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Verstummt





Verstummt

Beitragvon Eneas » Mi 5. Okt 2022, 19:59

"Und ich werd dich nicht mehr gehen lassen", flüsterte Eneas zurück, nachdem er Kosta umarmt hatte. Er hielt ihn ganz fest, wirklich so, als wollte er ihn nicht mehr gehen lassen. Als er Kosta entführt hatte... er hätte es durchziehen sollen. Er hätte ihn schon da nicht mehr loslassen dürfen. Dann würde es seinem Geliebten jetzt vielleicht nicht so schlecht gehen.
Auf der anderen Seite würde Timaris zu diesem Zeitpunkt womöglich nicht mehr leben und dieser Gedanke schmerzte auch. Eneas konnte Kosta nicht vor vergangenen Dingen beschützen. Es war passiert. Er konnte nur versuchen, Kosta zu helfen damit umzugehen. Und endlich, endlich schien sein Freund sich helfen lassen zu wollen, nachdem er ihm so lange aus dem Weg gegangen war.
"Es wird wieder besser", sagte er Kosta leise. Eneas löste die Umarmung, fasste den anderen Krieger an der Hand. Kosta blickte schweigsam und fast verloren den Ozean hinaus. Er wirkte nicht glücklich... eher als wäre er geschlagen und hätte etwas aufgegeben. Sachte streichelte Eneas ihm über den Handrücken, wusste aber auch nicht was er ihm sagen sollte. Es gab keine magischen Worte, die alles sofort wieder heilten. Das hatte Eneas selbst sehr bitter lernen müssen.
Er sah den Steg hinunter und zur Kutsche, wo Zucker und Laree standen. Eneas nickte ihnen dankbar zu, dafür, dass sie Kosta doch noch gefunden hatten. Dann führte er Kosta an der Hand das Deck hinunter und in die Kapitänskajüte.
"Bist du müde nach der langen Nacht?", fragte Eneas. Kosta antwortete nicht und blieb einfach mitten im Raum stehen. Eneas brachte ihn zum Bett, damit er sich setzen konnte. Die Kapitänskajüte hatte größere Fenster nach draußen und man konnte auf der einen Seite auf Draega und den Hafen schauen. Eneas rückte ein paar Polster zurecht, damit Kosta sich bequem anlehnen konnte, falls er nach draußen schauen wollte. Behutsam zog er ihm die Schuhe aus.
"Was ist denn passiert letzte Nacht? Man hat dich gesucht", begann Eneas leise, doch sein Freund blieb schweigsam und Eneas fragte kein zweites Mal. Es mussten die Piercings sein. Zucker hatte gesagt, er hätte sie entfernt und danach wäre Kosta hysterisch und panisch geworden. Jetzt dagegen wirkte er fast gelähmt und geschockt.
Eneas wusste nicht genau wie er helfen konnte. Er stellte ein Glas Wasser auf den Nachttisch und legte Kosta eines seiner Lieblingsbücher hin, falls er lesen wollte. Auch sandte Eneas in die Küche, dass er ein leichtes Frühstück wollte. Nur eine Kleinigkeit. Er wusste nicht, ob Kosta überhaupt Hunger hatte.

Der Kapitän blickte ihn an, während er auf der Bettkante saß. Er wusste nicht, ob er sich ganz dazu setzen sollte.
"Ich hatte vor, bald wieder abzureisen. Die 'E' hat zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Das ist nicht gut. Es ist besser, wenn wir woanders untertauchen", sagte er. "Nuranessa am besten. Ich würde auch gerne sehen wie es den Kindern geht. Und Tileo... wir können ihn zu seiner Familie bringen." Der Junge hatte schon viel zu lange darauf gewartet, aber es war immer wieder eine neue drohende Gefahr oder Ereignis aufgetaucht, um das sie sich zuerst hatten kümmern müssen.
"Würde dir das gefallen? Tileo wiedersehen?", fragte Eneas lächelnd. Er hatte erwartet, dass Kosta sich freute, wenn er vielleicht auch zwiegespalten war, Draega - und damit Zucker - hinter sich zu lassen. Stattdessen sah ihn Kosta fast entsetzt und überfordert an. Was war denn daran so schlimm? Kosta liebte Kinder.
"Es geht ihm bestimmt gut", versuchte Eneas ihn zu beruhigen. Kosta senkte den Kopf. Diese ergebene Haltung, die Eneas schon so oft an ihm gesehen hatte. Der Kapitän wusste nicht wie er sich verhalten sollte. Er kannte seinen besten Freund sehr gut, aber die letzten Monate schienen ihm wie verschlossen - und sie hatten Kosta zutiefst verstört.
Vorsichtig ergriff er Kostas Hand und streichelte sie tröstend. "Als es mir damals nach den Mißbräuchen schlecht ging, hast du mir so viel geholfen. Und ich weiß nicht was dir passiert ist in Raej und in Dhemlan, aber ich möchte dir beistehen." Eneas setzte sich ganz auf das Bett, die Schuhe abgestreift.
"Du musst nichts sagen. Ich werd mich um dich kümmern, wenn du mich lässt", versprach Eneas. Er legte behutsam den Arm um seinen Freund, um ihn zu halten und weiter tröstend zu streicheln.
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von Anzeige » Mi 5. Okt 2022, 19:59

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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Mi 5. Okt 2022, 20:07

Eneas versprach ihm zurück, dass er ihn nicht mehr gehen lassen würde. Kosta erschauderte und unterdrückte ein Schluchzen. Diese Worte zu hören berührte ihn tief in seiner Seele und gleichzeitig tat es so weh. Es war zu spät. Er war nicht mehr das, was Eneas sich von ihm wünschte. Er war viel zu oft fort gegangen und es hatte ihm viel zu sehr gefallen. Er war so verbraucht und abgenutzt. Sein Körper war zwar irgendwie so rein geworden, wie schon lange nicht mehr, doch seine Erinnerungen waren alle ganz klar da. Sogar die an Andiël. An das unschuldige, neugierige Entdecken der Welt der Sinnlichkeit. Daran, was Eneas so unendlich fest verletzt hatte. Es hatte Kosta beinahe zerbrochen, zu sehen, wie sehr er seinen Liebsten verletzt hatte. Trotzdem hatte er kurz darauf weiter gemacht. Er war so widerwärtig.

Ausgelaugt starrte er vor sich ins Nichts. Er bekam nicht wirklich mit, was um ihn herum passierte. Er realisierte nur, dass er da war, wo er hingehörte. Er war bei Eneas. Dieser fasste ihn an der Hand und zog ihn mit sich. Folgsam wie ein Lämmchen liess Kosta sich unter Deck führen. Es war schön, dass Eneas ihn mit sich nahm. So wie es sein sollte. Er würde nicht mehr weg gehen. Er würde bei Eneas bleiben, so wie dieser es sich wünschte. Auch wenn er dessen Wünsche nie würde ganz erfüllen können. Es schien egal. Wichtig nur, dass er hier war.
Es dauerte jedoch eine ganze Weile, bis Kosta begriff, dass hier Eneas' Kapitänskajüte war. Sollte er wirklich hier sein? Eneas wollte es so. Kosta würde sich nicht wehren. Aber Eneas wollte nicht mit ihm schlafen oder? Das... das wäre nicht gut. Kosta konnte ihm nicht die Beziehung bieten, die Eneas sich wünschte. Der ältere Krieger würde sich nur Hoffnungen machen, wenn er nun mit ihm schlief. Nervös und angespannt liess er sich zum Bett führen, setzte sich gehorsam und beobachtete mit grossen Augen, wie Eneas ihm die Schuhe auszog.
Letzte Nacht? Lange Nacht? Kosta wusste es nicht. Er war gefallen und die Dunkelheit war gekommen. Nicht diejenige, welche gut war. Andere, schmerzhafte, schwarzgraue Dunkelheit, durchzogen mit alles durchschneidenden Blitzen. Sein Atem ging unwillkürlich schneller, wurde flacher und voller Panik. Eneas wollte von der Nacht wissen. Kosta brachte es jedoch nicht fertig, darüber zu sprechen. Auch wenn er gehorchen wollte.

Während er mit sich selber kämpfte, ging der Kapitän in der Kajüte hin und her, bis er sich zu ihm aufs Bett setzte. Wie war er aufs Bett gekommen? Egal. Eneas erzählte ihm etwas, anstatt nochmal zu fragen, was er hatte wissen wollen. Er wollte Abreisen. Nach Nuranessa. Kosta senkte die Lider. Das hatte er schon befürchtet. Er sollte nicht dahin. Er würde alles mit seiner Anwesenheit verderben. Es waren so viele Menschen da. Menschen mit Erwartungen an ihn. Menschen, die ihn anfassen wollten, so wie vorhin. Aber das durfte nicht sein. Kosta bekam schon wieder Panik. Sein Herz raste in seiner Brust und als Eneas auch noch Tileo erwähnte, blickte er ihn mit schreckgeweiteten Augen überfordert an. So sollte er zu Tileo? Das ging doch nicht. Er würde dem Kind nur weh tun. Besser er ging zu seinen Eltern. Kosta hatte sie gefunden. Hatte er nicht eine Nachricht an Eneas gesandt, dass er Tileo zu seinen Eltern bringen sollte? Hatte er es vergessen? Weil er Sex haben musste?
Kosta wusste es nicht. Er spürte nur, dass es ihn mit tiefen Entsetzen erfüllte, sich dem Kind stellen zu müssen. Warum wollte Eneas das? Er... er würde schon einen guten Grund dafür haben. Eneas wusste bei so Familiensachen viel besser Bescheid als Kosta. Ergeben senkte der Krieger seinen Kopf. Natürlich würde er Eneas Wunsch entsprechen. Er würde nicht mehr weg gehen. Er wollte ihm nicht wieder weh tun.

Sanft fasste Eneas ihn an der Hand, streichelte sie zärtlich. Das fühlte sie schön und gleichzeitig auch verbrennend an. Eneas sollte das nicht tun. Er wusste nicht, was Kosta getan hatte. Wenn er es wüsste... doch, Eneas würde ihm trotzdem beistehen wollen. Auch wenn es ihm weh tat. Eneas sollte ihn nicht bei sich behalten. Kosta würde ihm noch ganz viel mehr weh tun. Indem er zuliess, dass er sich um ihn kümmerte oder auch wenn er sich dem verweigerte. Es gab kein Entrinnen. Kosta wusste nicht, wie er es ertragen sollte.
Bebend sass er in Eneas Umarmung, zitterte sacht und wusste nicht wie weiter. Es überforderte ihn alles masslos und er merkte, dass es bei weitem nicht reichte, einfach bei Eneas zu sein. Er musste so viel mehr tun. Mehr, als er in der Lage war zu tun. Es brachte ihn dazu, heftige zu zittern und es wurde erst besser, als ein Teller mit einer Scheibe Brot, einem hart gekochten Ei, etwas Käse und Schinken und ein Becher mit Milch auf dem Tisch erschien. Denn da brachte Eneas ihm das Essen und forderte ihn besorgt auf, es zu sich zu nehmen, um sich zu stärken. Ja. Kosta nahm den Teller und den Becher entgegen. Das ging. Das konnte er tun. Er gehorchte nur zu bereitwillig, auch wenn er nicht schmeckte, was er ass. Das war egal.

Nach dem Essen liess Eneas ihn etwas alleine, damit er sich ausruhen konnte. Kosta verstand es nicht ganz. Er setzte sich jedoch etwas bequemer auf das Bett, lehnte sich gegen die Polster und starrte aus dem Fenster hinaus, ohne wirklich etwas zu sehen. Ohne etwas zu denken. Einfach nur existieren. Atmen und starren. Bei Eneas sein. Dieser wollte irgendwann von ihm, dass er noch mehr ass. Kosta gehorchte brav. Froh, dass er wenigstens diesen Wunsch erfüllen konnte. Dabei merkte er, dass seine Augen brannten und sein Körper sich ganz steif anfühlte. Ausserdem drückte es so unangenehm in seiner Lendengegend.
Nach einem Moment realisierte er, dass er ins Bad musste. Unwohl presste er seine Beine zusammen, blickte zur Tür und schaute Eneas dann fragend an. Dieser verstand rasch, half ihm auf und öffnete ihm die Tür zur Kapitänskajüte. Kosta traute sich im ersten Moment gar nicht heraus. Lieber wollte er sich unter der Bettdecke verkriechen. Doch der Ruf der Natur war stärker und so huschte er gehetzt den Gang entlang, in der Hoffnung, niemandem sonst zu begegnen.

Nachdem er im Bad fertig und wieder hinaus in den Gang getreten war, blieb er hilflos dort stehen, weil er nicht wusste, wohin er sollte. Wieder zurück in Eneas' Kajüte? Aber die war doch dem Kapitän vorbehalten. Vor kurzem hatte Leto noch darin gewohnt. Er konnte doch da nicht einfach rein. Er war sich auch gar nicht so sicher, ob Eneas ihn da wirklich haben wollte. Der Kapitän hingegen war sich jedoch sehr sicher. Denn er holte ihn irgendwann im Gang ab. Wieder fasste er ihn an der Hand und zog ihn mit sich. Das war ein schönes Gefühl. Kosta konzentrierte sich voll und ganz darauf und war entsprechend irritiert, als Eneas ihn in seiner Kajüte wieder losliess.

Später sass er wieder auf dem Bett und starrte aus dem Fenster hinaus. Ohne wirklich zu registrieren, was er sah, geschweige denn, dass er darauf reagierte. Das Glas Wasser oder die Bücher, die Eneas ihm bereit gelegt hatte, bemerkte er auch nicht. Das einzige was seine Aufmerksamkeit für etwas länger als eine Ahnung von einem Herzschlag erhaschen konnte, war Eneas. Wenn er bei ihm war. Wenn er ihn berührte oder etwas von ihm forderte. Aber selbst da bekam er vieles nicht mit, wie er erstaunt bemerkte, als er erschrocken zusammen zuckte, weil Eneas auf einmal Licht gemacht hatte. Wann war es draussen dunkel geworden? Sollten sie jetzt schlafen gehen?
Ehe er sich versah, war Eneas bei ihm und wollte ihm helfen, sich aus seinem Rollkragenpullover zu schälen. Nein! Eneas durfte ihn so nicht sehen. Erschrocken sog er derart scharf die Luft ein, dass er sich beinahe verschluckt hätte. Kosta musste husten und gleichzeitig nach Luft schnappen. Bitte. Eneas durfte ihn nicht ausziehen. Er sollte ihn nicht nackt sehen. Bitte nicht. Bitte nicht. Bitte nicht. Panik erfasste ihn diesmal vollends. Er bekam kaum Luft. Tränen traten ihm in die Augen, rollten heiss über seine Wangen und er bebte heftig am ganzen Körper, der ansonsten jedoch stocksteif war. Versteinert in dem inneren Kampf, Eneas zu gehorchen und sich in eine Ecke zu flüchten und ganz klein zusammen zu rollen.
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Re: Verstummt

