Re: Spion in Loraka
von Amaya » So 5. Nov 2023, 19:26
Der Kriegerprinz hatte die Arme vor der Brust verschränkt, blickte über den schlammigen Platz und den Männern, die sich im Regen darauf abmühten. Die meisten übten sich momentan im Speerwerfen auf Zielscheiben, während andere ganz oben auf einem Gerüst des Parcours standen und Netze mit Gewichten herunterwarfen. Aber durch den Regen fächerten sie nicht auf wie erwünscht und wurden vom Wasser meist direkt herunter gerissen.
"In drei Tagen regnet es besser nicht", brummte Tiger und spuckte aus.
"Ich sorge dafür, dass die Sonne dort auf uns scheint wo wir sie brauchen", erwiderte Rashar, Wasser tropfte von seinen braunen Haarspitzen und auch an seiner leicht spitzen Nase entlang. Sie beobachteten wieder ihre Leute, Flieder hieb mit einer kleinen Axt eines von Lorcanns aufgebauten Ziele wütend in Stücke, anderer schubsten sich gegenseitig vom Gerüst runter um bessere Plätze zu ergattern.
"Viele werden sterben", wandte Tiger nach einer Weile ein, hob den Kopf leicht und stierte in den Regen, der als graue Wand über den gerodeten Wald strich, jeder Stumpf sah aus wie ein Grab. In einiger Entfernung konnte er Jason Bonderus regelrecht riechen. Tiger grollte leicht, spannte sich ein wenig an.
"Wenn alles läuft wie geplant, werden es weniger sein als der Kommandeurin und den obersten Feldherren lieb wäre", gab Rashar bissig zurück.
"Das auch. Ich mein nur, viele auf der Seite der anderen werden sterben", erklärte der Kriegerprinz, grinste so dass man seine scharfen Eckzähne sah.
"Ja, und welche Seite genau wäre das? Benksaba Soldaten töten... Dorfbewohner töten, die nichtmal was damit zu tun haben..." Rashars Blick verdunkelte sich.
"Pik, streck den Arm besser. Du bist zu lasch!", rief Tiger einem schmalgliedrigen Soldaten zu, der sich im Speerwerfen versuchte. "Es heißt, die oder uns", wandte der halbe Tigerlaner sich wieder an seinen Freund. "Das hast du von Anfang an gewußt. Also komm mir jetzt nicht mit Moral. Und dein Plan wird funktionieren, es ist ein guter Plan. Besser als aufs feindliche Fort zuzurennen und uns einer nach dem anderen abschlachten zu lassen."
Der flügellose Eyrier schwieg daraufhin, dann wanderte sein Blick zum Fort. Eine einzelne Gestalt war in der Ferne auszumachen und kam langsam näher. Venka. Sie trug einen der schwarzen Mäntel der Soldaten, trotzdem erkannte Tiger sie relativ schnell. Die Hexe versuchte den schlammigeren Teilen der Ebene auszuweichen, doch das war so gut wie ein Ding der Unmöglichkeit.
"Dieses Mädchen zieht den Ärger magisch an", brachte Tiger hervor.
"Aber sie kennt Jason. Und vielleicht sogar seinen richtigen Namen", wandt Rashar ein. "Und sie hat Gründe uns helfen zu wollen. Bovert vergewaltigt und tötet sie sobald Jason oder wir sie nicht mehr beschützen können." So hart es klang, er hatte leider Recht. Sie schwiegen nachdenklich bis die Hexe zu ihnen kam.
Tiger lächelte sie an. "Was treibt dich zu uns? Ich dachte, du hast noch ein, zwei Tage auf der Krankenstation."
Die Rekrutin hatte die Hände tief in die Manteltaschen geschoben. "Diesen Tag noch sagt Maeve... ich wollte mit Zucker sprechen", erklärte sie. Gemeinsam sahen sie zu besagten Mann, der zusammen mit anderen auf einem Stück des Parcours rann wo sie an einigen Stellen mit Stöcken jeweils ein X markierten. Als Münze einer der Stellen erwischte, stauchte Flieder ihn gleich zurecht.
