Re: Verstummt
von Kosta » Mi 5. Okt 2022, 20:16
Viel zu früh, schon mit dem ersten Morgenlicht, regte Eneas sich wieder und wachte auf. Kosta betrachtete ihn leise und sorgenvoll. Der Krieger konnte jetzt doch noch nicht genügend geschlafen haben, wo er ihn doch die halbe Nacht lang wach gehalten hatte. Er sollte weiter schlafen. Ausserdem sah er so schön und friedlich aus, wenn er schlief. Allerdings war es auch wunderschön zu betrachten, wie Eneas sich etwas aufrappelte und seine feinen Haare zurück strich. Kosta hätte gerne seine Hand hindurch gleiten lassen. Eneas fühlte sich immer besonders gut an, wenn er noch etwas verschlafen war.
Leider hatte der ältere Krieger die gleichen Gedanken wie Kosta und fragte ihn, ob er noch etwas hätte schlafen können. Ertappt senkte Kosta die Lider. Nein, das hatte er nicht gekonnt. Auch wenn er gewusst hatte, dass Eneas sich dies von ihm wünschte. Aber er konnte doch nicht schlafen, wenn er seinen Freund nur wach hielt. Das liess ihm keine Ruhe. Eneas enttäuschte dies jedoch nur. Kosta konnte sehen, wie er sich zwang, deswegen nichts zu sagen. Er war gar nicht glücklich mit Kostas Verhalten. Doch der Krieger wusste sich nicht zu helfen. Er hatte Eneas gesagt, dass es nicht funktionieren würde, wenn er bei ihm war. Das hier war nur der Anfang. Kosta würde Eneas nur noch weiter und weiter enttäuschen, weil er nicht so sein konnte, wie Eneas ihn gerne haben wollte. Es würde sie beide kaputt machen.
Kosta war schon wieder vertieft darin zu überlegen, wie es trotzdem eine Lösung für sie Beide geben könnte, als Eneas unvermittelt vorschlug oben an Deck zu essen. Bei allen anderen. Wo sie ihn berühren und drücken konnten. Erschreckt drückte sich Kosta ans Fenster, starrte Eneas mit grossen Augen an. Er konnte hier nicht raus. Das war die Kapitänskajüte. Hier war er in Sicherheit. Oben an Deck...
Bevor er in Panik verfallen konnte, versprach Eneas ihm rasch, dass sie hier essen würden. Hier sei es auch gemütlich. Dankbar sah Kosta ihn an. Bald schon rotierten seine Gedanken wieder darum, dass er so eine Last für Eneas war und seinen wünschen nicht gerecht werden konnte. So bekam er das Frühstücksessen gar nicht wirklich mit, obwohl er selbst auch gegessen hatte. Erst als Eneas sich ein Buch nahm und zu lesen begann, beruhigte Kosta sich auch allmählich. Wenn Eneas las, dann tat er etwas schönes für sich selbst. Das freute Kosta und er beobachtete seinen Freund gerne verstohlen, wie er sich in die Geschichte seines Buches vertiefte.
Von ihm aus hätte es den ganzen Tag so weiter gehen können. Es war so friedlich und so sicher. Keine Möglichkeiten etwas falsch zu machen und Eneas das Herz zu brechen. Leider wurden sie viel zu früh rüde unterbrochen, weil jemand aus dem Palast hier wäre. Ängstlich schreckte Kosta auf. Er konnte nicht zurück zum Palast. Er gehörte hier her. Zu Eneas. Sie durften ihn nicht zurück bringen. Atemlos versteckte Kosta sich bebend hinter der Tür, als Eneas diese öffnete. Bitte, sie durften ihn hier nicht wegbringen. Er gehörte doch zu Eneas.
Zu seiner Erleichterung wollten sie ihn nicht von hier wegbringen. Stattdessen brachte man ihm Sachen. Jedoch ganz ohne Nachricht. Timaris, sie war sicherlich furchtbar enttäuscht von ihm. Sie musste wissen, dass er bereit gewesen war, ihre Vergiftung zu ignorieren, um bei Eneas sein zu können. Jetzt war er wieder einfach zu Eneas gerannt und hatte sie mit den ehemaligen Soldaten im Stich gelassen. Ob sie ihn hasste? Verstiess sie ihn nun entgültig. Eneas fragte ihn, ob er sich von Timaris verabschieden wollte oder ihr etwas schreiben. Sie würden vermutlich morgen ablegen.