Beitragvon Eneas » Mi 5. Okt 2022, 20:07

Kosta bebte und zitterte bloß stärker, als Eneas ihn umarmte. Der Krieger hielt ihn trotzdem länger, hoffend, dass Kosta sich beruhigte, aber es schien nur schlimmer zu werden.
"Atme ruhig ein und aus", sagte Eneas ihm, "Es wird wieder besser. Es braucht Zeit. Wir machen einen Tag nach dem anderen. Eine Stunde nach der anderen." Er wollte Kosta so gerne helfen und ihm beistehen, aber er schien alles noch schlimmer zu machen. "Beruhig dich. Du bist in Sicherheit", sagte Eneas. Er wusste nicht was er machen sollte und war fast erleichtert, als das Essen auftauchte. Etwas handfestes was er tun konnte. Kosta hatte vielleicht Hunger.
Eneas ließ ihn los, um den Teller zu holen und Kosta besorgt hinzuhalten. "Hier, etwas zu essen. Du braucht bestimmt eine Stärkung." Erwartungsvoll blickte er seinen Freund an, der zum Glück nach dem Teller griff und auch den Becher mit Wasser entgegen nahm. Kosta begann zu essen, während Eneas ihn besorgt beobachtete. Sein Freund aß mehr mechanisch als mit Genuss.
Schweigend saß Eneas daneben und überlegte, was er Kosta sagen könnte, um ihn aufzumuntern, aber ihm fiel nichts mehr ein. "Du möchtest dich bestimmt ausruhen", sagte er irgendwann. Vielleicht würde das helfen und Kosta benötigte trotz allem etwas Abstand und Ruhe von ihm.
"Ich komm später wieder", versicherte Eneas lächelnd. Kosta dürfte ja wissen, dass Eneas sowieso nicht vom Schiff gehen würde. Und jetzt, wo sein Geliebter endlich wieder an Bord war, gab es erst recht keinen Grund dafür. Der Krieger verließ das Kapitänsquartier und versuchte sich abzulenken indem er weiter an der 'E' arbeitete und sie auf die Abreise vorbereitete. Er schickte welche von der Mannschaft los, Proviant und Souvenirs für Nuranessa einzukaufen. Ulysses wollte außerdem eine ganze Reihe an Ausbesserungsmaterial, was sie so nicht in Nuranessa bekommen würden.
Nach und nach fragten ihn alle nach Kosta und wie es ihm ging, aber viel konnte Eneas nicht sagen. Er ging wieder zu Kosta, um nach ihm zu sehen, aber er hatte sich nicht einmal gerührt und saß weiterhin auf der gleichen Stelle. Es war inzwischen etwas nach Mittags. Eneas hatte ihm von der Messe Essen mitgebracht.
"Hier, Mittagessen. Salomon hat das gekocht, was du so gern magst", sagte Eneas und bot es Kosta an. Dieser nahm es zuerst nicht. "Probier doch mal ein Bissen", versuchte Eneas ihn zu überzeugen und der Krieger begann sofort zu essen. Er hielt den Kopf gesenkt. Es hatte etwas von Gehorsamkeit. Eneas sank das Herz. Er kannte dieses Verhalten. Es war sehr alt. Er fühlte sich daran erinnert wie Kosta, um Eneas zu beschützen, sich von ihm als Freund losgesagt hatte und darauf bestanden hatte allein sein Kammerdiener zu sein. Nicht mehr als das.
Wollte Kosta ihn auch jetzt beschützen? Es ihm recht machen?
Kosta sah ihn unwohl an, blickte dann zur Türe. Er hatte die Beine fest zusammengepresst, rückte etwas hin und her. "Oh, musst du auf Toilette?", erkannte Eneas. "Warte, ich helf dir." Er half Kosta aus dem Bett und eilte, um ihm die Türe zu öffnen. Vermutlich hätte Kosta so viel übertriebene Hilfe nicht gebraucht, aber Eneas war so froh über jede Kleinigkeit, wo er seinen Freund unterstützen konnte. Und sei es nur symbolisch.

Er wartete in der Kapitänskajüte, dass Kosta wiederkam, aber nichts passierte. Auch nach einer Weile nicht. Suchend verließ Eneas das Quartier und fand Kosta verloren auf dem Gang stehend.
"Was machst du denn?", fragte Eneas. Wollte Kosta in seine eigene Kajüte? Der Krieger redete weiterhin nicht. "Du kannst in der Kapitänskajüte bleiben, wenn du möchtest. Es ist auch dein Zuhause." Eneas berührte ihn an der Hand, streichelte darüber und führte ihn zurück in sein Quartier. Dort konnte er besser ein Auge auf Kosta haben. Er wollte seinen Freund nicht alleine lassen. Er wirkte sehr verwirrt und wie paralysiert. Eneas bereitete ihm wieder ein gemütliches Lager am Fenster, schob ihm Wasser oder Bücher entgegen, in der Hoffnung, dass Kosta irgendetwas benötigte.
Da Eneas nicht wusste, ob Kosta Ruhe wollte, verließ er das Quartier auch immer mal wieder. Er ging in Kostas Kajüte und suchte ein paar Kleidungsstücke und Toilettenzeug heraus, legte es im Kapitänsquartier bereit. "Hier ist etwas von deiner Kleidung. Ein Unterhemd, wenn du heute nacht eines anziehen willst", sagte er.
"Möchtest du etwas Musik hören?" Eneas schaltete eine Musikkugel ein. "Soll ich dir etwas vorlesen?" Er setzte sich und las aus einem der Bücher vor ohne dass er Kosta je eine Reaktion entlockt hätte. Erst als es abends wurde und Eneas eine Lampe anzündete, zuckte Kosta erschrocken zusammen. Er wirkte desorientiert. Wie als hätte er die letzten Stunden überhaupt nicht bekommen.
"Es ist nur ein Licht. Es wird doch dunkel draußen", erklärte Eneas. Kosta schlief lieber mit einem Licht in dunklen Räumen. "Es ist schon spät. Willst du dich hinlegen? Ich kann dir beim Pullover helfen." Der Krieger hatte sich aufs Bett gesetzt und Anstalten gemacht, Kosta den weichen Pullover auszuziehen. Er hatte ihn nichtmal richtig berühren können, als Kosta in reine Panik verfiel. Er rang nach unkontrolliert Luft, hatte riesige Augen bekommen.
Eneas hörte sofort auf, zog seine Hände zurück. "Hey, hey, es passiert nichts. Es tut mir leid, Kosta. Ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldigte er sich, aber Kosta ließ sich nicht mehr berühren. Laut schnappte er nach Luft, die Augen feucht von Tränen. Sein schlanker Körper bebte unkontrolliert.
"Kosta, beruhig dich. Was ist denn? Es passiert nichts." Eneas blickte ihn sehr besorgt an, ringend zwischen dem Impuls ihn fest zu halten und der Angst dadurch noch alles schlimmer zu machen. "Atme tief durch. Durch die Nase atmen, Kolibri. Konzentrier dich aufs atmen." Nun konnte er doch nicht anders und er griff nach Kostas Hand. Mit der anderen streichelte er dem Krieger in kreisenden Bewegungen über den Rücken.
"Es passiert nichts zwischen uns", sagte Eneas, "Dass es dir wieder besser geht, das ist mir wichtig. Nicht, ob wir nun zusammen kommen oder nicht. Ich will dir helfen. Als Freund." Hilflos sah er Kostas Panikattacke an. Er wusste weder, was sie hervorgerufen hatte noch wie er sie wieder beenden konnte. Oh, er hätte in Dhemlan dabei sein müssen. Wieso hatte er Kosta gehen lassen?
"Ich lass dich nicht wieder gehen. Du musst keine Angst haben." Eneas hatte gerade Angst genug für sie beide, aber er versuchte sich nichts anmerken zu lassen und stattdessen stark für seinen Freund zu sein.
Er blickte Kosta fest in die Augen. "Sag mir, was du brauchst." Nicht, was er wollte. Darauf hatte Kosta noch nie reagiert. Aber vielleicht brauchte er etwas.
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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Mi 5. Okt 2022, 20:09

Am Rande bekam er mit, dass Eneas ihn gar nicht mehr berührte und ihm den Pullover auch nicht mehr ausziehen wollte. Er musste keine Angst mehr haben deswegen. Zumindest vorerst. Doch seinem Körper schien dies egal zu sein. Er zitterte heftig, Tränen brannten in seinen Augen und er bekam kaum Luft. Das fühlte sich sehr beängstigend an. Hilflos blickte er zu Eneas, der aufgeregt auf ihn einredete. Kosta verstand erstmal nicht, was er wollte. Aber der Halt an seiner Hand tat gut. Und auch die beruhigenden Kreisbewegungen auf seinem Rücken.

Eneas befahl ihm, tief durchzuatmen. Durch die Nase. Einatmen und ausatmen. Ja, das konnte Kosta. Meistens zumindest. Tapfer versuchte er es wieder. Einatmen und ausatmen. Erst funktionierte es nur stockend, doch mit der Zeit ging es flüssiger. Die Angst verschwand wieder. Auch Eneas meinte, dass er keine Angst zu haben brauchte. Er würde ihn nicht wieder gehen lassen. Kosta erschauderte wieder bei den Worten. Sie taten so gut. Er sog sie auf, wie ein Verdurstender in der Wüste das Wasser. Er spürte, dass sie die Wahrheit waren. So wie Eneas Augen ihn anblickten. Zwei sanfte, goldene Seen, die ihn nie wieder gehen lassen würden. In denen er für immer baden durfte.

Sie forderten ihn jedoch streng auf, ihm zu sagen, was er brauchte. In Kostas Augen spiegelte sich Verwirrung. Er brauchte doch nichts. Oder doch? Wollte Eneas, dass er etwas brauchte? Eneas wollte immer viel zu viel für ihn. Oder das falsche. Kostas Verwirrung stieg. Aber er musste antworten. Eneas hatte ihm befohlen zu sagen, was er brauchte. Nur kam Kosta nichts in den Sinn. Sein Mund öffnete sich in einer hilflosen Geste, dennoch konnte er nicht antworten. Er war doch hier. Alles war gut für den Moment. Aber vielleicht war es ja das, was Eneas wissen wollte. Scheu blickte er zu ihm auf, streckte vorsichtig seine Hände nach ihm aus. Erst die eine, dann die andere, schüchtern und zittrig. Behutsam und ganz sacht schlang er seine Arme um Eneas Taille, schmiegte sich eng an ihn und bettete seinen Kopf auf dessen Brust. Eneas war alles er brauchte. Schon immer.
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Re: Verstummt

Beitragvon Eneas » Mi 5. Okt 2022, 20:10

Kosta beruhigte sich nur allmählich. Wenigstens bekam er wieder Luft und konnte ihn auch wieder ansehen. Eneas schaffte es, ihn tröstend zu streicheln ohne dass sein Freund weiter in Panik verfiel.
Als Eneas fragte, was Kosta brauchte, blickte dieser ihn zunächst nur verwirrt an. Er schien wenigstens darüber nachzudenken. Kosta öffnete den Mund wie um etwas zu sagen. Er wirkte absolut hilflos. Eneas erhoffte sich irgendeine Antwort. Egal was, aber dann schaffte es der andere Krieger doch nicht, etwas zu sagen. Kosta streckte die Hände zitternd nach ihm aus, legte sie ihm an die Taille ehe er sich vorbeugte und seinen Kopf an Eneas' Brust drückte.
Ergriffen umarmte Eneas ihn zurück. "Ist schon gut... du musst keine Angst haben", versuchte er seinen Freund zu beruhigen, "Du musst auch nicht den Pullover ausziehen. Wir können einfach nur hier sitzen..." Das war genug. Kosta schien momentan so zerbrechlich, dass jeder kleine Vorstoß, ihn sofort in eine tiefe Panik versetzte.
Eneas versuchte ihn nicht mehr fürs Bett vorzubereiten. Stattdessen hielt und streichelte er den schweigenden Krieger weiter. Irgendwann verlagerte Eneas seine Position etwas, damit sie sich beide hinlegen konnten. Er tat es ganz vorsichtig, so dass Kosta nicht erschreckte. Langsam verkrampften Eneas' Muskeln, doch er wollte seinen Geliebten keinesfalls in eine neue Panik stürzen.
Später schlief Kosta ein. Zunächst ruhig und tief schlafend, so dass Eneas selbst hinweg dämmerte. Ein lauter Schrei ließ ihn sofort alarmiert emporschießen. Verwirrt blickte er sich um. Kosta war schreiend aufgewacht, schlug dabei um sich. Ein Tritt traf Eneas schmerzhaft am Schienbein.
"Es ist ein Albtraum, Kosta. Du bist auf der 'E'. Wir liegen bei Draega vor Anker. Erinnerst du dich? Beruhig dich! Es war ein Albtraum", rief er ihm zu, aber es dauerte eine Weile bis Kosta sich beruhigte und wieder einschlief. Eneas lag aufgeregt und selbst hellwach im Bett, seinen Freund haltend.
Er musste dann doch wieder eingeschlafen sein. Ansonsten hätte ihn ein weiterer Albtraum Kostas nicht wieder schmerzhaft wecken können. Eneas reichte Kosta etwas zu trinken nachdem dieser sich halbwegs beruhigt hatte. Danach schlief Eneas nicht mehr. Er konnte nicht. Er machte sich viel zu viel Sorgen, wie furchtbar Kostas Erlebnisse sein mussten, dass sie sich so manifestierten. Zärtlich streichelte er Kosta über die Stirn.
Es passierte trotzdem noch einmal, aber dieses Mal war Eneas bereits wach, um Kosta zu beruhigen. Er hatte außerdem Maria gebeten, einen Baldriantee vorzubereiten. Es war kein richtiges Schlafmittel, aber es würde vielleicht helfen. Eneas hatte es damals manchmal geholfen.
"Trink ein bißchen Tee", sagte er dem zitternden, erschöpften Krieger. "Ich wache über dich. Es wird dir nichts passieren." Er drückte Kostas Hand ehe er ihm die Tasse Tee reichte.
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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Mi 5. Okt 2022, 20:13

Er war sich nicht so sicher, ob Eneas ihn richtig verstand. Ob Eneas begriff, dass er alles war, was Kosta brauchte. Der Krieger wusste jedoch nicht, wie er es anders ausdrücken konnte. Es passierte gerade so viel auf einmal. Wenigstens verstand Eneas, dass es besser war, wenn Kosta seinen Pullover anbehielt. Das war gut. Dabei mussten sie eigentlich nicht hier sitzen bleiben. Aber vielleicht brauchte Eneas das. Also blieb Kosta wo er war. Es fühlte sich ja schön an. In Eneas Armen war immer alles gut.
Irgendwann glitten sie dabei immer tiefer aufs Bett rauf. Eneas streichelte ihn beruhigend und Kosta kuschelte sich wohlig an ihn. Hier war es gut. Warum war er nur je von hier weg gegangen? Er hatte Eneas so weh damit getan. Der Krieger hatte es ihm gesagt. Dennoch war Kosta gegangen. Er war so furchtbar. So furchtbar und dumm. Er hatte gedacht, Eneas hatte es doch so gewollt. Auch wenn er damals so furchtbar wütend wegen Andël geworden war. Andererseits hatte er ihn auch dazu gedrängt, Kyris zu küssen.

Kosta war so verwirrt, dass er gar nicht wirklich merkte, wie er einschlief. für ihn lief es so ab, dass er in einem Moment noch sicher in Eneas Armen lag und im nächsten von starken Männern in einen dunklen, feuchten Kerker gezerrt wurde. Überall wurde er angefasst, während Eneas sich angewidert von ihm abwandte. Es tat so weh. Noch viel mehr weh, als das, was die Männer mit seinem Körper anstellten. Wie sie ihn schändeten und beschmutzten. Schreiend versuchte er sich heftig um sich schlagend dagegen zu wehren. Jetzt durfte er das. Jetzt musste er es. Aber sie machten immer weiter. Hielten ihn sanft fest und redeten auf ihn ein.
Heftig keuchend lag er bebend auf dem Rücken. Eneas war wieder neben ihm. Versprach ihm, dass sie auf der 'E' wären. In Draega im Hafen. Es sei nur ein Albtraum gewesen. Ein Albtraum. Nur ein Albtraum. Ein furchterregender Albtraum und doch nichts im Vergleich zu der Realität. Entschuldigend kuschelte er sich wieder an Eneas. Er hatte ihn nicht aufwecken wollen.

