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In Sions Armee





Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Fr 25. Aug 2023, 22:38

Isobel blieb wie versteinert stehen und blickte sich um, Malateste folgte ihrem Blick. Die Spuren der Verheerung waren nicht zu übersehen. Resigniert seufzte die bronzehäutige Gefreite und beäugte kritisch sein Werk in der Schüssel. Ob ihm bewusst sei, dass jemand dies Essen soll, fragte sie und ob er guten Gewissens behaupten könne die Mengeangaben nach Rezept befolgt zu haben. Malateste kratzte sich verlegen am Hinterkopf und überlegte sich eine Antwort, doch sein Gesichtsausdruck sprach Bände und die vife Gefreite wusste sofort was die Stunde geschlagen hatte. Statt zornig zu werden bewies Jiriki Langmut mit dem Kriegerprinzen und gab die Hoffnung so schnell nicht auf. Sie schob Malatestes missratenen Teigversuch zur Seite und erklärte ihm mit einer neuen, leeren Schüssel geduldig wie man Eier aufschlug und auch wie man Eiweiss von Eigelb trennt.
"Ihr müßt sehr sanft sein und doch den richtigen Druck ausüben...", erklärte Isobel mit einem zweideutigen Augenzwinkern. Gualterio lächelte breit.
„Das habe ich dann auch herausgefunden, beim vierten Ei habe ich mir eine Geliebte vorgestellt und dann hat es geklappt.“
Energisch krempelte Isobel anschliessend die Ärmel hoch und ging zum Mehlsack hinüber mit der Bemerkung, eine Waage hätte er wohl auch noch nie benutzt. Mit einer Kelle schöpfte sie das Mehl in handlichen Portionen aus dem Sack und liess es dann zur Sicherheit auch den Kriegerprinzen tun. Unter ihrer Aufsicht funktionierte alles etwas besser.
„Ich lerne gerade, dass man in der Küche mit Kraft und roher Gewalt nicht weit kommt“, meinte Gualterio zerknirscht und gab vorsichtig etwas Mehl von der Kelle in eine Tasse. „Man muss vorausschauend und vorsichtig arbeiten, mit dem Kopf durch die Wand funktioniert hier nicht.“ Er grinste. „Das mag der Grund sein weswegen man eher Frauen in der Küche antrifft.“
Jiriki zeigte ihm anhand des neuen Teigs auch wie man würzte. "Und nun kommt noch Salz und Zucker dazu. Beim Salz nehmt ihr nur eine Prise." Eine Prise? Fragend blinzelte er Isobel an, die es ihm sogleich erklärte. "Das ist so viel wie ihr zwischen zwei Fingern habt“, meinte sie ihm und zeigte es gleich vor.
Malateste dachte dabei kurz an seine Abenteuer mit Alessandro auf hoher See. „Bisher war eine ‚Prise’ für mich ein gekapertes Schiff“, meinte er fröhlich, „wie amüsant dieses Wort auch in der Küche anzutreffen.“

Sein Lächeln wich Konzentration als der grosse Kriegerprinz unter Isobels gestrenger Aufsicht vorsichtig an der gesäuberten Waage den Zucker abwog. Ihre Anweisungen und die sanften Hilfestellungen gaben ihm Sicherheit und es stellte sich kein weiteres Küchenunglück mehr ein. Malateste gewann Selbstvertrauen auf dem ungewohnten Terrain und war mit Feuereifer bei der Sache, so war es auch schnell passiert, dass die abgemessene Milch im Teig landete, ehe ihn Isobel zurückhalten konnten. Die Gefreite seufzte erneut.
„Tut mir Leid“, brummte Gualterio, „Müssen wir jetzt wieder von vorne beginnen?“ Aber Isobel schalt ihn nicht, sondern lächelte ihn im Gegenteil aufmunternd an. Gualterio bemerkte dabei ihre schönen dunklen Augen und das er die Pruulerin und ihre Art mochte. Sie zeigte ihm einen kleinen Trick wie man mit sprudelndem Wasser das kleine Malheur wieder geradebiegen konnte.
"Ihr habt wohl noch nie in einer Küche gestanden oder?", fragte sie ihn und meinte sie hätte schon als kleines Kind in der Küche mitgeholfen. Während sie im Ofen Holz nachlegte erzählte sie von ihrer Heimat Pruul und er konnte die Sehnsucht in ihrer Stimme hören ehe sie abbrach und ihn bat eine Pfanne aus dem Schrank zu holen. Gualterio kam der Bitte nach und kramte im Schrank bis er eine Pfanne in der richtigen Grösse gefunden hatte.
„Also in der Küche stand ich als Kind oft, aber meist um einen kleinen Happen zu erbetteln. Wie Speisen zubereitet werden war für mich immer ein grosses Mysterium.“ Er dachte an die fröhliche korpulente Köchin im Hause der Malatestes die ihn manchmal vom Teig hatte kosten lassen und auch immer spannende Geschichten zu erzählen wusste. Seltsam, auch ihn überkam plötzlich ein Gefühl der Sehnsucht, aber er konnte es nicht fassen. „Isobel, Heimweh zu haben ist nicht albern, vielen geht es so. Ich bin mir sicher, dass du Pruul und deine Tochter wieder sehen wirst.“
War es wirklich eine gute Idee sie in seinen Trupp zu nehmen? Setzte er sie nicht grösserer Gefahr aus als hier? Er zögerte überlegend. „Ich verstehe es wenn du dich nicht meinem Trupp anschliessen möchtest.“ Aber genauso gut konnte sie jederzeit in ein Kampfgebiet versetzt werden. Sion und die Armee nahmen keine Rücksicht auf Mütter, die Armee war kein Spielplatz, bei ihm konnte sie veilleicht lernen wie man überlebte.
Beide beobachteten wie die Butter in der heissen Pfanne auf dem Herd schmolz, ehe Isobel ihn dezent darauf hinwies er hätte etwas Teig an der Stirn. Gualterio befühlte erwähnte Stelle und spürte die eingetrocknete Masse. „Oh, das habe ich in der Hitze des Gefechts vorhin gar nicht mitbekommen“, lächelte er die Gefreite an. Er tupfte den Zipfel eines Küchentuchs in eine Wasserschüssel und rieb sich über die Stirn. „Besser so?“
Jiriki schöpfte nun mit einem Löffel etwas von dem Teig in die Pfanne und erklärte ihm worauf er beim Zubereiten zu achten hatte. Nach einer Weile prüfte sie die Konsistenz mit einer Gabel und hob den Pfannkuchen leicht an um zu sehen ob er unten schon fertig war. Der Duft des brutzelnden Pfannkuchens stieg Gualterio verführerisch in die Nase und sein Magen knurrte vernehmlich. Jiriki zeigte ihm nun das was sie als besten Teil bezeichnete, nämlich wie man den Pfannkuchen wendete. Sie hob die Pfanne an, und ehe Gualterio sich versah flog der Pfannkuchen in die Luft und landete auf der anderen Seite wieder in der Pfanne.

„Fantastisch!“ Begeistert applaudierte er kurz spontan. Die Gefreite lächelte zufrieden und zählte verschiedene Serviermöglichkeiten auf ehe sie meinte, dass nun er an der Reihe wäre. Sie tat den fertigen Pfannkuchen aus der Pfanne auf einen grossen Teller und überliess ihm das Feld. Gualterio schluckte kurz, stellte sich dann aber mutig der Herausforderung und gab erst noch eine weitere Butterflocke in die Pfanne, ehe er mit dem Löffel Teig hineingab, so wie er es beobachtet hatte. Auch sein Pfannkuchen roch verfüherisch. Ab und an hob er ihn mit der Gabel etwas an und blickte Isobel fragend an, ehe sie ihm mit einem Nicken zu verstehen gab das er jetzt gut sei. Wahrscheinlich wäre sein erster Versuch furchtbar angebrannt wenn er alleine gewesen wär. Tief einatmend nahm er die Pfanne vom Herd. Natürlich hätte er den Pfannkuchen mit der Gabel wenden können, aber wenn er schon kochen lernen wollte, dann auch mit Stil...
Er stellte sich seine Treffsicherheit mit Wurfmessern vor, seine Geschicklichkeit mit ungezählten Blankwaffen. Verdammt, er war kein Grobmotoriker! Der Kriegerprinz zögerte eine Sekunde und gab der Pfanne dann einen Schwung. Der Pfannkuchen flog in die Luft, hoch und höher, es war vielleicht etwas zu viel Schwung gewesen und für einen kurzen Augenblick sah Malateste ihn schon an der Decke kleben, aber dann holte die Anziehungskraft den Kuchen wieder auf die Erde zurück. Schnell schoss Gualterios Hand mit der Pfanne vor und der Pfannuchen landete darin, nicht perfekt, ein Drittel hing über den Rand hinaus, aber er der Kriegerprinz war stolz wie nach seinem ersten gewonnenen Übungskampf vor vielen Jahrhunderten. Sein erster Pfannkuchen! Er strahlte die Gefreite wie ein ‚Pfannkuchen’ an. „Isobel, das macht richtig Spass!“ Dann zog er in gespieltem Ernst die Augenbrauen zusammen. „Aber ich zähle auf deine Diskretion, wenn das bekannt wird könnte es meinem Ruf schaden...“
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Fr 25. Aug 2023, 22:41

Isobel

Es war erstaunlich, aber nach dem Chaos, das Bonderus alleine in der Küche fabriziert hatte, wurde es tatsächlich besser und Isobel mußte zugeben, dass der Kriegerprinz vielleicht irgendwann so weit war selbstständig Pfannkuchen zu machen ohne alles zu verwüsten. Es fing sogar an Spaß zu machen, zu kochen, selbst wenn die Gefreite langsam Hunger bekam und hoffte, dass die anderen ihnen was Frühstück überließen. Ansonsten hatten sie ja immer noch die Pfannkuchen.
Als sie erwähnte, sie vermisse Pruul, gab der Korporal zurück, Heimweh wäre gar nicht albern und sie würde Pruul und ihre Tochter bestimmt wiedersehen. Isobel nickte, an was anderes wollte sie gar nicht denken. "Sie ist noch klein, dann hab ich ihr wenigstens später was zu erzählen. Von meinem Sold kann ich ihr späteres Schulgeld bezahlen", erklärte sie lächelnd.
"Ich verstehe es wenn du dich nicht meinem Trupp anschliessen möchtest", sagte Bonderus da und die Gefreite blickte erstaunt auf. Sie hatte nicht erwartet, dass er ihr die Wahl ließ und darauf Rücksicht nahm. Trotzdem schüttelte sie den Kopf.
"Nein, das ist schon in Ordnung. Mir war klar, dass ich vielleicht nie mehr zurückkommen werde. Sions Armee ist kein Zuckerschlecken. Sie ist nur... besser als ich erwartet hätte." Die Pruulerin lächelte, kümmerte sich wieder um den Pfannkuchen. Als sie ihn auf den Teigstreifen an der Stirn aufmerksam machte, wischte Bonderus sich mit einem angefeuchteten Tuch über die Stirn. "Besser so?" Jiriki grinste.
"Eure Stirn vielleicht, Sir, aber habt ihr schonmal eure Uniform gesehen? Ihr seht aus wie ein Gespenst", bemerkte sie scherzend. Aber manchmal fand sie seine Erscheinung auch gruselig, mit dem blinden Auge und nun den durch den Mehlstaub noch helleren Haaren...
Als sie ihm zeigte auf welche Weise man den Pfannkuchen wendete, klatschte Bonderus sogar begeistert. Isobel wurde ein bißchen verlegen, als ob es eine Kunst wäre Pfannkuchen zuzubereiten; aber es freute sie doch. Der fertige Pfannkuchen kam auf einen großen Teller und dann war ihr Vorgesetzter an der Reihe sein Glück zu versuchen. Es war nicht überraschend, dass er den Pfannkuchen, nachdem er auf einer Seite schön angebacken war, hochschleuderte. Jiriki befürchtete schon das Ding würde an der Decke landen, doch irgendwie schaffte es der Pfannkuchen doch noch teilweise zurück in die Pfanne.
"Gut gemacht", sie lächelte, "Nur etwas weniger Schwung, ihr wollt ja nicht die Küchendecke verzieren. Aber früher ist mir das auch mal passiert", verriet sie mit einem Augenzwinkern.
"Isobel, das macht richtig Spass!", verkündete der Kriegerprinz. Die Gefreite grinste.
"Ich wußte, dass euch der Teil des Kochens Spaß machen würde", erwiderte sie. Dann bat Bonderus sie noch einmal um Diskretion, es könnte seinem Ruf schaden. Die Gefreite nickte, auch wenn sie als Frau nicht ganz verstand warum es an der Männlichkeit kratzte wenn jemand Pfannkuchen backen lernte. "Von mir erfährt niemand was. Obwohl ihr eure Kochkünste bald bestimmt nicht mehr verbergen müßt, wenn ihr ein bißchen Übung darin bekommt." Sie seufzte. "Wenn ich mir mal einen hübschen Pruuler anlache, dann gewiss einen, der kochen kann."
Isobel zögerte kurz, während sie mit der Schöpfkelle neuen Teig in die Pfanne gab. Es beschäftigte sie schon warum der Korporal mit so einer abstrusen Bitte zu ihr gekommen war und sie dann auch niemanden etwas davon sagen sollte. Sie sah zu wie er den nächsten Pfannkuchen zubereitete. "Ich bin neugierig, Sir... weswegen wollt ihr das überhaupt lernen?" Wenn sie es schon verschwieg, so wollte sie doch wissen warum sie das eigentlich tat. Die Gefreite begann nebenbei schon einmal mit einem feuchten Lappen die Eireste und Mehlspuren vom Küchenboden und den Anrichten zu entfernen, damit sie das nicht später machen mußte. Anschließend putzte sie die Waage, die auch einiges abbekommen hatte.
"Und was wollt ihr zu den Pfannkuchen haben? Ich kann Preiselbeerkompott aufwärmen", schlug sie vor, "Oder möchtet ihr Pilze und Speck dazu? Davon sollte noch etwas dasein. Aber ich fürchte, ihr habt einige Vorräte dezimiert." Zumindest was Mehl und Eier betraf.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Fr 25. Aug 2023, 22:43

