Re: Rettung einer jungen Königin
von Pandora » Sa 13. Aug 2022, 16:42
Dafür, dass Tileo viel jünger als sie war, kam er ihr für einen Moment viel klüger vor als sie, was sie ärgerte. Wieso war es falsch wenn sie schöne Kleider haben wollte? Außerdem mochte sie auch ein paar der Mädchen. Es war eben wichtig. Sie wollte beachtet werden und keine kleine Hexe im Hintergrund sein. Das ging einfach nicht.
"Hör auf!", fuhr sie Tileo an, weil sie das alles nicht hören wollte. Er war nur ein kleiner Junge, er hatte doch keine Ahnung. "Ich hab nie Hilfe gewollt. Ich wollte bloß... normal sein. So wie die anderen. Wir sind gar nich reich, wir... ah, du hast keine Ahnung!", schimpfte sie, weil ihr nichts besseres mehr einfiel und das ärgerte sie auch. Natürlich war sie froh über das Haus und ihre Eltern, ihren Bruder und ihre Freundinnen. Aber Pandora wollte mehr als nur das. Dann war sie halt undankbar. "Du verstehst das nicht, du bist kein Mädchen!" Es war klar, dass die Jungs zufrieden mit weniger waren. So war das immer. Sie waren da um die Mädchen zu beschützen und ihnen zu helfen. Das sagten alle. Es war da verwirrend genug, dass ihre Familie oft etwas anderes sagte. Dass Männer genauso viel wert waren. Auch Sklaven. Aber die in der Schule würden sie auslachen, wenn sie so redete. Pandora war unsicher was nun stimmte. Es war so verwirrend. Sie wollte dazu gehören, aber gleichzeitig wollte sie auffallen und etwas besonderes sein. Nur eben so besonders, das die anderen sie trotzdem mochten. Nicht so wie dieser verrückte kreischende Bettler, den Pandora einmal am Hafen gesehen hatte. Niemand hatte mit dem etwas zu tun haben wollen, aber der hatte auch gestunken.
Ihr Streit war zu laut gewesen und sie hatten prompt vergessen leise in ihrem Versteck zu sein. Einer der Seemänner hatte sie von unten entdeckt, linste durch die Spalten im Holz und grinste, sagte ihnen, sie sollten in die Messe kommen. Erschrocken, dass sie entdeckt worden waren, erstarrte die junge Königin, sah hinüber zu Tileo.
Plötzlich griff er nach ihrer Hand, zerrte sie mit sich. Pandora war viel zu überrascht sich zu wehren und sie wollte auch nicht hier sitzen bleiben, wo dieser seltsam aussehende Matrose sie anschaute. Es machte sie ganz nervös und sie dachte kurz daran, ob man von unten etwa auch unter ihren Rock schauen konnte. Sie krabbelte atemlos Tileo hinterher ehe er eine Klappe öffnete und sie bei einem anderen Raum wieder rauskamen. Hier hingen viele alte Karten an den Wänden und in einem Fass in der Ecke steckten noch mehr Karten in Rollen.
Pandora schob sich über die Luke und hüpfte nach unten in den Raum. Tileo versicherte ihr, sie wäre in Sicherheit und Garlan würde einem nichts tun. Das Mädchen lächelte ihn an, der Streit für einen Moment vergessen. "Du bist ein guter Beschützer", befand sie. "Zur Messe? Wo die Erwachsenen sind?" Sie überlegte kurz. Die würden nur wieder planen was am besten für Pandora war. Nie fragten sie sie! Aber sie hatte Hunger. Sie hatte heute morgen aus Trotz nichts essen wollen. Schließlich nickte Pandora und folgte Tileo schweigend. Das Schiff schwankte hin und her, sie hielt sich an einem Seil fest und hatte das Gefühl der Boden selbst würde Wellen werfen. Tileo schien das nicht zu spüren, denn er huschte flink vorneweg. Pandora versuchte ihn wankend einzuholen. Das Schiff knarrte ganz bedrohlich.