Trotzdem tat er es noch zwei mal in dieser Nacht. Immer wieder wurde er in diesen nicht enden wollenden Albtraum gezogen, zudem sein Leben geworden war und wachte schreiend neben Eneas auf. Dieser war immer da. Streichelte und tröstete ihn. Versprach ihm, dass er in Sicherheit war. Doch seine Erinnerungen konnte er ihm nicht nehmen. Dafür gab er ihm Tee zu trinken. Baldriantee, wie Kosta sofort am Geschmack erkannte. Gehorsam trank er davon, fürchtete gleichzeitig gar nicht mehr aus seinem Albtraum aufwachen zu können wenn er ruhig gestellt wurde. Andererseits konnte er das auch jetzt schon nicht mehr. So würde er Eneas wenigstens nicht mehr von seinem Schlaf abhalten.

Ruhig legte er sich wieder auf den Rücken, nachdem er den Tee ausgetrunken hatte. Diesmal war er etwas wacher, als die anderen Male, wo er aus seinem Albtraum aufgewacht war. Fest nahm er sich vor, diesmal nichts mehr zu träumen, weswegen er schreiend und um sich schlagend aufwachen würde. Er wollte Eneas nicht von seinem Schlaf abhalten, geschweige denn ihn schlagen. Kosta konzentrierte sich so fest darauf, dass er gar nicht mehr einschlafen konnte. Zumindest tat Eneas es vor ihm. Auf einmal hörte er den älteren Krieger ruhig und regelmässig neben sich atmen. Kosta lächelte zufrieden. So war es richtig.
Ganz behutsam löste er sich von Eneas und stieg aus dem Bett. Er wollte nicht nochmals einschlafen und riskieren, Eneas schon wieder zu wecken. Leise tappste er zum Fenster, setzte sich da wieder hin und starrte in die Dunkelheit hinaus. Er würde einfach warten, bis Eneas ausgeschlafen hatte.
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Re: Verstummt

Beitragvon Eneas » Mi 5. Okt 2022, 20:14

Er hatte wirklich vor, den Rest der Nacht über wach zu bleiben und auf Kosta aufzupassen, doch da er nun schon einige Stunden zuvor über ihn gewacht hatte, forderte die Müdigkeit irgendwann ihren Tribut. Eneas musste eingeschlafen sein, denn als er wieder blinzelte und die Augen öffnete, war Kosta nicht mehr direkt neben ihm. Stattdessen saß er beim Fenster und sah hinaus. Erstes Morgenlicht kam hinein. Eneas rappelte sich auf, strich sich das dichte, rabenschwarze Haar zurück.
"Du bist wach... hast du noch etwas schlafen können?", fragte er. Kosta antwortete nicht. Stattdessen senkte er fast schuldbewusst die Lider. Eneas unterdrückte ein Seufzen. Er wollte seinen Freund schütteln, dass dieser wieder glücklich war und mit ihm redete, aber er wusste, dass dies nicht passieren würde. Er sollte lieber froh sein, dass Kosta zu ihm gekommen war und sich von ihm helfen lassen wollte, wo es ihm so schlecht ging.
Aber gleichzeitig sorgte sich Eneas. Er kannte diese alten Rollenmuster seines Freundes. Er schien Jahrzehnte an Fortschritten verloren zu haben, wirkte wieder scheu und darauf bedacht, nur ja nichts falsch zu machen, Eneas bloß ja nicht zu verärgern. Und das Monate nachdem Kosta ihm vorgeworfen hatte, dass seine Liebe nicht genug war. Nicht echt und zu schwach. Da hatte er noch keine Angst gehabt, ihm zu sagen, was er dachte. Wie sollten sie da bloß wieder anknüpfen? Eneas hatte sich ersehnt, dass Kosta sich wieder ihm näherte, aber nicht für den Preis, dass der Krieger so sehr mit sich zu kämpfen hatte. Er wirkte, als hätte er etwas verloren und Eneas wusste nicht wie sie das wieder heilen konnten.
Hatte sich so Timaris damals gefühlt?

"Hast du Hunger? Wir können oben an Deck essen", schlug Eneas vor. Kosta drückte sich weiter ans Fenster. "Oder hier... hier ist es auch gemütlich." Eneas lächelte und setzte sich auf. "Ich hol uns was."
Von seinem Freund kam immer noch keine Reaktion. Er aß. Nicht viel und nicht mit Appetit, aber er tat es. Das war alles. Dann sah er wieder aus dem Fenster und schwieg. Eneas blieb neben ihm sitzen und las ein Buch. Die anderen störten sie wohlweißlich nicht. Erst als es hieß, dass jemand aus dem Palast da wäre, öffnete Eneas die Türe. Kosta wurde sofort noch scheuer, er schreckte auf wie ein Reh und floh in eine Ecke hinter der Türe, um sich zu verstecken.
"Was ist denn?", fragte er Farell.
"Ein Diener vom Palast hat ein paar Dinge von Kosta dabei", erklärte er. Eneas stockte. Was hatte das zu bedeuten? Kosta hatte ein Zimmer im Palast. Ein permanentes, kein Gästezimmer. Warum sollten von dort Sachen gebracht werden? Hatte Kosta das veranlasst? Aber er war immer noch unter Schock, konnte sich nicht an diese eine Nacht erinnern. Es musste Timaris gewesen sein. Wusste sie mehr? Dass Kosta nicht mehr zurückkommen würde? Das war gewaltig.
Eneas schwieg kurz. "Ja, lass das Gepäck unter Deck bringen." Er dachte kurz nach. "Stell es vor der Türe hier ab. Ich trag es dann schon selbst rein." Er wollte nicht, dass die Mannschaft Kosta verschreckten indem sie hier reinkamen. Der Kapitän zögerte. "Hat sie eine Botschaft mitgeschickt?", fragte er. Farell verneinte. Eneas nickte und schloss die Türe wieder. Er hatte gehofft, Timaris hätte irgendeine Erklärung darüber, was mit Kosta im Palast passiert war, oder vielleicht einen Ratschlag. Aber sie hatte gewiss viel zu tun, nun wo sie wieder auf dem Wege der Besserung war.
"Es kommt niemand in die Kajüte", versicherte Eneas, als Kosta sich immer noch in die Ecke drückte. "Wovor hast du Angst?" Aber Kosta antwortete immer noch nicht.
"Deine Sachen kommen hierher. Kleidung vermute ich. Oder Bücher", plauderte er, "Das ist gut. Dann hast du alles was du benötigst beisammen. Möchtest du dich von Timaris verabschieden oder ihr etwas schreiben?", fragte Eneas. "Bevor wir vermutlich morgen ablegen. Aber wenn du mehr Zeit brauchst... wir können noch etwas hier bleiben."
Kosta huschte sofort wieder auf seinen Platz am Fenster, sich zusammenrollend, zitternd und heftig atmend. Verdammt. Hastig kroch Eneas ebenfalls aufs Bett.
"Ist schon gut, schon gut", beruhigte er ihn, "Ich schreib ihr einen kleinen Text, von uns beiden. Schau, sie hat deine Sachen herbringen lassen. Sie weiß, dass du mit mir mitfährst, und sie scheint dies gutzuheißen." Sachte streichelte er Kosta über den Rücken. "Sie weiß gewiss, wie viel du für sie getan hast und dass du jetzt etwas Erholung und Ruhe brauchst. Wir besuchen sie wieder, wenn der Krieg vorbei ist und sie wieder Zeit hat. Ja? Du hast ihr das Leben gerettet. Das war gewaltig. Und jetzt kann sie wieder mit voller Stärke weiter regieren." Eneas wusste nicht, ob er das richtige sagte. Er durfte Kosta nicht zu Entscheidungen drängen. Keine Fragen. Eneas musste für den Moment für sie beide entscheiden. Und hoffen, dass es das beste für sie beide war. Solange bis Kosta seine Stimme wiedergefunden hatte.
"Morgen legen wir ab und segeln nach Nuranessa", sagte er klar. "Und deine einzige Aufgabe ist es, dich zu erholen. Und mir im Garten zu helfen", fügte er hinzu. "Du müsstest sehen was aus deinen Rosen geworden ist. Ein richtig großer Rosenbusch." Er lächelte. "Bestimmt muss er mittlerweile wieder zurecht geschnitten werden, damit er weiter kräftig austreibt. Und Maeve müsste bald ihr Kind bekommen. Sie ist bestimmt schon sehr aufgeregt. Ich glaube, du könntest ihr gut helfen." So redete er ein bißchen über die Ereignisse auf der Insel bis Kosta sich endlich beruhigt hatte. Eneas stellte ihm den Rest des Tages keine Fragen mehr.

Als es Abends wurde, klopfte es. Eneas ging rasch zur Türe. "Ich hab doch gesagt, so wenig Störungen wie möglich", sagte er Ulysses. Der andere Hayllier warf einen Blick ins Zimmer.
"Tut mir leid, Käpt'n. Zucker ist hier", erklärte er leise. "Ich glaub, er will sich verabschieden."
Eneas atmete tief durch, sah zurück zu Kosta. Es war ihm jetzt klar, dass Kosta es viel zu sehr belasten würde, wenn Eneas ihn vor die Wahl stellen würde, ob er den Dhemlaner sehen wollte oder nicht. Eneas musste für ihn entscheiden. Zucker hatte Kosta die Piercings rausgenommen. Während des Sex....
Und hatte damit Kosta von einer Panikattacke in die nächste gestürzt. Wenn Zuckers Auftauchen das erneut auslösen würde? Kostas Zustand war viel zu fragil. Anderseits konnte eine Verabschiedung ihm vielleicht auch helfen. Wenn sie auf Nuranessa waren und Kosta nicht mit seiner Zeit mit Zucker abschließen konnte, weil sie so plötzlich gefahren waren? Das wäre auch nicht gut. Eneas' Eifersucht rumorte. Er wollte nicht, dass Zucker hierher kam. Der Kerl brachte nur Schwierigkeiten. Er drängte sich zwischen sie. Wie all die anderen. Alvero und alle danach...
"Bring ihn her", sagte Eneas trotzdem. "Aber sag ihm, er bewegt sich auf ganz dünnem Eis", raunte er Ulysses leiser hinterher.
"Erschreck nicht", wandte er sich zu Kosta um "Zucker ist vorbeigekommen. Wir legen morgen ab. Ich denke, das ist eine gute Gelegenheit, sich von ihm zu verabschieden." Er versuchte nach Kostas Hand zu greifen, um sie tröstend zu streicheln. "Du siehst ihn bestimmt wieder. Der Kerl scheint mir wie Unkraut.." Er tauchte irgendwie immer wieder auf und war nicht kleinzukriegen, dachte Eneas etwas grummelnd. Nun, Zucker würde hoffentlich einsehen, dass er bei Kosta nicht mehr landen konnte und er sollte ihn besser nicht wieder verführen.
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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Mi 5. Okt 2022, 20:16

Viel zu früh, schon mit dem ersten Morgenlicht, regte Eneas sich wieder und wachte auf. Kosta betrachtete ihn leise und sorgenvoll. Der Krieger konnte jetzt doch noch nicht genügend geschlafen haben, wo er ihn doch die halbe Nacht lang wach gehalten hatte. Er sollte weiter schlafen. Ausserdem sah er so schön und friedlich aus, wenn er schlief. Allerdings war es auch wunderschön zu betrachten, wie Eneas sich etwas aufrappelte und seine feinen Haare zurück strich. Kosta hätte gerne seine Hand hindurch gleiten lassen. Eneas fühlte sich immer besonders gut an, wenn er noch etwas verschlafen war.
Leider hatte der ältere Krieger die gleichen Gedanken wie Kosta und fragte ihn, ob er noch etwas hätte schlafen können. Ertappt senkte Kosta die Lider. Nein, das hatte er nicht gekonnt. Auch wenn er gewusst hatte, dass Eneas sich dies von ihm wünschte. Aber er konnte doch nicht schlafen, wenn er seinen Freund nur wach hielt. Das liess ihm keine Ruhe. Eneas enttäuschte dies jedoch nur. Kosta konnte sehen, wie er sich zwang, deswegen nichts zu sagen. Er war gar nicht glücklich mit Kostas Verhalten. Doch der Krieger wusste sich nicht zu helfen. Er hatte Eneas gesagt, dass es nicht funktionieren würde, wenn er bei ihm war. Das hier war nur der Anfang. Kosta würde Eneas nur noch weiter und weiter enttäuschen, weil er nicht so sein konnte, wie Eneas ihn gerne haben wollte. Es würde sie beide kaputt machen.

Kosta war schon wieder vertieft darin zu überlegen, wie es trotzdem eine Lösung für sie Beide geben könnte, als Eneas unvermittelt vorschlug oben an Deck zu essen. Bei allen anderen. Wo sie ihn berühren und drücken konnten. Erschreckt drückte sich Kosta ans Fenster, starrte Eneas mit grossen Augen an. Er konnte hier nicht raus. Das war die Kapitänskajüte. Hier war er in Sicherheit. Oben an Deck...
Bevor er in Panik verfallen konnte, versprach Eneas ihm rasch, dass sie hier essen würden. Hier sei es auch gemütlich. Dankbar sah Kosta ihn an. Bald schon rotierten seine Gedanken wieder darum, dass er so eine Last für Eneas war und seinen wünschen nicht gerecht werden konnte. So bekam er das Frühstücksessen gar nicht wirklich mit, obwohl er selbst auch gegessen hatte. Erst als Eneas sich ein Buch nahm und zu lesen begann, beruhigte Kosta sich auch allmählich. Wenn Eneas las, dann tat er etwas schönes für sich selbst. Das freute Kosta und er beobachtete seinen Freund gerne verstohlen, wie er sich in die Geschichte seines Buches vertiefte.

Von ihm aus hätte es den ganzen Tag so weiter gehen können. Es war so friedlich und so sicher. Keine Möglichkeiten etwas falsch zu machen und Eneas das Herz zu brechen. Leider wurden sie viel zu früh rüde unterbrochen, weil jemand aus dem Palast hier wäre. Ängstlich schreckte Kosta auf. Er konnte nicht zurück zum Palast. Er gehörte hier her. Zu Eneas. Sie durften ihn nicht zurück bringen. Atemlos versteckte Kosta sich bebend hinter der Tür, als Eneas diese öffnete. Bitte, sie durften ihn hier nicht wegbringen. Er gehörte doch zu Eneas.
Zu seiner Erleichterung wollten sie ihn nicht von hier wegbringen. Stattdessen brachte man ihm Sachen. Jedoch ganz ohne Nachricht. Timaris, sie war sicherlich furchtbar enttäuscht von ihm. Sie musste wissen, dass er bereit gewesen war, ihre Vergiftung zu ignorieren, um bei Eneas sein zu können. Jetzt war er wieder einfach zu Eneas gerannt und hatte sie mit den ehemaligen Soldaten im Stich gelassen. Ob sie ihn hasste? Verstiess sie ihn nun entgültig. Eneas fragte ihn, ob er sich von Timaris verabschieden wollte oder ihr etwas schreiben. Sie würden vermutlich morgen ablegen.
Kosta starrte Eneas überfordert an. Öffnete den Mund. Er sollte etwas sagen. Sollte erklären, sollte um Hilfe rufen. Doch irgendwie ging es nicht. Er brachte kein Wort über seine Lippen. Noch nicht einmal einen Ton. Er wusste nicht, wie er sich Timaris gegenüber verhalten sollte. Er... er bekam wieder keine Luft. Panisch hastete er zurück zum Bett, von wo aus er aus dem Fenster schauen konnte. Da rollte er sich klein zusammen und presste sich gegen die Wand. Zitternd versuchte er wieder zu Atem zu kommen. Er musste hier bleiben. Hier gehörte er hin. Sie durften ihn nicht wegbringen. Niemand ausser Eneas durfte ihn anfassen.