Kosta starrte Eneas überfordert an. Öffnete den Mund. Er sollte etwas sagen. Sollte erklären, sollte um Hilfe rufen. Doch irgendwie ging es nicht. Er brachte kein Wort über seine Lippen. Noch nicht einmal einen Ton. Er wusste nicht, wie er sich Timaris gegenüber verhalten sollte. Er... er bekam wieder keine Luft. Panisch hastete er zurück zum Bett, von wo aus er aus dem Fenster schauen konnte. Da rollte er sich klein zusammen und presste sich gegen die Wand. Zitternd versuchte er wieder zu Atem zu kommen. Er musste hier bleiben. Hier gehörte er hin. Sie durften ihn nicht wegbringen. Niemand ausser Eneas durfte ihn anfassen.
Liebevoll kam Eneas zu ihm, um ihn zu trösten. Es machte Kosta nur ein noch schlechteres Gewissen. Trotzdem war es unendlich schön, wie Eneas ihm über den Rücken streichelte und ihm zum Trost schöne sagen sagte. Ausserdem kannte Eneas Timaris sehr gut. So konnte Kosta ihm auch glauben, dass er recht damit hatte, was er sagte. Dass Timaris jetzt erst einmal wieder regieren musste und den Krieg gewinnen wollte. Bis dahien wären sie ohnehin nur im Weg. Sie hatte ja auch schon Kosta gesagt, dass er sich erholen sollte. Der Sklave wusste zwar nicht wie er das machen sollte, doch Ruhe, das klang gut. So wie vorhin, als Eneas gelesen hatte und Kosta einfach bei ihm hatte sitzen dürfen. Das war schön gewesen.
Eneas wollte jedoch, dass Kosta ihm mit den Rosen half, die er auf Nuranessa gesetzt hatte. Rosen aus dem Strauss, den er Kosta eigentlich hatte schenken wollen. Kosta hatte sie jedoch zurück gebracht und Eneas das Herz gebrochen. Alles erdrückende Schuld liess Kosta noch kleiner werden. Er hatte Eneas niemals so wehtun wollen. Er war so wütend gewesen. Verzweifelt weil Eneas ihn nicht gehalten hatte, obwohl er es gekonnt hätte. Er hatte jedoch nicht gewollt. Es tat so unendlich weh. Wie sollte er nur bei Eneas bleiben können, wenn dieser so widersprüchliche Wünsche an ihn stellte. Oder sich Nuranessa und seinen Bewohnern stellen, wenn er sich schon von der Mannschaft erschreckte. Es war viel zu viel.
Irgendwann schlief er erschöpft ein, holte den Schlaf der Nacht nach. Für eine Weile lang umfing ihn traumlose Schwärze. Bis Andiël plötzlich bei ihm war. Gutaussehend und mit einem umwerfenden, sinnlichen Lächeln. Er nahm sich Kosta, der gar nicht wusste, wie ihm geschah, reichte ihn anschliessend an andere Männer weiter. Immer mehr und mehr, bis gar nichts mehr für Eneas übrig blieb. Höchstens ein kleines Restchen, das Eneas jedoch gar nicht haben wollte. Das Eneas verabscheute und davor zurück schreckte.
Schreiend und um sich schlagend wachte Kosta aus seinem Albtraum auf. Eneas war bei ihm. Er tröstete ihn, nahm ihn in den Arm und beruhigte ihn, dass alles nur ein Traum gewesen wäre. Aber das stimmte nicht wirklich. Es war echt. Eneas wusste es nicht. Es tat Kosta so leid und er musste verzweifelt und schuldbewusst weinen, während der ältere Krieger ihn sicher in seinen Armen hielt.
