Re: Der neue Leibwächter
von Kaeros » Di 5. Sep 2023, 17:23
Die Königin erklärte, dass sie nicht Jahre Zeit hätte ihn besser kennenzulernen und sie ihm deshalb die Juwelen abnahm. Kaeros verstand nicht recht wie das helfen sollte. Vor allem nicht, wenn sie die Juwelen nur für ein paar Tage behielt. Er war ein Langlebiger. Wenn er irgendeine Intrige am Laufen gehabt hätte, hätte er auch ein paar Tage warten können. Da er die Königin aber nicht auf dumme Gedanken bringen wollte, behielt er dies für sich. Kaeros hatte nicht vor ihr zu schaden. Sonst wäre er nicht so naiv zu ihr gekommen und hätte preisgegeben, was er sich durch seine Beobachtungen und Gespräche schon alles über das Attentat zusammengereimt hatte. Er hätte das Wissen für sich behalten.
Kaeros wollte aber keine Spiele spielen. Er wollte ihr helfen. Wenn sie es denn irgendwie zuließe. Er war sich nichtmal sicher, ob er wirklich in ihre Leibgarde wollte, doch vielleicht konnte er dort wirklich etwas bewegen und sie vor weiteren Attentaten schützen. Nicht auszudenken, wenn das letzte erfolgreich gewesen wäre.
Während er all seine benötigten Sachen aus seinem Juwelengepäck rief, wartete die Königin auf der Treppe zum Pavillon. Erst als sie erwähnte, dass Diener kommen und die Sachen in sein Zimmer bringen würde, ging ihm auf, dass er gerade lauter Kram direkt vor ihrem Pavillon abgeladen hatte. Kaeros wollte etwas davon aufheben, als Timaris die Schatulle verschwinden ließ. Der Kriegerprinz blinzelte. Damit waren sie also fort.
"Ich weiss es zu schätzen, dass Ihr Euch mir derart ausliefert, Prinz Tolarim", erklärte die Königin huldvoll. Kaeros zuckte mit den Schultern. Er sah das nicht so bedeutungsschwanger.
"Ach, ich vertrau euch, dass ich sie bald wiederbekomme", entgegnete er. Es war ja nicht so, als wäre sie eine Fremde. Und sie war nicht die einzige starke Tolarim. Kaeros fühlte sich also nicht vollkommen schutzlos. Der Kriegerprinz wollte seine Ärmel vom Hemd wieder herunterkrempeln und seine Kleidung geraderücken, als ihm Timaris zuvor kam und plötzlich ihre Hände auf seine Brust legte. Dort wo er sein Hemd geöffnet hatte.
Kaeros konnte gerade so ein Keuchen unterdrücken. Die Königin beugte sich vor, ihr Mund nah an seinem Ohr.
Kaeros entglitt all das Training Dacascos und das Blut rauschte nur so hindurch. Seine Schultern bebten leicht und er musste sich zurückhalten nicht seine Arme um sie zu schließen.
Beinahe hätte er ihre Worte gar nicht mitbekommen. Timaris raunte ihm zu, dass er nicht aufmerksam genug gewesen wäre. Er hätte die falschen Schlüsse gezogen und er solle noch einmal darüber nachdenken. Was meinte sie damit? Das Attentat? Wollte sie etwa, dass er noch mehr darüber nachdachte?
Die Königin stahl sich eines seiner Crossaints bevor Kaeros protestieren konnte und schritt dann die Treppe hoch. Rasch begann sich Kaeros das Hemd zuzuknöpfen. Timaris drehte sich nicht mehr um, sagte ihm nur, dass sie ihn wieder rufen lassen würde, wenn sie Zeit für ihn hätte.
Wann würde das sein?
"Sehr wohl, Königin Tolarim", erwiderte Kaeros und verbeugte sich, während er noch an seinen Knöpfen arbeitete.