Liebevoll kam Eneas zu ihm, um ihn zu trösten. Es machte Kosta nur ein noch schlechteres Gewissen. Trotzdem war es unendlich schön, wie Eneas ihm über den Rücken streichelte und ihm zum Trost schöne sagen sagte. Ausserdem kannte Eneas Timaris sehr gut. So konnte Kosta ihm auch glauben, dass er recht damit hatte, was er sagte. Dass Timaris jetzt erst einmal wieder regieren musste und den Krieg gewinnen wollte. Bis dahien wären sie ohnehin nur im Weg. Sie hatte ja auch schon Kosta gesagt, dass er sich erholen sollte. Der Sklave wusste zwar nicht wie er das machen sollte, doch Ruhe, das klang gut. So wie vorhin, als Eneas gelesen hatte und Kosta einfach bei ihm hatte sitzen dürfen. Das war schön gewesen.
Eneas wollte jedoch, dass Kosta ihm mit den Rosen half, die er auf Nuranessa gesetzt hatte. Rosen aus dem Strauss, den er Kosta eigentlich hatte schenken wollen. Kosta hatte sie jedoch zurück gebracht und Eneas das Herz gebrochen. Alles erdrückende Schuld liess Kosta noch kleiner werden. Er hatte Eneas niemals so wehtun wollen. Er war so wütend gewesen. Verzweifelt weil Eneas ihn nicht gehalten hatte, obwohl er es gekonnt hätte. Er hatte jedoch nicht gewollt. Es tat so unendlich weh. Wie sollte er nur bei Eneas bleiben können, wenn dieser so widersprüchliche Wünsche an ihn stellte. Oder sich Nuranessa und seinen Bewohnern stellen, wenn er sich schon von der Mannschaft erschreckte. Es war viel zu viel.

Irgendwann schlief er erschöpft ein, holte den Schlaf der Nacht nach. Für eine Weile lang umfing ihn traumlose Schwärze. Bis Andiël plötzlich bei ihm war. Gutaussehend und mit einem umwerfenden, sinnlichen Lächeln. Er nahm sich Kosta, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, reichte ihn anschliessend an andere Männer weiter. Immer mehr und mehr, bis gar nichts mehr für Eneas übrig blieb. Höchstens ein kleines Restchen, das Eneas jedoch gar nicht haben wollte. Das Eneas verabscheute und davor zurück schreckte.
Schreiend und um sich schlagend wachte Kosta aus seinem Albtraum auf. Eneas war bei ihm. Er tröstete ihn, nahm ihn in den Arm und beruhigte ihn, dass alles nur ein Traum gewesen wäre. Aber das stimmte nicht wirklich. Es war echt. Eneas wusste es nicht. Es tat Kosta so leid und er musste verzweifelt und schuldbewusst weinen, während der ältere Krieger ihn sicher in seinen Armen hielt.

Irgendwann fasste er sich wieder. Wie erschlagen sass er am Fenster und starrte hinaus. Er wurde erst wieder etwas entspannter, als auch Eneas sich entspannte, indem er sich setzte, um weiter in seinem Buch zu lesen. Kosta hatte keine Energie, um selber zu lesen. Er wollte sich auch nicht in eine Traumwelt flüchten. Bei Eneas zu sein, war vollkommen genug und wenn dieser etwas schönes für sich tat, war es noch viel besser. Wieder betrachtete Kosta ihn verstohlen und er ertappte sich dabei, wie er überlegte, ob er Eneas sachte über den Arm streicheln sollte.
Bevor er sich zu dem Entschluss durchringen konnte, war es jedoch schon wieder Abend und es klopfte wieder an der Tür. Kosta verstand nicht, worum es ging. Es ging jedoch nicht lange, bis Eneas zu ihm kam. Er bat ihn, nicht zu erschrecken. Scheu und vertrauensvoll zugleich blickte er den älteren Krieger an, der ihm erklärte, dass Zucker vorbei gekommen sei. Kostas Augen wurden gross und traurig. Der Prinz war ihm sicherlich auch sehr böse, dass er ihn so im Stich gelassen hatte. Und gleichzeitig war Eneas sicherlich wieder gar nicht glücklich, dass ein Mann sich ihm näherte. Er wollte, dass Kosta sich von Zucker verabschiedete. Fürs Erste. Doch Zucker wäre wie Unkraut. Kosta würde ihn bestimmt wieder sehen.

Erschrocken blickte Kosta zu Eneas auf. Er wollte doch nicht etwa, dass Zucker starb? Nein, er wollte nur, dass Kosta bei ihm blieb. Das würde er. Kosta würde für immer bei Eneas bleiben. So wie er es eigentlich auch schon immer hatte tun wollen. Sachte drückte er Eneas Hand, die seine eigene streichelte. Er würde bleiben und sein bestes geben, damit Eneas glücklich wurde. Auch wenn er nicht wusste, wie er das anstellen sollte.
Er hielt Eneas Hand auch weiterhin fest, als Zucker eintrat. Nervös und scheu stand er dabei hinter dem Kapitän, versteckte sich grösstenteils hinter ihm und spienzte nur verstohlen über dessen Schultern, um zu dem Prinzen zu schauen. Er wagte es gar nicht richtig, weswegen er auch nicht wirklich mitbekam, dass es Zucker genau so ging. Dass er auch nicht wusste, wie er sich verhalten sollte und gar nicht zu ihm zu schauen wagte.
Erst als Zucker sich irgendwie komisch von ihm wissen wollte, ob er ihn nicht in de Hölle wünschte, kam Bewegung in den verstörten Krieger. Besorgt musterte er Zucker, weil er nicht verstand, wie der Prinz auf diesen Gedanken kam. Viel eher hatte er gedacht, Zucker verfluchte ihn, weil er ihn im Stich gelassen hatte. Selber war er ihm nicht böse. Im Gegenteil, er war ihm so unendlich dankbar für alles, was er für ihn getan hatte. Und er machte sich Sorgen, weil Zucker so eine gefährliche Reise vor sich hatte. Kosta wollte ihn bitten, vorsichtig zu sein und wieder heil zurück zu kommen. Wollte sich bei ihm entschuldigen, dass er sich so daneben benommen hatte. Aber noch immer wollte kein Wort über seine Lippen kommen und Zucker blickte ihn nicht an, so dass er ihm von den Augen ablesen konnte, was ihn beschäftigte. Den Prinzen zu berühren wagte er jedoch auch nicht. Er wollte niemanden sonst mehr berühren ausser Eneas, damit er diesem keine Schmerzen mehr zufügte. So drückte er eben dessen Hand, die er die ganze Zeit über gehalten hatte, fest und berührte ihn mit der freien Hand am Oberarm. Flehend blickte er Eneas an, damit dieser Zucker erklärte, dass er ihm nicht böse war. Dass er doch gar nichts dafür konnte, sondern alles Kostas Schuld war. Dass es ihm leid tat, dass er ihn so im Stich gelassen hatte und dass er bitte, bitte nicht sterben sollte bei dem Versuch, Rashar zu helfen. Sein Atem ging vor lauter Aufregung wieder ganz rasch und hell. Angst war diesmal jedoch keine in seiner Signatur zu spüren.
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Re: Verstummt

Beitragvon Yadriël » Mi 5. Okt 2022, 20:19

Zucker starrte auf das Schiff im Hafen. Ach, verdammt. Er stand hier nun schon viel zu lange und hatte sich immer noch nicht entscheiden können, ob er reingehen sollte oder nicht. Er wollte daran vorbeigehen und endlich aufbrechen. Zurück nach Raej wo er sich auskannte. Hiermit kannte er sich überhaupt nicht aus und das wollte er auch nicht. Verdammte Königin. Diese neugierige Hexe hätte mal lieber ihren Mund gehalten. Was sollte er mit diesem Wissen? Was sollte Kosta damit? Zucker kaufte der Frau nicht ab, dass sie das tat, um Kosta zu helfen. Freie Sklavenkinder und all das. Das war doch nur dummes Gerede. Sie war Kostas Besitzerin. Sein... ach, nein, besser nicht daran denken. Es ging ihn nichts an und Kosta brachte ihn bloß in Schwierigkeiten. Der Prinz scharrte unruhig mit dem Fuß über den Boden, entschlossen sich nun wirklich abzuwenden.

Wenig später fand er sich wieder wie er den ersten Schritt auf den Steg tat, der hoch an Deck führte. Leto war oben und blickte ihn schweigend an. Zucker überlegte, ob er sie zu Rede stellen sollte oder nicht, falls die Heilerin doch etwas wusste oder geahnt hatte, aber es drängte ihn das Schiff so schnell wie möglich zu verlassen. Er würde zu Kosta gehen, sich verabschieden und dann gehen. Klang simpel genug. Ulysses kam ihm entgegen und erriet auch gleich wieso Zucker hier war. Ob er sich verabschieden wollte.
"Spricht sich das so schnell rum?", fragte der Dhemlaner knurrig. Ulysses stockte verwirrt.
"Was? Ich meinte, weil wir morgen ablegen." Er musterte Zucker kurz. Der Prinz hatte sich von Laree unter die Arme greifen lassen und trug nun neue, robuste Stiefel, hatte einen Rucksack mit neuer Ausrüstung und ein Messer und eine Feldflasche am Gürtel befestigt. "Und du siehst auch so aus, als wolltest du aufbrechen. Sollen wir dich mitnehmen?"
Der Prinz schnaubte. "Die letzte Fahrt war schon stressig genug. Lasst mal", lehnte er ab. "Wohin fahrt ihr denn?"
Ulysses sagte zunächst nichts und blickte hinüber zu Leto. Sie nickte kaum merklich. "Ein Rückzugsort. Eine Insel", erklärte der Hayllier vage. Zucker wusste wovon er redete. Sollte sich der Kapitän ruhig um Kosta kümmern. Dann musste sich Zucker keine Gedanken mehr darüber machen.
"Kann ich ihn jetzt sehen oder nicht? Wie gehts ihm?", fragte der Prinz. Ulysses sagte leise, dass es unverändert wäre und sein Gesichtsausdruck gab keinen Grund zur Hoffnung. Der Pirat wollte bei Taelos nachfragen und verschwand für einen Moment. Während Zucker unruhig an Deck wartete, hatte er das Gefühl, alle würden ihn anstarren. Alle würden es wissen.
Scheiße, er hätte nicht herkommen sollen! Kosta und er - da war nichts. Er kannte den Kerl nicht. Sie würden danach getrennte Wege gehen.
Leto kam langsam herüber. "Du wirkst besorgt", erriet sie.
"Wieso musst du eigentlich Heilerin und Priesterin sein?", maulte Zucker. Sie lächelte ungerührt.
"Leuten helfen zu wollen, liegt mir im Blut. Da kann ich sehr lästig werden", erklärte er.
"Du und Millionen andere Frauen", knurrte der Dhemlaner wieder. Leto lachte leicht. "Mein Leben ist voll mit Leuten, die mir helfen wollen."
"Du kannst dich glücklich schätzen", fand die adelige Piratin. Oder was immer sie war. Zucker sah sie an.
"Und du? Machst dich lieber selbst unglücklich? Hängst hier immer noch auf dem Schiff von deinem Ex rum. Ist es nicht so?", fragte er. Leto zuckte fast sichtbar zusammen. Das hatte sie getroffen. Aber vertreiben ließ sie sich davon leider nicht.
"Ich weiß, dass er nicht wieder zurückkommt", sagte sie. Die Hayllierin schwieg kurz. "Er hat mir dieses Leben schmackhaft gemacht. So leicht kann ich es nicht mehr ablegen... egal obs weh tut. Kommt dir das nicht bekannt vor?" Sie sah ihn forschend an.
Zucker winkte ab. "Deine Anspielungen sind zu hoch für mich, Lady." Trotzdem war er versucht sie zu fragen, was sie wusste. Bisher hatte Zucker nur das Wort der Königin. Ein gewichtiges Wort und all die Details passten. Dennoch sträubte sich alles in dem Prinzen, dies zu akzeptieren.
"Du wolltest mir etwas sagen", rang er sich schließlich ab. "Das wolltest du schon die ganze Zeit, aber ich hab nicht zugehört."
"Ich weiß nicht, ob jetzt der rechte Moment dafür ist", sagte Leto.
"Das war der Königin auch scheißegal", murrte der Soldat. Fest sah er Leto an. "Was weißt du?" Er senkte seine Stimme. "Über Kosta und mich?"
"Als du Kosta Blut gespendet hast, habe ich überprüfen müssen, ob es geeignet ist und dabei wurde klar, dass euer Blut sehr ähnlich ist. Zu ähnlich für einen Zufall", erzählte Leto. "Als wir zurückgefahren sind, war Kosta aber in einem solchen Zustand, dass ich ihn nicht damit belasten wollte. Ich wollte nichts sagen bevor ich nicht sicher war."
"Deswegen die ganzen Fragen, ob ich schonmal in Hayll war und wann", ging Zucker knurrend auf. Er blickte sie finster an, wie als wäre sie schuld an dieser Verwandtschaft. Aber dafür war Zucker selbst verantwortlich.
"Das und eine weitere Blutabnahme", fügte Leto hinzu. Zucker sah sie irritiert an.
"Ich habe kein Blut mehr gespendet", wies er von sich.
"Unfreiwillig, als ich dich in der Messe gestochen habe." Sie lächelte entschuldigend. "Ich wollte eure Verbindung noch einmal genauer untersuchen, um mir sicher zu sein bevor ich es dir sage. Und wenn man ihn und dich genauer anschaut.. besonders in der Augen- und Nasenpartie... und die markanten Wangen.. Ihr seht euch ähnlich."
Zucker sagte nichts darauf, rieb sich über die glatte Wange, die ihn weiterhin irritierte. "Wär mir nie aufgefallen", lehnte er brüsk ab.
"Vielleicht schaust du mal genauer hin", sagte sie, als Ulysses wiederkam.

