Der neue Leibwächter
von Kaeros » Sa 19. Aug 2023, 13:23
Kaeros hatte nur widerstrebend seine Kammer bezogen. Etwas anderes blieb ihm auch nicht übrig. Die Königin hatte deutlich gemacht, dass er im Palast wohnen sollte bis er gebraucht wurde. Es gefiel dem Kriegerprinzen nicht hier festzusetzen und die ersten Tage durfte er nicht einmal das Schlossgelände verlassen. Ein Diener brachte ihm sein Gepäck vom Stadthaus hinauf. Kaeros nutzte die Zeit, um ein paar Briefe an die Familie zu verfassen. Auch an seine Eltern, obwohl er kaum wusste wie er alles in Worte fassen sollte. Er war kein großer Briefeschreiber, also blieb es eher knapp. Er überlegte auch Florien und Nakarios zu schreiben, da der Prinz darum gebeten hatte, aber Kaeros hoffte, dass er bald die Möglichkeit bekam ihnen persönlich alles zu erzählen.
Timaris hatte nicht lange damit gewartet seine Rückkehr öffentlich zu machen, obwohl sie ihm unterschwellig schon vorwarf, dass er sich beim Einreisen in Draega besser verborgen hätte, damit sie mehr Spielraum gehabt hätte. So eröffnete sie bei einem Essen einem Teil des ersten Kreises die Neuigkeit. Offiziell war er jahrelang auf geheimer Mission gewesen. Kaeros fand die Erklärung unsinnig, aber eigentlich war ihm nur recht, dass er den anderen Adeligen nichts erzählen musste.
Nach dem Essen verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer im Palast. Der Kriegerprinz befürchtete, dass es auch bald in den Zeitungen stehen würde, doch er hatte dafür gesorgt die Briefe mit Eilboten zu verschicken.
Timaris Blutdreieck reagierte... gemischt. Der Hauptmann der Wache, auch ein Kriegerprinz, war hauptsächlich desinteressiert. Sandro de Ragie meinte, dass er sich nicht in familiäre Dinge einmischte und er genug mit dem Krieg zu tun hatte. Hauptsächlich wirkte er gestresst. Wann immer Kaeros ihn sah, rannte der Mann oder brüllte seine Untergebenen an, die genauso überfordert wirkten. Irgendwas lief da nicht rund.
Ihr neuer offizielle Gefährte war seit kurzem der shaladorische Sklave, der eigentlich ständig an ihrer Seite. Meistens sah er besorgt und bedrückt aus, doch ansonsten wirkte Aaron ganz umgänglich. Warum man einen Sklaven zum Gefährten ernannte, wusste Kaeros nicht, doch solange er den Posten nicht bekam, war ihm alles recht.
Der Haushofmeister war eine ganz andere Geschichte. Florien hatte noch untertrieben. Das einzige Gespräch, das Kaeros mit Prinz Asar geführt hatte, hätte beinahe dazu geführt, dass er dem Mann beinahe an die Gurgel gegangen wäre. Ein Umstand den der Prinz bewusst provoziert hatte, wie sich danach herausgestellt hatte. Und offensichtlich nicht der erste Kriegerprinz, der die Kontrolle vor dem Haushofmeister verlor. Kaeros erfuhr rasch von dem Skandal, dass Gualterio Malateste und der Prinz sich beinhe bekämpft hatten.
Es wurde auch schnell klar, dass Prinz Asar Aaron abgrundtief hasste und überhaupt nichts von einem Sklaven als Gefährten hielt. Er hielt auch nichts von den Männern im ersten Kreis. Die Frauen dagegen..
Kaeros wusste nach all den Geschichten kaum noch welche Frau im Palast nicht im Bett des Haushofmeisters gelandet war.
Selbst erledigte er seine eigenen Gelüste außerhalb des Palastes, nachdem er mehrmals bei Timaris gedrängt hatte, dass er das Schlossgelände verlassen dürfte. Er würde spätestens nachts zurückkehren. Irgendwann schien sie ihm das auch zu glauben und der Kriegerprinz durfte in die Stadt. Er besuchte das Stadthaus von Hyacinthos wieder, vor allem um Nakarios und Florien von den Neuigkeiten zu erzählen. Es war angenehmer einen Abend mit den beiden zu verbringen, als beim Palast zu essen. Die Atmosphäre dort war angespannt und irgendwie drückend. Es erinnerte ihn an Eretas Zeiten, doch er wollte es nicht damit vergleichen. Schließlich war Krieg.