"Wir sollten umkehren", fand sie nervös und nagte an ihrer Lippe. Pandora war schon auf einem Schiff gewesen, aber nie bei so schlimmen Wetter oder so weit weg von zuhause. Wieso saßen die Leute in der Messe, wenn es so stürmte? Sollten nicht alle an Deck sein? Selbst Eneas saß drinnen und redete mit ihrer Mama, die Arion auf dem Schoß hatte.
Als man Tileo und Pandora bemerkte, schauten alle zu ihnen. Pandora wurde wieder unsicher. "Ich will etwas essen", stieß sie als Forderung aus. "Und Tileo auch." Sie hatte jetzt keine Lust, das die anderen ihr Fragen stellten, wo sie gewesen waren. Das Mädchen trat zu dem Tisch und Eneas rückte etwas zur Seite, so dass Pandora und Tileo sich setzen konnten.
Ein großer bauchiger Mann mit einer Augenklappe kam zum Tisch und stellte ihnen zwei Schüsseln hin, legte ihnen zwei Scheiben Brot dazu. Misstrauisch stocherte Pandora mit ihrer Gabel in die Schüssel, wo ein roter Eintopf herumschwamm. Sie förderte ein Fleischstück hervor, kaute vorsichtig ehe sie die Gabel demonstrativ wieder sinken ließ und die Schüssel von sich schob.
"Das schmeckt komisch. Nicht so wie zuhause", befand sie. So würzig und auch viel schärfer als sie es gewohnt war.
"Iss doch wenigstens ein bißchen", bat ihre Mutter. Pandora schüttelte den Kopf. Sie wollte etwas richtiges essen.
"Irgendjemand sollte es essen. Sonst wird Solomon sauer", sagte Ulysses und griff nach ihrer Schüssel. Solomon? Etwa der große Mann, der das Essen gebracht hatte? Würde der etwa wütend auf sie werden? Bestimmt nicht. Pandora ließ sich die Schüssel wegnehmen, knabberte verdrossen an einer der Brotscheiben.
"Hast du ihr das Schiff gezeigt?", fragte Eneas Tileo. "Wollt ihr mehr über die Insel wissen? Ich würde euch ja den Namen der Insel sagen, aber er ist sehr geheim und ich will nicht riskieren, dass Spione davon erfahren."
"Spione?", fragte Arion erstaunt, doch auch Pandora merkte auf.
"Ja. Die Insel ist ein geheimer Ort und viele Flüchtlinge leben dort. Nicht nur ihr. Die dürfen wir nicht verraten. Und es könnte Leute geben, die die Insel suchen, um den Bewohnern weh zu tun. Das darf nicht passieren."
Pandora glaubte, dass Eneas übertrieb. Er wollte ihnen nur Angst machen oder sie beeindrucken. Ihr war die blöde Insel egal. Sie wollte zurück. So hörte sie nur halb zu wie die Seemänner am Tisch die Insel beschrieben und was es dort alles gab. Pandora aß das Brot auf, doch wirklich satt war sie nicht. Sie fragte danach, ob nicht mehr Leute auf das Schiff aufpassen müssten, doch Ulysses lachte und erklärte, es wäre nur ein bißchen Wind und Regen. Ein bißchen? Pandora fand schon, dass es ein richtiger Sturm war und sie war etwas beunruhigt darüber, dass die anderen das nicht ernst nahmen.
Als es später wurde, bekam sie die Kajüte gezeigt, wo sie schlafen sollte. Zusammen mit Rachel, Farells Freundin, und ihrer Mutter. Tileo würde mit Arion und Juan in einer Kajüte zu sein. Juan... Pandora hatte ihn nur einmal kurz gesehen, war jedoch gleich fasziniert gewesen von dem Jugendlichen.
Die Nacht war der Horror. Das Schiff schwankte hin und her und Pandora machte kaum ein Auge zu. Dementsprechend übellaunig war sie am nächsten Tag und dem darauf und auch dem nächsten. Erst einige Tage später wurde das Wetter besser und wärmer. Um sie herum war nur Wasser. Sie hatte immer noch Probleme einen sicheren Stand zu haben, doch Tileo hatte begonnen ihr zu zeigen wie man sicher stand.