Er könnte zu Kosta, doch er sollte vorsichtig sein.
"Taelos sagt, du bewegst dich auf sehr dünnem Eis", übermittelte Ulysses. Zucker folgte ihm unter Deck.
"Ich will mich verabschieden. Dann ist er mich los", entgegnete er. War Taelos wirklich immer noch wütend auf ihn? Zucker hatte es doch nicht geplant, Kosta so zuzusetzen. Der Kleine hatte die Piercings selbst raushaben wollen. Wer hätte ahnen können, dass es so endete? Und leider schien es seit gestern nicht besser geworden zu sein.
Als Zucker in die Kapitänskajüte eintrat, versteckte sich Kosta halb hinter dem Kapitän. Zucker war es gerade nur recht, denn er wollte den Krieger lieber gar nicht so genau anschauen. Gewiss wollte er nicht diese Ähnlichkeiten erkennen, die die Königin und nun auch Leto erwähnt hatten. Das war nicht sein Blut, das war nicht sein... nein! Er hatte damit nichts zu tun. Er hatte keine Wahl gehabt, als mit Phoebe ein Kind zu zeugen. Es war nicht sein Problem gewesen.
Trotzdem sah er schließlich kurz zu Kosta, der ein bißchen über Taelos' Schulter schaute.
"Wollt nur nochmal nach dir sehen bevor ich abreise, Kleiner. Und dass du mich nich in die Hölle wünschst für unsere kleine Nummer, die was ausm Ruder gelaufen ist..", sagte Zucker halb unbeholfen, halb scherzhaft. Als er Kosta wiedergefunden hatte, war dieser total hysterisch gewesen und hatte kaum ein Wort herausgebracht außer dass er zu Eneas wollte. Auch jetzt schien er immer noch nichts sagen zu wollen. Stattdessen sah der Krieger hilfesuchend zu dem Kapitän und hielt dessen Hand. Kostas Atem ging rascher.
"Ich glaube nicht, dass er dir böse ist. Er ist durcheinander", ergriff Taelos für seinen Freund das Wort. "Und das hier wühlt ihn zu sehr auf."
Der hatte gut reden, dachte Zucker. Er wollte hier auch nicht sein und die Begegnung wühlte ihn viel mehr auf, als er nach außen hin zeigte. Er wollte nicht zu Kosta schauen, scheute sich vor der vermeintlichen Ähnlichkeit. Da war nichts was sie gemein hatten.
"Er wollte die Piercings raushaben und ich dachte, so ein bißchen Sinnlichkeit und Anheizen... dann isses ne schöne Erinnerung. Oder so." Er zuckte mit den Schultern.
"Du dachtest?", fragte der Kapitän skeptisch. "Es klingt nicht so, als hättest du viel nachgedacht."
Zucker wollte sich das nicht bieten lassen. "Hey, ich hab wenigstens was gemacht", entgegnete er etwas zornig. Das war eine scheiß Idee gewesen! "Kosta, ich hoff, dir gehts bald wieder besser. Ich komm dich besuchen, wenn der Krieg vorbei ist", sagte er, jedoch eher halbherzig und mit einem linken Lächeln. Zucker wusste nicht, ob er das tun würde. Er traute sich da selber nicht.
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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Mi 5. Okt 2022, 20:21

Erleichtert atmete Kosta auf, als Eneas Zucker sagte, dass Kosta ihm nicht böse sei. Eneas hatte recht. Kosta war durcheinander. Mehr als einfach nur durcheinander. Er fühlte sich wie im freien Fall. Verzweifelt versuchte er sich zu fangen und nicht weiter alles zu vermasseln, wie er es bisher gemacht hatte. Er wollte es von nun an richtig machen. Aber dabei wollte er Zucker natürlich nicht weh tun. Wobei es nun ganz so wirkte, als hätte er es doch getan. Das tat ihm so unendlich leid. Schuldete er dem Prinzen doch so viel und er hatte ihn wirklich ehrlich gern.

Eneas interpretierte seine Reue jedoch so, dass ihn das Gespräch zu sehr aufwühlen würde. Zucker entschuldigte sich, dafür, dass er die Piercings auf diese sinnliche Weise entfernt hätte. Damit es eine Art schöne Erinnerung wurde. Verwirrt runzelte Kosta die Stirn. Was war denn so schlimm daran, dass Zucker ihm die Piercings weggenommen hatte. Ja, Kosta hatte sich deswegen heftig erschreckt. Aber das war nicht das gewesen, was so schlimm gewesen war. Die Dunkelheit mit den Blitzen, die war schlimm gewesen. Die alles zerreissenden Blitze und die Erinnerungen an Andiël, die damit zurück gekommen waren.

Dann geschah alles auf einmal ganz schnell. Kosta begriff gar nicht, wie rasch das hatte geschehen können, doch plötzlich stritten Eneas und Zucker sich schon wieder heftig. Erschrocken zog Koste seinen Kopf ein, als Zucker zornig reagierte und sich entgültig verabschieden wollte. Mit einem eher halbherzigen Versprechen, dass er ihn besuchen kommen wollte, wenn der Krieg vorbei wäre. Kosta konnte ihm kaum glauben. Noch nicht einmal, dass Zucker sich überhaupt die Mühe machen wollte, den Krieg zu überleben. Auch wenn er inzwischen besser ausgerüstet war.

Aufgeregt zupfte er hastig am Oberarm an Eneas Ärmel. Drängend. Er sollte das wieder in Ordnung bringen. So konnte Zucker nicht gehen. Kosta wollte ihn nicht so gehen lassen. Er wusste, er konnte ihn nicht aufhalten. Aber wenigstens sollte der Prinz mit einem guten Gefühl gehen. Unwillkürlich schob er Eneas etwas näher zu Zucker. Bitte. Er musste ihm sagen, dass er aufpassen und heil wieder zurück kommen sollte. Er sollte ihn fragen, ob er alles hatte, was er brauchte. Ob er die Goldmünze noch hatte. Ah, warum konnte er nur nicht selber danach fragen? Es trieb ihm die Tränen in die Augen. Er... er musste etwas tun, bevor Zucker ging und starb. Aufgelöst ging er auf ihn zu, Eneas noch immer an der Hand haltend. Instinktiv wollte er nach Zuckers Hand greifen. Wollte ihn zurück halten, gleich jetzt zu fliehen. Im letzten Moment hielt jedoch inne. Ganz kurz bevor er die Hand des Prinzen berühren konnte. Zitternd schwebte seine Hand darüber. Einen atemlosen Augenblick lang, der eine ganze Ewigkeit zu dauern schein. Sein Herz hämmerte schmerzhaft in seiner Brust. Gequält starrte er auf seine Hand, bis er es schliesslich schaffte, sie wieder sinken zu lassen. Erschöpft und geschlagen. Seine Schultern bebten. Flehend blickte er zu Zucker auf, bitte, bitte am Leben zu bleiben und wirklich wieder zu ihm zurück zu kommen. Einfach nur um ihm zu zeigen, dass er auch wirklich am Leben war.
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Re: Verstummt

Beitragvon Yadriël » Mi 5. Okt 2022, 20:22

Während sie sich noch gegenseitig mit Vorwürfen eindeckten, zog Kosta erschrocken den Kopf ein und wurde sehr aufgewühlt. Zucker hätte sich nun gerne schnell verabschiedet und aus der Affäre gezogen. Dieses zwischenmenschliche Zeug war nicht sein Ding und diese ganze Sache war ihm bereits längst über dem Kopf gewachsen. Es war vielleicht gemein und hartherzig, doch er wollte sich nicht mit Kosta auseinandersetzen. Jetzt erst recht nicht.
Der Krieger wirkte vollkommen gebrochen. Verstummt angesichts all der Erlebnisse, die er im Krieg hatte machen müssen. Das wäre ihm alles nie widerfahren, wenn Zucker nicht...
Ach, es war egal. Er war nicht verantwortlich für Kosta. Und in Taelos hatte er augenscheinlich jemanden, der sich um ihn kümmerte. Zucker konnte gehen.
Aber so schnell ließ ihn Kosta nicht. Er zerrte an dem Ärmel des Kapitäns und sah ihn flehend an, bevor er ihn in Richtung Zucker schob. Hilflos blickte Kosta hin und her, feuchte, goldene Augen. Zucker wich dem Blick erneut aus.
"So hab ichs nicht gemeint", sagte er schwach. Der Kleine sollte jetzt bloß nicht anfangen zu heulen. Kosta hatte doch gewusst, dass Zucker wieder gehen würde. Er schuldete dem Krieger nichts. Was Zucker betraf, waren sie quitt und er wollte nicht erneut in das komplizierte Leben des Haylliers reingerissen werden. Halbhayllier... wie auch immer.
"Hast du alles was du brauchst?", fragte der Kapitän, "Können wir dir noch etwas für die Reise mitgeben? Ausrüstung? Proviant?"

Kosta zog seinen Freund an der Hand mit, ging direkt auf Zucker zu. Nun musste der Prinz doch hinsehen. Kosta streckte die andere Hand nach ihm aus. Sie zitterte heftig und am Ende berührte Kosta ihn doch nicht. Die Hand schwebte über Zuckers, aber die Berührung kam nicht. Gegen was kämpfte Kosta an? Wollte er niemanden mehr anfassen außer seinen neu erwählten Herrn?
Der schlanke Krieger ließ seinen Arm geschlagen wieder sinken. Er zitterte am ganzen Körper.
"Ist schon gut..", beruhigte Taelos ihn und strich ihm über die Schulter. "Er kommt wieder zurück. Bestimmt." Der Kapitän blickte ihn eindringlich an. Verdammt! Zucker schürzte die Lippen.
"Klar komm ich wieder", sagte er, "Und du, guck mich nicht so an", sagte er Kosta, der große, flehende Augen aufsetzte. Er wirkte vollkommen fertig. Das konnte doch echt nicht so wichtig sein, ob Zucker wiederkam oder nicht.
Der Prinz scheute sich davor, aber dann sah er doch in die goldenen Augen des verzweifelten Kriegers, suchte eine Art Ähnlichkeit. Nein, das waren fremde Augen. Da war nichts. Und wenn sie schon ähnliche Wangenknochen und Nase hatte. Tausend andere hatten das rein zufällig sicher auch. Das verpflichtete Zucker zu nichts.
Er fluchte unterdrückt. "Ah, okay, okay, ich seh schon, du willst ne Garantie, dass ich wieder aufkreuze", sagte er. Zucker hatte eine Idee bekommen. "Mach die Augen zu. Und nicht spienzen", ermahnte er und drehte sich um. Der Prinz rief einige Sachen aus seinem Juwelengepäck herbei und stopfte sie in eine Papiertüte.
"Hast du Papier und nen Stift?", fragte er den Kapitän. Dieser wirkte fast entrüstet ob der Frage. Zucker hatte sich in dem Quartier noch nicht genau umgesehen, aber es schien vollgestopft mit Büchern und Schriftrollen. Taelos reichte ihm das Gewünschte. Zucker drückte das Papier gegen die Türe, um hastig etwas darauf zu schreiben. Er war weder ein guter Leser noch Schreiber. Fluchend strich er was durch und kritzelte darüber etwas. Zucker atmete tief durch. Okay, das war eine scheiß Idee, aber jetzt musste er es durchziehen.
"Verdammte Scheiße", murrte er, "Dauernd Schwierigkeiten", brummelte er weiter.
"Wenn das eine Ansammlung von Beleidigungen wird-", setzte der Kapitän an.
"Wirds nicht." Er zögerte. "Nen bißchen", gab er zu. Zucker faltete das Papier, steckte es in den Umschlag und klebte es zu indem er es anleckte. Der Prinz tat das Papier in die Tüte. "Ich brauch ein Band oder sowas", erkannte er.
"Ein Band? Für was?", fragte der Kapitän.
"Zum Zumachen von so einem Ding", erklärte Zucker ungeduldig.
"Ein Geschenk?", riet Taelos. Der Dhemlaner gab nur ein Brummen von sich. Wenigstens bekam er ein Band gereicht. Es war roter Samt. Zucker wickelte es eilig um das Papier und fabrizierte eine schief sitzende Schleife. Dann drehte er sich wieder um, das komische Bündel in den Händen. "Kannst die Augen wieder aufmachen", sagte er Kosta. Dann hielt er es ihm unbeholfen hin.
"Das ist nicht für jetzt", wehrte Zucker sofort ab. "Falls ich am Ende des Krieges nicht wieder zurück sein sollte, kannst du es aufmachen. Wehe, du schaust vorher rein", mahnte er. Kosta wirkte gerade so scheu und unterwürfig, dass Zucker nicht daran glaubte, aber er wusste, wie verflixt neugierig der Krieger sein konnte.
"Aber sollte ich wiederkommen, dann krieg ich das Geschenk wieder", sagte er. Im Hintergrund musste Taelos schmunzeln.
"Ich glaube, du weißt nicht, was 'Geschenk' bedeutet", bemerkte der Hayllier leicht amüsiert.
"Da sind Sachen drin an die ich hänge", erklärte Zucker. Er kratzte sich an der Wange. "Ist ein Leihgeschenk oder so.." Das sollte nicht im Dschungel vergammeln, falls er es doch nicht machte. Und dann sollte Kosta vielleicht doch erfahren, wer ihn gezeugt hatte.. und über Phoebe. Das konnte ihm seine Herrin auch nicht sagen.
Aber Zucker würde vorziehen, wenn das nie ans Tageslicht kam. Das Packet würde ihn dazu zwingen den Krieger wieder aufzusuchen. Dann konnte er sich nicht drücken. Und Kosta würde hoffentlich aufhören jetzt Tränen in den Augen zu haben.
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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Mi 5. Okt 2022, 20:23

Kosta war Eneas so unendlich dankbar, dass er die Worte für ihn fand, die er selber nicht aussprechen konnte. Eneas war schon immer viel besser mit Worten gewesen als Kosta. Deutlich fragte Eneas Zucker für ihn, ob er alles hatte, was er brauchte. Um Zucker zu versichern, dass er ihm ganz sicher nicht böse war wegen den Piercings, trat er auf ihn zu, wollte ihn an der Hand fassen und sie drücken. Schlussendlich brachte er es doch nicht zustande. Er wollte nur noch Eneas berühren. Niemanden mehr sonst. Es musste einen anderen Weg geben, Zucker zu sagen, wie wichtig er ihm war. Traurig und erschlagen blickte er ihn flehend an, nickte nur schwach, als Eneas ihm tröstend über die Schulter strich und ihm versicherte, dass Zucker bestimmt wieder zurück kommen würde.

Dabei wirkte der Prinz überhaupt nicht so. Schmollend schürzte er die Lippen und forderte ihn ungeduldig auf, ihn nicht so anzusehen. Bedrückt schlug der Krieger die Augen nieder, konnte dann aber nicht anders, als wieder flehend zu Zucker zu schauen. Es ging nicht anders, solange der Prinz ihm nur halbherzig versprach, gesund wieder zu kommen. Es brachte Zucker zum Fluchen. Doch er erkannte, dass Kosta ein richtiges Versprechen brauchte, damit er aufhören konnte, so traurig zu schauen.
Merkwürdigerweise sollte Kosta dazu seine Augen schliessen. Der Krieger schaute noch verwundert, gehorchte dann aber artig und wartete geduldig. Das Knistern einer Papiertüte war zu hören und immer mal wieder Zuckers wohlvertrautes, brummelndes Fluchen. Von Eneas forderte er Papier und Stift und schliesslich ein Band. Kosta konnte sich nicht zusammen reimen, was das werden sollte. Erst recht nicht aus der komischen Unterhaltung von Zucker und Eneas.

Zum Schluss, als er die Augen wieder öffnen durfte, bekam er eine einfache, braune Papiertüte überreicht, die oben mit einem roten Samtband zusammen gebunden war. Die Schleife sah sehr ungeübt, für Kosta aber wunderschön aus. Es war jedoch kein Geschenk, wie Eneas vermutet hatte. Kosta sollte die Tüte aufbewahren, bis Zucker wieder kam und sie abholte. Er dürfte nur reinschauen, wenn der Prinz nach dem Krieg nicht wieder käme. Da aber Dinge in dem Sack waren, an denen Zucker sehr hinge, würde er unbedingt wieder zurück kommen wollen, um sie sich abzuholen.
Neugierig blickte Kosta den braunen Beutel an. Was hier wohl drin war? Er würde gerne wissen, was Zucker wichtig war. Doch weder schüttelte er die Tüte, noch tastete er sie ab. Es war Zuckers Geheimnis. Das wollte er ihm nicht entreissen. Stattdessen drückte er sie fest und behutsam zugleich an seine Brust und strahlte Zucker erleichtert an. Jetzt konnte er ihm glauben, dass er sich Mühe geben würde, den Krieg zu überleben. Dass er wieder kommen würde, um sich seine Sachen abzuholen. Vorsichtig liess er das Leihgeschenk in seinem Juwelengepäck verschwinden, damit Zucker sicher sein konnte, dass er nicht spienzen würde. Seine Augen schimmerten voller Hoffnung und Dankbarkeit.
Merkwürdigerweise schien das den Prinzen nur noch nervöser zu machen. Aber wenigstens wirkte er nun nicht mehr so geknickt und bedrückt, wie da, als er gekommen war. Nun konnte Kosta sich auch leichter von ihm verabschieden. Auch wenn er sich noch immer Sorgen um Zucker machte. Jetzt konnte er aber wieder etwas Vertrauen haben. Zucker wusste sich ja eigentlich ganz gut zu wehren und wenn er etwas hatte, wofür es sich zu kämpfen lohnte, dann würde er es auch verbissen und hartnäckig tun. So wie er es in der Sternenfeste getan hatte.

