Re: Kostas Entführung
von Eneas » Sa 6. Aug 2022, 21:37
Während die 'E' langsam die Segel in den Wind richtete, um zu wenden und zurück nach Draega zu gelangen, ging Eneas schweren Schrittes unter Deck. Es gab kaum Möglichkeiten auf einem Schiff wegzulaufen, aber Kosta hatte es geschafft. Wieso nicht auch er? Aber er wusste wo Kosta war. In Draega. Der einzige Ort, wo Eneas ihm nicht folgen konnte. Es hatte schon einmal jemand dieses Versprechen ausgenutzt, kam ihm vor, er wollte das nicht wieder erleben. Es schmerzte mehr als er wahrhaben wollte, dass sein Freund gegangen war. All die Worte, die er ihm ins Herz gestoßen hatte...
Eneas dachte an einen anderen heftigen Streit zwischen ihnen. Dort, wo er Kosta angebrüllt und ihm viele hässliche Dinge vorgeworfen hatte. Er hatte den Krieger damit so weh getan und viel kaputt gemacht. Lange hatte es gedauert bis sie dies beide verwunden hatten, weil am Ende ihre Freundschaft stärker war. Ihre Zuneigung zueinander.
Aber jetzt?
Er ging runter in den Schiffsbauch bis zu den Kisten und Fässern im Laderaum, wo Kosta ihm gesagt hatte, er mochte nicht mehr und wollte für immer gehen. Eneas atmete tief durch, ballte die Hände zu Fäusten und trieb die Fingernägel tief in die Handballen. Er würde nicht weinen. Dieser Arsch hatte das nicht verdient. Es war doch keine richtige Entführung gewesen. Wieso war Kosta so ausgeflippt? Er verstand das alles nicht.
Eneas blickte zu den vielen Schmuckstücken. Wütend warf er sie gegen die Bordwand. All die Beute war ihm egal. Er würde alles geben, um Kosta hier halten zu können. Seufzend ließ er sich auf eine der Kisten sinken.
"Willst du reden?", fragte leise eine Stimme. Eneas drehte sich nicht um, schüttelte den Kopf. Ihm war lieber nach allein sein, doch er reagierte trotzdem nicht, als Leto sich neben ihm auf die Kiste setzte. Vorsichtig streckte sich ihre Hand mit den golden lackierten Fingernägeln nach ihm aus, drückte seine Hand.
"Ich versteh ihn einfach nicht", flüsterte Eneas. "Ich glaub, ich hab ihn nie verstanden. Ich bin so ein Trottel."
"Ihr werdet euch wieder vertragen", sagte sie und blickte ihn an. Als sie einen Arm um ihn zu legen versuchte, erhob sich der Krieger.
"Ich wollte dich damit nicht wütend machen. Ich dacht, ich könnt nur auf dem Schiff mit ihm reden. Dass er sonst in Draega verschwindet... und die Chance vorbei ist...", erklärte Eneas. Es tat ihm wirklich leid seine Freundin wütend gemacht zu haben. Aber er musste jetzt Kosta nach und mit ihm reden, irgendwie versuchen, dass der andere Krieger ihn verstand. Dass er zurückkam. Dass Eneas nicht so furchtbar war wie Kosta es ihm vorgeworfen hatte... ach, scheiße. Eneas fluchte, strich sich durch die schwarze Mähne und ging wieder nach oben.
"Eneas...", hörte er Leto noch.
"Ich will jetzt allein sein", unterbrach er sie rasch, eilte die Treppe hoch. Der Krieger ging rauf auf Deck, wich den Blicken der anderen aus und suchte sich einen Platz hinten am Achterdeck, wo er eine Packung Zigaretten erscheinen ließ. Er bekam Kostas Blicke, seine harte Stimme und die Worte nicht mehr aus dem Kopf.
"Du bist schlimmer als jeder Besitzer, bei dem ich sonst war... Noch nicht einmal eigene Entscheidungen darf ich bei dir treffen... ich will hier nicht mehr sein... Du hast mich verraten und mein Vertrauen in dich ausgenutzt..."
Eneas fischte zitternd eine Zigarette heraus, zündete sie sich mit einer Zunge Hexenfeuer an, während er über die Wellen blickte, innerlich brodelnd. Dieser Mistkerl. Das stimmte alles nicht. Eneas war nicht Kostas Besitzer. Nein, er hatte doch nur nicht gewollt, dass Kosta ihn verließ. Eneas spürte die Angst wie ein hohles Loch in ihm drin, wenn er nur daran dachte.