"Pass ein bißchen mehr auf! Wenn dir das in der Schlacht passiert, verlierst du nicht nur deinen Fuß. Dann bist du leichte Beute für den Feind und wirst abgestochen! Du hängst doch an deinem Leben oder?", fuhr der pockennarbige Soldat ihn an.
"Mit Zucker? Das wird ihn freuen, dass du Sehnsucht nach ihm hast", bemerkte Tiger, strich sich durch die helle Mähne und nickte dann zu einem Hügel, wo gerade eine Gruppe Soldaten herunterkamen. "Obwohl ich dachte, dass ein gewisser Korporal und du..."
"Maeve hat auch geglaubt, ein gewisser Feldwebel und sie...", konterte Venka, sah ihn ernst an. Tiger fühlte durchaus Schuld bei diesen anklagenden Augen in sich aufsteigen, sah Maeve vor sich, doch er konnte nichts für dieses Kind empfinden. Noch nicht. Erst wenn sicher war, dass es überlebte. Vorher brachte es nichts sich darum zu sorgen. Der Kriegerprinz hielt ihren Blick nur für eine Weile ehe er den Kopf wandte und Zucker herwinkte. Rashar hatte seinen Blick in Richtung Jason und seine Einheit gerichtet, doch noch waren sie nicht hier.
"Venka, du kennst Korporal Bonderus noch von vor der Armee oder? Kein Grund es zu leugnen", bemerkte er. Die Hayllierin nickte bloß. "Woher? Was kannst du uns über ihn sagen?"
"Ich kann dir sagen was für eine Lieblingsstellung er hat. Darüber hinaus... nichts", wehrte Venka ab. Tiger glaubte ihr nicht, denn allein beim Kampf gegen den Schnitter hatte er weit mehr Verbundenheit zwischen Jason und Venka gesehen. Da steckte mehr dahinter. Eine größere Geschichte als bloß ein Bett. Er tauschte einen kurzen Blick mit Rashar aus, der kaum merklich nickte.
"Tiger hat mir von deinem... Problem mit Bovert erzählt", fuhr Rashar fort. "In drei Tagen wird meine Kompanie ausrücken. Meine gesamte Kompanie und ich kann es mir nicht leisten auch nur irgendeinen abzustellen für... dein Problem. Ich brauch jeden Mann." Die Rekrutin presste die Lippen blass aufeinander, nickte verstehend. "Doch ich kann trotzdem dafür sorgen, dass du für einige weitere Tage in der Krankenstation bleibst, dort ist es sicherer. Es gibt genug Mittel um eine Krankheit vorzutäuschen..."
"Vorausgesetzt ich weiß mehr über Jason?", hakte Venka nach. Nein, dumm war das Mädchen nicht. Rashar wandte sich zu ihr, legte ihr eine Hand auf die Schulter.
"Nein, keine Erpressung. An meinen Händen ist schon genug Blut. Ich will nur wissen ob ich ihm trauen kann. Wenn wir schon Seite an Seite kämpfen werden. Ich hab nicht die Zeit ihn kennenzulernen, nicht in nur drei Tagen. Aber du kennst ihn oder?", versuchte der Eyrier es noch einmal. "Es wird unter uns bleiben."
"Und woher willst du wissen ob du mir trauen kannst?", gab Venka zurück, wischte sich den Regen aus dem Gesicht.
"Einer Hayllierin würd ich nichtmal so weit trauen wie ich sie werfen kann. Aber ich traue darauf, dass du uns helfen willst und auch dass wir dir helfen." Rashar lächelte link, erntete aber noch einen empörten Blick von Zucker, der gerade mit durchnässter und schlammverschmierter Uniform zu ihnen kam.
"Wir Hayllier sind ein ehrenwertes Volk, Sir. Wir würden niemals wen betrügen, ders nicht auf die ein oder andere Art verdient hätte", mischte er sich ein, stellte sich neben Venka. Als Rashar fragte, ob ers verdient hätte, lächelte Zucker, die Regentropfen rannen über seine verästelten Brandnarben im Gesicht.