Bei einem dieser feuchtfröhlichen Abende im Stadthaus führte eins zum anderen und sie landeten zu dritt wieder im Bett. Kaeros genoss den Sex mit den beiden, doch es passierte in den nächsten Wochen nur ein paar ausgesuchte Male. Es war ein kostbarer Genuss. Ansonsten suchte er das Haus des roten Mondes auf und bezahlte es mit dem Lohn, den er von Timaris bekam. Dabei hatte sie ihn noch auf keinerlei Einsätze geschickt und Kaeros begann zu befürchten, dass es nur ein Vorwand gewesen wäre ihn im Palast zu halten. Die Nähe zu ihr war weiterhin anstrengend. Zum Glück war die Königin meist beschäftigt und er sah sie selten. Sie wirkte genauso angespannt wie der Rest des Hofes, wusste es aber besser zu verbergen.
Die erste Zeit im Palast machte Kaeros sich wieder mit dem neuen Umfeld vertraut. Sein Zimmer war schlicht, aber es war aushaltbar. Kaeros konnte auch so die Trainingseinheiten der Männer besuchen. Öfter sah er dort auch Prinz Asar, der mit dem Degen trainierte oder sich sonstwie zur Schau stellte. Aaron wurde auch unterrichtet, doch es war deutlich, dass er keinerlei Erfahrung hatte. Ein Umstand den der Haushofmeister sehr genoss.
Kaeros erhielt bald Briefe der Familie zurück. Die Reaktionen waren gemischt. Meist bestand der Brief ohnehin nur aus Höflichkeitsfloskeln. Nichts echtem. Ferran Verden schrieb ihm überhaupt nicht. Dafür erhielt Kaeros einen allgemeinen Brief aus dem Hause Verden, dass man erfreut wäre, dass er am Leben wäre.
Rhohea schrieb ihm auch und wollte ihn natürlich sehen. Der Brief war voll mit Tränenflecken und bestialischem Parfüm.
Kaeros seufzte. Besser er brachte es hinter sich. Timaris wollte es zunächst nicht erlauben, dass er Draega verließ, doch als der Kriegerprinz vorbrachte, dass Rhohea ansonsten zum Palast reisen würde, ließ Timaris ihn ziemlich schnell abreisen.
Kaeros verbrachte drei Tage in Parathea. Rhohea hatte ihn natürlich dramatisch begrüßt und mehrmals zu Weinen begonnen ehe sie angefangen hatte loszulegen und ihm lauter Vorwürfe zu machen. Die Sache mit der Geheimmission glaubte sie kein Stück, hielt es eher für möglich, dass Timaris ihn aus dem Verkehr gezogen hätte, weil sie die Verbindung nicht wollte. Sie würde lieber einen Sklaven an ihrer Seite wollen.
Mit jeder verstreichenden Stunde wollte Kaeros gerne wieder seinen Tod vortäuschen nur um seiner Mutter zu entfliehen.
Als er sie nach seinen Besitztümern fragte, begann Rhohea erst recht zu keifen und wie Timaris ihr alles abgenommen hätte, weil es ihr sowieso bestimmt gewesen wäre. Während seine Mutter noch keifte, musste Kaeros die Überraschung erst verdauen. Deswegen hatte Timaris gesagt, dass Rhohea keinen Kupfer abbekommen hätte. Er sollte wohl froh darüber sein, fragte sich aber auch, ob das bedeutete, dass er es nicht mehr wiederbekommen würde.
Kaeros musste weitere unsägliche Begegnungen mit der Familie in Parathea über sich ergehen lassen. Er wollte auch seinen Landsitz besuchen, doch er war verschlossen. Von dem was er von außen erkennen konnte wirkte es jedoch gepflegt. Hatte sich Timaris darum gekümmert und wieso?
Seine Großmutter drängte ihn dazu Timaris Leibwächter zu werden sobald sie von den Wünschen der Königin erfuhr. Die Sache mit dem Sklaven wäre doch nichts ernstes. Und selbst wenn doch...
Kaeros bekam ein mulmiges Gefühl. Er würde auf Aaron aufpassen müssen.
Das erwies sich nach seiner Rückkehr als regelrechte Vollzeitbeschäftigung. Zwei Attentate auf Aaron verhinderte er und er sorgte auch dafür, dass der Sklave nichts trank oder kostete was nicht vorher geprüft wurde. Kaeros schlug sich auch mit Sorra herum, damit er ein Schutznetz für Aaron bekam, dass der Sklave an einem Arm- oder Fußband tragen konnte. Es schützte ihn vor Zaubern anderer Schwarzen Witwen.
Kaeros wurde zwar nicht Timaris Leibwächter, aber Aarons. Solange der Sklave lebte, konnte er selbst im Hintergrund bleiben. Es half, dass der Prinz recht freundlich war. Mehr als einmal schien er versucht Kaeros etwas anzuvertrauen, bremste sich dann aber. Es schien mit der Königin zu tun zu haben.
