Re: Drahtseilakt
von Kosta » Sa 3. Sep 2022, 22:03
Kosta versuchte seine Überraschung darüber, dass die Königin mit ihm über all diese intimen Sachen sprach, hinter aufmerksamem und ergebenen zuhören zu verbergen. Offen gab sie zu, dass sie Ayden schon lange kennen würde und dass dieser sich von ihr abgewandt hätte. Dabei hätte sie versucht, für ihn daz zu sein. Prinz Asar wäre ein einmaliger Mann. Oh ja, da konnte Kosta ihr nur zustimmen, wenn wohl auch aus anderen Gründen, als die Königin ahnte.
Langsam schüttelte er seinen Kopf, während er ihr dabei zuschaute, wie sie sich wusch. Nein, ein ehemaliger Sklave wie er, würde wohl kaum etwas von grossen Opfern für grosse Ziele verstehen. Schliesslich bedeuteten ihm Prinz Amaya und Zucker auch überhaupt nichts. Ehrführchtig hörte er ihr zu, wie sie von Sion sprach. Davon, dass sie ihm zurück zur Grösse verholfen hatte. Insgeheim musste er jedoch krampfhaft jeglichen Mordgedanken unterdrücken. Sie war schuld an all dem? Was für ein furchtbarer Mensch musste man sein, um so ein Monster auf die Blutleute loszulassen? Kosta hoffte sehr, dass ihrer Existenz bald ein Ende gesetzt wurde. Aber erst nachdem sie das Gegengift hatten.
Dazu brauchte er Prinz Asars Hilfe und dies war die letzte Gelegenheit, wenigstens zu versuchen, sie zu überzeugen, Prinz Asar nicht auszuliefern. Nachdem er die Königin daran erinnert hatte, wie wichtig ihr Freund für sie war, begann er zu verraten, wie sehr sich der Prinz zu seiner Königin hingezogen fühlte. Sie sagte erst einmal nichts dazu, ausser dass er Prinz Asar ein guter Diener wäre. Doch Kosta konnte während des langen Kusses, den sie ihm gab, spüren dass sie mit rang und überlegte, wie sie ihren Haushofmeister bei sich behalten konnte. Es bestand also noch Hoffnung.
Nach dem Frühstück, welches sie beide, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, eher lustlos einnahmen, wurde er wieder zurück in seine Kajüte geschickt, wo er sich bereit halten sollte, da sie später nach ihm schicken wollte. Dort empfing ihn ein sehr angespannter Prinz Asar, der gleich wissen wollte, ob es etwas neues gäbe. Kosta konnte ihm nur berichten, dass er selber mit nach Dalmandans Feste genommen würde. Über das Schicksal des Prinzen konnte er leider nichts sagen. Und auch wenn noch ein kleiner Funken Hoffnung bestand, wollte Kosta ihn nicht schüren. Die Grausamkeit der Enttäuschung daraufhin wäre zu heftig für sie Beide.
Kurz darauf schickte Prinz Asar ihn an Deck. Kosta schaute noch verwundert darüber und fragte sich, ob er soviele Informationen wie möglich von dem Hafen sammeln sollte, als es ihn unvermittelt wie ein Schlag in die Magengrube traf. Die Gefangenen sollten Sion übergeben werden. Es war logisch. Nur hatte er es verdrängt. Zucker, Prinz Amaya, sie würden sterben und er war schuld daran. Kreidebleich, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen gepresst, nickte er Prinz Asar zum Dank für den Hinweis zu. Danach liess er sich von einer Wache nach oben an Deck führen.
Auf den ersten Blick wirkte der Hafen von Amdarh wie ein ganz normaler Hafen eben. Kosta kannte ihn. Sie hatten öfters hier angelegt. Einige Häuser waren abgerissen worden um mehr Platz für die Kriegsmarine zu machen, andere Mauern waren verstärkt worden. Wenn man genauer hinschaute, bemerkte man jedoch recht bald, dass alles irgendwie gedrückt wirkte. Die Soldaten schüchterten alle ein. Es wurde nicht gelacht oder gescherzt und was noch verwunderlicher war, es wurde auch nicht geflucht und geschumpfen. Dafür schauten alle immer wieder zu der trutzigen Burg auf dem Hügel hoch. Dunrobin Castle. Ein bedrohliches Mahnmal, das jedem aufmüpfigen Gedanken den Tod versprach. Kosta erschauderte tief. Diese Burg machte ihm ehrlich Angst.