„Ach, das wird wohl noch eine Weile dauern“, winkte Malateste bei Isobels Behauptung ab er müsse bald seine Kochkünste nicht länger verstecken. „Wenn ich es jetzt noch einmal alleine versuchen würde wäre das Ergebnis bestimmt ernüchternd.“ Die Gefreite stellte mit einem Seufzer klar, dass, wenn sie sich binden sollte, nur einen Pruuler in Frage kommt der Kochen kann. „Ja, Kochen und Tanzen. Seltsamerweise stehen Frauen auf Männer die das können.“ Während er sprach versuchte Gualterio etwas Mehl von seiner Kleidung zu klopfen. „Ich glaube ich brauche nachher ein Dusche“, bemerkte er mehr zu sich selbst. Jiriki gab eine neue Schöpfkelle voll Teig in die Pfanne und widmete sich Pfannkuchen Nummer drei. Der Kriegerprinz merkte das der Gefreiten eine Frage auf der Zunge brannte, und nach dem ersten Wenden des neuen Pfannkuchens stellte sie die auch.
"Ich bin neugierig, Sir... weswegen wollt ihr das überhaupt lernen?" Das hatte sie also beschäftigt. Der Kriegerprinz strich etwas Mehl von der Schulter. Gute Frage, eigentlich wusste er es selber nicht. Weil ihm eine schwarze Witwe geraten hatte es zu lernen, ohne weitere Angaben? Wie lächerlich würde das wohl klingen? Vermutlich tat er es weil er hoffte, dass es etwas mit Laree zu tun hatte. Vielleicht mochte sie Pfannkuchen und er würde sie eines Morgens damit überraschen können? Irgendwo zu zweit, in einem kleinen Landhaus vielleicht, fernab von jeglicher Gefahr und von Ayden. Einfach ein paar Taqe zu zweit. Ausreiten, lang schlafen und Frühstück am Bett, Pfannkuchen die er zubereitet hatte während die Morgensonne durch das Fenster schien…
Ein schöner Traum, aber bestimmt nichts was er Isobel erzählen konnte. Ein Pruuler der kochen konnte? Er hatte sich gar nie gefragt was Frauen von einem Mann erwarteten, oder speziell was Laree von einem Mann erwartete. Würde sie es auch gut finden wenn er kochen konnte? Der Kriegerprinz entschied sich gegenüber der Gefreiten für eine erfundene Geschichte die durch Parallelen zu Laree an Glaubwürdigkeit gewinnen sollte.
„Ihr erinnert euch an die Frau von der ich neulich Nacht erzählt habe? Die Frau die das Kind verloren hat, die welche mein Herz geraubt hat? Wir sind im Streit auseinander gegangen, ich bin geflüchtet vor ihr und dem anderen Mann, einfach weg, wollte mich irgendwohin versetzen lassen, Glacia, Raej, es war mir egal, Hauptsache fort von Dhemlan. Sie hat gemeint ich könne ihr auf Dauer nicht das bieten was sie von einem Mann erwartet. Sie wollte keinen Mann dessen Liebesbeweis darin bestand einen Kerl der sie angefasst hat den Bauch aufzuschlitzen.“ Die Stimme des Kriegerprinzen war leise und monoton und er blickte starr zum kleinen Küchenfenster heraus während er an den Eyrier dachte den er in der Nebengasse getötet hatte. Ob Laree es wusste?
„Sie wollte jemanden der ihr Gedichte vorlas, sie ausführte und der einfühlsam wäre, jemand der ihr morgens Pfannkuchen zum Frühstück machen konnte…“ Die ungleichen Augen richteten sich auf Isobel und der Korporal lächelte kalt. „Sehe ich aus wie so jemand? Aber wie du siehst ist Raej nicht genug weit weg um vor meinen Gefühlen zu flüchten. Ich stehe hier und lerne wie man Pfannkuchen zubereitet. Ich befürchte auch die hinterste Ecke der Welt ist nicht weit genug um sich vor sich selbst zu verstecken…“ …vor allem wenn die Frau die man begehrt plötzlich dort auftaucht, dachte er den Satz zu Ende.
Die Gefreite hatte stumm zugehört und mit einem Lappen angefangen die Spuren seines Fiaskos wegzuputzen, Malateste versuchte das Gespräch in andere Bahnen zu lenken. „Tut mir Leid wegen der Unordnung und das ihr es ausbaden müsst. Ich übe mich derweil im Pfannkuchen backen.“ Er stellte sich vor die Pfanne und gab eine weitere Kelle Teig hinein. Während Jiriki die Küche und die Waage reinigte wurde der Stapel Pfannkuchen auf dem Teller immer höher. Der Grossteil war essbar, einige waren vielleicht etwas zu sehr angebraten, aber nicht sonderlich schlimm. Der Kriegerprinz war von sich selbst überrascht, es bereitete ihm Spass. Bisher hatte er nie weiter über Kochen nachgedacht, jemand machte es, er ass es. Die typische Haltung des Adels.
Isobel legte den Lappen weg, die schlimmsten Spuren waren beseitigt, das einzige was hier noch mit Mehl verschmiert war, war er selbst.
"Und was wollt ihr zu den Pfannkuchen haben? Ich kann Preiselbeerkompott aufwärmen", schlug Isobel dann vor, "Oder möchtet ihr Pilze und Speck dazu? Davon sollte noch etwas dasein. Aber ich fürchte, ihr habt einige Vorräte dezimiert." Der grosse Kriegerprinz nahm gerade mit der Gabel den letzten Pfannkuchen aus der Pfanne.
„Nein, macht euch wegen mir keine weiteren Umstände, aber die Preiselbeeren wären nett. Und ich glaube wir haben jetzt beide auch ein zünftiges Frühstück verdient, nicht wahr? Und nach dem Frühstück werde ich Galdos Leute ihm Hof versammeln lassen, aber erst wenn ich wieder einigermassen repräsentabel aussehe und nicht wie der Geist aus der Backstube.“
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Fr 25. Aug 2023, 22:47

Isobel

Der Kriegerprinz schob seine Erfolge zunächst bloß auf ihre Anwesenheit, meinte, dass er es alleine vermutlich nicht so gut hinbekommen hätte. Isobel lächelte geschmeichelt. "Wenn ihr es öfter probiert, werdet ihr besser darin werden, Sir, und mich bestimmt nicht mehr brauchen", gab sie freundlich zurück. Als sie ihm dann scherzhaft sagte, was ein Pruuler Mann für sie können müßte, fügte der Korporal gleich noch Tanzen hinzu. Seltsamerweise würden Frauen auf Männer stehen, die Kochen und Tanzen könnten. Die Gefreite lachte.
"Da habt ihr wohl recht. Aber ich glaub, es kommt darauf an für was man den Mann haben will. Kochen muss nur mein Gefährte können", fügte sie erklärend hinzu. Für eine Affäre oder gar eine einmalige nächtliche Bekanntschaft war so etwas ja ziemlich egal, da kam es auf andere Sachen an, Charme, Witz, eine gewisse Ausstrahlung, die einen anzog.
Als Jiriki sich dann traute nachzufragen weswegen Bonderus das Kochen lernte, oder zumindest das Zubereiten von Pfannkuchen, zögerte der großgewachsene Mann, strich sich etwas Mehl von der Schulter und die Pruulerin begann sich schon damit abzufinden, dass dies die einzige Reaktion war, die sie bekommen würde. So widmete sie sich lieber der Anrichte über die sie mit einem feuchten Lappen strich, ihn danach auswusch. Da fing ihr Vorgesetzter doch noch an zu erklären. Es hatte anscheinend mit der geheimnisvollen Frau zu tun, die ihr gemeinsames Kind verloren hatte und der er so zugetan war. Isobel war überrascht, eine Fortsetzung der Geschichte zu hören, die er ihr vor einigen Tagen des nachts anvertraut hatte. Nun erfuhr sie wie es nach der schlimmen Vergewaltigung seiner Geliebten weitergegangen war. Die Frau hatte sich wohl von ihm gelöst, da er ihr nicht das bieten könne was sie wolle. Es klang so als wollte sie keinen Kämpfer, sondern lieber einen sanften, einfühlsamen Mann, der ihr zum Frühstück Pfannkuchen machen könne.
Die Gefreite war kurz davor verträumt zu seufzen, weil Bonderus nun gerade das versuchte zu lernen und das nunmal romantisch war, mit einem Hauch tragischer Verzweiflung. Aber das kalte Lächeln des Kriegerprinzen ließ sie ihn nur stumm ansehen, hütete sich auch davor seine Frage zu beantworten, ob er wie ein einfühlsamer Mann aussehe. Nein, das tat er definitiv nicht. Wegen dieser Frau hatte er sich also hierher versetzen lassen und trotzdem schien er nicht von ihr loslassen zu können.
"Ich befürchte auch die hinterste Ecke der Welt ist nicht weit genug um sich vor sich selbst zu verstecken...", schloss er. Jiriki suchte nach richtigen Worten darauf, aber ihr fiel nichts ein was sie ihm hätte sagen können. Ihre Anteilnahme hätte vermutlich nur seinen Stolz angekratzt.
"Ich hoffe, sie erfährt einmal was ihr alles für sie tut, Sir...", sagte sie bloß leise. Selbst wenn sie das Ende der Geschichte nicht mehr mitbekommen würde, falls der Korporal zurück nach Dhemlan kehrte, so hoffte Isobel, es nähme ein glückliches Ende für ihn. Da der Korporal nicht weiter darüber reden wollte wie es schien, räumte die Soldatin weiter in der Küche auf, befreite auch die Waage vom Mehl. Bonderus entschuldigte sich bei ihr für die Unordnung, während er sich um die restlichen Pfannkuchen kümmerte.
"Das ist schon in Ordnung, Sir. Ich hätte so oder so gewischt", gab sie zurück, sah ab und zu zu ihm hinüber wie er sich mit den Pfannkuchen anstellte, doch er bekam es immer besser von selbst hin. Als sie ihm dann vorschlug was sie dazu bereiten könnte, entschied er sich für die Preiselbeeren.
"Und nach dem Frühstück werde ich Galdos Leute ihm Hof versammeln lassen, aber erst wenn ich wieder einigermassen repräsentabel aussehe und nicht wie der Geist aus der Backstube", erklärte er noch. Isobel sah ihn fragend an.
"Ein besonderer Anlass?", fragte sie ihn neugierig, holte die Preiselbeeren heraus. "Und ein Frühstück wäre nicht schlecht." Normalerweise hätte sie das schon längst gehabt und ihren Dienst angetreten, doch da Korporal Bonderus selbst hier war, war ja alles in Ordnung daran, fand die Gefreite. Sie tat den Preiselbeerkompott in einen Topf, stellte ihn auf den Ofen und rührte regelmäßig um. "Damit er unten nicht anbrennt", erklärte sie, es war schließlich kein Grund aufzuhören Bonderus was beizubringen. "Irgendwann solltet ihr dann auch auch lernen was für Beilagen es zu Pfannkuchen gibt. Damit ihr eurer Freundin auch was bieten könnt." Sie lächelte ihn an.
Schließlich waren sowohl Pfannkuchen als auch Preiselbeerkompott fertig und sie trugen alles nach vorne zum Aufenthaltsraum, wo aber niemand mehr war, bloß die Reste des Frühstückes standen noch da. Wahrscheinlich hatte sich niemand getraut in die Küche zu kommen, um seinen Teller zurückzubringen. Oder sie waren einfach mal wieder zu faul gewesen. Jiriki räumte etwas beiseite, aus dem Hof hörte man das Klirren von Waffen. Sicher war Gwyn unter den Trainierenden, der rothaarige Junge schien wie verwandelt.
"Die anderen sind wohl auf Patrouille", bemerkte sie, nahm sich einen Pfannkuchen. Dann fiel ihr auf, dass Bonderus weiterhin ziemlich mehlbestäubt aussah. Abwartend sah sie ihn an, ob er sich zuerst zurechtmachen oder zuerst frühstücken wolle. "Ich kann auf euch warten. Unter einem leichten Wärmeschild bleiben die Pfannkuchen frisch", erklärte sie.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Fr 25. Aug 2023, 22:49