Nachdem Kaeros nun schon einen Monat lang im Palast lebte, begann auch er sich Sorgen um die Königin zu machen. Vielleicht war es nur der Stress, doch sie wurde dünner und trotz sommerlicher Hitze trug sie verhüllende Kleider. Er bekam irgendwann auch mit, warum Prinz Asar so eifersüchtig auf Aaron war. Der Haushofmeister glaubte, dass die Königin ihrem neuen Gefährten treu war. Es war ein offenes Geheimnis, dass Prinz Asar früher auch öfter das Bett der Königin besucht hatte. Etwas was er nun wohl nicht mehr durfte und es Aaron anlastete. Stattdessen war Prinz Asar öfter in Begleitung von Rhiarda Malateste zu sehen. Vielleicht in der Hoffnung, dass man ihn mit ihr stärker anerkannte, denn es gab genug giftige Stimmen über seine dhemlanische Abstammung.
In seiner Zeit mit Aaron erfuhr Kaeros dann auch, dass selbst Aaron nicht mit der Königin schlief und sie seit dem Urlaub sehr abweisend und kalt zu ihm sei. Kaeros bohrte nach was in diesem Urlaub passiert war, doch Aaron wandt sich und schien zu viel Angst zu haben darüber zu reden. Aber irgendetwas war passiert.
Daipha war auch oft bei Timaris und als Kaeros wegen Aarons Schutznetz bei Sorra gewesen war, hatte er das Blut der Königin gespürt. Kaeros schlechte Gefühl verstärkte sich. Er beobachtete die Leibwächter beim Training. Vier neue Leibwächter waren dazu gekommen, die nun eingearbeitet werden musste. Als Kaeros Prinz de Ragie nach den Gründen fragte, erklärte dieser nur lapidar, dass es eine plötzliche Lücke gegeben hätte. Kaeros bohrte nach wann genau diese Lücke entstanden war und erfuhr wieder, dass es nach dem Urlaub gewesen wäre.
Was war da passiert?
Kaeros beobachtete die Königin weiter und überwand sich dazu öfter ihre Nähe zu suchen, obwohl ihn die Reaktion seines Blutes weiter beschäftigte. Viel bekam er die Königin sowieso nicht zu Gesicht. Ständig war sie beschäftigt und sie aß auch nur noch selten zusammen mit den anderen. Wenn Kaeros mal einen Blick auf sie erhaschte, sah Timaris dünn aus und ihre Zofe schminkte sie stärker als sonst. Sie wirkte erschöpft.
War es nur der Stress oder war da mehr? Das war doch verrückt. Sie konnte doch nicht krank sein und niemanden war es aufgefallen? Aber alle in ihrem Umfeld schienen viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um es wahrzunehmen.
Er musste mit ihr reden.
Unter dem realen Vorwand, dass er über seine Besitztümer reden wollte, ersuchte Kaeros eine Audienz bei ihr. Mehrmals wurde er vertröstet, doch mittlerweile wusste er durch das Beobachten der Leibwächter ziemlich genau ihre Routine und an einem der Tage wusste er, dass sie Vormittags in einem für sie abgetrennten Bereich des Parks war. In einem Pavillon hatte man ihr einen Schreibtisch aufgestellt und alle weiteren Annehmlichkeiten, so dass sie wohl an frischer Luft arbeiten konnte.
Es war ein leichtes die aufgestellten Leibwächter zu umgehen, wenn man erst einmal ihre Routine kannte.
Ungehindert konnte Kaeros so den Pavillon betreten, vorbei an zwei verdutzten Dienern, die ihn noch aufhalten wollten.
„Hauptmann de Ragie sollte die Abläufe der Leibwächter wirklich stärker verändern. Es ist viel zu leicht das Muster zu erkennen“, bemerkte er, „Und wenn ihr im Park seid fehlt ein wendiger Leibwächter oben auf dem Dach hinter uns“, informierte er sie.
„Außerdem wurde schon wieder versucht Aaron zu töten. Mit vergifteten Sandalen. Raffiniert in seiner Einfachheit.“
Kaeros verneigte sich dann vor der Königin, die hinter dem Schreibtisch saß. Dabei erinnerte er sich, dass er die letzte Nacht bei Florien und Nakarios verbracht hatte. Nach ihrem sinnlichen Treiben hatte er es nicht mehr rechtzeitig zurück geschafft. Doch er hoffte, dass die Königin ihm einige fehlende Nächte mittlerweile durchgehen ließ.