Irgendwann fasste er sich wieder. Wie erschlagen sass er am Fenster und starrte hinaus. Er wurde erst wieder etwas entspannter, als auch Eneas sich entspannte, indem er sich setzte, um weiter in seinem Buch zu lesen. Kosta hatte keine Energie, um selber zu lesen. Er wollte sich auch nicht in eine Traumwelt flüchten. Bei Eneas zu sein, war vollkommen genug und wenn dieser etwas schönes für sich tat, war es noch viel besser. Wieder betrachtete Kosta ihn verstohlen und er ertappte sich dabei, wie er überlegte, ob er Eneas sachte über den Arm streicheln sollte.
Bevor er sich zu dem Entschluss durchringen konnte, war es jedoch schon wieder Abend und es klopfte wieder an der Tür. Kosta verstand nicht, worum es ging. Es ging jedoch nicht lange, bis Eneas zu ihm kam. Er bat ihn, nicht zu erschrecken. Scheu und vertrauensvoll zugleich blickte er den älteren Krieger an, der ihm erklärte, dass Zucker vorbei gekommen sei. Kostas Augen wurden gross und traurig. Der Prinz war ihm sicherlich auch sehr böse, dass er ihn so im Stich gelassen hatte. Und gleichzeitig war Eneas sicherlich wieder gar nicht glücklich, dass ein Mann sich ihm näherte. Er wollte, dass Kosta sich von Zucker verabschiedete. Fürs Erste. Doch Zucker wäre wie Unkraut. Kosta würde ihn bestimmt wieder sehen.
Erschrocken blickte Kosta zu Eneas auf. Er wollte doch nicht etwa, dass Zucker starb? Nein, er wollte nur, dass Kosta bei ihm blieb. Das würde er. Kosta würde für immer bei Eneas bleiben. So wie er es eigentlich auch schon immer hatte tun wollen. Sachte drückte er Eneas Hand, die seine eigene streichelte. Er würde bleiben und sein bestes geben, damit Eneas glücklich wurde. Auch wenn er nicht wusste, wie er das anstellen sollte.
Er hielt Eneas Hand auch weiterhin fest, als Zucker eintrat. Nervös und scheu stand er dabei hinter dem Kapitän, versteckte sich grösstenteils hinter ihm und spienzte nur verstohlen über dessen Schultern, um zu dem Prinzen zu schauen. Er wagte es gar nicht richtig, weswegen er auch nicht wirklich mitbekam, dass es Zucker genau so ging. Dass er auch nicht wusste, wie er sich verhalten sollte und gar nicht zu ihm zu schauen wagte.
Erst als Zucker sich irgendwie komisch von ihm wissen wollte, ob er ihn nicht in de Hölle wünschte, kam Bewegung in den verstörten Krieger. Besorgt musterte er Zucker, weil er nicht verstand, wie der Prinz auf diesen Gedanken kam. Viel eher hatte er gedacht, Zucker verfluchte ihn, weil er ihn im Stich gelassen hatte. Selber war er ihm nicht böse. Im Gegenteil, er war ihm so unendlich dankbar für alles, was er für ihn getan hatte. Und er machte sich Sorgen, weil Zucker so eine gefährliche Reise vor sich hatte. Kosta wollte ihn bitten, vorsichtig zu sein und wieder heil zurück zu kommen. Wollte sich bei ihm entschuldigen, dass er sich so daneben benommen hatte. Aber noch immer wollte kein Wort über seine Lippen kommen und Zucker blickte ihn nicht an, so dass er ihm von den Augen ablesen konnte, was ihn beschäftigte. Den Prinzen zu berühren wagte er jedoch auch nicht. Er wollte niemanden sonst mehr berühren ausser Eneas, damit er diesem keine Schmerzen mehr zufügte. So drückte er eben dessen Hand, die er die ganze Zeit über gehalten hatte, fest und berührte ihn mit der freien Hand am Oberarm. Flehend blickte er Eneas an, damit dieser Zucker erklärte, dass er ihm nicht böse war. Dass er doch gar nichts dafür konnte, sondern alles Kostas Schuld war. Dass es ihm leid tat, dass er ihn so im Stich gelassen hatte und dass er bitte, bitte nicht sterben sollte bei dem Versuch, Rashar zu helfen. Sein Atem ging vor lauter Aufregung wieder ganz rasch und hell. Angst war diesmal jedoch keine in seiner Signatur zu spüren.