Kurze Zeit später trafen mehrere Diener ein und begannen seine Habseligkeiten aufzusammeln. Kaeros folgte ihnen. Beim Nebeneingang erwartete ihn ein etwas untersetzter Butler mit hängenden Wangen und zur Seite gegelten schütteren schwarzen Haaren. Seine goldenen Augen bedachten Kaeros mit einem skeptischen Blick, den Kaeros nicht gleich zu deuten wusste. Der Butler verneigte sich.
"Prinz Tolarim, ihre Majestät hat mich an eure Seite gestellt. Lord Bernadello Estevez", begann er. Er hatte den leichten rollenden Akzent aus Othial.
Kaeros hob die Augenbrauen. Das ging ja schnell. "Mein neuer Aufpasser, nehm ich an?" Timaris hatte ja einen Begleiter erwähnt. Von den Worten schien der Butler etwas verwirrt.
"Wenn ihr wünscht begleite ich euch, Prinz Tolarim." Er machte eine einladende Armbewegung. "Zu euren neuen Räumlichkeiten."
Kaeros folgte ihm, angenehm überrascht. Er hatte nicht mit neuen Zimmern gerechnet.
Bald stellte sich heraus, dass er im Hauptgebäude des Palastes neue Räume erhalten hatte. Ein Schlaf- und Wohnzimmer. Das Bad war nur wenige Türen den Gang hinunter. Zudem befand sich dieser Gang recht in der Nähe der privaten Gemächer der Königin. Kaeros fragte sich, ob dies etwas zu bedeuten hatte. Er besah sich die neue, bessere Aussicht, während die Diener unter Estevez Aufsicht seine Sachen einräumten. Seine Juwelen abzugeben hatte ziemliche Vorteile.
Wenig später stellte sich der Nachteil heraus. Der Butler war mitnichten sein Aufpasser. Ein gewisser Guarcia Salides stellte sich vor. Er war einer der vielen persönlichen Leibwächter der Königin. Kaeros hatte ihn schon ein paar Mal beim Training gesehen. Guarcia erklärte, dass er ihn überall hin begleiten würde. Er oder einer seiner zwei Kollegen.
Kaeros seufzte frustriert. Darauf hatte er wenig Lust.
"Solange ihr mich nicht bis ins Bad verfolgt", sagte er. "Oder ins Schlafzimmer."
"Wenn ihr mit einer anderen Person in einem Schlafzimmer seid, dann kommen wir auch dorthin", schränkte der Wächter ein. Kaeros knurrte.
"Das ist nicht euer Ernst?"
"Anweisungen der Königin", erklärte Guarcia.
Großartig. Das schloss jegliche heiße Erlebnisse für die nächsten Tage aus. Wenn es wirklich nur ein paar Tage sein würden. Timaris hatte ihm auch gesagt, sie würde ihn auf Missionen schicken und das war ebenfalls nicht passiert. Kaeros bekam ein ungutes Gefühl. Worauf hatte er sich da eingelassen?
"Wenn sie so sehr Angst darüber hat, dass ich was sage, warum mir nicht gleich für die nächsten Tage einen Knebel verpassen und-", begann Kaeros unzufrieden.
"Ich kann der Königin eure Vorschläge unterbreiten..", bot der Wächter an.
"Nein!", unterbrach ihn Kaeros rasch, "Nein, bloß nicht."
Nach dem Mittagessen beschloss Kaeros in die Stadt zu fahren, um aus dem Palast rauszukommen. Vielleicht konnte er während der Kutschfahrt über die erschlichene und seltsame Audienz nachdenken. Er hatte heute morgen nicht erwartet, dass er heute seine Juwelen verlieren würde. Es machte ihn unruhig, doch schutzlos fühlte er sich deshalb nicht.
Vielleicht sollte er es.
Auf dem Weg zum Haupteingang, lief ihm ausgerechnet Prinz Asar über dem Weg. Er unterhielt sich gerade mit zwei Adeligen, verabschiedete sich aber von ihnen, als er Kaeros sah und kam ihm entgegen. Großartig.
"Prinz Asar." Kaeros verbeugte sich leicht, so wie es vor einem Haushofmeister des Reiches üblich war. Nicht mehr.