"Was passiert wenn du jemals jemanden begegnest, der dir mehr zahlt als ich?", fragte Rashar. Eine gespannte Pause folgte, Zucker ließ seinen Blick über seine Kameraden schweifen wie als denke er tatsächlich darüber nach.
"Ich würd sagen... dann haben wir einen.. äußerst interessanten Tag vor uns, Kommandeur."
"Ein Königreich für loyale Leute, was?" Tiger grinste, schüttelte sich leicht um einige der Tropfen loszuwerden. "Du hast noch zwei Tage Zeit dir zu überlegen ob dir nicht doch noch etwas über Jason einfällt." Obwohl Tiger glaubte schon zu wissen, dass die Soldatin nicht reden würde. Und er für seinen Teil brauchte ihre Bestätigung auch nicht unbedingt, sein Gefühl sagte ihm, dass der andere Kriegerprinz verlässlich wäre. Sie mußten nur herausfinden warum er die Rebellen unterstützen wollte. Ob er auf eigene Faust handelte oder mehr dahinter steckte.
"Wenn er euch sein Wort gibt, wird er es halten. Aber wenn ihr ihn verratet..." Venka sah zu dem großgewachsenen halbblinden Kriegerprinzen, der langsam näher kam. "Dann gnade euch die Dunkelheit."
Sie hielt ihren Blick noch auf Jason gerichtet ehe sie sich abwandte und zurück in Richtung Fort ging. Zucker wollte ihr eindeutig folgen und nach einem Seufzen von Rashar konnte der Hayllier dies auch, eilte ihr hinterher.
"Komm mir langsam vor wie die glacianische Wohlfahrt. Wenn wir hier nicht ordentlich trainieren, bekommt Frostseel noch ihren Willen und das wars mit der Sechsten.", bemerkte der Kommandeur bitter. Tiger klopfte ihm auf die Schulter.
"Ach, es ist nicht so schlimm. Schau, wir bekommen Verstärkung von der Zweiten." Er deutete auf die Grünschäbel, die mit wenig Begeisterung zum Parcour trotteten. Kurz schwiegen beide Männer ehe sie gelöst zu lachen begannen. "He, Jason, wie weit bist du mit deinen Todesengeln?" Tiger wartete bis der andere Kriegerprinz zu ihnen kam, sog die Luft kritisch ein und knurrte unterdrückt, weil er das unbestimmte Flackern in den Augen des Korporals sah. "Mach ich dich nervös?" Der halbe Tigerlaner strich um ihn herum. "Ich wette, du würdest mir am liebsten eine reinhauen. Von Kriegerprinz zu Kriegerprinz." Tiger brauchte es nichtmal zu spüren, er sah regelrecht wie Jason auf ihn reagierte oder es zumindest zu unterdrücken versuchte. "Ich mag es genausowenig wie du, aber verpass dir deinen Schuß. In drei Tagen brauchen wir jeden klaren Gedanken den wir fassen können", schnappte er leicht bissig.
"Tiger, trainier mit den anderen. Hilf denen, die es noch nicht so gut können", unterbrach Rashar rasch das Geplänkel und schob den halben Tigerlaner in Richtung des Parcour. Es war besser die beiden auseinander zu bringen und etwas Abstand zu verschaffen.
"Jason, deine Leute können für den Anfang lernen mit dem Wurfspeer umzugehen wenn sie es noch nicht können", empfahl der Eyrier. "Und wenn wir deine Einheit wirklich in den Angriff integrieren wollen, muss ich wissen wie verlässlich sie sind. Wer ein guter Kämpfer ist, wer nicht..." Er schwieg kurz, musterte die Soldaten der Zweiten, die allgemein mißtrauisch von den anderen beäugt wurden. Mehrere zotige Sprüche fielen, was denn die Kinder hier zu suchen hätten und ob man sich nicht verlaufen hätte. "Und auch wieviel sie vertragen können. Das wird kein schöner Einsatz werden. Wir reden hier von einem Gemetzel, von die oder wir. Mit allen erdenklichen Mitteln. Wenn dein Trupp zu weich ist..."