Wer ist Prinz Erenos?
von Kosta » Fr 3. Jan 2020, 20:31
Kosta bekam grosse Augen, als Eneas ihm erzählte, dass er Florien damals auch gewaschen und ins Bett getragen hätte. Das hatte er nicht gewusst und niemals angenommen, da Eneas und Florien sich zu Anfang überhaupt nicht hatten ausstehen können. Florien hatte es ohnehin niemandem leicht gemacht, an sich heran zu kommen und Eneas hatte den Prinzen noch lange als Konkurrent gesehen. Kosta hatte nicht angenommen, dass Florien es zulassen würde, dass Eneas ihn so intim berührte. Auch dann nicht, wenn es nur zur einfachen Pflege war. Kosta hatte angenommen, dass Eneas Florien einfach bei seinem Muskelaufbautraining unterstützt hatte und das hoffte Kosta, könnte Eneas auch bei Zucker machen. Mehr wollte er ihm nicht aufbürden. Zumal es für Eneas bestimmt schon schwer genug war, einen Mann bei sich wohnen zu lassen, von dem er wusste, dass Kosta ihn sehr gerne hatte. Zudem konnte Eneas Zucker auch so nicht sonderlich leiden. Weil er so frech und flappsig war. Dabei war das nur Zuckers Weg mit seelischen Schmerzen umzugehen. Andererseits hatte Eneas schon recht. Er musste die Unverschämtheiten nicht über sich ergehen lassen. Immerhin hatte er Zucker nichts böses getan. Im Gegenteil, er half ihm sogar, wo er nur konnte.
Überwältigt liess Kosta sich in er Kutsche auf seinen eigenen Platz nieder, damit Eneas sich auf die Juwelenkunst konzentrieren konnte. Es würde eine ganz schön anstrengende Zeit auf sie zukommen. Trotzdem freute er sich darauf. Es würde eine gute Anstrengung sein. Sie würden Zucker helfen können. Sie mussten nicht dauernd Angst haben, dass der Krieg sie doch noch einholte. Sie waren in Mineva. In Sicherheit. Sie würden sich um Zucker kümmern und konnten vielleicht gemeinsam lernen, wieder in der Normalität zu leben. Dann könnte er es noch etwas heraus zögern, dass er eine Priesterin aufsuchen musste. Dann könnte er noch ein bisschen länger mit Eneas zusammen sein. Er wollte sich nicht seinen Problemen stellen. Kosta hatte Angst, dass er dann nicht mehr zu Eneas zurück kommen konnte. Nur, wenn er sich seinen Problemen nicht stellte, dann würde das auf Eneas zurück fallen. Noch mehr, als es schon getan hatte.
Erst einmal konnte er jedoch nichts tun, ausser zurück nach Mineva zu fahren und sich dabei um Zucker zu kümmern. Nach einer Weile wachte der Prinz auch wieder auf und hatte prompt Bauchschmerzen, weil er so viel zu Mittag gegessen hatte. Ausserdem schwirrte ihm der Kopf. Mitfühlend schmunzelnd bereitete Kosta ihm in der Kutsche einen Heiltee zu, der ihm seinen Bauch beruhigen sollte. Zudem gab er ihm etwas gegen die Kopfschmerzen, was allerdings zur Folge hatte, dass Zucker bald schon wieder einschlief. Diesmal jedoch nicht mehr so lange und es blieb während der Fahrt noch genügend Zeit, dass Kosta Zucker von Mineva erzählen konnte. Der Prinz war noch immer sehr skeptisch, dass er in dieser Stadt leben sollte und konnte sich das gar nicht so recht vorstellen. Also erzählte Kosta ihm von dem Hafen, von der Altstadt und was man darin so erleben konnte. Von den hübschen Familienhäuschen mit Garten am Stadtrand und natürlich von dem Anwesen der Tolarim, welches auf dem Hügel hinter der Stadt trohnte. Vom Park, den Stallungen und der Bibliothek.
Auch wenn Kosta dabei stets oberflächlich blieb und nie wirklich persönliche Sachen erzählte, um Zucker damit nicht zu überfordern, so merkte man seiner Stimme und dem sanften Strahlen, was aus seinem Inneren zu kommen schien, dass er Mineva sehr mochte. Ganz ähnlich wie damals, als er Zucker von dem geheimen Sandstrand auf der Pirateninsel erzählt hatte. Vielleicht glaubte Zucker ihm deswegen nicht so ganz, dass es dort so schön war, weil er fürchtete, dass ihm ein weiteres Märchen erzählt würde. Ein Märchen von einem Ort, den es gar nicht gab. Zumindest nicht für ihn. Oder vielleicht lag es auch daran, dass Kosta sich nicht zu sehr zu schwärmen getraute. Dass er stets fürchtete, zuviel zu sagen und Eneas einen Grund für Eifersucht lieferte. Zudem traute er sich auch nie, Zucker bei seinem Namen anzusprechen. Yadriël. Es war das einzige, was wirklich Zucker gehörte und Kosta hatte ihn auf eine Weise erfahren, die nicht auf Zuckers Zustimmung basierte. Während einer Zeit, wo er Kosta gehasst hatte. Der Krieger glaubte nicht, dass er das Recht hatte, ihn nun zu benutzen. Zumal Zucker den Namen auch nur verwendet hatte, um überleben zu können.