Nachdem Kosta Zucker hatte gehen lassen, nachdem der Prinz gegangen war, erbebte der Krieger schluchzend. Er vermisste ihn jetzt schon und natürlich hatte er noch immer Angst um ihn. Gleichzeitig war er aber auch sehr glücklich, dass sie sich in Frieden hatten trennen können. Kosta wandte sich zu Eneas um und lächelte ihn tief empfunden an. Einen Atemzug später war er ihm um den Hals gefallen und drückte ihn ganz fest an sich. Er war ihm so dankbar, dass er Zucker gerettet hatte. Dass er ihm geholfen hatte, dafür zu sorgen, dass der Prinz einen Grund zum Überleben hatte.
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Re: Verstummt

Beitragvon Eneas » Mi 5. Okt 2022, 20:26

Als Kosta bei der Begegnung mit Zucker so aufgewühlt wurde, war Eneas sich nicht sicher, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sich von dem Prinzen zu verabschieden, war sehr wichtig, doch Kosta schien im ersten Moment daran zu verzweifeln und auch der Prinz verhielt sich seltsam befangen.
Kurz schien es so, als wollte Kosta Zucker an der Hand berühren und etwas sagen, aber er brachte es nicht über sich. Eneas versuchte die stumme Hilflosigkeit so gut wie möglich zu deuten und für Kosta zu antworten. Zucker schien zu begreifen, dass Kosta ihm nicht richtig glauben konnte, dass er wiederkommen würde. Wenn Eneas ehrlich war, so glaubte er es auch nicht. Der Prinz wirkte so, als wollte er am liebsten Reißaus nehmen.
Dann hatte er plötzlich eine seltsame, aber geniale Idee. Ein Geschenk für Kosta. Jedenfalls glaubte Eneas, das es dies darstellen sollte. Zucker schien noch nie ein Geschenk verpackt zu haben und nur eine entfernte Vorstellung davon zu haben, was ein Geschenk war. Denn er wollte es bei seiner Rückkehr wiederhaben und Kosta durfte es nicht anschauen. Der schlanke Krieger war trotzdem hin und weg. Die schimmernden Tränen wurden weniger und er konnte endlich wieder strahlen, während er das komische Geschenk an sich drückte und festhielt. Eneas freute sich mit ihm mit. Er wollte ja auch, dass sein Freund wieder glückliche Momente hatte und Zucker schien diese spielend leicht bewirken zu können. Eneas musste seine Eifersucht über deren Sex einfach beiseite schieben. Das gehörte nicht hierher.
Kosta bewahrte das Geschenk in seinem Juwelengepäck auf, während er weiterhin Zucker bewundernd und hoffnungsvoll ansah.
Der Prinz wurde verlegen.
"Gut, dass dir die Idee gefällt." Er räusperte sich. "Also, ich komme wieder. Viel Spaß auf deiner Insel." Er grinste und schien den Arm ausstrecken zu wollen, um Kosta zu berühren. Dann ließ er es doch bleiben. "Man sieht sich, Kleiner."
"Pass auf dich auf", sagte Eneas und neigte leicht den Kopf vor dem Prinzen. Der Dhemlaner zwinkerte Kosta nochmal zu ehe er ging.

Als er weg war, schluchzte Kosta auf. Eneas konnte sich vorstellen, dass dies schwer gefallen war. Trotzdem lächelte sein Freund ihn an ehe er sich abrupt an ihn drückte und ihn umarmte. Etwas überrumpelt ließ Eneas es geschehen und erwiderte die Umarmung herzlich.
"Er wird schon auf sich aufpassen", tröstete er Kosta. Sein Freund hatte wirklich unheimlich schnell eine tiefere Bindung zu dem Soldaten aufgebaut. Das hatte Eneas bisher noch nie erlebt bei Kosta, der bei anderen Menschen - sofern es keine Kinder waren - erst einmal lange zurückhaltend oder scheu war. Es brauchte lange bis er sich öffnete. Bei Zucker schien es nur ein kleines Zwinkern zu benötigen.
Vielleicht lag es daran, dass die beiden in den letzten Monaten so viel miteinander durchgemacht hatten. Zucker wusste, was Kosta zugestoßen war. Ihm hatte sich Kosta öffnen können. Und nun war er nicht mehr da. Eneas hoffte immer noch, dass Kosta sich ihm irgendwann auch anvertrauen konnte. Nur war es unwahrscheinlich, wenn Kosta ihn gleichzeitig beschützen wollte. Eneas hatte eine dunkle Ahnung was Kosta widerfahren war und wieso er nicht wollte, dass Eneas es mitbekam. Weil es für ihn selbst auch dunkle Erinnerungen aufriss.
Er streichelte über Kostas Rücken, drückte ihn an sich. "Ist ja gut... er kommt wieder. Du hast ja jetzt das Geschenk. Pass gut auf es auf", sagte Eneas. "Das wirkt so, als wäre es das allererste Geschenk, das er überhaupt je gemacht hat. Selbst wenn er es nicht zugibt, ich glaub, du bist was besondres für ihn." Eneas wollte Kosta gewiss nicht wieder in die Arme seines letzten Liebhabers treiben. Diese Zeiten waren vorbei, wo er zähneknirschend daneben gestanden hatte und seine eigenen Gefühle ganz weit weggerückt hatte.
Aber sein Drang Kosta zu helfen und ihn glücklich zu sehen, war viel stärker.

Am anderen Tag war es soweit abzulegen. Eneas stand an Deck und half mit die letzten Fässer und Kisten in den Laderaum abzuseilen. Leto hatte die Fracht organisiert, die sie von einem Händler abgekauft hatte, um sie mit nach Nuranessa zu nehmen. Sie hatten nicht darüber geredet, doch sie war auch heute mit an Bord und Eneas hatte gehört, dass sie wieder ihren Seesack und andere Sachen in eine leere Kajüte geräumt hatte. Wer war er, ihr das zu versagen? Aber es war komisch weiter miteinander umzugehen. Eneas wusste nicht wie er das besser machen sollte, wenn der Großteil seiner Gedanken bei Kosta waren. Gestern abend hatte er richtig glücklich gewirkt. Schweigsam, aber glücklich. Eneas war froh, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Nur standen noch viele weitere, schwere Entscheidungen aus. Allen voran, was ihr zukünftiges Leben betraf. Er drehte nachdenklich die Kapitänskappe in seinen Händen hin und her und blickte wieder zu Leto, die gerade einen Koffer nach unten in den Laderaum gab. Sachen von Lady Tyrell für Maeve.
Eneas ging zurück ins Kapitänsquartier, um nach Kosta zu sehen. "Gleich ist es soweit. Wir legen ab", erzählte er lächelnd. Er griff nach Kostas Hand und drückte sie. "Wenn du willst, kannst du aus dem Fenster schauen und sehen wie wir den Hafen langsam verlassen." Er wollte Kosta nicht überfordern indem dieser an Deck ging und vielleicht von all dem Trubel überwältigt wurde. Dennoch hoffte Eneas, dass Kosta irgendwann öfter die Kajüte verlassen würde. Er konnte sich doch nicht wieder einigeln, so wie auf der Rückfahrt von Dhemlan. Nun, es brauchte Zeit. Eneas musste sich überlegen wie ihre Unterbringung in Nuranessa werden sollte. Ob etwas abgeschiedenes nicht besser wäre, als das große Gemeinschaftshaus. Er war sich nicht sicher.
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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Do 6. Okt 2022, 06:09

Kosta erbebte tief. Es tat so gut von Eneas umarmt zu werden. So innig und so herzlich. Er war ihm so dankbar, dass er Zucker dazu gebracht hatte, auf sich aufzupassen. Alleine hätte Kosta das niemals geschafft. Versuchte er es doch schon so lange, dass der Prinz ihm ehrlich zusagte, wieder zurück zu kommen. Deswegen umarmte Kosta Eneas nun ganz fest. Um ihm seine Dankbarkeit auszudrücken. Aber auch um ihm zu zeigen, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, nur weil Kosta sich um Zuckers Wohlergehen sorgte. Er würde bei ihm bleiben. Nie wieder würde er weggehen. Er hatte dem Prinzen zum Abschied, der womöglich doch der letzte hätte sein können, noch nicht einmal die Hand gegeben. Im Gegenteil, er hatte sich angespannt und war leicht zurück gezuckt, als Zucker ihn hatte berühren wollen. Niemand anderes ausser Eneas würde ihn wieder berühren. Sein Freund musste sich deswegen keine Gedanken machen.

Eneas streichelte ihm nun auch sachte über den Rücken und versicherte noch einmal, dass Zucker wieder kommen würde. Kosta hätte ja jetzt dieses Geschenk. Der Krieger löste sich halb aus der Umarmung, blickte zu Eneas auf und nickte lächelnd, als dieser ihn anwies, gut darauf aufzupassen. Noch während der Bewegung merkte er, dass er zum ersten Mal wieder eine Frage direkt hatte beantworten können. Zwar noch nicht mit Worten, aber mit einem direkten Kopfnicken. Das war doch gut. Aufgeregt strahlte er Eneas an, der überlegte, dass dies wohl das erste Geschenk gewesen war, was Zucker je jemandem gemacht hätte und das Kosta etwas ganz besonderes für ihn sei, auch wenn er es nicht zugeben konnte. Verlegen und unsicher schlug Kosta seine Augen nieder. So recht konnte er das nicht glauben. Zucker fand ihn höchstens besonders gefährlich, wenn Kosta ihm wieder helfen wollte. Schutzsuchend schmiegte er sich wieder enger an Eneas und wollte gar nie wieder aus dieser Umarmung losgelassen werden.

Diese Nacht wurde ruhiger für die beiden Krieger. Kosta wurde zwar von Albträumen heimgesucht, doch sie kamen erst viel später als die letzte Nacht und waren nicht ganz so intensiv. Das Frieden schliessen mit dem Prinzen, der ihm so viel bedeutete und dem er so viel Schaden zugefügt hatte, hatte einen quälenden Schmerz in seinem Innern etwas gelindert. Gänzlich würde er sicherlich nicht verschwinden, doch es war schon einmal ein Weg, wieder etwas besser Luft zu bekommen. Selbst zu Abend hatte er mehr gegessen als sonst.
Am nächsten Tag war die Mannschaft schon früh auf den Beinen, weil sie sich darauf vorbereiteten abzulegen. Kosta bekam ein schlechtes Gewissen. Er sollte helfen gehen. Doch schlussendlich traute er sich trotzdem nicht aus der Kajüte heraus. Irrationale Ängste packten ihn, dass er dann vielleicht nicht mitsegeln würde, wenn er nicht hier drin blieb. Kosta wusste, dass das Blödsinn war. Dennoch fürchtete er, dass irgend etwas geschehen würde, weswegen er nicht bei Eneas bleiben durfte. Und sei es nur, dass er ungeschickt von Bord viel oder einer der anderen ihn berührte. Die Vorstellung liess seinen Atem ganz flach werden und es trieb ihn rasch wieder aufs Bett. Da war er in Sicherheit.
Kosta rutschte erst wieder von dem Bett runter, als Eneas wieder in die Kapitänskajüte kam und ihn anlächelte. Scheu lächelte Kosta zurück und trat zu ihm. Eneas erzählte ihm, dass sie gleich ablegen würden und griff nach seiner Hand, um sie zu drücken. Vorsichtig erwiderte Kosta den Druck. Es war schön, Eneas Hand zu halten. Sehr gerne wollte er mit Eneas vom Fenster aus beobachten, wie sie den Hafen verliessen. Vorsichtig und in der Hoffnung auf eine Umarmung stellte er sich dicht zu Eneas, um mit ihm zu schauen, wie Draega immer kleiner und kleiner wurde. Für einen Moment hatte Kosta das Gefühl, er würde damit auch alle Sorgen hinter sich lassen. Timaris war nicht mehr vergiftet. Den Rest würde die starke Königin auch alleine schaffen. Und als Draega dann nicht mehr zu sehen war, war Kosta sogar so weit, dass er Eneas seine Kapitänsmütze abnehmen und sie ihm aufsetzen konnte. Sanft schob er ihn auffordernd in Richtung Tür. Eneas hatte ein Schiff zu kommandieren. Kosta würde hier schon klar kommen.

Tatsächlich pendelte sich die Tage die sie für die Überfahrt nach Nuranessa brauchte, so etwas wie eine heile Zeit ein. Kosta räumte Stück für Stück die Kajüte etwas auf und säuberte sie, wenn Eneas nicht da war. Sortierte die Bücher und besserte kaputte Kleidung aus. Schlafen taten sie in Schichten, damit Kosta Eneas nicht mit seinen Albträumen den Schlaf raubte und wenn sie gemeinsam assen, wirkte Kosta nicht mehr so abwesend und bedrückt. Manchmal konnte er sogar mit einem sachten Nicken oder Kopfschütteln auf eine Frage antworten, wenn sie nicht zu schwierig war.
Es schien für ewig so weiter gehen zu können. Kosta wirkte trotz der Albträume relativ ruhig und entspannt. Doch es gab auch Anzeichen, dass nicht alles so ruhig und entspannt war, wie es zu sein schien. So zeigte sich Kosta Eneas gegenüber immer nur in hochgeschlossener Kleidung, trug am liebsten Rollkragenpullover. Er zog sich nie vor ihm um, um ihm so nur möglichst wenig von seinem Körper zu zeigen. Auch schaffte Kosta es nicht die Kajüte zu verlassen. Höchstens mal für ins Bad. Aber selbst da beeilte er sich und huschte nur Nachts durch die Gänge des Schiffes, um auch ja niemandem zu begegnen. Dabei war ihm sehr bewusst, wer alles auf dem Schiff war. Schon zu beginn der Reise hatte er behutsam seine Sinne nach den Mannschaftsmitgliedern ausgestreckt und er war sehr glücklich gewesen, dabei auch Leto zu spüren.

