Es hatte ihm nicht wirklich gefallen, dass Timaris sich gleich schon so viel zumutete, obwohl sie erst gestern die zweite Dosis Gegengift erhalten hatte. Die schwarzen Adern waren nicht mehr sichtbar, trotzdem stand die geschwächte Königin noch unter strenger Beobachtungen Sorras und Daiphas, ob das Gift sich auch wirklich restlos beseitigen ließ. Alle waren zwar zuversichtlich, doch das bedeutete nicht, dass Timaris deswegen ihre Juwelen einsetzen sollte, um ihre Blutskaste und Juwelenstärke zu verschleiern und irgendwelche Speisekammern zu plündern.
Kaeros konnte sie nicht wirklich davon abhalten. Eigentlich war er ja auch froh, dass sie wieder das Bett verlassen konnte. Es war so knapp gewesen. Sie hatte es sicher verdient zu feiern, doch der Kriegerprinz sorgte sich trotzdem. Er kontrollierte ständig ihre Signatur, während er ein paar Kammern weiter bereit stand und die Umgebung nach fremden Signaturen sondierte. Timaris war bei einem ihm fremden Prinzen. Er war mit Kosta von Bord dieses Schiffes gekommen, das laut Hyacinthos Beschreibungen sehr verdächtig nach einem Piratenschiff klang.
All diese Männer, die da mit verstaubter Reisekleidung durch einen der Seiteneingänge des Palastes gekommen waren, waren Kaeros suspekt, aber er sollte sich wohl daran gewöhnen, dass die Königin in seltsamer Gesellschaft verkehrte. Es wäre ihm trotzdem lieber gewesen wenn er Blickkontakt zu Timaris gehabt hätte. Er traute dem fremden Prinzen nicht und dann kamen auch noch vier Krieger zu der Speisekammer. Der junge Kriegerprinz warnte seine Königin sofort und ignorierte ihre Behauptungen, dass die vier Männer ihr nichts tun würden.
Das wollte er selbst beurteilen. Timaris erlaubte es endlich, jedoch nicht ohne einige Bedingungen. Hyacinthos und Kosta sollte er mitbringen und seine Signatur unterdrücken. Letzteres war sozusagen Kaeros' Naturtalent. Der Kriegerprinz beeilte sich Hyacinthos und Kosta zu senden und es seinem ehemaligen Kampfkumpanen zu überlassen Kosta aufzutreiben, der auf den Speerfaden nicht gleich reagierte. Vielleicht schlief er bereits. Etwas was die Königin eigentlich auch tun sollte. Kaeros war froh, dass sein Zimmernachbar überlebt hatte, doch es hatte Spuren an ihm gelassen. Da Kaeros selbst im Krieg gewesen war, erkannte er es bei andren ebenso schnell.
Ungeduldig wartete Kaeros bis die zwei anderen Hayllier bei ihm waren, damit sie zu den anderen stoßen konnten. Timaris war ganz in ihrem Element, scherzte mit den Männern und zog alle Aufmerksamkeit auf sich, lenkte das Gespräch. Da konnte sie noch so sehr vorgeben eine Hexe zu sein. Wenigstens aß sie mit großem Appetit. Das konnte nur ein gutes Zeichen sein.
Der dhemlanische Prinz sagte ihm jedoch genauso wenig wie die vier hayllischen Krieger, die mit der Königin recht vertraut umgingen und sie zu kennen schienen. Kaeros bemerkte nur, dass der fremde Prinz, nun wo er so dicht bei Kosta saß, diesem recht ähnlich sah. Vielleicht waren sie miteinander verwandt, doch der Kriegerprinz wusste dafür zu wenig über Kosta.
Ein wenig später tauchten Bekannte des Dhemlaners auf und deren Erscheinung traute Kaeros noch viel weniger. Die mussten mit Kosta aus Dhemlan gekommen sein. Im Gegensatz zu diesem Zucker - seltsamer Name - benahmen sich die vier neuen Männer mehr als raubeinig und rüpelhaft. Kaeros erkannte zähe, abgehärtete Soldatenveteranen wenn er sie sah. Der junge Kriegerprinz hätte Timaris gerne sofort in Sicherheit gebracht. Kaeros saß auf einem Stuhl in der Ecke, so dass er sowohl die Türe als auch den Tisch, wo die kleine Gruppe feierte, im Blick hatte.
Finster beobachtete er die Dhemlaner und war bei jeder unflätigen Wortäußerung sofort bereit aufzuspringen. Es wurde dann auch gefährlich, weil dieser Teelan eindeutig etwas verschlagener war und eine Belohnung von der Königin wollte. Er wusste auch, dass Prinz Asar in Dalmadans Feste gewesen und dort vergiftet worden war, nicht durch den Biss einer Spinne wie in den Zeitungen stand.