Die Geschichte welche Malateste eben Isobel aufgetischt hatte, schien glaubwürdig gewesen zu sein. Vermutlich aus dem Grund, weil sie nicht komplett frei erfunden gewesen war, sondern auch reale Bezüge zu seinem Gefühsleben aufwies. Die Gefreite schien beinahe dahinzuschmachten und es tat Gualterio etwas Leid sie belogen zu haben. Aber seine ganze Existenz hier war doch eine Lüge? Manchmal vergass er es beinahe.
Isobel fragte nicht nach oder grub tiefer, sie brachte lediglich ihrer Hoffnung Ausdruck die geheimnisvolle Frau möge irgendwann erfahren was er für sie tat. Der Kriegerprinz lächelte aufmunternd.
„Das wird sie bestimmt irgendwann.“ Das hoffte er tatsächlich.
Einige Zeit später war der komplette Teig zu Pfannkuchen verwertet worden und die Küche wieder sauber. Gualterio hatte sich für Preiselbeeren entschieden und Isobel bereitete den Kompott in einem Topf zu. Während sie den Topf erhitzte, rührte sie ununterbrochen mit einer Holzkelle darin und erklärte ihm weshalb sie das tat.
"Irgendwann solltet ihr dann auch auch lernen was für Beilagen es zu Pfannkuchen gibt. Damit ihr eurer Freundin auch was bieten könnt." Sie lächelte ihn an und Malateste erwiderte es mit seinem verwegenen Grinsen. Die Pfannkuchen schienen nicht die erste und letzte Lektion gewesen zu sein, Isobel machte offenbar Anstalten seinen Unterricht fortzusetzen.
„Bin gespannt ob sich die Gelegenheit ergibt für meine Freundin zu kochen.“ Wie Laree wohl darauf reagieren würde wenn er sich plötzlich eine Schürze umbände und zu kochen begann? „Heisst das du willst mir mehr beibringen? Wenn ja, nehme ich das Angebot gerne an. Leider wird sich so schnell nicht mehr die Möglichkeit bieten wenn wir die Küche hier hinter uns zurück lassen und sie mit einem Lagerfeuer eintauschen.“
Gemeinsam trugen sie die Pfannkuchen, den Preiselbeerkompott und alles was dazu gehörte in den Aufenthaltsraum, den sie zu Malatestes Überraschung leer vorfanden. Nur die Reste des Frühstücks standen noch unaufgeräumt auf dem Tisch herum. Die Männner hatten sich schon absentiert und gingen hoffentlich ihren Pflichten nach, ansonsten würde er ihnen die Hölle heiss machen. Aus dem Hof drang Waffengeklirr an sein Ohr, und es juckte den Kriegerprinzen in den Fingern nachzuschauen wer dort übte und vielleicht selber einen Übungskampf zu absolvieren. Aber sein Hunger war gerade grösser als seine Lust auf einen Waffengang.
"Die anderen sind wohl auf Patrouille", meinte Isobel und nahm sich einen Pfannkuchen, hielt dann aber inne. "Ich kann auf euch warten. Unter einem leichten Wärmeschild bleiben die Pfannkuchen frisch."
„Nichts da“, entgegnete der Korporal und zog sich einen Stuhl heran. „Man soll das Eisen schmieden solange es heiss ist, beziehungsweise die Pfannkuchen essen solange sie frisch sind. Waschen kann ich mich auch noch später.“ Er nahm sich selbst einen Pfannkuchen, bestrich ihn mit den heissen Preiselbeeren und rollte ihn dann zusammen, so wie er es mochte. Beim ersten Bissen verdrehte der Kriegerprinz genüsslich die Augen. „Sie schmecken viel besser wenn sie selbst gemacht sind!“
Das Frühstück verlief in lockerer Athmosphäre und der Korporal und die Gefreite unterhielten sich, während er herzhaft zulangte. Am Ende half Malateste Isobel noch abzuräumen. „Es macht den Anschein das die Männer sich um den Abwasch gedrückt haben, ich werde nachher einen dazu verdonnern.“ Er zwinkerte Jiriki verschwörerisch zu, während er einen Stapel Teller in die Spüle stellte. „Aber jetzt sollte ich langsam wieder nach etwas aussehen, falls Orekh eine Überraschungsinspektion veranlassen sollte.“ Der grosse Kriegerprinz verschwand nach oben ins Zimmer und es dauerte einige Weile ehe er in Sions Schwarz wieder die Treppe herunterkam. Malateste trug zu der schwarzen Uniformjacke enge schwarze Lederhosen und schwarze Schaftstiefel. Diverse Griffe von Dolchen, Messer und dem Basilard blitzten an dem Wehrgehänge hervor. Quer über seiner Brust verlief ein Bandelier mit einer breiten Schnalle in dem sein Schwert zu Anderthalb-Hand steckte. Er schlüpfte in schwarze Lederhandschuhe und am Ende setzte er sich einen breitkrempigen ebenfalls schwarzen Filzhut mit einer roten Feder auf.
„Besser?“, fragte der Korporal Isobel. „Schliesslich werde ich gleich die Leute für mein Kommando aussuchen und da will ich schon etwas hermachen.“
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Mo 28. Aug 2023, 16:11

Isobel

Es wurde noch ein richtig nettes, gemütliches Frühstück. Bonderus wehrte es ab, sich zuerst zu waschen, er wollte zuerst essen. Isobel nahm es mit einem Schulterzucken hin, sie störte es nun wirklich nicht. In der Armee hatte sie enger mit Männern zusammengelebt als zuvor in Pruul, es war eine ungewohnte aber auch interessante Erfahrung. Der Korporal fragte sie, ob sie ihm noch mehr beibringen wolle, er würde das Angebot gerne annehmen.
"Ja, wenn sich die Gelegenheit bietet, zeig ich euch gern noch mehr Gerichte oder was ihr zu den Pfannkuchen servieren könnt", bot die Gefreite an. "Vielleicht nutzt es euch ja auch mal und nicht nur um die Frauenwelt in Entzücken zu versetzen." Sie grinste, fragte sich dann wie der Kriegerprinz früher gelebt hatte und ob er sich je hatte selbst versorgen müssen. Aber es schien so als stamme er aus einer adeligen Familie, jedenfalls vermutete sie es bei seiner Klasse, seinen Juwelen und seinem Auftreten.
Sie begannen zu essen und Isobel mußte lächeln bei seiner Bemerkung, dass die Pfannkuchen noch viel besser schmeckten, wenn man sie selbst gemacht hatte. "Ja, das stimmt. Außerdem hat es noch ein Vorteil, man weiß genau was man isst." Die Gefreite grinste, bestrich sich ihren Pfannkuchen auch mit Preiselbeeren. Wenn sie da manchmal an den obskuren Eintopf in der Feldküche dachte. Nein, ab und an wollte man wirklich nicht wissen was man da eigentlich aß. Die Antwort könnte einem nicht gefallen.
Sie unterhielten sich noch weiter, die Gefreite fand den Korporal zusehends sympathischer und sie hatte nichts dagegen in Zukunft offiziell zu seinem Trupp zu gehören. Korporal Espwin war zwar ebenfalls nett und umgänglich gewesen, doch von ihm kannte sie keine spät nachts vorgetragenen Schicksalsgeschichten, hatte ihn in der Brunft erlebt oder mit ihm Pfannkuchen gebacken.
"Es macht den Anschein das die Männer sich um den Abwasch gedrückt haben, ich werde nachher einen dazu verdonnern", bemerkte Bonderus, als sie das Geschirr nach dem Frühstück abräumten und zurück in die Küche brachten. Isobel blickte auf ihre Fußspitzen.
"Nein, ich glaube... ähm, sie wollten uns in der Küche nicht stören", erwiderte sie etwas leiser. Gerüchte bildeten sich schnell, den Männern war nicht entgangen, dass Bonderus sie öfter als die anderen nach oben ins Büro gerufen hatte. Sie konnten ja nicht wissen, dass dabei nie etwas passiert war. Der Kriegerprinz zwinkerte ihr noch zu und ging nach oben, wohl um sich zu waschen und sich umzuziehen. Wenn Isobel genauer darüber nachdachte, so hatte er heute morgen ungewöhnlich auffällig wenig auf sein Erscheinungsbild geachtet und so eine Andeutung gemacht, dass er eine harte Nacht gehabt hätte. Ob etwas bei dieser Befreiungsaktion der Rekrutin passiert war? Er hatte ihr während des Frühstückes gesagt, dass Galdos noch mit den anderen unterwegs war um nach dem Verbleib der Räuber zu sehen, doch genaueres wußte die Gefreite nicht.

Jiriki vertrieb die Gedanken, wischte noch einmal den Tisch ab und trank noch etwas, als eine der Patrouillen zurückkam. Sie führten einen Mann mit blutiger Nase nach unten in den Kerker. "Unruhestifter", erklärte Arif knapp, lehnte sich an den Empfangstresen wo das Protokollbuch lag und lächelte zu Isobel hinüber, entblößte so seine weißen Zähne. "Hast du noch einen Kaffee für mich?"
Die Gefreite goss ihm wortlos eine Tasse ein. Arif Jakeem war Pruuler wie sie, das schien ihm anscheinend auszureichen um sie interessant zu finden und zu glauben, sie würden perfekt zusammenpassen. Isobel sah das etwas anders. Wenig später betrat auch Jeromir Nardek das Wachhaus, hochrot im Gesicht und keuchend wie als wäre er den Weg gerannt. Stimmt, Jiriki erinnerte sich nicht daran ihn heute morgen schon gesehen zu haben. Nardek blickte sich gehetzt um. "Ist der Korporal schon auf?", fragte er, rückte seine Uniform zurecht.
Die Pruulerin grinste. "Ganz ruhig. Er hat dich nicht gesehen", sagte sie leise. Und Verpfeifen würde sie Nardek auch nicht. "Wo hast du denn die Nacht verbracht?", fragte sie, während sie ihn amüsiert musterte. Jeromir zog ein schwarzes Tuch aus der Tasche, wischte sich übers Gesicht.
"Bei meinem Mädchen", erklärte er, seufzte, "Wir haben nach Feierabend noch getanzt und getrunken und irgendwie... bin ich bei ihr eingepennt und grad eben erst aufgewacht."
Jiriki schmunzelte. Sie hatte schon mitbekommen, dass Nardek mit irgendeinem Schankmädchen angebändelt hatte, sie war nur überrascht, dass der nervöse Gefreite es tatsächlich geschafft hatte bei ihr zu landen. "Du solltest dir schnell das Gesicht waschen und die Haare kämmen. Bonderus kommt gleich runter, er will, dass alle sich im Hof versammeln." Vielleicht sollte sie auch Gwyn darüber informieren, sie war sowieso neugierig mit wem er da eigentlich trainierte. So ging Isobel kurz nach draußen, während Nardek auf den Abort eilte.
Im Innenhof kämpften Gwyn und Airas gegeneinander, der dhemlanische Obergefreite. Jiriki fand ihn etwas zu steif, aber er war sehr diszipliniert und der beste Schwertkämpfer von ihnen allen. Momentan noch wie es schien, denn der Rotschopf aus Shalador stellte sich gar nicht mal so schlecht an. "He, ihr beiden, macht mal ne Pause. Korporal Bonderus möchte, dass wir uns im Hof versammeln." Als sie wieder zurück nach drinnen kam, hörte sie am Knarren der Treppe wie der Kriegerprinz nun wesentlich herausgeputzter herunterkam. Er war ganz in schwarz gekleidet, die Hydra und die rote Feder waren die einzigen Farbtupfer.
"Hauptmann Orekh hätte eine helle Freude an euch, Sir", entgegnete Jiriki, blickte ihn dann aber überrascht an als er verkündete, er wolle sich nun die Leute für sein Kommando aussuchen. Wen er wohl alles mitnehmen würde? Im Wachhaus gab es mehrere kleine Trupps für Tag- und Nachtwache, die Auswahl war also nicht klein. Eigentlich müßte sie selbst gar nicht nervös sein, er hatte ja schon gesagt, dass er sie mit dabei haben wollte. Ach, sie würde die Arbeit an der Stadtkarte vermissen. Vielleicht konnte sie mit Gwyn ja die Umgebungskarten von Loraka aktualisieren, der Junge hatte ein Talent dafür was das Einschätzen von Entfernungen betraf und einen ausgezeichneten Orientierungssinn. Selbst wenn er sich oft nicht traute das zu zeigen.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Mo 28. Aug 2023, 16:12