Aufgebracht zog er an der Zigarette, um sich zu beruhigen. Nicht dran denken. Timaris war wichtiger. Er musste wissen was mit Timaris war. Wieso konnte Kosta das nicht gleich sagen? Er musste ja zumindest einen Verdacht gehabt haben... und dann diese banale Lüge mit dem Schlemmerurlaub! Eneas stieß den Rauch aus. Idiot. Dummer.. scheiß.. Idiot...
Eneas wollte ihn wieder haben.
Die Gedanken ließen ihn nicht los, drehten sich im Kreis. Es war schon nachts und die Packung Zigaretten fast aufgebraucht, aber er wollte nicht schlafen gehen. Er konnte nicht. Eneas wollte genau mitbekommen, wenn sie in Draega ankamen. Schon jetzt tastete er unbewußt mithilfe der Kunst nach Kostas Signatur. Der Krieger strich mit den Fingern über die Kanten der Münzhälfte. Er sollte es nicht tun, Kosta hatte seines wahrscheinlich abgenommen. Aufhören konnte Eneas trotzdem nicht.
Irgendwann kam Ulysses zu ihm.
"Es gibt nen kleinen Mitternachtsimbiss in der Messe, falls du...", Eneas schüttelte den Kopf. "Dachte ich mir schon", endete Ulysses, blickte mit ihm hinaus aufs Meer. "Weißt du schon, was du machen willst wenn wir in Draega sind... die Mannschaft fragte sich...", begann Ulysses äußerst zögerlich, sah mehrmals nach hinten.
"Habt ihr ausgelöst wer mit mir spricht?", fragte Eneas. Ulysses hielt ihm ein kurzes Streichholz hin, was dem Kapitän ein flüchtiges Lächeln entlockte. "Bin ich wirklich so schlimm?", fragte er.
"Nein", versicherte Ulysses. "Weißt du... wenn man Angst hat etwas zu verlieren, klammert man sich oft umso heftiger daran. Aber genau das kann bewirken, dass man es verliert... ich mein..." Ulysses lächelte verkniffen. "Lass ihm was Freiraum."
Eneas schnippte die Zigarette über die Reling. "Ich wusste nicht, dass ich ihn entführe. So war das nicht gemeint." Er rieb sich müde die Stirn. "Es ist egal, wenn wir in Draega sind, will ich herausfinden wie schlimm es um Timaris steht. Eventuell hat sie Zeit für ein Gespräch."
"Das ist eine gute Idee", pflichtete Ulysses bei. "Morgen könnte ein langer Tag werden... wieso ruhst du dich nicht aus? Ich übernehm die.. Wache hier."
Aber Eneas schüttelte den Kopf. Er wollte nicht schlafen gehen. Er konnte jetzt nicht in diese Kajüte und die einzig andere Kajüte, wo er gerne hingegangen wäre, war leer bis auf Vissarion. Eneas' Gedanken begannen sich wieder im Kreis zu drehen. Was war mit Kosta los? Wieso war der so wütend?
Er sollte keine Antwort darauf finden. Am Morgen, als Draega langsam immer näher rückte, ging Eneas dennoch unter Deck. Die Kapitänskajüte war leer. Vielleicht war Leto schon auf. Er wollte sich umziehen, doch dann war das Bett zu verlockend und er fiel hinein. Es roch nach Leto und Kosta zugleich. Scheiße!
Eneas rappelte sich wieder auf, ging sich waschen und umziehen. Ob Timaris schon auf war? Egal, er hielt das Warten nicht mehr länger aus.
*Guten Morgen*, sandte er ihr, *Bist du wach? Können wir uns heute treffen? Es ist sehr wichtig.* Selbst wenn die 'E' im Draeger Hafen war, so sandte Eneas der Königin nur selten. Es kam ihm so intim vor und da war er bei ihr immer noch leicht befangen. Gerade überwog seine Sorge um sie jedoch. Er musste wissen was los war. In seinem Speerfaden schwang die Sorge und Unsicherheit mit, wobei sich nicht genau bestimmen ließ worüber der ansonsten so verträumte Hayllier sich sorgte.