Der Prinz lächelte fein wie als wüsste er ein Geheimnis. Wahrscheinlich sogar dutzende. "Prinz Tolarim. Ich muss mich noch an euren Anblick gewöhnen. Man trifft nicht alle Tage einen Widergänger. Wo sagtet ihr wart ihr nochmal all die Jahre?"
"Auf Geheimmission", erwiderte Kaeros das, was Timaris ihm als Deckmantel aufgetragen hatte.
"Ah. Natürlich. Eure wichtige Mission, die Jahre benötigt hat um nun endlich Früchte zu tragen", bemerkte der Haushofmeister und sein Tonfall machte deutlich, dass er nichts davon glaubte. Kaeros überlegte wie er den Mann wieder abwimmeln konnte. Er wollte sich nicht auch noch mit Prinz Asar anlegen, denn im Gegensatz zu Kaeros saß die Hofmaske des Haushofmeisters perfekt.
"Ich würd euch ja gerne mehr sagen, aber ich bin unterwegs in die Stadt." Kaeros machte einen Schritt zur Seite. Prinz Asar warf einen flüchtigen Blick auf Garcia im Hintergrund.
"Mit Schutz wie ich sehe. Man sollte meinen ein Mann mit eurer Juwelenstärke hätte so etwas nicht nötig." Er lächelte halb. "Timaris muss sehr um euren Schutz besorgt sein. Ein Ergebnis eurer unplanmäßigen Audienz?"
Hölle, wie hatte der Mann das so schnell erfahren? Kaeros versuchte sich nichts anmerken zu lassen.
"Ich bin ein Tolarim am Hofe. Wie sähe das aus, wenn ich alleine herumreise?", versuchte er die Fragen abzuwimmeln. "Verzeiht, aber ich habe es eilig, Prinz Asar. Habe die Ehre."
Er verbeugte sich nochmal und ließ den Haushofmeister stehen, ging rasch weiter. Er konnte förmlich spüren wie die Blicke des Prinzen in seinem Rücken brannten. Hoffentlich war das kein Fehler gewesen. Bisher war es eine gute Taktik gewesen die Gespräche mit Prinz Asar so kurz wie möglich zu halten, aber es wurde langsam klar, dass ihm das nicht ewig gelingen würde.
Beim Palasttor stellte sich das nächste Problem.
"Wo wollt ihr hin?", fragte Garcia, als Kaeros eine Kutsche rief.
"Ich muss mich euch nicht auch noch erklären", wehrte Kaeros ab. Der Leibwächter klärte ihn dann auf, dass er dies sehr wohl musste und dass die Königin ihn zwar nicht unter Hausarrest stellte, aber auch etwas dagegen hatte, dass er in der Stadt tat was er wollte. Garcia händigte ihm eine Liste mit genehmigten Orten aus, die Kaeros besuchen durfte. Der Kriegerprinz wischte kurz prüfend über das Papier. Die Tinte war trocken. Dieser Plan musste schon länger in der Schublade der Königin liegen...
Verdammt, war er auf sie reingefallen?
Es war nichts daran zu ändern und wenigstens war Hyacinthos' Stadthaus auf der Liste. Kaeros besuchte seine Freunde, wobei er im Stadthaus etwas herumlümmeln musste bis sie von ihrer Arbeit kamen. Während sie sich austauschten - im Beisein von Garcia - erzählten die beiden, dass sie morgen nach Argyla reisen würde. Die Hafenstadt lag im Westen von Draega und auf den Parkanlagen eines Moreno Adeligen sollte ein Lazarett errichtet werden. Außerdem brauchte dieser Moreno Hilfe darin 'nicht mehr traurig zu sein', wie Nakarios es erklärte.
Kaeros bedauerte es, dass Florien und Nakarios für eine Weile nicht mehr in Draega sein würden. In den letzten Wochen hatte er doch so etwas wie Freundschaft mit ihnen geschlossen. Sie konnten ihm nur den Ratschlag geben geduldig zu sein.