Je mehr Zeit verging, desto deutlicher spürte Kosta auch, dass er es Eneas nicht recht machen konnte. Der Kapitän fand es nicht richtig, dass er sich in der Kajüte verkroch und nicht nach draussen kam. Auch wenn er es nicht sagte. Kosta spürte genau, dass er den Ansprüchen wieder einmal nicht genügte. Es erinnerte ihn daran, dass Eneas noch ganz andere Wünsche an ihn hatte, von denen Kosta nicht wusste, wie er sie erfüllen sollte. Er schaffte es ja noch nicht einmal diese Kajüte zu verlassen. Kosta versuchte es einige Male, fand sich schlussendlich jedoch nur wieder heftig atmend auf dem Bett wieder.
So wurde der stille Krieger wieder immer in sich gekehrter und als er merkte, dass sie bald Nuranessa anlaufen würden, erfasste ihn wieder kalte Panik. Er wusste nicht, wie er das machen sollte. Auf Nuranessa waren noch viel mehr Leute, die etwas von ihm wollten, als auf dem Schiff. Menschen, die ihn umarmen und drücken wollten. Die mit ihm sprechen und ihn mit besorgten Fragen überhäufen wollten. Tileo! Es würde dem Kind das Herz brechen, wenn Kosta ihn nicht hochhob und fest an sich drückte. Und Kostas Herz gleich mit. Und auch Fabienne brauchte bestimmt tröstenden Zuspruch. Kosta war sich sicher, dass Eneas ihn gut behandelt hatte. Doch er nahm nicht an, dass er Fabienne nicht doch seine Vorstellungen von Freiheit und Richtigkeit aufgedrängt hatte. Womöglich war der zarte Sklave, der hingebungsvoll Lustsklave gewesen war, vollkommen verwirrt und aufgewühlt. Oder er fürchtete, dass Kosta ihn nun doch als Sklave wieder zu sich rufen würde. Oder... Kosta kamen so viele Szenarien in den Sinn, was alles schief laufen konnte, wen er alles verletzen konnte, dass er bald schon keine Luft mehr vor Panik bekam. Klein kauerte er sich in der Ecke hinter der Tür zusammen, so als wolle er sich hier sogar vor Eneas verstecken. Selbst seine Signatur unterdrückte er, damit niemand wusste, wo er sich befand. Überfordert barg seinen Kopf in seinen Armen und versuchte bebend wieder zu Atem zu kommen. Er wollte hier nicht raus. Er wollte nicht anlegen. Es war zuviel. Viel zu viel.
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Re: Verstummt

Beitragvon Eneas » Do 6. Okt 2022, 09:14

Eneas hoffte, dass Kostas glückliche Stimmung länger anhalten würde. Er lächelte öfter und es schien ihn auch nicht so sehr zu belasten, zuzusehen wie sie den Hafen von Draega verließen. Im Gegenteil, er konnte sogar wieder etwas handeln und Eneas die Kapitänsmütze aufsetzen und ihn aus der Kajüte schieben, damit er seine Arbeit machte. Es gab Eneas Hoffnung, dass sich Kostas Zustand bald bessern würde. Dass er wenigstens langsam aus dieser Schockstarre herauskam.
Während ihrer Überfahrt, stellte sich fast eine Art Routine ein. Kosta beschäftigte sich damit, die größere Kapitänskajüte aufzuräumen und Eneas' kaputte Kleidung zu flicken. Eneas kam oft zu ihm, um nach ihm zu sehen. Manchmal konnte er seinem Freund ein Nicken oder Kopfschütteln entlocken. Erste, kleine Reaktionen und winzige Entscheidungen. Ob er etwas zu essen wollte zum Beispiel. Er aß immer noch nicht viel, aber etwas mehr. Eneas beobachtete jeden noch so kleinen Fortschritt.
Aber es besserte sich nicht alles. Kosta blieb sehr scheu und er verließ auch höchstens nachts die Kajüte, um das Bad aufzusuchen. Er schien keinem von der Mannschaft unter die Augen treten zu wollen. Eneas wusste nicht, wieso. Auch hatte Kosta Zucker beim Verabschieden nicht berühren wollen. Es war, als scheute er sich plötzlich vor allen Berührungen. Eneas konnte ihn anfassen, doch er versuchte Kosta damit nicht zu bedrängen.
Er hätte sich gerne neben ihm ins Bett gelegt, aber er ließ seinem Freund die Zeit alleine zu schlafen. Meistens zumindest. Manchmal konnte er nicht widerstehen, wenigstens für ein Stündchen neben ihm zu liegen. Dann, wenn die Albträume noch nicht begonnen hatten. Wovon er wohl träumte? Eneas hatte sehr lange gebraucht, um einzusehen, dass seine eigenen Albträume nicht von selbst weggehen würden und dass es half sie in Worte zu fassen. Doch Kosta war noch lange nicht soweit. Eneas konnte ihn nicht einmal dazu ermuntern, die Kajüte zu verlassen.

Als sie sich Nuranessa langsam näherten, wurde Kosta wieder aufgewühlter und zog sich weiter zurück. Mit Sorge beobachtete Eneas, wie die kleinen Fortschritte Stück für Stück wieder verschwanden. Eneas hatte geglaubt, es wäre eine gute Idee, sich auf Nuranessa zu erholen. Kosta liebte die Insel. Dort hatte er nichts zu befürchten. Niemand würde ihm schaden wollen.
Aber Kosta wirkte trotzdem betrübter und niedergeschlagener. Mehr noch, wenn Eneas bloß versuchte von den schönen Zeiten in Nuranessa zu sprechen. Was sie dort alles machen konnten und wie sehr sich dieser oder jener freuen würde, Kosta zu sehen. Allen voran Tileo. Das hätte Kosta normalerweise gefreut, bestimmt. Jetzt schien es nackte Panik in ihm auszulösen. Eneas war ratlos.
Trotzdem hielten sie weiter Kurs auf die Insel und einige Tage später war der Tag da, wo sie den zwischen anderen Atollen und Inseln versteckten Zufluchtsort erreicht hatten. Nur wenige konnten die mit heimtückischen Riffen durchzogenen Untiefen durchfahren, aber die Mannschaft war geübt darin.
Die Stimmung war gut an Deck. Nach der gehetzten Fahrt von Hayll ins dunkle Dhemlan und den dortigen aufreibenden Kämpfen, dann die gleiche gehetzte Fahrt zurück, um den Rest des Gegengiftes schnell abzuliefern, sehnte sich wohl jeder nach einer längeren Erholungszeit. Und etwas Ruhe. Eneas beobachtete mit einem Fernrohr die Menschen, die am kleinen Hafen standen und die Ankunft abwarteten. So viele Leute. Das würde Kosta sicher ängstigen.
Er hätte, seinen Freund mehr dazu drängen sollen, die Kajüte zu verlassen. Dann würde es jetzt nicht so ein Schock werden, plötzlich wieder unter Menschen zu sein. Nachdenklich blickte Eneas zum Hafen. Maria trat zu ihm und fragte nach dem Fernrohr.
"Willst du sehen, wie viele Freunde uns erwarten?", fragte die Hayllierin.
"Ich hab gezählt wie viele es sind. Ich habe Sorge, es ist zu viel für Kosta", sagte der Kapitän leise.
"Bring ihn doch später von Bord", schlug Maria vor. Eneas' Gesicht hellte sich auf. Das war eine gute Idee. Leute würden sich zwar wundern, aber so würden Kosta nicht alle auf einmal umlagern. Er wollte dies gleich Kosta sagen, als er die Signatur seines Geliebten nicht mehr spürte. Was war das?
Alarmiert eilte Eneas sofort zur Kapitänskajüte und riss die Türe auf. "Kosta? Bist du hier? Was ist-"
Er stockte, als er den schlanken Krieger wimmern hörte. Eneas fand ihn zusammengekauert hinter der Türe, klein zusammengerollt und bebend vor Angst. Sofort ging Eneas in die Hocken und streichelte ihm über den Rücken. "Hast du ein Versteck gesucht?", fragte er. Eneas strich ihm die feinen Haare aus der Stirn.
"Wir legen gleich an, aber ich glaube, das weißt du schon. Ich weiß nicht wieso dir das Angst macht. Niemand auf der Insel will dir etwas böses", versuchte er Kosta zu beruhigen. "Ich kann verstehen, dass so viele Leute auf einmal anstrengend sein können. Vor allem, wenn sie mit dir reden und dich umarmen wollen, hm?" Eneas schob die Türe mit dem Fuß wieder zu und legte sich neben Kosta, um zu versuchen ihn anzuschauen. Der Kapitän lächelte ihn beruhigend an.
"Pass auf, wir zwei bleiben länger an Bord, okay?", sagte er, "Wir warten bis sich der Trubel gelegt hat. Und wenn wir doch jemanden begegnen, rede ich mit ihnen und du musst nichts sagen." Er überlegte kurz. "Es muss dich auch niemand berühren, wenn du wirklich keine Umarmung oder Händedruck magst." Das verstand Eneas nicht. Machte es Kosta so große Angst? Aber sein Freund umarmte und drückte ihn. Wieso niemand anderen? Bei Zucker hatte er es eindeutig gewollt. Eneas wünschte, Kosta würde es ihm erklären.
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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Do 6. Okt 2022, 18:27

Erschrocken zuckte er zusammen, als die Türe wild aufgerissen wurde. Für einen Moment lang war Kosta nicht mehr in der sicheren Kajüte seines Freundes. Er war irgendwo, wo er nicht sein sollte. Gleich würde er von hier weggezerrt und ganz schlimm bestraft werden, schoss es ihm durch den Kopf. Wimmernd rollte er sich so klein zusammen, wie es nur möglich war. Nochmals zuckte er zusammen, als ihm über den Rücken gestreichelt wurde. Dann erkannte er Eneas wieder und ein Teil der Angst verschwand wieder. Wimmernd stimmte er zu, dass er ein Versteck gesucht hatte. Er wollte hier bleiben. Wenn er an Land ging, würde er nur ganz vielen Menschen weh tun. Auch Eneas.

Schüchtern und überfordert blickte er zu seinem Freund auf, ob nicht er eine Lösung für dieses verzwickte Problem fand, dass Kosta seinen Erwartungen einfach nicht gerecht werden konnte. Dass es so weh tat. Aber leider verstand Eneas noch nicht einmal, was Kosta so beschäftigte. Begriff nicht, dass Kosta es ihm nur recht machen wollte, aber die Wünsche so widersprüchlich waren. Eneas wollte ihn für sich alleine und er wollte ihn auf Nuranessa haben. Aber da hatte er ihn nicht für sich alleine. Da würden ganz viele kommen und ihn für sich beanspruchen, ihn berühren und drücken wollen. Eneas meinte, dass Kosta dies verschreckte. Dabei verletzte es Kosta, dass er es nicht zulassen durfte. Er wollte Eneas doch nicht mehr verletzen.

Doch darauf würde es schlussendlich ganz sicher hinaus laufen. Egal was Kosta auch tat. Egal wie er es drehte und wendete. Er würde nicht alle Wünsche erfüllen können. Was sollte er nur tun. Kosta öffnete den Mund, um Eneas das Dilemma zu erklären. Doch er wusste nicht wie. Es ging nicht. Es...
Eneas schlug ihm von sich aus, dass sie zwei länger an Bord bleiben könnten. Bis der Trubel sich gelegt hätte und wenn ihnen doch jemand begegnete, dann würde Eneas reden. Kosta müsste nichts sagen und es musste ihn auch niemand berühren, wenn er keine Umarmung oder Händedruck mochte. Nein! So war das doch gar nicht. Er wollte Tileo gerne in den Arm nehmen oder Fabien oder Zucker. Eneas verstand das ganz falsch. Für einen halben Herzschlag lang blitzte Wut in Kostas Augen auf. Schon wieder diese Wiedersprüchlickeit von Eneas. Wieder diese Wünsche, denen er nicht gerecht werden konnte. Diese Unterstellungen, die gar nicht stimmten. Deswegen war er in Draega auch so verletzt gewesen, als sie sich gestritten hatten.
Aber Kosta wollte sich nicht wieder mit Eneas streiten. Nie wieder. Er wollte ihn nicht verletzen. Ergeben senkte er seinen Kopf. Er würde tun, was Eneas von ihm verlangte. So gut es ging. Er musste nur schnell eine Lösung finden. Warum hatte er das nicht schon längst auf der Fahrt hier her? Ihm lief die Zeit davon. Ausserdem musste er endlich wieder reden. Sobald er die Worte dafür gefunden hatte. So ging das nicht weiter.
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Re: Verstummt

Beitragvon Eneas » Do 6. Okt 2022, 18:27

Eneas wartete gespannt, als Kosta den Mund öffnete. Würde er ihm endlich sagen, was ihn so beschäftigte und ihn zu schaffen machte? Wieso er solche Angst hatte, Tileo und die anderen wiederzusehen? Was ihm widerfahren war? Wieso er plötzlich wieder bei Eneas aufgetaucht war, verstummt und geschockt?
Aber die Worte kamen nicht. Kosta schloss den Mund wieder, sah ihn nur kurz frustriert an.
"Es tut mir leid. Ich versuche zu erraten, was du brauchst und wie ich dir helfen kann", erklärte Eneas. Er wünschte, er wüsste wie es in Kosta vorging. Er kannte seinen Freund sehr gut, aber Eneas war sich unsicher, ob er noch wusste was Kosta wirklich wollte. Ihr Streit vor ein paar Monaten war so furchtbar gewesen und auch ganz anders verlaufen, als es sich Eneas ursprünglich vorgestellt hatte. Sein Freund senkte den Kopf, hielt still und reagierte für den Moment nicht mehr. Ratlos streichelte Eneas ihm über den Arm. Er konnte keine Gedanken lesen und befürchtete, er würde mit seinen Hilfeversuchen mehr zunichte machen als tatsächlich verbessern. Wie sollte er sich entscheiden? Sollte er Kosta von allem abschotten, damit er sich beruhigen und fassen konnte? Oder brauchte er den Kontakt zu anderen Menschen? Würde das helfen?
"Wir bleiben erstmal hier", sagte er, "Keine Angst. Wir gehen später an Bord und dann stehst du auch nicht im Mittelpunkt." Das gefiel Kosta sowieso nicht. "Ich weiß noch nicht, wie wir die Zimmersituation lösen sollen", gab er zu, "Ob du dein eigenes Zimmer wieder beziehen willst, oder bei mir unterkommen magst.. wir könnten uns auch etwas abgeschiedeneres suchen.. weiter entfernt vom Zentrum." Denn das Gemeinschaftshaus war nunmal gut erreichbar für alle und genau das schien Kosta zu schaffen zu machen. Im Innenhof war immer etwas los.

Eneas strich sachte über Kostas Rücken. "Aber Kosta, Tileo wird dich sehen wollen...", setzte er vorsichtig an. "Und ich weiß, es beschäftigt dich, wenn ich ihn erwähne. Was schmerzt dich da so? Er ist nur ein Kind. Er hat nichts schlechtes an sich und er wird dir nicht weh tun wollen. Das weißt du doch. Ich glaube, er wird dir am liebsten alles von seinen Abenteuern erzählen wollen, und dich drücken wollen, und dir Löcher in den Bauch fragen."
Eneas konnte sich etwas überlegen, was er dem Jungen - und den anderen Kindern - sagen konnte. Dass Kosta verletzt war und man ihn deswegen nicht umarmen konnte. Deswegen könnte er auch nicht sprechen. Nur war das der richtige Weg?
"Magst du ihn denn nicht sehen und umarmen? Du hattest ihn doch immer so gern." Eneas überlegte weiter. "Ich weiß, es wird schwer, wenn er wieder zu seiner eigenen Familie geht.. glaub mir, mir gehts genauso." Er hatte Tileo sehr gern und würde ihn gewiss vermissen. Zwar hatte Kosta den kleinen Jungen angeschleppt, doch als er in Draega geblieben war, war es Eneas gewesen, der sich um Tileo gekümmert hatte. Natürlich war ihm der Junge ans Herz gewachsen.
"Aber das ist gut so. Er hat noch seine Eltern und dort gehört er hin", sagte Eneas, auch zu sich selbst. "Aber ich weiß, er würde sich riesig freuen, dich zu sehen. Hast du Angst, ihn zu enttäuschen? Oder dass er dir böse ist, dass du so lange weg warst? Das musst du nicht. Tileo vernarrt dich und er weiß, dass du eine ganz wichtige Mission hattest."
Eneas schwieg, als er realisierte, dass er mit seinem vielen Gerede Kosta vielleicht wieder überforderte. Er versuchte Kosta dazu zu bringen, sich aufzusetzen. Eneas berührte ihn am Kinn, streichelte ihm über die Wange. Zuversichtlich blickte er seinen Geliebten an.
"Es wird wieder besser", versuchte er Kosta aufzumuntern.
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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Do 6. Okt 2022, 18:30

Warum konnte er nur nicht sprechen? Das war doch dumm. Eneas wollte von ihm hören, wie es ihm ging. Er wollte Antworten von ihm haben, was er jeweils lieber machte oder haben wollte. Kurz stieg etwas Trotz in Kosta auf. Es brachte eigentlich nichts, wenn er etwas sagte. Eneas hörte ihm ohnehin nicht richtig zu. Respektive, er presste alles in seine Moralvorstellungen und was da nicht hinein passte wurde ignoriert. Deswegen dachte er auch, er hätte Kosta die letzten Jahre schlecht behandelt und dass Kosta darunter gelitten hatte. Dass Kosta ihm gesagt hatte, dass das gar nicht stimmte, hatte er nicht gehört. Warum sollte er also jetzt sprechen? Ausserdem war es die letzten Tage auf See doch sehr schön gewesen. Eneas hatte das Schiff kommandiert und Kosta hatte ihm seine Kajüte sauber gehalten. Das war schön und friedlich gewesen. Es war offensichtlich jedoch ein trügerischer Frieden gewesen. Einer mit einem Ablaufdatum und zwar genau jetzt. Mit ihrer Ankunft in Nuranessa.