Kurz nachdem sie angelegt hatten, wartete auch schon eine Eskorte für die Königin. Sie besprach etwas mit dem Prinzen mit der deformierten Nase, bevor sie ihre Kutsche betrat. Gleichzeitig wurden die Gefangenen an Land geführt. Kosta bekam kaum Luft. Seine Finger klammerten sich so heftig an die Reeling, dass seine Knöchel weiss hervor traten. Die Wut, mit der Zuckers Blick seinen eigenen traf, tat ihm nicht weh. Er hatte sie mehr als nur verdient. Die Verzweiflung in den Augen des Prinzen schnitt ihm jedoch ins Herz. Ihm ging es genau so. Er wollte schreien. Wollte flehen und betteln, dass man die Gefangenen verschonte und mit zu Dalmandars Feste nahm. Doch da er wusste, dass es nur seinen Tod und wahrscheinlich auch der von Ayden und somit den von Timaris bedeutet hätte, konzentrierte er sich mit aller Macht darauf, dass seine Lippen schön verschlossen blieben.
Genau so verzweifelt und unendlich traurig beobachtete er, wie die Gefangenen in eine Käfigkutsche gedrängt wurden und langsam in der Stadt verschwanden in Richtung Dunrobin Castle. Er kam erst von dem Anblick los, als er sie aus seinem Blickfeld verschwanden. Hätte es noch etwas gegeben, was in Kosta hätte zerreissen können, wäre es jetzt geschehn. Doch da war nichts mehr. Da war nur noch bodenlose Trauer. Bald würde auch das vorbei sein. Sie mussten an das Gegengift gelangen. Rasch, damit Timaris nicht vorher starb. Es würde also bald für ihn vorbei sein.
Beherrscht ging er wieder nach unten in seine Kabine. Prinz Asar ignorierte ihn. Oder vielleicht ignorierte Kosta auch ihn, legte sich auf sein Bett. Immer wieder sah er vor seinem inneren Auge, wie die Gefangenen abtransportiert wurden. Am Ende der Kräfte und verraten. Einer war sogar tot gewesen. Kosta hatte ihn getötet. Der Krieger wünschte, er hätte es nicht sehen müssen. Dennoch wusste er, dass er es sich niemals hätte verzeihen können, wenn er gekniffen und nicht an Deck gegangen wäre. Tränen rannen ihm bei der quälenden Erinnerung über die Wangen. Leise, gross und heiss. Lange, bis Kosta völlig ausgedörrt und leer zurück blieb.
Kosta schaffte es erst am Nachmittag, sich zu erheben und sich über der Waschschüssel das Gesicht zu waschen. Er musste. Die Königin hatte ihm schliesslich befohlen, sich bereit zu halten, was hiess, dass sie früher oder später wieder zurück kommen musste. Geschafft stellte er sich ans Bullauge, starrte matt in den Hafen, ohne wirklich etwas zu sehen. Bis ihm irgendwann später doch eine bestimmte Kutsche auffiel.
"Sie kommt zurück", sagte er leise. Es waren die ersten Worte seit Stunden, die in diesem Raum gesprochen wurden.
Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis die Königin bei ihnen in der Kajüte stand. Ohne Wachen. Kosta wusste augenblicklich, dass dies der Moment der Entscheidung war. Prompt stellte sie Prinz Asar auch vor die Wahl. Sie wollte seine Loyalität. Wollte, dass er ihr Blut trank. Dass er sich an sie band und ihr so seine Loyalität bewies. Das war heftig. Verständlich aus ihrer Sicht, doch noch mehr verstand Kosta, das Prinz Asar sich wand und einen anderen Ausweg suchte. Kosta hielt sich schön mit gesenktem Kopf im Hintergrund und wollte sich keinesfalls einmischen.
