Re: Ein Neubeginn
von Kosta » Fr 14. Okt 2022, 10:10
Es tat weh zu hören, dass Eneas ihn seltsam fand, weil er seine Fassade so schnell und problemlos ändern könnte. Es erinnerte ihn an Zuckers wütende Worte im Kerker der Sternenfeste. Alles nur Schau, alles nur Fassade. Dahinter gab es keinen echten Kosta. Er existierte gar nicht und seine Wünsche und Träume waren sowieso alle nur absurd und krank. Er war krank und abartig. Ganz besonders, was seine sexuellen Sehnsüchte anbelangte. Er war widerwärtig pervers und zerstörte nur alles um ihn herum. Tiefe, verzweifelte Verletzung blitzte in seinen Augen auf und er presste verstört seine Lippen zusammen. Hastig kämpfte er darum, sich nur auf Eneas zu konzentrieren und nicht auf seine eigenen Gefühle. Es war nicht so schnell gegangen diese Umstellung. Er hatte lange hier im Wohnzimmer gewartet und auch schon bevor sie hier her gekommen waren, hatte er lange darüber nach gedacht. Am längsten hatte er jedoch üben können, lächelnd seine eigenen Gefühle zu verbergen, damit niemand an Timaris' Sklaven oder Eneas' Kammerdiener anstoss nahm.
Eneas schien nicht nur erbost wegen der Regeln zu sein, sondern auch eifersüchtig auf Nevio. Dabei hatte Kosta definitiv nicht mit ihm geschäkert. Ganz bestimmt nicht. Er war nur mit ihm Kräutersammeln gewesen. Das musste Eneas doch gesehen haben, bei der Menge, die er nach Hause gebracht hatte. Trotzdem sah Eneas in ihm nur der unerbittliche Sklavenherr. Dabei konnte Kosta gar nicht so schlimm gewesen sein. Sonst hätte Eneas ja nicht vergessen, dass er zur Zeit ein Sklave war. Der aufgebrachte Krieger erinnerte ihn auch prompt daran, dass es kein ganzes Jahr mehr dauern würde. Schliesslich wären sie schon fast einen Mond lang hier.
Weil Kosta ihm in dieser Zeit relativ rasch viele Freiheiten gewährt hatte, schien Eneas anzunehmen, dass sie Fortschritte gemacht hätten. Kosta fragte sich, was für Fortschritte er damit meinte. Fortschritte dahin, dass Kosta nur wieder das machte, was Eneas sich wünschte und was er für richtig hielt? Wann begriff Eneas endlich, dass er das nicht mehr wollte? Warum drängte er ihn trotzdem immer wieder dahin zurück? Gerade wirkte es so, als würde er das immer machen, wenn es ihm zu unbequem wurde oder er sich einer unangenehmen Wahrheit stellen sollte.
Zornig fragte Eneas ihn, ob Kosta wirklich daran glaubte, dass Eneas keine normale Person sei oder ob das nur zu der Rolle des Herrn gehören würde. Kosta wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Eneas konnte unmöglich glauben, dass Kosta ernsthaft derart widerwärtig dachte. Sein Freund würde ihm nicht etwas derart fürchterliches unterstellen. Kosta kam nicht einmal der Gedanke daran. Das wäre zu schlimm zu ertragen. Doch genau so wenig konnte er Eneas sagen, dass dies nur die Rolle war, damit Eneas sich als Sklave fühlte. Es würde es Eneas zu leicht machen, einfach alles wieder zu verdrängen. So antwortete er schlussendlich nicht auf die Frage, sondern drängte Eneas dazu, ihm zu gehorchen. Schlussendlich stellte er ihn sogar vor die Wahl.
Rigoros lehnte Eneas ab, ihm zu gehorchen. Erwartungsvoll blickte Kosta ihn an, hoffend, dass Eneas durch sein eigenes Handeln begriff, dass Sklaven durchaus eigene Entscheidungen treffen und manchmal sogar danach handeln konnten. Doch Eneas klagte leider nur, dass er dieses Hin und Her nicht könne. Er könne es nicht ertragen, dass Kosta streng und liebevoll zugleich sei. Dass sie Sex hätten, Freunde wären und dann doch wieder nur Sklave und Herr. Das ginge nicht. Und dann entschuldigte er sich dafür, sollte er ihn jemals so behandelt haben. Er könne nicht nachvollziehen, wie Kosta das je ausgehalten hatte.
"Dann entscheidest du dich jetzt also, mir nicht zu gehorchen?" hakte Kosta nochmals nach und erhob sich nun endlich einmal. Doch er ging Eneas nicht nach und hielt ihn auch nicht auf, sich die Jacke zu nehmen, um nach draussen zu gehen. "Du entscheidest dich dafür zu gehen?" Aufgebracht stellte Eneas klar, dass er sich nicht nur dazu entscheiden würde. Er täte es auch. Zügig machte er sich daran, seine Stiefel anzuziehen, kam aber noch immer nicht auf die Idee, dass er sonst immer so tat, als könnten Sklave solche Entscheidungen nicht treffen und solche Handlungen nicht vollziehen.
"Wie weit wirst du gehen?" fragte Kosta leise nach. Eneas antwortete ihm, dass er frische Luft brauchte. Er würde nur zur Klippe gehen. Doch das hatte Kosta nicht gemeint. Er wollte vielmehr wissen, wie weit Eneas bereit war zu gehen, um seinen Kopf durchzusetzen.
"Dann gehst du nicht ganz?" Schliesslich hatte Eneas schon öfters gesagt, dass er das hier nicht könne. Jetzt blickte er ihn jedoch nur verwirrt an und fragte ihn, wohin er denn gehen solle. Doch das war nicht Kostas eigentliche Frage gewesen.
"Weg von mir?" nannte Kosta ihm das Ziel, das Eneas haben könnte. Es war ein schrecklicher Gedanke. Aber Kosta hatte Eneas auch viel schreckliches angetan. Er war sich dessen stets bewusst gewesen, dass Eneas sich irgendwann überfordert von ihm abwenden könnte. Es wäre nicht verwunderlich, wenn dieser Fall nun eingetreten war. Eneas seufzte jedoch nur, dass er nicht von ihm weg wolle. Er sei nur wütend, dass er ihn so behandelte.
"Warum gehst du dann nicht?" fragte bebend nach. "Es wird nicht besser werden. Ich werde dich weiterhin so behandeln. Und was, wenn du nach einem Jahr noch immer nicht weisst, was ich dir sagen will? Was wenn ich dich zu einem weiteren Sklavenjahr erpresse? Was, wenn es für immer so weiter geht?" Seine Stimme zitterte vor Anstrengung und Anspannung. Er wollte Eneas nicht provozieren. Sein Freund sollte nur genau darüber nachdenken. "Du bist nicht an die Wand gekettet. Wie du uns heute Nachmittag bewiesen hast, kannst du jederzeit gehen, obwohl du ein Sklave bist. Du entscheidest dich den Befehlen deines Besitzers nicht zu gehorchen. Du hast sogar deine Juwelen wieder und wir beide wissen, dass man den Ring des Gehorsams auch ohne Kontrollring wieder loswerden kann. Wenn dir das alles hier zuviel ist und du das nicht kannst, warum entscheidest du dich also nicht dafür, für immer zu gehen?" Kosta kannte die Antwort. Kannte sie schon so lange. Inniglich hoffte er, dass Eneas sie auch aussprach.