Eneas versprach ihm, dass sie erst später von Bord gehen würden, damit Kosta nicht im Mittelpunkt stehen würde. Das war sehr lieb. Kosta wusste nicht, wie er all den Menschen begegnen sollte, die ihn umarmen wollten, was er aber nicht mehr zulassen durfte. Nur noch Eneas. Niemand mehr anderes.
Zu seiner Verwunderung überlegte Eneas weiter, wo sie schlafen sollten. Anscheinend nicht zwingend so wie bisher. Fragend blickte er auf. Eneas überlegte, ob Kosta in sein eigenes Zimmer gehen oder lieber bei Eneas schlafen wollte. Dann würde aber Eneas Nachts nicht mehr schlafen können. Der ältere Krieger hatte auch die Idee, dass sie auch ausserhalb des Zentrums eine Bleibe suchen könnten. Es brauchte einen Moment, bis Kosta begriff, warum. Wegen ihm. Weil er so Angst vor der Nähe zu anderen Leuten hatte. Aber war er denn in seinem eigenen Zimmer nicht in Sicherheit? Da würde doch niemand einfach reinkommen.
Es war egal. Kosta würde tun, was Eneas wollte. Wobei das genau das war, was Eneas nicht wollte. Dass er einfach nur seinen Worten folgte. Aber wenn er es nicht tat, dann würde er Eneas verletzen. Es raubte Kosta den Atem. Es überforderte ihn. Er sollte mit den Schultern zucken, um Eneas zu zeigen, dass es ihm egal war, wo er schlief. Dass er so rat- und hilflos war. Er hatte doch auch vorhin schon nicken oder den Kopf schütteln können. Warum kam ihm Schulterzucken nun wieder wie eine kaum zu bewältigende Aufgabe vor.

Tröstend streichelte Eneas über seinen Rücken. Es tat so gut, auch wenn Kosta das Gefühl hatte, dass er das gar nicht verdient hatte. Mahnend sprach Eneas Tileo an. Schuldbewusst zuckte Kosta zusammen. Natürlich hatte Tileo nichts schlechtes an sich. Kosta schluchtzte gequält auf, barg seinen Kopf in seinen Armen. Er selber war derjenige, der viel schlechtes an sich hatte. Er hatte einen Jugendlichen verführt und vergewaltigt. Immer und immer wieder. Er war es nicht Wert, Tileos Vertrauen zu geniessen. Er trug so viel Schmutz mit sich. Kosta wollte keinesfalls, dass irgend etwas davon auf die abfiel, die er liebte.
Verzweifelt blickte er zu Eneas auf. Natürlich wollte er den Jungen umarmen. Er wollte ihn drücken und all seinem aufgeregtem Geplapper lauschen. Das hatte nichts damit zu tun, dass Tileo hoffentlich ganz bald zu seiner Familie gehen konnte. Sondern mit Eneas. Kosta wollte doch nur noch für ihn da sein, nur noch ihn berühren, damit er nicht mehr eifersüchtig und verletzt sein musste.
Kostas Augen schimmerten voller Tränen. Es brach ihm das Herz, Tileo zu enttäuschen und das würde er ganz bestimmt, in dem Zustand, in dem er sich befand. Egal wie vernarrt Tileo in ihn war. Kosta hatte es ja auch geschafft, dass er Eneas enttäuschte und der war in ihn verliebt. Am meisten hatte Kosta jedoch davor Angst, Eneas ein weiteres Mal zu enttäuschen. Allein der Gedanke daran, brachte sein Herz zum Rasen und versagte ihm den Atem.

Übergehorsam liess er sich von Eneas in eine aufrechte Position drängen. Wenn er Eneas Befehlen gehorchte, dann konnte er ihn wenigstens nicht enttäuschen. Nur gab ihm sein Freund höchst selten Anweisungen. Weil er ihm nicht gerne Befehle gab. Weil er Kosta soviel Freiheit wie möglich geben wollte. Aber für Kosta war das nichts gutes. Es liess ihn nur im freien Fall trudeln. So gab es viel zu viele Möglichkeiten, Eneas weh zu tun.
Dieser versprach ihm, dass es wieder besser werden würde. Kosta starrte ihn aus leeren, erschöpften Augen hilflos und verloren an. Er wusste nicht wie es besser werden könnte. Wie er Eneas all seine Wünsche erfüllen konnte.
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Re: Verstummt

Beitragvon Eneas » Do 6. Okt 2022, 18:31

Kosta sah ihn hilflos und erschöpft an. Natürlich konnte er ihm jetzt nicht glauben, dass es wieder besser werden würde. Das hatte Eneas damals auch nicht geglaubt und es war so ein weiter Weg gewesen. Bis er überhaupt ein wenig auf Besserung gehofft hatte. Kosta war eindeutig noch nicht soweit. Eneas hätte ihm so gerne geholfen, aber sein Freund schottete sich vor allem ab.
Sachte griff er nach dessen Hand.
"Ich bin hier bei dir. Du musst nicht alleine kämpfen", sagte er ihm, "Ich weiß nicht was dir in Dhemlan widerfahren ist und vielleicht muss ich es auch nicht wissen, um dir helfen zu können." Eneas lächelte ihn an und streichelte ihm mit der anderen Hand über die Wange. Vielleicht würde Kosta ihm später sagen können, was in ihm vorging und was ihn hatte verstummen lassen. Es tat Eneas in der Seele weh, dass seinem Geliebten so viel schreckliches passiert war. Er hätte bei ihm sein und ihm beistehen sollen. Er hätte Kosta nicht vom Schiff gehen lassen sollen.
Da hatte Kosta noch gedroht, er würde ihn für immer verlassen. Er war so wütend gewesen, hatte ihm so viele Dinge vorgeworfen. Es hatte furchtbar geschmerzt. Sie hatten diesen Streit nie geklärt. Und jetzt? Kosta war verstummt und wieder so ängstlich und unterwürfig wie Eneas ihn seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen hatte.
"Wir schaffen das", versuchte er zuversichtlich zu sein, "Wir haben es schonmal geschafft... weißt du noch, als ich dich von diesem Arschloch weggeholt hab.. und dein Drogenentzug.." Das war auch eine Entführung gewesen. Eine, die Kosta lange nicht gewollt hatte. Es war gut geendet. Kosta hatte sich irgendwann erholt und war wieder gesund geworden. Er hatte eingesehen, dass der Kerl nicht gut für ihn gewesen war, dachte Eneas.
So oft schon hatte er auf seinen Freund aufgepasst und versucht ihn zu beschützen. Nur die letzte Entführung war ein Fehler gewesen. Es war alles so schief gegangen. Trotzdem wünschte Eneas sich, er wäre stärker gewesen und hätte Kosta bei sich gehalten. Dann wäre er nicht nach Raej und dann nach Dhemlan... aber das war Kostas Entscheidung gewesen. Er hatte Timaris retten wollen und es war sein gutes Recht gewesen.

"Du hast so viele Opfer gebracht.. für andere", sagte Eneas. "Und für mich so viele... ich bewundre das. Und ich weiß, dass du das gerne tust." Es hatte lange gebraucht bis Eneas dies ansatzsweise begriffen hatte. "Aber jetzt musst du mal an dich selbst denken. Wenigstens ein bißchen. Tus für mich." Er lächelte ihn an. Das war vielleicht ein Widerspruch in sich, dass Kosta auf Eneas' Anweisung an sich denken sollte, aber der Krieger vergaß oft auf sich zu achten. Zu sehr ging er darin auf, sich für andere aufzureiben. Die letzten Monate waren zu viel gewesen. Eneas hatte das Gefühl, er müsste eingreifen und etwas tun. Um Kostas Wohl. Wenn da nicht immer die nagenden Zweifel wären, dass er seinen Freund schon wieder bevormundete und einschränkte.
"Faul in einem Liegestuhl lümmeln, sich in der Lagune abkühlen, abends unter der Decke ein Buch lesen oder im Hof sein, wenn gegrillt wird", zählte er auf.
"Und Tileo kurz drücken, hm?", sagte Eneas und legte einen Arm um seinen Freund. Von weiter oben hörte man wie kräftig gearbeitet wurde, das Schiff beizudrehen, damit sie anlegen konnten. Das würde die Mannschaft auch ohne ihn schaffen. Sie konnten hier noch eine Weile sitzen bleiben.
"Ich kanns kaum erwarten sein strahlendes Gesicht zu sehen." Er grinste. "Ich werd ihn hochheben und herumwirbeln. Zweimal mindestens." Er hoffte, er könnte in Kosta wieder etwas Freude wachkitzeln und dass dieser keine Angst vor der Begegnung hatte.
"Und dann erzählen wir ihm, wie du die mächtige Königin von Hayll gerettet hast. Die allzu blutigen Stellen lassen wir aus", sagte er und zwinkerte.
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Re: Verstummt

Beitragvon Kosta » Do 6. Okt 2022, 18:34

Kosta sah keinen Ausweg. Doch Eneas liess sich davon nicht entmutigend. Er war schon immer ein grosser Träumer gewesen. Sanft fasste er ihn wieder an der Hand und beteuerte ihm, dass er nicht alleine kämpfen müsse. Er wäre bei ihm. Traurig erwiderte Kosta den Blick. Er glaubte und vertraute Eneas, doch sein Freund begriff nicht, worum es zu kämpfen galt, was ihm so zu schaffen machte. Es war grauenvolles passiert in Dalmadans Feste. Er selber hatte schreckliche Dinge getan, um dahin und wieder von da weg zu kommen. Es quälte ihn schmerzlich, aber das war es nicht, was ihn überforderte. Sondern seine Unfähigkeit für Eneas der richtige Gefährte zu sein. Dabei wollte er es ihm so gerne richtig machen. Wollte ihm gehorchen und für ihn da sein. Doch Eneas wollte nicht, dass er gehorchte. Er konnte gerade noch so akzeptieren, dass Kosta momentan wirklich zu nicht mehr in der Lage war. Kosta war sich jedoch sicher, dass dies nicht mehr lange anhalten würde. Und dann?

Eneas sah seine Sorgen nicht und meinte zuversichtlich, dass sie es schaffen würden. Sie hätten es schon einmal geschafft. Damals als er dazu gezwungen hatte, sich von dem Mann zu trennen, der ihn unter Drogen gesetzt hatte, damit er bei ihm blieb. Kosta hatte es nicht gewollt. Er hatte die besitzergreifende Dominanz seines damaligen Gefährten geliebt. Er war wütend auf Eneas gewesen. Hatte sich von ihm im Stich gelassen gefühlt und sich gleichzeitig heftige Vorwürfe gemacht, dass er eigentlich er selber Eneas im Stich gelassen hatte. Zumindest aus Kostas Sicht. Er war wütend auf sich selber gewesen. Unwohl und beklommen starrte er auf den Boden und liess sich sachte die Hand halten.
Eneas sagte, sie hätten es geschafft damals. Gerade war sich Kosta jedoch nicht so sicher, ob das wirklich stimmte. Was hatten sie geschaft? Kosta wurde noch immer davon angezogen, wenn ihn jemand fordernd für sich beanspruchte. Er hatte das Gefühl, nahezu süchtig danach zu sein. Eneas jedoch verabscheute dies zutiefst. Das machte nichts. Kosta liebte ihn von ganzem Herzen. Er brauchte das nicht, dass Eneas ihm befahl, sich auszuziehen, bäuchlings auf das Bett zu legen und die Beine weit zu spreizen. Er brauchte keine herrische Dominanz wenn er nur bei Eneas bleiben durfte. Der Krieger forderte von ihm jedoch auch, dass er für sich selbst, für seine Wünsche eintrat und er verstand nicht, dass Kosta sich ihm gerne unterordnete. Er dachte, dass Kosta nur bei ihm geblieben war, weil Timaris es ihm so befohlen hatte. Das tat so weh. Wo er doch so viel geopfert und verraten hatte, nur um bei seiner grossen Liebe sein zu können.

Der Kapitän sprach davon, dass Kosta viele Opfer gebracht hätte. Für andere und für ihn. Das würde er bewundern und er wisse, dass Kosta das gerne täte. Scheu blickte der Krieger aus geröteten Augen auf. Leise Hoffnung stahl sich in seinen Blick. Bewunderte Eneas das wirklich? Das musste er nicht. Aber wenn er es akzeptieren könnte und nicht weiter verurteilte, wäre das schön. Vielleicht würden sie ja dann doch eine Lösung finden.
Jetzt jedoch nutzte Eneas das jedoch gnadenlos aus, um Kosta dazu zu drängen, auch an sich selbst zu denken. Er sollte es für Eneas tun. Unwillkürlich musste Kosta das Lächeln erwidern. Natürlich würde er das gerne tun. Für Eneas nur viel lieber. Es war manchmal nur so schwierig, weil Eneas so viel verschiedenes und widersprüchliches wollte. Diesmal zählte er ihm klare Dinge auf, die er gerne mit ihm tun wollte. Faul in einem Liegestuhl lümmeln, sich in der Lagune abkühlen und abends unter Decke ein Buch lesen. Kosta brachte ein vorsichtiges Nicken zustande. Das würde er bestimmt schaffen. Erst recht mit Eneas zusammen. Nur das mit dem im Hof sein, wenn gegrillt wurde, schüchterte ihn ein. Dann würde er sehr aufpassen müssen, dass ihn niemand berührte.

Da klang es aber plötzlich so, als wolle Eneas, dass er andere berührte. Sanft legte er den Arm um ihn und forderte ihn auf, Tileo kurz zu drücken. Unsicher fragend blickte Kosta in die sanftmütigen, goldenen Augen seines Freundes. Wirklich? Er sollte Tileo umarmen? Er würde gerne. Eneas beschrieb grinsend, was er selber mit dem Jungen vor hatte. Das klang toll und würde das Kind bestimmt sehr freuen. Kosta wollte ihn auch so gerne an sich drücken. Durfte er wirklich?
Als Eneas unvermittelt meinte, dass sie Tileo erzählen sollten, wie er die mächtige Königin von Hayll gerettet hätte. Verlegen schlug Kosta die Augen nieder und schüttelte sacht seinen Kopf. Sachte stubste er mit dem Zeigefinger auf Eneas Brust. Er hatte Timaris gerettet. Ohne ihn wären sie wahrscheinlich nicht heil aus Dalmadans Feste entkommen. Zumindest nicht alle. Oder genauer gesagt, womöglich nur Kosta, indem er die Soldaten und Minan im Kerker zurück gelassen hatte. Der Krieger erschauderte, machte sich klein und kuschelte sich an Eneas. So viel Verrat, Schuld und die unaussprechlichen Vergewaltigungen, die er an Minan begangen hatte, um ihn am Leben zu halten, nur um ihn schlussendlich doch noch im Stich zu lassen. Er hatte es nicht getan. Doch er hätte es getan, wenn es denn nicht anders gegangen wäre.
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