„Ach, ich hoffe Hauptmann Orekh findet nicht zu viel Gefallen an mir“, scherzte Malateste zu Isobel und zwinkerte ihr schelmisch zu, ehe er eröffnete, bald seine Männer aussuchen zu wollen. Die Gefreite blickte ihn überrascht an. Wieso bloss? Er bemerkte das der Aufenthaltsraum wieder aufgeräumt war und dachte an die Worte der Pruulerin vorhin, vielleicht hätten die Männer sie beide in der Küche nicht stören wollen. Das gefiel ihm gar nicht. Wenn er Isobel zur Obergefreiten vorschlug, tat er dies weil er von ihren Qualitäten überzeugt war, er wollte keine Gerüchte darüber im Umlauf haben sie hätte sich «hochgeschlafen». Er sollte in Zukunft vermeiden sich mit ihr zu zweit in abgetrennten Räumen aufzuhalten.
Im hinteren Teil des Raumes knarrte die Tür die zu den hölzernen Aborten im Hinterhof führte. Nardek kam herein und stockte bei Gualterios Anblick. Er wirkte beinahe als ob er etwas ausgefressen hatte. Der Kriegerprinz musterte ihn prüfend, stellte aber keine Fragen.
„Gefreiter Nardek, schnapp dir zwei Leute und lass unter Galdos Soldaten verlauten sie sollen sich zur Zehnten Stunde auf dem Appellplatz im Hof versammeln.“ Der Gefreite salutierte ungeschickt, murmelte etwas und stolperte an ihm vorbei. Der Kriegerprinz bemerkte die Augenringe des Gefreiten. Offenbar hatte nicht nur er eine kurze Nacht gehabt.
„Wo sind die anregenden Kampfgeräusche hin?“, wunderte sich Malateste und machte sich auf dem Weg zum Übungsplatz. Der Rotschopf Gwyn und ein dhemlanischer Obergefreiter, Airas hiess er, standen im Hof und tranken aus einer Feldflasche. Beide hatten noch Schweiss im Gesicht und trugen zum Schutz dicke wattierte Gambesons. Als der junge Cadlew den Korporal erblickte stand er sofort stramm. Malateste winkte ab.
„Schon gut, steht bequem.“ Er betrachtete die Schwerter der beiden soldaten in den Scheiden. „Ich mag es wenn Soldaten selbstständig üben und nicht nur die vorgeschriebenen Stunden absolvieren. Bis zur zehnten Stunde dauert es noch eine Weile, genug Zeit für einige weitere Übungskämpfe. Zeigt was ihr draufhabt.“
Der Obergefreite zog blank und Gwyn wirkte plötzlich wieder etwas befangen, zog sein Schwert dann aber auch. Die beiden Soldaten begannen sich zu Umkreisen ehe Airas zum Angriff überging. Cadlew parierte nicht ungeschickt und ging seinerseits gleich zu einem Konter über. Es war verblüffend welche Fortschritte der schlacksige Jüngling gemacht hatte. Airas war ein routinierter Schwertkämpfer der schnell reagierte. Gwyn war ihm nicht gewachsen – noch nicht. Airas konnte von seiner grösseren Erfahrung profitieren, aber Gualterio bemerkte, dass ihm die Fantasie fehlte. Er führte immer wieder dieselben, oder ähnliche Angriffe aus und in seiner Verteidigung steckten einige Blössen. Für einen gemeinen Soldaten war er gut, vermutlich einer der Besten hier, doch ihm fehlte die Ausbildung die ein hayllischer Kriegerprinz aus einer angesehenen Adelsfamilie zu durchlaufen hatte. Meist wurden die Offiziersränge mit Adligen besetzt, manchmal waren es reine Beziehungen und Fehlbesetzungen, aber oft war der Grund die umfangreiche Ausbildung in theoretischer und praktischer Kriegskunst.
Airas durchbrach die Deckung von Gwyn und hätte ihn im Ernstkampf mit einem Stich in die Brust getötet. Er stoppte den Stich rechtzeitig und beide liessen die Schwerter sinken ehe sie gespannt zu Gualterio blickten. Der Kriegerprinz in Sions Schwarz trat näher.

„Gut gemacht, beide zusammen. Airas, du bist geschickt, aber bei der Seitenhut und der Hut vom Tag zeigst du zuviel Blösse, die Klinge deckt nur einen Teil deines Körpers ab und du würdest nicht rechtzeitig blocken können bei einem Gegner mir mehr Erfahrung.“ Mit einem zufriedenen Nicken wandte er sich an Cadlew. „Ich bin überrascht von deinen Fortschritten Gefreiter, du hast verstanden und umgesetzt was ich neulich gezeigt habe. Das ist keine Selbstverständlichkeit.“
Fliessend zog Malateste sein eigenes Schwert blank. „Ich zeige euch zweien jetzt eine höhere Kunst, das Anbinden der Klingen und das Fühlen ob der Gegner stark oder schwach am Schwert ist. Airas, greif mich aus dem Tag an mit einem Schlag gegen den Hals...“
Klirrend trafen die Klingen aufeinander und erneut hallten Kampfgeräusche über den Hof, nur unterbrochen durch die tiefe erklärende Stimme des Kriegerprinzen. Ehe eine nahe Glocke die zehnte Stunde schlug entliess Malateste die beiden Soldaten damit sie sich aus den Übungsgambesons schälen und sich kurz erfrischen konnten. Gegen Zehn begann sich der Hof mit Galdos Leuten zu sammeln und der Kriegerprinz deutete ihnen in Dreierreihe Aufstellung zu nehmen. Als alle komplett waren schritt er die Reihe ab und musterte prüfend die Gesichter der Männer und Frauen. Es war ein bunter Haufen aus allen Himmelsrichtungen, vom zähen Veteranen bis zum Grünen Jungen. Einige waren Soldaten, andere irgendwann vielleicht und weitere würden es nie werden. Und viele hier würden den Krieg nicht überleben.
„Wie einige von euch wissen ist Korporal Espwin wieder zurück und wird seine Aufgabe hier erneut aufnehmen. Kommandeurin Frostseel hat mir neue Befehle erteilt, ich soll das Umland sichern und meine Leute aus euren Reihen zusammensuchen.“ Der grosse Kriegerprinz legte eine Pause ein. Ein kühle Brise vom Meer her zog durch den Innenhof und die Fahne mit der Hydra knatterte leise im Wind. „Diese Aufgabe ist härter und gefährlicher als das was ihr hier tut. Doch werde ich jedem meiner Leute das Rüstzeug mitgeben welches er braucht um im Krieg zu bestehen. Denn das ihr hier euren gemütlichen Trott weiterführen könnt, bis Sion seine Ziele erreicht hat, ist eine Illusion. Jeden Tag könntet ihr versetzt werden, irgendwann könnte es gegen Hayll gehen und dann werdet ihr erfahren was Frontkrieg bedeutet. Spätestens dann werdet ihr euch wünschen weniger in den Hafenkneipen Lorakas herumgehurt und mehr über das Soldatenhandwerk gelernt zu haben. Zwölf von euch haben die Chance von mir persönlich ausgebildet zu werden. Ich werde mir meine Leute hier und jetzt aussuchen, doch zuerst biete ich euch die Chance mir freiwillig zu folgen. Wer genug Mumm hat und verstanden hat wovon ich eben gesprochen habe soll nun vor treten.“
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Mo 28. Aug 2023, 16:14

Gwyn

Er trainierte schon seit anderthalb Stunden gegen Airas, der nichts dagegen gehabt hatte mit ihm zu trainieren. Oft übte Gwyn aber auch alleine. Nur er und Tigerzahn. Sein Vater wäre vermutlich stolz auf ihn, doch darum trainierte der junge Prinz nicht. Er wollte, dass sich seine Kameraden in der Armee auf ihn verlassen konnten. Genauso wie Korporal Bonderus gesagt hatte. Trotzdem ging Gwyns Schüchternheit nicht davon, er wurde immer noch rot wenn ihn eine Frau anlächelte und stolperte immer noch über seine eigenen schlacksigen Beine. Auch weiterhin hatte er Angst vor dem großgewachsenen, kräftigen Kriegerprinzen, so dass er auch gleich hastig salutierte als der Korporal hinaus auf den Hof trat. Isobel hatte vorhin etwas davon gesagt, dass sie sich alle im Hof versammeln sollten. Weswegen? Und war es schon soweit? Aber Bonderus klärte sie dann darüber auf, dass es erst zur zehnten Stunde soweit wäre. Gwyn wagte leicht zu lächeln, als der Kriegerprinz sie lobte, dass sie von sich aus trainieren würden. Durch den geheimem Stolz, den er dadurch empfand, wurde er gleich ein paar Zentimeter größer. Allerdings schwand die Sicherheit sofort wieder als ihr Vorgesetzter sie aufforderte sie sollten zeigen was sie konnten. Airas zog sofort sein Schwert, doch Gwyn zögerte noch kurz bis er Tigerzahn ebenfalls zog. Bestimmt würde er alles falsch machen, er hatte schon jetzt das Gefühl, er hätte alles vergessen. Mit dem spitzen Ende stieß man zu oder? Aber als sie dann begannen zu kämpfen, mußte Gwyn feststellen, dass er sich doch noch an einiges erinnerte. Es machte ihn nervös, dass der Korporal ihnen zusah, trotzdem bemühte er sich sein bestes zu geben und sich gegen die Angriff von Airas zu Wehr zu setzen, startete selbst einige, auch wenn nicht jeder erfolgreich war. Am Ende war es keine große Überraschung, dass der Obergefreite gewann, obwohl Gwyn sich gewünscht hätte vor dem Kriegerprinzen ein bessres Bild machen zu können. Er ließ das Schwert ein wenig sinken und zog die Schultern zusammen in Erwartung einer Predigt über all seine Fehler.
Doch stattdessen lobte ihn Bonderus sogar, er wäre überrascht über die Fortschritte, die Gwyn gemacht hätte. Der junge Prinz wagte zu lächeln und strich sich die roten Haare nach hinten. "Danke, Sir."
Instinktiv machte er einen Schritt nach hinten, als der Kriegerprinz mit dem blinden Auge sein Schwert zog. Da bot er ihnen an, ihnen noch mehr Tricks zu zeigen. Gwyn leckte sich aufgeregt über die Lippen. Die höhere Kunst des Schwertkampfes. Das klang aufregend und so hörte er mit Eifer zu, versuchte sein Vorbild in der Bewegung nachzuahmen und das umzuzusetzen was ihm der Mann zeigte. Er bezweifelte, dass er jemals so gut werden würde wie der Kriegerprinz. Eigentlich war Bonderus viel zu gut für einen bloßen Korporalsrang. Gwyn hatte zuhause in Shalador zwei Waffenmeister gehabt und auch die Trainingseinheiten im Fort manchmal beobachtet. Er wußte wie gut die anderen Offiziere waren, aber kaum einer würde Jason Bonderus das Wasser reichen können, glaubte er.
Die Zeit verging wie im Flug und erst als die zehnte Stunde anbrach, fühlte Gwyn wie seine Arme schon schmerzten vom dauernden Heben und Senken der Waffe. Obwohl er erschöpft war und sich gerne waschen wollte bevor sie sich im Hof versammelten, kümmerte sich der Gefreite zunächst um Tigerzahn, schärfte das Schwert noch ein wenig, kontrollierte auch seine restliche Ausrüstung ehe er nochmal salutierte und sich beim Abort über einem Fass Wasser wusch und in seine Uniform schlüpfte. Hoffentlich kam er nicht zu spät.