Kurzum, Kosta war schrecklich nervös, unsicher und aufgeregt. So war er auch sehr erleichtert, als sie am frühen Abend endlich bei dem Landepunkt in Mineva ankamen. Er würde sich beruhigen können, wenn die Reise erst einmal überstanden war. Sanft beförderte Eneas die Kutsche von den Winden. Man spürte kaum etwas. Zucker hätte sich niemand besseren wünschen können, der sich darum kümmerte. Wie schon bei ihrer Abreise war der Landepunkt streng bewacht. Männer mit diesen Musketen bewaffnet kontrollierten, wer alles einreiste. So als würde man noch immer mit einem Überfall rechnen. Sie hatten jedoch den Vorteil in einer Tolarimkutsche zu sitzen. Entsprechend wurden sie auch gleich durchgewunken. Mehr noch, sie bekamen sogar eine Eskorte.
"Prinz di Torgio? Lord Puerta?" grüsste eine der Wachen zackig. "Lord Ivores" Womit sie wohl Ioakim meinten. "Hat uns angewiesen auf Euch zu warten und Euch und Eure Gäste zu ihrer Unterkunft zu geleiten. Ihr seid früher zurück, als erwartet. Verlief alles nach Wunsch? Oder braucht ihr etwas?" Später sicher eine Heilerin für Zucker, dachte sich Kosta, doch erst einmal war alles gut. Die zwei Wachen, die sie begleiten sollten, bestiegen noch rasch ihre Pferde und dann konnte es weiter gehen.
Nicht zum Anwesen hoch, wie Kosta sofort erkannte. Sondern hinunter in die Stadt. Allerdings auch nicht in deren Zentrum. Viel eher an den Stadtrand in eines der neuen Viertel. Kosta wurde nun erst recht aufgeregt. Er kannte diese Gegend noch nicht so gut und er fragte sich, was für ein Haus Prinz Tolarim für sie gefunden hatte. Eines, was gar nicht so weit weg von Andiëls Villa lag, wenn er die Richtung richtig einschätzte. Die Dämmerung hatte eingesetzt und man konnte nicht so viel erkennen. Auch nicht, als die Strassenlaternen entzündet wurden und die Stadt in ein heimeliges, goldenes Licht tauchten. Sie blendeten leicht und reflektierten in den Fensterscheiben. Wenn sie nicht schon von innen leuchteten. Auf den Strassen waren zur Zeit nicht viele Menschen unterwegs. Es war Abendessenszeit.
So kamen sie gut vorwärts und es dauerte nicht mehr lange, bis die Kutsche in einer sehr familiären Gegend hielt. Die Strasse war ruhig und wurde von mehreren Ein- oder zweifamilienhäusern gesäumt. Die meisten von ihnen hatten einen kleinen Vorplatz oder Vorgarten. Soweit Kosta erkennen konnte, gab es hinter den Häusern einen grösseren Garten. Die Kutsche hielt vor einem zweistöckigen Haus aus dunkelgrauem Stein mit einem roten Ziegeldach. Kosta staunte nicht schlecht. Prinz Tolarim war sehr grosszügig gewesen. In diesem Haus hatte eine Vier-, wenn nicht sogar eine Fünfköpfige Familie ausreichend Platz.
Dass das ihr Haus sein würde, erkannte er darin, dass Delores im Vorgarten stand und einige arme Dienstboten herumdirigierte, die damit beschäftigt waren, Möbel und andere nützliche Sachen von einem Wagen ins Hauss zu schleppen. Gleichzeitig erklärte Tessa Ivores zwei Handwerkern, wie die Rampe sein sollte, die sie vor der Haustür anbringen wollten. Wobei sie den Umzugshelfern natürlich prompt dauernd im Weg waren. Es wirkte wie ein heilloses Chaos. Dennoch schienen die Leute freundlich und zufrieden zu sein. Auch wenn mal zwischendurch geschumpfen und geflucht wurde. Das gehörte eben dazu. Kosta lächelte still in sich hinein. Zumindest so lange, bis Eneas ausstieg, um seine Verwandten zu begrüssen und Kosta dadurch etwas in den Sinn kam.
"Oh weh", entschlüpfte es ihm bei dem Gedanken daran, wie Zucker womöglich auf die hübschen, kessen Ivores-Frauen reagieren könnte. Und wie empfindlich Eneas, also eigentlich alle Ivores-Männer reagierten, wenn man ihren weiblichen Verwandten auch nur falsch ansah.
"Da sind Tessa und Delores Ivores", flüsterte er Zucker aufgeregt zu. "Also benimm dich, ja? Keine flappsigen Kommentare und erst recht keine zotigen Sprüche", mahnte er den Prinzen streng, ehe er ihn flehentlich ansah. "Bitte." Es würde sein Verhältnis zu Eneas nur noch schlimmer machen, wenn er mit dessen Schwester oder dessen Cousine schäkerte. Oder gar mit beiden. Kosta wurde bleich bei der Vorstellung daran. "Die Ivores sind eine der einflussreichsten Familien in Mineva. Besser man verscherzt es sich nicht mit ihnen." Dabei waren sie alle ganz furchtbar nett. Nur, Zucker sollte erstmal wirklich nicht mit Delores oder Tessa schäckern. Nicht wenn Eneas dabei war.