Die Stimmung drohte für einen Moment umzuschwingen, doch der einäugige Dhemlaner rief seinen Kameraden zur Ordnung. Die Veteranen hatten absurde Forderungen was sie alles für eine Belohnung wollten. Kaeros zweifelte nicht daran, dass Timaris sie entlohnen würde. Jedoch nur wenn sie sicher sein konnte, dass die Männer verschwiegen waren. Ansonsten würden sie vermutlich eher eine scharfe Klinge erhalten.
Die Hayllier dagegen wollten ein neues Schiff. Sprachen sie von diesem eindeutigen Piratenschiff im Draega Hafen? Woher sollte die Königin Piraten kennen? Und sollte ihn das noch wundern?
Dann rief Timaris ausgerechnet irgendeinen starken Alkohol herbei und wollte weit mehr als Champagner trinken, um zu feiern. Kaeros glaubte nicht, dass Daipha und Sorra davon begeistert wären. Kaeros fiel auf, dass einer der hayllischen Krieger ebenfalls besorgt zur Königin blickte. Ah, also wusste er wer Timaris wirklich war. Unruhig blieb der Kriegerprinz sitzen, beobachtete weiter wie Timaris trank, mit den Männern scherzte, es wurde gesungen und gelacht. Kosta begann seine Geige zu spielen und Timaris sang dazu. Es klang schön und Kaeros musste sich bemühen davon nicht abgelenkt zu werden. Er behielt lieber die Umgebung und die Dhemlaner im Auge.
Dann fing die Königin auch noch ausgerechnet an zu tanzen. Das war sicher viel zu anstrengend, gepaart mit diesem hochprozentigem Zeug. Kaeros hielt sich mühsam zurück. Er war ja auch nicht ihre Zofe. Er sollte nur aufpassen, dass niemand sie angriff. Gleichzeitig drängte es ihn sie zu packen und in ihr sicheres Bett zu tragen. Dunkelheit, er hasste diese Gefühle, diesen Drang sie um jeden Preis zu beschützen. Es war wie sein eigenes Gift, das seinen Weg in ihn gefunden hatte seitdem er ihr gegenüber getreten war. Es ließ sich auch nicht mehr rückgängig machen. Er wollte sie in Sicherheit wissen und ihr sorgloses Verhalten gerade war fast zu viel. Egal wie sehr er mit Dacascos geübt hatte und dieser ihm beigebracht hatte sein Blut zu zügeln, es hatte Kaeros nicht annähernd auf die Intensität des Rufes vorbereitet.
Als Timaris dann nach einem der Tänze zu zittern begann und sie sich an dem dicklichen Dhemlaner festhielt, war Kaeros sofort bei ihr und stützte sie. Der Kriegerprinz warf dem Veteranen einen finsteren Blick zu und beherrschte sich den Mann nicht zurück zu stoßen. Er hätte es nicht so wild treiben sollen!
Die Königin sah endlich ein, dass sie sich zu viel zugemutet hatte.
"Das war wohl doch etwas zu früh zu viel. Ich sollte mich etwas erholen. Bringst du mich nach oben?" Sie lehnte sich keuchend an ihn.
"Auf der Stelle", bestätigte der junge Kriegerprinz. Er hätte sie beinahe hochgehoben, wollte sie aber vor ihren Gästen nicht in Verlegenheit bringen. So hielt er sie nur gestützt, einen ihrer Arme um seine Schulter, sein Arm um ihre Taille. Die Königin verabschiedete sich von den Männern und ließ dann auch durchblicken wer sie wirklich war.
"Das hätte wirklich gefährlich werden können", sagte er, nachdem sie die Speisekammer verlassen hatten. Timaris hing immer noch wacklig an ihm. "Deine Blutskaste zu verbergen hat sicherlich deine Juwelen erschöpft.. während dein Körper vollends damit beschäftigt ist das Gegengift zu verarbeiten."
Aber er selbst hatte seine Blutskaste oft genug verborgen. Er wusste wie verführerisch es war sich als einfacher Blutmann auszugeben. So anstrengend das Leben als Romeo gewesen war, es war auch befreiend gewesen kein starker Kriegerprinz zu sein und sich wenigstens für eine Weile wie das einfache Volk zu fühlen.
Doch früher oder später konnten sie beide nicht aus ihrer Haut.
"Soll ich dich nach oben tragen oder den Rollstuhl holen?", fragte er, weil Timaris immer noch schwer atmete.