"Ich kann ja verstehen, dass es wichtig ist, während der Mission manchmal früh aufzustehen, damit sich keine Regelmässigkeit in den Attacken einschleicht", klagte Hyacinthos in einem Tonfall der klarmachte, dass es nicht wirklich verstehen wollte. "Aber warum müssen wir uns für die Missionsbesprechung derart früh treffen? Es ist noch fast Nacht." War es nicht. Es war zehn Uhr Vormittags. Die Sonne fiel fahl zum Fenster herein und im Palast herrschte schon länger geschäftiges Treiben. Das hinderte Hyacinthos jedoch nicht daran zu klagen und zu jammern, als wäre er noch vor Sonnenaufgang aus dem Bett gerissen worden.
Timaris sass in einem thronähnlichen Sessel, während Hyacinthos sich den einzigen Divan unter den Nagel gerissen hatte, sich darauf fläzte und darüber jammerte, was ihm für ein Grauen bevorstand. Gualterio stand vor der aufgestellten Korkwand, auf die eine Karte von Terreille gesteckt worden war und studierte sie aufmerksam, steckte einzelne Fähnchen um und gab sein Bestes, Hyacinthos Gejamer zu ignorieren. Dabei war das zur Schau gestellte Elend extra für ihn. Ausserhalb des Raumes hörte sie dank des Hörschutzes des Kriegerprinzen niemand.
Nebst verschiedenen Korkwänden mit unterschiedlichen Karten, Bildern und Berichten darauf gesteckt waren mehrere rechteckige, grosse Tische aufgestellt worden. Darauf schön sortiert nach Thema waren verschiedenste Gegenstände. Ihnen allen gemein war, dass sie zu Kaeros Ausrüstung gehörten und dass sie alle in verschiedenen schwarzgrau Tönen gehalten waren. Selbst metallene Beschläge glänzten mal matt, mal funkelnd in schwarzsilber. Auf einem Tisch befand sich alles an Kleidung. Von Unterhosen, über Socken zu Hemden, Hosen und einem wallenden Umhang. Auf einem anderen Tisch waren diverse Ledersachen. Rüstungs und Schutzteile, aber auch Handschuhe und gar eine Maske geformt für Kaeros Gesicht. Der nächste Tisch enthielt diverse schwarzgraue Waffen und auf dem darauffolgenden lagen verschiedene Flaschen, Kugeln und andere Behälter. Unter diesem Tisch stapelten sich auch mehrere Kisten aus schwarzgrau angemaltem Holz. Sie enthielten mehr von den Brandsätzen und Chemikalien, die auf dem Tisch ausgelegt waren.
"Und hast du gesehen, wie der trainiert, Timaris?" seufzte Hyacinthos. "Das ist auch so ein Sportsverrückter wie mein Bruder. Also wirklich. Als gäbe es nichts spannenderes, als für Ewigkeiten im Kreis zu rennen. Das wird so anstrengend. Er wird bestimmt auf jeden Hügel rennen wollen, den wir finden. Oh, oder Löcher graben. Das macht man doch im Krieg so oder? Timaris ich hab keine Lust Löcher zu graben? Stell dir nur all die Würmer vor und die Insekten erst. Die werden mich auffressen. Und was, wenn wir keinen Unterschlupf finden? Dann werden wir auf steinigem, harten Boden schlafen müssen. Das wird absolut grässlich. Bestimmt kriegen jede Nacht Schnecken in meine Stiefel und..."
Timaris tätschelte ihrem Cousin tröstend den Kopf, um ihn zum Verstummen zu bringen. Die Ader an Gualterios Stirn war gefährlich angeschwollen und pochte hart. Er hatte auch schon eine ganze Reihe an Fähnchen während der Jammerarie zerbrochen. Hyacinthos verstummte brav und liess es sich gefallen, wie ein Welpe getätschelt zu werden. Als wäre er nicht ein über eins neunzig grosser Prinz. Ein Prinz, der durchaus auch so seine Muskeln hatte. Doch auch wenn er vorgab, ein reiner Salonlöwe zu sein, trainierte auch Hyacinthos. Er versteckte es nur. Manchmal trainierte er heimlich, manchmal versteckte er es dahinter, dass er pausenlos jammerte, dass er dazu gedrängt würde. Kaum jemand am Hof war so lange rennen und gleichzeitig pausenlos schwatzen wie Hyacinthos. Das war wohl auch Gualterio aufgefallen und es war wohl das, was den Kriegerprinzen davon abgehalten hatte, einen Herzinfarkt zu bekommen, als Timaris vorgeschlagen hatte, Hyacinthos mit Kaeros loszuschicken.
Sie hatte Hyacinthos jedoch nicht nur um Gualterios Nerven zu schonen zum Verstummen gebracht, sondern weil auch Kaeros schon eine Weile eingetreten war. Timaris hatte dem Kriegerprinzen die Zeit geben wollen, zu sehen, was in diesem Raum alles bereit gelegt worden war und er schon einmal einen Blick auf die Karten werfen konnte. Nun war er jedoch soweit und Hyacinthos hatte sein Bild als Salonlöwe ausgiebig festigen können. Zudem war es immer von Vorteil, wenn man zwei Kriegerprinzen nie lange in einem Raum hielt. Die Instruktion für Kaeros Mission konnte beginnen.
"Guten Morgen Kaeros", grüsste sie ihren neusten Leibwächter. Mit dem Finger machte sie ihm ein Zeichen, dass er unter Gualterios Hörschutz ebenfalls einen Schild errichten sollte. "Bist du bereit für deine neue Aufgabe. Sie wird all deine Kraft und Selbstbeherrschung kosten." Und das nicht wegen Hyacinthos Jammerarien.