Der Rotschopf eilte zurück auf den Platz, wäre in seiner Hast beinahe über seine eigenen Füße gestolpert, doch Isobel stützte ihn rasch, lächelte ihm aufmunternd zu. Gwyns Wangen färbten sich rot, rasch schaute er woanders hin. Nachdem der Hof sich mit weiteren Soldaten ansammelte, wies Bonderus sie alle an sich in Dreierreihen aufzustellen. Gwyn landete neben Isobel und Cedric.
"Wo ist dein Bruder?", flüsterte die Pruulerin Cedric zu, der ratlos mit den Schultern zuckte.
"Er wollte einer Spur nachgehen über Schmuggler", zischte er zurück.
Vorne hatte Korporal Bonderus inzwischen zu Reden begonnen. Er erklärte, dass die Kommandeurin ihm neue Befehle erteilt hätte, er würde in Zukunft das Umland sichern und Korporal Espwin sich wieder um die Stadt kümmern und seinen Dienst im Wachhaus fortsetzen. Zu diesem Zwecke würde Bonderus sich seine Leute aus diesen Reihen hier raussuchen. Leichtes Gemurmel mischte sich unter dem Knattern der Fahne im Wind. Gwyn warf einen Seitenblick zu Jiriki, die alles andere als überrascht wirkte. Hatte sie etwa davon gewußt?
Der Kriegerprinz appellierte an sie, dass sie es nicht immer so ruhig wie in Loraka haben würden und sie sich eines Tages noch wünschen würden mehr über das Soldatenhandwerk gelernt zu haben. Zwölf von ihnen hätten die Chance persönlich von ihm ausgebildet zu werden. Gwyn fühlte eine erwartungsvolle Anspannung in sich aufsteigen. Plötzlich wollte er unbedingt dazu gehören. Die anderen wußten vielleicht nicht was es bedeutete, aber er hatte gesehen und gehört, dass Bonderus viel Ahnung vom Kampf hatte, es wäre eine Ehre von ihm zu lernen, das begriff der Gefreite jetzt. So trat er gleich eifrig vor, allerdings schon bevor der Kriegerprinz zuende gesprochen hatte. Als Gwyn seinen Fehler bemerkte, machte er nochmal einen hastigen Schritt zurück und gleich darauf wieder nach vorn. Isobel gesellte sich schmunzelnd zu ihm. Auch Arif Jakeem und Airas Estelo eine Reihe vor ihnen traten freiwillig nach vorne. Andere waren weniger bereitwillig. Die Arbeit in der Stadt bedeutete für viele eine ruhige Art ihre Zeit in der Armee zu absolvieren, da klang ein Soldatenleben in Straßengräben in der Wildnis weniger verlockend. In dem Moment kam Obergefreiter Brion Penda durch die Hintertüre des Wachhauses in den Hof geeilt, blieb keuchend stehen. Dann blickte er sich verdutzt um, realisierte relativ schnell was gerade passiert war und stöhnte auf.
"Ich hab mich grad freiwillig für irgendwas gemeldet oder?", fragte er nach. "Jedesmal das gleiche."
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Mo 28. Aug 2023, 16:16

Gwyn trat einen Schritt nach vorne noch ehe der Kriegerprinz geendet hatte, hastig trat der Rotschopf wieder zurück ins Glied, nur um dann erneut als erster hervorzutreten nachdem Malateste geendet hatte. Nicht mal der Hauch eines Lächelns schlich sich in das harte vernarbte Gesicht des Korporals, auch wenn ihn der Eifer des jungen Gefreiten rührte. Schweigend und gespannt liess Gualterio seinen Blick über die Reihen schweifen. Direkt nach Cadlew trat Isobel gelassen nach vorne und musterte den eifrigen Gwyn mit einem Schmunzeln. Am anderen Ende der Reihe flüsterte ein Gefreiter zu seinen Kameraden und lachte leise anzüglich auf. Gefährlich verengten sich die Augen des Kriegerprinzen, doch er blieb stumm und wartete weiter. Als nächster trat Arif Jakeem nach vorne. Malateste war sich nicht sicher ob der Pruuler dies wegen Isobel tat, es war nicht zu übersehen das er Gefallen an der Gefreiten fand. Gualterio überlegte ob dies zu Ärger führen könnte, aber es war nicht von der Hand zu weisen das Jakeem ein Talent für Fernwaffen hatte. Als letzter trat der Schwertkämpfer Estelo nach vorne. Er hatte sich freiwillig gemeldet, wäre aber auch sonst auf der Liste des Kriegerprinzen gewesen. Einige Sekunden wartete der Kriegerprinz stumm weiter, doch kein weiterer Freiwilliger folgte, nur der Obergefreite Brion Penda kam durch die Hintertür hereingekeucht und realisierte mit einem Stöhnen die Situation.
"Ich hab mich grad freiwillig für irgendwas gemeldet oder?", fragte Penda nach. "Jedesmal das gleiche."
Gualterio lächelte leicht und deutete auf den Platz neben Estelo. „Du wirst in Zukunft viel an der frischen Luft sein Obergefreiter Penda.“ Der ehemalige Schmied war nicht nur kräftig, sondern auch ein Schlitzohr. Mit seiner jovialen Art könnte Penda das Vertrauen der Landbevölkerung gewinnen die dem Furcht einflössenden Kriegerprinz verwehrt bleiben würde.
"Und da ihr offenbar nur zu zweit zu haben seid wird dein Bruder gleich auch mitkommen." Gualterio deutete auf den anderen Schmied. "Bedank dich bei deinem Bruder."
Erneut liess er seinen Blick über die Anwesenden schweifen. In der dritten Reihe versteckte sich Jeromir Nardek und Malatestes Blick bohrte sich einige Augenblicke in den Gefreiten um ihm die Hölle heiss zu machen. Nardek starb bestimmt gerade tausend Tode vor Angst nach vorne gerufen zu werden, doch an ihm würde dieser Kelch vorüber ziehen, Nardek würde nicht passen für den Einsatz draussen und Gualterio hoffte für den Gefreiten, dass er den Rest seiner Dienstzeit tatsächlich in Loraka verbringen konnte.
„Kalantes Atur“, mit dem stämmigen Shaladorer begann Malateste seine Zwangsrekrutierung. Atur trat nach vorne und fügte sich seinem Los. Ihm folgte Lodier Machar, ein glatzköpfiger Chailloter mit einem langen dünnen Schnauz dessen Verstand so flink wie seine beiden Krummdolche waren, dann musste Marinus Pellia nach vorne treten, ein zäher wortkarger Veteran aus Dhemlan der sein halbes Leben in der Armee verbracht hatte, ihm folgte Messantia Rann, eine talentierte Fährtenleserin. Der nächste auf Malatestes Liste war Torus Wulfhere. Der blondhaarige Hüne behauptete aus Shalador zu sein, doch Gualterio war sich sicher das es ein Glacianer war der etwas ausgefressen hatte und aus seiner Heimat geflüchtet war. Die letzte die sich aus dem Wachhaus verabschieden durfte waren Verulia Tammuz, ein zähes Mannsweib die sich nicht scheute ins vorderste Getümmel zu stürzen. Es war ein wilder Haufen, aber es waren die Soldaten die für Malateste in den letzten Tagen mit besonderen Talenten und Charaktereigenschaften aus der Masse herausgetreten waren. Langsam schritt der komplett in Schwarz gekleidete Korporal die Reihe seiner Leute ab, dies war nun sein Kommando.

„Ihr zwölf habt bis zur dritten Stunde heute Nachmittag Zeit eure Sachen zu packen und euch dann im Fort einzufinden. Kommandeurin Frostseel wird noch drei Leute ihrer Wahl beisteuern. Ich werde unsere ersten Einsatzbefehle einholen und mit ihr über eine Solderhöhung verhandeln.“
Mit auf dem Rücken verschränkten Händen begab er sich noch einmal zu den restlichen Männern. Vor dem Gefreiten der vorhin einen leisen anzüglichen Scherz gemacht hatte blieb er stehen und lächelte kalt. Die Narbe leuchtete blassweiss in Malatestes gebräunten Gesicht und das weisse Auge blieb stumpf. Ohne Vorwarnung krachte die Faust des Kriegerprinzen mitten ins Gesicht des Soldaten und streckte ihn zu Boden. Der Gefreite hustete Blut, seine Nase sass schief und seine Oberlippe war hässlich aufgeplatzt und schwoll schon an als ihn der Korporal am Kragen packte und hochzog.
„Für mich gibt es in der Armee weder Frauen noch Männer, nur Soldaten. Manche haben es drauf, so wie die Gefreite Jiriki, andere nicht, so wie du. Du hättest keine Woche bei mir überlebt.“ Angeekelt liess der Kriegerprinz den Kragen des Soldaten loss, so dass dieser zurück auf den Dreck des Hofes fiel. Gualterio erhob sich.
„Ihr könnt abtreten, Korporal Espwin wird bald übernehmen“, donnerte die Stimme des Haylliers über den Hof ehe er mit schwerem Schritt über den Hof ging und ihm Wachhaus verschwand.
In dem Zimmer das er für kurze Zeit bewohnt hatte, übertrug Malateste die Liste seiner Leute für Frostseel auf ein Blatt Pergament und packte dann ein was von ihm noch da war. Kurz blickte er sich in dem Zimmer um, einiges war hier passiert, ehe er die Tür hinter sich schloss und sich hoch zum Fort machte um Bovert zu suchen wegen der Unterkunft für ihn und seine Leute.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Mo 28. Aug 2023, 16:16

Feldwebel Bovert

Sie standen zusammen auf dem Wehrgang von dem man aus einen guten Blick zum Waldrand und dem Parcour hatte, wo die Rekruten immer trainierten. Zwischen den Hindernissen stach am Ende der große Pfahl wie ein Mahnmal heraus. Der Feldwebel bewegte das Fernrohr etwas, um den momentan einzig interessanten Anblick ins Auge zu nehmen, den die kahlgeschlagene Ödnis dort draußen bot.
"Wie lange ist sie da draußen schon, sagst du?", fragte er mit leichtem Schmunzeln um die Mundwinkel. Alexis nahm einen Schluck aus seiner Feldflasche, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
"Zwei Stunden. Eine mehr wie ich angewiesen habe", erklärte er, "Die anderen Rekruten sind wieder hier, aber entweder hat sies nicht mitbekommen oder es interessiert sie nicht."
"Was hat sie da um die Handgelenke?", fragte Korporal Gabor Pathory irritiert, der ebenfalls durch ein Fernrohr blickte, "Sind das Gewichte?"
Lorcann rief zwei Metallscheiben mit Lederriemen herbei, hob eine nach der anderen hoch. "Ich nenne sie gerne Stärke und Disziplin", antwortete er mit einem Grinsen. Bovert lachte und klopfte seinem Kumpanen auf die Schulter.
"Du Rekrutenschinder", bemerkte er amüsiert. Die anderen lachten ebenfalls leicht, aber es standen nicht sonderlich viele auf dem Wehrgang wie vielleicht sonst. Es mochte an dem Schnitter liegen, der nur wenige Schritte entfernt stand und ebenfalls über die Palisaden blickte, obwohl er offensichtlich nicht mit einem Fernrohr eine neue, hübsche Rekrutin beglotzte wie die anderen.
Ernald ließ seinen Blick hinter sich übers Fort schweifen und bemerkte gerade den Kriegerprinzen, der die roh gezimmerte Holztreppe nach oben kam. "He, Bonderus, kommt her. Wir bewundern grad euren Fang von gestern", erklärte er und wartete bis der Mann mit dem vernarbten Gesicht auf dem Wehrgang erschienen war. Lässig warf er dem Korporal das Fernrohr zu. Dort sah man beim Trainingsfeld zwischen den aus der aufgewühlten Erde ragenden Baumstümpfen eine hayllische Rekrutin, die ein ihr viel zu großes Schwert hielt und immer wieder Schwünge übte, während um ihre Handgelenke Gewichte gebunden waren. Die schwarzen Haarsträhnen, die ihr ins Gesicht ragten, pustete sie immer wieder zurück, stolperte unter dem Gewicht des Schwertes, bekam es kaum angehoben und gab trotzdem nicht auf.
"Ich hörte, die Rebellen wären schon tot gewesen wenn ihr eingetroffen seid? Zu dumm", sagte Lorcann. "Es wird Zeit, dass wir in Raej mal richtig aufräumen. Zum Glück geht es bald los."
Bovert machte ein abschätziges Geräusch. "Ja, aber sie schicken zuerst die Sechste. Wann wird das Pack endlich weniger?" Alexis lächelte daraufhin siegesgewiss, lehnte sich gegen die Brüstung.
"Glaub mir, den nächsten Einsatz überleben sie nicht. Unmöglich. Selbst für die. Dann kommen wir nach und sammeln die Reste ein", gab er zurück, wandte sich dann zu dem Kriegerprinzen. "Habt ihr schon eure Leute ausgesucht, Bonderus? Passt auf, dass sie euch nicht gleich wegsterben. Die Rekruten heutzutage taugen nichts mehr."
Die Männer blickten wieder über die Palisaden. In einiger Entfernung hatte Venka endlich das Schwert fallen gelassen, humpelte auf den Pfahl zu. Ganz oben an der abgeflachten Spitze prangte ein Pfeil, der in der Seite steckte.
"Oh, sie wird doch nicht..", setzte Korporal Pathory an.
"Den Pfeil runterzuholen schafft sie sowieso nicht, das schafft niemand am ersten Tag", warf Alexis ein. "Wenn sie sich verletzt, ist es nicht meine Schuld", wies er gleich jegliche Verantwortung von sich, "Das Training ist schon seit einer Stunde vorbei."
"Zwanzig Goldmark, dass sies nicht schafft", sagte Bovert, kramte sein Geld hervor.
"Vierzig, dass sie aufgibt und dabei heult", steuerte Lorcann bei und auch andere begannen zu wetten.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Mo 28. Aug 2023, 16:18