Die nächsten zwei Tage erwies sich das als leichter gesagt als getan. Auf der Liste war wenigstens ein Lokal und sie hatten zum Glück eine Bar. Kaeros besuchte selbige bis spät in die Nacht, versuchte sich nicht daran zu stören, dass ihn sein Aufpasser ständig im Auge behielt und zusah wie er sich betrank. Das Betrinken funktionierte ganz blendend. Er brauchte zwar immer noch einiges bis es Wirkung zeigte, doch dann war es recht durchschlagend. Ungehemmt flirtete er mit zwei Ladies an der Bar, doch als er so betrunken war, dass er fast vom Barhocker fiel, schaffte ihn der Leibwächter, Nestoras, zurück in den Palast. Er musste schon sehr betrunken sein, denn in den frühen Morgenstunden glaubte er sogar, dass er die Königin beim Hafen spürte. Ugh, sie sollte aus seinen Gedanken verschwinden?
Was Kaeros vergessen hatte, war der unheimliche Kater am Morgen danach. Sein Schädel brummte wie die Hölle, ihm war schlecht und elend. Auch war da einmal irgendein Radau und Streit auf den Gängen. Viel bekam Kaeros nicht mit vom Tag. Der Kriegerprinz wälzte sich unruhig in seinem Bett und zog sich das Kissen über den Kopf.
Der Kater war kein Grund das Betrinken nicht am nächsten Tag zu wiederholen, aber dieses Mal zügelte sich Kaeros besser. Trunken wankte er danach ins Bett, das Estevez ihm hergerichtet hatte. Der Kriegerprinz hatte sich beim Ausziehen der Kleidung helfen lassen, dann wollte er nur noch seinen Rausch ausschlafen. Sein Kopf berührte das Kissen, er schloss die Augen.
Herzerweichende Geigenmusik ertönte. Kaeros schreckte hoch. Was...
Er hielt sich den Kopf. Hörte er immer noch die Barmusik? Er legte sich wieder hin.
Wieder Geigenmusik. Wer spielte denn um die Uhrzeit Geige? Kaeros wollte schlafen, doch die schwermütigen Klänge ließen ihn nicht. Er musste dabei an Timaris denken, daran wie schwer doch alles war und wie es ihr wohl ging und ihre geheimnisvolle Verletzung und...
Dunkelheit, diese Musik machte ihn noch ganz verrückt. Es ließ ihn fühlen, als hätte er Herzschmerz und er hatte definitiv keinen. Wie Florien und Nakarios festgestellt hatten, war er bisher nichtmal verliebt gewesen. Kaeros wollte mit der leidgeprüften Musik nicht daran erinnert werden.
Mühsam kämpfte er sich aus dem Bett und trabte in Richtung Wohnzimmer. Doch da war die Musik wieder weg. Sehr gut. Dann hatte sich das Problem von selbst erledigt. Kaeros legte sich zurück schlafen.
Kaum lag er, war da wieder diese Geige. Es dauerte viel zu lange und mehrere Versuche das Bett zu verlassen bis Kaeros in seinem halb angetrunkenen Zustand begriff, dass die Musik durch die Wand am Kopfteil seines Bettes kam. Der Kriegerprinz versuchte eine bequeme Schlafposition zu finden, doch die einzige Haltung wo er die Musik nicht im Bett hörte, war mit dem Kopf über die Bettkante zu hängen.
Unwillig strampelte Kaeros die Decke fort. So gings aber nicht!
Nur in Unterhose bekleidet, wankte er in der Dunkelheit zur Türe und tappte auf den Gang. Garcia, der auf einem Sessel neben seiner Türe saß, schreckte auf. Kaeros ignorierte ihn und ging zu der Türe seines Zimmernachbarns. Hier draußen war nichts von der Musik zu hören, aber Kaeros hatte jetzt genug davon. Er bollerte mit der Faust gegen die Türe.
"He, aufhören! Es ist viel zu spät für diese depressive Musik!", rief er. "Rechtschaffene Adelige wollen hier schlafen."
Hinter ihm hüstelte Garcia bei dem Wort 'rechtschaffen'. Er und sein Kollege hatten in den letzten Tagen genug davon mitbekommen, was Kaeros so angestellt hatte.