Leider gab es für Prinz Asar keinen anderen Ausweg. Er musste sein Blut seine angeblichen Königin anbieten und schliesslich auch ihres trinken. Das einzige was er noch bestimmen konnte, war die Art, wie es geschehen sollte. Zorya Eacir schien überglücklich. Endlich ein Freund, der bei ihr blieb. Immer der ihrige sein würde. Leidenschaftlich küsste sie den Prinzen und freute sich darauf, mit ihm in ihr neues Heim zu ziehen. Sie wollte sich nur kurz frisch machen.
Zurück blieb ein bebender Prinz Asar, der von Kosta wollte, dass er ihn schlug, bevor er den Verstand verlöre. Na, das war doch einmal ein Befehl, dem er gerne nachkam. Rasch trat der Sklave heran und deutete einen Faustschlag gegen den Kopf an. Ein Schlag, der Prinz Asar womöglich doch den Verstand verlieren und ohnmächtig werden liesse. Doch er war nur als Finte gedacht, sollte der Prinz sich instinktiv verteidigen wollen. Seine eigentliche Attacke galt Prinz Asars ungeschütztem Bauch. Ziehlsicher und hart traf er genau jene Stelle, die noch den stärksten dazu gebracht hatte, sich zu übergeben.
Prompt klappte der Prinz vornüber und übergab sich würgend. Kosta hielt ihn dabei tröstend an den Schultern fest, hielt ihm das Haar aus dem Gesicht. In Prinz Asars Magen befand sich nicht viel, da er heute noch nichts gegessen hatte. So würgte er nur unter Krämpfen Blut und Galle hervor. Kosta nickte mit grimmiger Zufriedenheit. Aus eigener Erfahrung von unzähligen Gelagen und Sauftouren wusste er, dass es nichts ernüchterndes gab, als wenn man sich bittere, brennende Galle aus dem Magen würgte. Es war scheusslich und unangenehm, doch es klärte den Verstand.
"Lasst Euch nicht von den heftigen Eindrücken des Blutes tàuschen", raunte er ihm ins Ohr, während er ihn festhielt. "Das Herz bindet das Band, nicht das Blut. Sonst bräuchten viele Sklaven keinen Ring des Gehorsams mehr. Das Blut verstärkt es nur und lässt Euch ihren Zustand spüren." Dummerweise auch umgekehrt. Sie konnten nur hoffen, dass die Königin gerade zu glücklich war, um sich grosse Gedanken um ihren Haushofmeister zu machen. Man spürte ja auch nur grosse Gefühlswallungen, wenn man sich auf die entsprechende Person konzentrierte.
"Es geschah unter Zwang und hat nichts zu bedeuten", sprach er weiter eindringlich auf den Haushofmeister ein. "Ihr werdet deswegen nicht ihr höriger Sklave werden." Das schon gar nicht. Vielleicht wusste Prinz Asar dies alles schon. Doch Kosta konnte es nicht wissen, weswegen er alles noch einmal ernst erzählte. Denn es war unübersehbar gewesen, dass das Blut der Königin ihn für den Moment doch überwältigt hatte und Kosta hatte auch gesehen, wie widerwillig er sich auf diesen Handel eingelassen hatte.
Hilfsbereit hielt ihm ein Glas Wasser hin, nachdem Prinz Asar noch nicht einmal mehr Galle ausspucken konnte. "Ich habe wohl etwas übertrieben, als ich Ihr sagte, wie glücklich und zufrieden Ihr wirkt, seit wir Hayll verlassen und zu ihr gelangt sind", meinte er mit einem zutiefst traurigen Lächeln. Nachdem er gesehen hatte, wie Zucker und Prinz Amaya abgeführt worden waren, würde er wohl nie wieder ein heiteres Lächeln zustande bringen. "Ich habe sie angefleht, Euch nichts davon zu sagen, da Ihr doch so stolz seid und mich bestimmt heftig verprügeln würdet, wenn Ihr davon erfährt, was ich so alles ausgeplaudert habe. Dass sie jedoch gleich zu so drastischen Massnahmen greift, hätte ich nicht geahnt", gab er etwas geknickt zu. Aber selbst das war wohl noch immer besser, als nach Dunrobin Castle zu Sion gebracht zu werden.