Im Fort angekommen fragte Malateste nach Bovert bis ein Soldat hoch zum Wehrgang deutete. Dort erblickte er Ernald in Begleitung von Lorcann und einem Haufen anderen Offiziere die durch Ferngläser hindurch etwas beobachteten was allgemeine Erheiterung auslöste. Neugierig schritt der Kriegerprinz die grob gezimmerten Holzstufen zum Wehrgang hinauf als Feldwebel Bovert ihn auch schon erblickte.
"He, Bonderus, kommt her. Wir bewundern grad euren Fang von gestern", mit diesen Worten winkte er Malateste zu sich. Gualterio schwante Böses und er musste sich zwingen nicht die Stufen hochzurennen. „Was gibt’s denn“, knurrte der grosse Kriegerprinz und fing geschickt das Fernrohr auf welches Bovert ihm zugeworfen hatte. Er brauchte einen Augenblick um die Schärfe des Fernrohres einzustellen und den Grund der Aufmerksamkeit der Offiziere zu entdecken. Seine Befürchtung wurde zur Gewissheit, es war Laree. Die zierliche Hayllierin versuchte sich einsam auf einem kahl geholzten, aufgewühlten Übungsfeld mit einem grob geschmiedeten Schwert, welches zu gross und zu schwer für sie war. Sie konnte die plumpe Waffe kaum heben, was auch daran liegen konnte, dass sie zusätzlich noch Gewichte an die Handgelenke gebunden hatte. Doch Laree gab nicht auf, Malateste vermutete, dass dieses Wort noch nicht mal in dem Wortschatz der Hexe existierte. Larees Bemühungen wurden von Gelächter und spöttischen Bemerkungen der Offiziere begleitet. Nur mit Hilfe des Schwarztraums in seinen Venen gelang es Gualterio ruhig zu bleiben. Mit einem Massaker auf dem Wehrgang wäre weder Laree noch ihm, noch seinem Auftrag gedient.
Als Lorcann bedauernd meinte die Rebellen seien bei ihrer Ankunft schon tot gewesen senkte Gualterio das Fernrohr und zwang sich Lorcann anzublicken und sich lediglich vorzustellen ihm mit den Daumen die Augen aus den Höhlen zu drücken.
„Ja leider. Jemand hat uns die Arbeit schon abgenommen.“ Der Kriegerprinz nickte in Richtung des Schnitters der nur einige Schritte entfernt ebenfalls auf dem Wehrgang stand und in Richtung Laree blickte, jedoch ohne Fernrohr. Malateste bemerkte, dass er den Schnitter seit der Ankunft im Fort immer nur auf dem Wehrgang gesehen hatte. Je öfter er den Assasinen sah, desto weniger menschlich wirkte er auf Gualterio.
Lorcann fügte an es ginge glücklicherweise bald los und sie würden mit dem Pack aufräumen, doch Bovert entgegnete, dass zuerst die Sechste Kompanie geschickt würde. Bei dieser Aussage lächelte Lorcann siegessicher und lehnte sich an die Palisadenbrüstung.
"Glaub mir, den nächsten Einsatz überleben sie nicht. Unmöglich. Selbst für die. Dann kommen wir nach und sammeln die Reste ein", warf er in die Runde und wandte sich dann Malateste zu. "Habt ihr schon eure Leute ausgesucht, Bonderus? Passt auf, dass sie euch nicht gleich wegsterben. Die Rekruten heutzutage taugen nichts mehr."
Malateste lächelte leicht. „Ja, ich habe meine Leute ausgesucht und das die Rekruten nichts mehr taugen, mag vielleicht an der mangelnden Ausbildung liegen, nicht wahr?“ Dann wurde die Miene des Kriegerprinzen wieder ernst und er konzentrierte sich darauf nicht in Richtung von Laree zu blicken. „Was soll die Sechste den ausführen? Und wieso bist du dir sicher, dass sie es diesmal nicht auch wieder schaffen wird? Wie ich hörte wurde der Untergang der Sechsten schon öfters vergeblich vorausgesagt.“
Ehe Alexis antworten konnte wurden alle durch den Ausruf eines Korporals namens Pathory abgelenkt. "Oh, sie wird doch nicht..." Schnell hob Malateste das Fernrohr wieder ans Auge und blickte hindurch. Die Hexe hatte das unförmige Schwert weggeworfen und humpelte auf einen glatten Pfahl zu. Der Kriegerprinz stellte die Entfernung des Fernrohrs ein und konnte erkennen, dass in der Spitze des Pfahls ein Pfeil steckte. Was hatte dies zu bedeuten? Die Erklärung folgte von Lorcann.
"Den Pfeil runterzuholen schafft sie sowieso nicht, das schafft niemand am ersten Tag.“ Eine Probe also. Noch einmal studierte Gaulterio den Pfahl. Er war zu breit und zu glatt um ohne Hilfsmittel daran hoch klettern zu können. Was hatte Laree vor? Zum Teufel sie hinkte ja noch immer! Er verfluchte die Sturheit von Laree und schwor sich ihr bei Gelegenheit den Hintern dafür zu versohlen. Hatte er sie nicht davor gewarnt die Aufmerksamkeit von Lorcann und seiner Bande auf sich zu ziehen? Und was war jetzt? Mehr Aufmerksamkeit konnte sie wohl kaum noch bekommen. Die Offiziere standen wie geifernde Hyänen herum und ergötzten sich an ihrem vermeintlich wehrlosen Opfer. "Wenn sie sich verletzt, ist es nicht meine Schuld", wies Lorcann jegliche Verantwortung von sich, "Das Training ist schon seit einer Stunde vorbei." Dann ging das Wetten los.
"Zwanzig Goldmark, dass sies nicht schafft", sagte Bovert, kramte sein Geld hervor.
"Vierzig, dass sie aufgibt und dabei heult", steuerte Lorcann bei und auch andere begannen zu wetten.
„Diese vierzig hast du verloren Lorcann“, knurrte der Kriegerprinz senkte das Fernrohr und blickte den Feldwebel kühl an. „Diese Frau wird nicht heulen.“ Er wandte sich an Bovert. „Und Ernald, vielleicht wird sie es nicht schaffen, aber sie wird es solange versuchen, bis ihre Verletzungen es nicht mehr zulassen. Falls es euch entgangen sein sollte, die Rekrutin hat eine Dispens und sollte nur am Fernwaffentraining teilnehmen. Sie lag gestern im Sterben und heute wird sie einen Pfahl hochgejagt?“, fügte der Hayllier angewidert an. Er warf einen Seitenblick zum Schnitter. Was er wohl dachte? Und dann konnte er nicht anders als erneut gebannt Laree durchs Fernrohr zu beobachten. Süsse, sture wilde Laree, kaum hier und schon wieder bis zum Hals in der Scheisse!
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Mo 28. Aug 2023, 16:19

Feldwebel Bovert

Bonderus nickte hinüber zum Schnitter als Zeichen, dass er verantwortlich für den Tod der Rebellen war. "Ja, haben wir schon gehört", sagte Bovert etwas leiser, er wollte nicht unbedingt über den Assassinen sprechen wo dieser nur wenige Meter entfernt war. "Ein Mann gegen zwei Dutzend Rebellen, das Massaker hätte ich gerne gesehen."
Während sie ab und zu die Rekrutin beobachteten und ihre zotigen Witze rissen, begann sich das Gespräch über die Sechste und ihr baldiges Ende zu drehen. Zuvor machte der Korporal aber noch einen abschätzigen Kommentar über die mangelnde Ausbildung der Rekruten. Feldwebel Bovert lachte, wandte sich verschwörerisch an Lorcann. "Hörst du, jetzt beklagen sich schon andere außer den Rekruten über deine Ausbildung."
Lorcann schien das weniger amüsant zu finden, bedachte den Kriegerprinzen mit einem scharfen Blick. "An meiner Ausbildung gibts nichts auszusetzen. Allenfalls, dass die von oben mir nicht genügend Zeit damit lassen", verteidigte er sich.
"Was soll die Sechste den ausführen? Und wieso bist du dir sicher, dass sie es diesmal nicht auch wieder schaffen wird? Wie ich hörte wurde der Untergang der Sechsten schon öfters vergeblich vorausgesagt", fragte Bonderus nach. Alexis hob gerade an etwas zu sagen als sich die Szenerie vor dem Fort änderte und man erkennen konnte, dass die hayllische Rekrutin das Schwert fortgeworfen hatte. Jedoch nicht um endlich aufzuhören, sondern nun auf den Pfahl zuzuhumpeln. Ernald begann gleich eifrig zu wetten, er erkannte eine gute Wette wenn sie sich anbot und der Versuch der Rekrutin den Pfahl zu erklimmen bot sich bestens dafür an. Andere beteiligten sich ebenfalls, nachdem er den Anfang gemacht hatte. Solange bis sich wieder Bonderus einmischte und Lorcann sagte, er würde die vierzig Goldmark verlieren, da die Frau gewiss nicht heulen würde.
"Heißt das, du wettest vierzig dagegen?", fragte Bovert. Es kam ihm langsam seltsam vor, dass der Kriegerprinz sich so für die Frau einsetzte. Als es ihm aber dämmerte, begann er zu grinsen. "Oh, hat da wer nen Auge auf die Kleine geworfen? Dann musst du dich aber hinten anstellen", fügte er feixend hinzu.
"Ich weiß, dass sie vom Training entschuldigt ist", erklärte Alexis, "Sie hat auch am Bogenschusstraining teilgenommen, mehr oder weniger gut, aber danach wollte sie unbedingt weitermachen. Ich hab ihr gesagt, es ist auf ihre eigene Verantwortung. Alles was sie da draußen versucht, ist freiwillig." Er verschränkte die Arme vor der Brust.
"Also ich hab nichts dagegen. Endlich mal nen schöner Ausblick", bemerkte Pathory.
Inzwischen war die Rekrutin beim Pfahl angelangt, hob ihre Arme an und betrachtete dann die angebundenen Metallscheiben, die an den Lederriemen herabbaumelten. Nach einem kurzen Zögern warf sie die Scheiben um den Pfahl herum, so dass sie sich hinten ineinander verhakten und sie so stützen, als sie ihre Beine an das Holz presste und sich langsam nach oben zog, immer wieder die Schlinge weiter nach oben werfend.
"Na, ich werd verrückt, sie hat rausgefunden wies geht", murmelte Alexis, steckte seine Feldflasche fort. Er formte beide Hände so, dass sie einen Rahmen bildeten und hielt sie vor die Szenerie. "Ich nenne es Venka und die Besteigung des gigantischen Phallus."
Die anderen lachten und Ernald leckte sich verlangend über die Lippen. "Sie könnte ruhig mal meinen gigantischen Phallus besteigen", scherzte er, was noch mehr dreckiges Gelächter hervorrief.
Beim Pfahl rutschte die Rekrutin wieder ab, weil ihre Arme schon zu geschwächt schienen, versuchte es aber gleich erneut.
"Was die Sechste betrifft", kam Alexis zurück auf das Thema, "Sie haben Befehle bekommen, eine feindliche Stellung zu erobern. Wieviele sind in der Sechsten? 60? 80? Und das gegen ein vollbestücktes Fort in der Größe hier. Die sehen wir nicht wieder. Ist auch besser so." Er schüttelte den Kopf, machte eine winkende Geste, das ihm einer der Umstehenden ein Fernrohr geben sollte. "Letztens habe ich gesehen wie zwei von denen sich direkt vor meinen Augen im Fort geküsst haben. Widerlich."
"In den Salzminen wars bestimmt einsam", scherzte Ernald. Dann wär ihm beinahe das Fernrohr entglitten. "Hat sie etwa einen roten Spitzentanga an?!" Die Rekrutin war tatsächlich schon ein Drittel weit gekommen, man konnte sehen wie das Leder in ihre Handgelenke schnitt und kleine Blutrinnsale darunter vorquollen.
"Ich hab gehört wie Galdos gesagt hat, dass sie ne ehemalige Sklavin gewesen ist. Bestimmt ne Lustsklavin", bemerkte Gabor Pathory. Die Männer atmeten tief ein. Huren hatten alle schonmal gehabt, doch eine Lustsklavin war etwas ganz anderes.
"Hundert Goldmark, dass ich der erste im Fort bin, der sie flachlegt. Die Kleine scheints nötig zu haben", warf Alexis in die angespannte Stille ein.
"Da halt ich dagegen", sagte Ernald gleich. Das war nicht ihre erste Wette dieser Art. "Als Trophäe diesen Tanga." Er warf Bonderus einen anzüglichen Blick zu. "Was ist, machst du mit? Du willst sie doch auch oder?"
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Mo 28. Aug 2023, 16:21

