dschungel. Sah nach Verstärkung aus.
"Dämonenwerkzeug", rief der Hayllier, "Ich glaube dir nichts, Dhemlaner. Alarm! Al-"
Zucker rollte mit den Augen und hielt dem Kerl den Mund zu.
"Lass, das bringt doch nix", sagte Brocco und rollte einen leblosen Körper den Abhang hinunter. Prasselnd krachte er durchs Dickicht. Einauge schlug Brocco auf den Hinterkopf.
"Wir brauchen hayllische Uniformen. Hol den zurück", ermahnte er. Brocco zuckte mit den massigen Schultern.
"War eh nich meine Größe", erklärte er sich.
Zucker sah in die gehetzten Augen des Haylliers unter sich. "Okay, noch mal. Ich bin auf deiner Seite. Ja, ich bin ein Dhemlaner. Nein, ich diene nicht Sion. Ja, ich weiß, er ist ein Dämon. Hör zu, wir sind eine kleine Splittergruppe, die-"
Brocco hieb den Hayllier auf den Kopf und der Kerl wurde bewusstlos. "Das is viel zu kompliziert", wandte er ein.
"Ich bin auf einer Mission, jeden Hayllier im Dschungel aufzuklären", empörte sich Zucker. Er hielt sich die blutende Wunde am Oberarm. Wo war Regensang, wenn man sie mal brauchte?
Sie trafen auf den Rest der 6. Kompanie ein paar Tage später. Rashar, Regensang und ein Handvoll der anderen. Sie waren nicht mehr viele, aber Rashar hatte es geschafft ein Rendevousz mit Pélage zu arrangieren. Die zähle Rebellenführerin kam mit einer Gruppe Raejer im Schlepptau an. Sie wussten von dem verborgenen Portal im Dschungel, aber auch sie hatten keine Priesterin. Die letzten waren von Dhemlanern getötet worden.
Sicherlich auf Anweisung Sions. Er musste wissen was sie vorhatten.