Sofort hakte Bovert nach ob er mit vierzig Goldmark dagegenhalten, aber Malateste winkte nur ab. Der Feldwebel musterte ihn aufmerksam und begann dann plötzlich dreckig zu feixen.
"Oh, hat da wer nen Auge auf die Kleine geworfen? Dann musst du dich aber hinten anstellen." Für den Bruchteil eines Sekunde blitzte pure Mordlust in dem goldgefleckten Augen des Kriegerprinzen auf ehe es ihm gelang eine lächelnde Maske aufzusetzen. Gualterio griff sich in den Schritt.
„Du täuschst dich Ernald. Auch wenn es ein hübscher Käfer sein mag der da den Stamm hochkrabbelt, Sion hat mit seinem Schwarztraum dafür gesorgt das Töten das Einzige ist was mir noch Lust verschafft.“ Das Lächeln welches er Bovert zuwarf glich plötzlich eher einem Zähnefletschen. Lorcann rechtfertigte sich derweil wieder und zog sich weiter aus der Verantwortung die ein Ausbildner gegenüber seinen Rekruten hatte. Er behauptete, Laree hätte am Schusstraining teilgenommen und wollte danach weitermachen, und alles was sie dort gerade tat, machte sie freiwillig und auf eigene Verantwortung. Am Ende verschränkte Alexis beinahe schmollend die Arme vor der Brust. So sehr Gualterio Lorcann verabscheute, war er sich ziemlich sicher, dass dieser ihn eben nicht anlog, was er erzählte passte zu perfekt auf Laree.
"Also ich hab nichts dagegen. Endlich mal nen schöner Ausblick", fuhr Pathory dazwischen und rutschte mit dem schlechten Scherz eine Position höher auf Malatestes Todesliste. Der hünenhafte Hayllier konnte jedoch nicht anders als Laree erneut durchs Fernrohr zu betrachten. Sie blieb überlegend vor dem Stamm stehen und warf dann die Gewichte darum, so dass sie sich hinter dem Holz verknoteten und es ihr erlaubten sie wie ein Schlinge zu benutzen. Malateste hielt den Atem an als die Hexe die Beine gegen den Pfahl stemmte und zu klettern begann. Sein Herz schwoll unwillkürlich an vor Stolz auf die kluge und so unglaublich zähe Hexe.
"Na, ich werd verrückt, sie hat rausgefunden wies geht", murmelte Alexis von der Seite und formte mit beide Hände einen imaginären Bilderrahmen und hielt sie vor die Szenerie. "Ich nenne es Venka und die Besteigung des gigantischen Phallus."
Gualterio senkte das Fernrohr erneut, und während alle in dreckiges Lachen ausbrachen ballte sich seine Rechte im schwarzen Lederhandschuh zur Faust und er versuchte den roten Schleier der Blutlust vor seinen inneren Augen niederzukämpfen. Ernald doppelte auf Lorcanns Spruch nach und wünschte sich Venka würde mal seinen gigantischen Phallus besteigen. Das Gelächter schwoll an. Wie der Zufall spielte, war es Lorcann der Malateste half wieder einen klaren Kopf zu gewinnen, als er ihm erzählte worin der nächste Auftrag der Sechsten bestand, sie sollten in massiver Unterzahl ein voll besetztes Fort dieser Grösse angreifen.
"Das dürfte tatsächlich ihr Ende sein", meinte Gualterio tat dann so, als ob er weiter den kleinen Punkt in der Ferne betrachtete der mühsam am Pfahl hoch kletterte. Dieser Auftrag war kein Angriff auf ein kleines Rebellen- oder Räubernest, diese hatten keine solchen Stellungen. Es klang eher wie die Eröffnung des Krieges zwischen den beiden Königinnen in Raej. Vermutlich war es Strategie die Sechste zu opfern um dann offiziell Sions Kriegsmaschinerie in Gang zu setzen. Es war an der Zeit seiner Kontaktperson im «Bella Sera» einige Informationen zukommen zu lassen.
Die folgenden Scherze über die Sechste überhörte Malateste, erst als Bovert beinahe das Fernrohr aus den Händen fiel und er fragend ausrief ob dies ein roter Spitzentanga wäre, wurde Gualterio aus seinen Gedanken gerissen. Erneut blickte er durch das Fernrohr. Tatsächlich, beim Klettern war Larees Hosenbund nach unten gerutscht und offenbarte das rote Kleidungsstück. Doch Malatestes Blick hing nur kurz an der verräterisch aufblitzenden Unterwäsche. Voller Sorge betrachtete er statt dessen die roten Blutrinnsale die an den Handgelenken der Hexe unter den Lederbändern hervorzuquellen begannen. Er fluchte innerlich wie ein Berserker. Was zur Hölle wollte Laree damit beweisen? Wieso tat sie das? Der Kriegerprinz in ihm verlangte danach loszupreschen und sie von diesem verdammten Pfahl herunterzuholen, nur sein eiserner Wille hielt Malateste zurück.
Pathory musste sich indes auch mal wieder zu Wort melden.
"Ich hab gehört wie Galdos gesagt hat, dass sie ne ehemalige Sklavin gewesen ist. Bestimmt ne Lustsklavin.“ Für einige Sekunden war es still und man hörte die Männer kollektiv tief einatmen während alle Blicke an Laree klebten. Vermutlich hatte das Fort noch nie eine solch hohe Dichte an schmutzigen Gedanken auf einem Haufen erlebt. Und Malateste war sich sicher, dass die Fantasie der Männer nicht mal ausreichte um sich nur ansatzweise vorzustellen wie gut die Hexe wirklich war. Er hingegen wusste es. Laree war atemberaubend und das nicht nur im Bett, sie war die Verkörperung seiner Sehnsüchte. Schön, klug, rebellisch, zäh, kämpferisch, aufbrausend, trotzig und willensstark.

Das was nun kam war unvermeidlich. "Hundert Goldmark, dass ich der erste im Fort bin, der sie flachlegt. Die Kleine scheints nötig zu haben", warf Alexis ein und durchbrach die Stille.
"Da halt ich dagegen", konterte Bovert selbstverständlich in Sekundenschnelle. "Als Trophäe diesen Tanga." Er warf Malateste einen anzüglichen Blick zu. "Was ist, machst du mit? Du willst sie doch auch oder?"
Nun war es also soweit, die fröhliche Jagd auf Laree war eröffnet und er konnte wenig dagegen tun. Es war unmöglich Laree auf Schritt und Tritt zu bewachen und diese Hilflosigkeit brachte sein Blut zum kochen. Aber nach aussen hin lächelte Malateste nur, holte eine Zigarre aus seiner Gürteltasche und entzündete sie mit Hexenfeuer.
„Tut mir Leid Ernald, ich passe. Ich wette nicht gerne wenn ich dabei mein Leben verliere.“ Fragend blickten ihn die Offiziere an. „Ich war dabei als Venka gefunden wurde, der Schnitter hatte sich die letzten Tage um sie gekümmert. Und wisst ihr was ich gehört habe? Er will sie zu seinem Lehrling nehmen. Als die beiden vom Pferd stiegen erkannte ich Tod in ihren Augen. Und glaubt mir, ich erkenne den Tod wen ich ihm begegne.“ Die Zigarre glomm auf als der grosse Kriegerprinz einen tiefen Zug nahm und dann Richtung Schnitter nickte.
„Was glaubt ihr wieso er sie nicht aus den Augen lässt?“ Malateste bliess eine Rauchwolke aus. „Aber ich schlage dir eine andere Wette vor Ernald, 400 Goldmark, das der erste der Venka versucht gegen ihren Willen zu nehmen sein Leben...“, der Hayllier starrte offenkundig in Boverts Schritt, „...oder etwas anderes verliert.“
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Mo 28. Aug 2023, 16:23

Feldwebel Bovert

Als Ernald ein Geständnis von Bonderus rauskitzeln wollte, dass dieser auch interessiert an der Rekrutin war, griff sich der Korporal in den Schritt.
"Du täuschst dich Ernald. Auch wenn es ein hübscher Käfer sein mag der da den Stamm hochkrabbelt, Sion hat mit seinem Schwarztraum dafür gesorgt das Töten das Einzige ist was mir noch Lust verschafft", erklärte er. Der Feldwebel lachte auf, wandte sich an Alexis.
"Hast du das gehört? Ich wußte nicht, dass das Zeug ein Schlaffmacher ist", bemerkte er. "Tut mir leid für dich. Nun, bleibt mehr für uns."
"Ja, ich weiß. Maeve hat mir davon erzählt", knurrte Lorcann fast schon. Das Spielchen ging weiter, sie beobachteten alle diese Venka, die sich verbissen den Stamm hochschob, ihre Schenkel fest an das Holz gepresst. Bovert würde lügen würde der Anblick in ihm nicht Lust herbeirufen. Es gab ja auch nicht viele Frauen in der Armee, die einigermaßen hübsch anzusehen waren und wenn, dann war es gleich verboten seine Augen mal wandern zu lassen. Bei Cal Frostseel aus offensichtlichen Gründen, weil sie dir selbige Augen wohl rausgestochen hätte. Und bei Maeve... nun, das war mal eine klasse Dhemlanerin. Aber Ernald wußte, dass da Lorcanns Freundschaft eindeutig endete, würde er sich an der Gefährtin vergreifen.
"Wie gehts es ihr eigentlich?", fragte er beiläufig nach. Lorcann winkte ab, er schien nicht darüber reden zu wollen und dann sprachen sie bereits über die Wette. Als Ernald den Kriegerprinzen darauf ansprach, lächelte jener bloß erstmal und holte sich eine Zigarre aus der Gürteltasche. Etwas neidisch blickte Ernald zu der Zigarre, er selbst wartete noch auf eine Lieferung aus Dhemlan, die mit dem nächsten Schiff eintreffen würde.
Sehr zu Verwunderung Boverts, und nicht nur ihm, lehnte Bonderus die Wette ab, er wolle nicht sein Leben verlieren. Als der Soldat sich erklärte, gingen ein paar verstohlene Blicke hinüber zu dem Schnitter, der so wirkte als hätte er seit dem Eintreffen diesen Platz nicht mehr verlassen. Ob etwas wahres an der Geschichte mit der Schülerin dran war oder Jason bloß die Konkurrenz aus dem Weg schaffen wollte?
"Es ist wahr, sie suchen sich manchmal neue Lehrlinge aus der Armee aus", flüsterte Pathory.
"Aber ich schlage dir eine andere Wette vor Ernald, 400 Goldmark das der erste der Venka versucht gegen ihren Willen zu nehmen sein Leben...", es folgte ein Blick in seinen Schritt als Bonderus das sagte, "...oder etwas anderes verliert."
Die Miene des Feldwebels wurde ernster und er straffte sich, kam einen Schritt auf den großgewachsenen Kriegerprinzen zu. "Willst du mir drohen oder was unterstellen? Oder vielleicht beides? Wer hat denn was von gegen ihrem Willen gesagt?", entgegnete er, lächelte dann und strich sich beiläufig über die schmalen Narbe, die sich an seinem rechten Wangenknochen entlang zog. "Kaum eine Frau kann dieser Uniform widerstehen. Und diese unfähige Rekrutin neue Schnitterin? Das glaub ich erst wenn ichs sehe", gab er hart und von sich selbst überzeugt zurück.
"So unfähig ist die gar nicht", steuerte Lorcann bei, während er nochmal durchs Fernrohr blickte. "Sie hat schon über die Hälfte und es sieht nicht so aus als würd sie aufgeben." Er pfiff anerkennend durch seine Zähne. "Aber Bonderus hat Recht, ich hab es dort unten auch in ihren Augen gesehen. Ohne diesen Ausdruck wäre sie bei weitem hübscher. Naja, nicht zu ändern."
Er lehnte sich an die Holzbrüstung, steckte das Fernrohr wieder weg. Auch das Interesse der anderen an der Frau schwand. Nicht weil sie nicht weiterhin sehr verlockend war, sondern weil niemand sich unbedingt mehr als notwendig der Beobachtung des Assassinnen aussetzen wollte. Es könnte ja doch etwas an der Geschichte des Korporals dran sein.

"Ärger im Anmarsch", zischte Pathory und so war es auch, denn sie alle konnten regelrecht die kalten undurchdringlichen Blicke von Cal Frostseel auf sich spüren. Sie stand unten vor der Holztreppe, eine Hand auf ihr Schwert an der Seite gelegt, die andere an die Hüfte gestemmt.
"Ist heute kollektiver Wehrgang angesagt, meine Herren? Feldwebel Lorcann, ich will, dass ihr vierzig Mann aussucht, bis wir die Verstärkung bekommen, brauchen wir noch mehr von unseren Leuten, die in Zamora sind und die Arbeiten am zweiten Fort bewachen", wies sie knapp an. "Ich will, dass ihr den Befehl an den Hauptmann der Wache von Lady Magyarosa persönlich übergebt und mit ihm alles besprecht. Holt euch die Dokumente bei Hauptmann Orekh ab."
Alexis geriet gleich in Bewegung, kam die ersten Stufen der Treppe herunter. "Aber, Kommandeurin, meine Rekruten...", fing er an.
"Keine Widerrede! Heute ist kein Tag um mit mir zu diskutieren!", erwiderte sie laut, "Jemand wird euch schon morgen vertreten!" Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging mit zackigen Schritten davon.
"Heute? Die hat schon seit vorgestern üble Laune", bemerkte Bovert leise.
Lorcann fluchte unterdrückt, knöpfte seine Uniformsjacke zu. "Kein Wunder, die Sabotage ist nicht exakt das was sich gut auf ihrem Führungspapier macht. Und dann noch die andere Sache... die Interne wird jeden zerfleischen, der dafür verantwortlich ist."
"Bei unserem Glück schicken sie Ra", murmelte Ernald. Alexis nickte den anderen zu, verabschiedete sich und verließ dann den Wehrgang. Auch das restliche Grüppchen zerstreute sich, nach der Anfuhr der Kommandeurin. "Ich bin im Gutshaus Mittag essen", erklärte Bovert, ging die Treppe herunter und steuerte auf das Haus zu. Niemand, wirklich niemand von ihnen verschwendete noch einen Blick auf die Rekrutin. Nur einer starrte weiterhin über die Palisaden hinweg, die Hälfte des Gesichts unter einer schwarzen Maske verborgen ebenso wie alles was er sich zu der Szenerie denken mochte.
Die Haylliern hatte die Spitze erklommen, zog sich gerade an den Fingerkuppen weiter hoch und hockte dann zitternd, wohl vor Anstrengung, auf dem Stamm. Das schwarze Haar fiel ihr ins Gesicht, sie rieb sich die blutigen Handgelenke. Dann schien sie sich wieder zu fangen, zerrte an dem Pfeil, der in dem Holz steckte und wäre beinahe umgekippt als er sich endlich löste. Aber sie nahm ihn nicht mit nach unten, sie saß bloß da und ritzte für mehrere Minuten mit ihren bloßen Fingernägeln etwas in den Schaft des Pfeils und trieb ihn danach mit aller Kraft zurück ins Holz.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Mo 28. Aug 2023, 16:33

Nachdem der Kriegerprinz mit seinen Ausführungen über Venka geendet hatte, warfen die Offiziere sich und, sehr heimlich, auch dem Schnitter verstohlene Blicke zu. Pathorys flüsternd vorgetragene Bestätigung das Schnitter sich manchmal Lehrlinge aus der Armee aussuchten, verlieh Malatestes Geschichte gleich noch mehr Glaubwürdigkeit. Nur Ernald Bovert gab nicht so schnell klein bei. Er straffte seine Schultern und kam einen Schritt auf den Kriegerprinzen zu.
"Willst du mir drohen oder was unterstellen? Oder vielleicht beides? Wer hat denn was von gegen ihrem Willen gesagt?", knurrte der Feldwebel Gualterio an. Dieser nahm mit der Linken die Zigarre aus dem Mund während sich die behandschuhte Rechte wie beiläufig auf den Schwertknauf legte.
„Wenn ihr euch betroffen und beleidigt fühlt, Feldwebel Bovert…“, der Korporal wechselte in die förmliche Anrede, „…bin ich bereit euch Satisfaktion zu gewähren.“ Früher waren Ehrenhändel in der Armee sehr populär gewesen, ein schiefer Blick konnte schon bei einem Treffen mit blankem Stahl im Morgengrauen auf einem Feld oder unter einer Eiche enden. Dies führte zu einem markanten Offiziersschwund und die Armee stellte daraufhin Duelle unter Strafe. Was aber nicht bedeutete, dass sie nicht mehr stattfanden. Und je nach Kommandant wurde ein Duell auch mal unter den Teppich gekehrt und beide Augen zugedrückt. Malateste hoffte Bovert würde auf die Forderung eingehen und glauben einen Korporal jederzeit besiegen zu können, auch wenn es ein Kriegerprinz war, aber Ernald liess sich nicht aus der Reserve locken und ging nicht auf die Forderung ein. Er entschärfte die Situation mit einem Scherz darüber, dass keine Frau ihm in dieser Uniform wiederstehen konnte. Abschätzig blickte er dann zu Venka.
„Und diese unfähige Rekrutin eine neue Schnitterin? Das glaub ich erst wenn ichs sehe", sagte er hart und versuchte Malatestes Aussagen ad absurdum zu führen. Und erneut war es Alexis der Gualterio unfreiwillig Rückendeckung gab. So unfähig wäre die Rekrutin gar nicht, sie hätte schon über die Hälfte geschafft und machte nicht den Eindruck aufgeben zu wollen. Lorcann pfiff anerkennend zwischen den Zähnen hervor und Malateste glaubte, dass dies für seine Verhältnisse das Höchste Mass an Anerkennung war, welches er einer weiblichen Rekrutin entgegenbrachte. Malatestes Aussage wurde von Alexis gleich noch weiter zementiert. Er hätte es auch in ihren Augen gesehen und es würde ihre Attraktivität schmälern. Lorcann schob sein Fernglas zusammen und steckte es weg. Und so wie Alexis Fernglas verkleinert wurde, glaubte Malateste das auch einige Ständer in den Hosen der Offizieren geschrumpft waren. Laree war plötzlich recht uninteressant geworden. Das vermeintlich leichte Opfer hatte plötzlich Zähne, und mit dem Schnitter eventuell einen Beschützer den man nicht zum Feind haben wollte. Der Grossteil der Hyänen würde sich ein leichteres Opfer aussuchen wollen, nur Bovert machte nicht den Eindruck so schnell aufgeben zu wollen. Ihn würde Malateste im Auge behalten.

"Ärger im Anmarsch", zischte Pathory kurz bevor Frostseels gereizte Stimme zu den Offizieren auf dem Wehrgang hochdrang. Die Kommandeurin machte ihrem Ärger Luft und Alexis bekam den Grossteil davon ab. Malateste hörte mehr als interessiert zu. Verstärkung war nach Loraka unterwegs, aber noch nicht eingetroffen. Ein zweites Fort war im Bau und die Arbeiten dort sollten überwacht werden. Lorcann sollte heute noch mit vierzig Mann aufbrechen um die Befehle Königin Margyarosas Hauptmann persönlich zu übergeben.
Dies schmeckte dem Feldwebel überhaupt. "Aber, Kommandeurin, meine Rekruten...", fing er halbherzig an gegenzuhalten, aber Frostseel erstickte jegliche Widerworte im Keim. Gualterio musste sich ein schadenfrohes Grinsen verkneifen. Frostseel machte auf dem Absatz kehrt und damit klar, dass sie alles gesagt hatte.
Die Offiziere standen wie begossene Pudel herum und Bovert flüsterte sie hätte schon seit vorgestern schlechte Laune, obwohl Frostseel längst schon ausser Hörweite war. Lorcann knöpfte sich fluchend seine Uniformjacke zu, meinte dies sei kein Wunder bei der Sabotage und der „anderen Sache“. Malateste spitzte die Ohren. Alexis erzählte weiter die Interne würde jeden zerfleischen der dafür verantwortlich war.
"Bei unserem Glück schicken sie Ra", murmelte Ernald und Malateste war klar, dass dieser Ra kein Glückstreffer für das Fort sein würde. Jetzt war die Stimmung endgültig auf dem Tiefpunkt und Laree am Pfahl komplett vergessen. Die Offiziere verabschiedeten sich und verliessen den Wehrgang über die Treppe. Bovert erklärte, er würde jetzt im Gutshaus Mittagessen und verliess den Wehrgang ebenfalls.
Nur der Schnitter stand wie eine Statue an seinem Platz und blickt zu Laree hinüber. Malateste fragte sich ob die Geschichte die er den Offizieren aufgetischt hatte wirklich nur ein Schauermärchen gewesen war um Laree für die Offiziere uninteressant zu machen, oder ob nicht jedes Wort davon stimmte. Er dachte an die Worte der schwarzen Witwe, der Tod würde sich einen Lehrling aussuchen, und ein Schauer rann über seinen Rücken. Noch einmal blickte er zum Pfahl. Er hatte Boverts Fernrohr schon zusammengeschoben und kniff die Augen zusammen um besser zu erkennen was die Hexe tat. Laree hatte es tatsächlich auf die Spitze des Pfahls geschafft! Aber was tat sie da? Sie sass schwankend auf der Spitze und schien etwas in den Händen zu halten. Gualterio riss sich tief atmend von dem Anblick los und eilte die Treppe hinunter um zu Bovert aufzuschliessen.
„Dein Fernrohr Ernald.“ Malateste hielt dem Feldwebel das zusammengeschobene Fernrohr hin. „Kannst du mir nachher noch meine Unterkunft für mich und meine Leute zuteilen?“ Er legte jovial die Hand auf Boverts Schulter und lächelte verschwörerisch.
„Mann, Frostseel ist schon ein harter Brocken, man könnte meinen sie hat nen Schwanz zwischen den Beinen.“ Gualterio wurde wieder ernst. „Üble Sache das mit der Sabotage der Tränke, ich habe nach meiner Rückkehr davon gehört. Aber was ist die ‚andere Sache‘, ist noch was vorgefallen? Man sollte doch meinen die Trankgeschichte sei Ärger genug. Und das Ganze jetzt, kurz bevor die Interne kommt. Verflucht noch eins!“
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Mo 28. Aug 2023, 16:34

Feldwebel Bovert

Bovert war schon weitergegangen, an den Zelten vorbei, als Korporal Bonderus zu ihm aufschloss und ihm das Fernrohr zurückgab. "Oh, danke, das hab ich ganz vergessen", erwiderte er, ließ es in seinem Juwelengepäck verschwinden. Er wunderte sich etwas, dass der Kriegerprinz nun wieder so freundlich war wo er vorhin kurz davor gewesen war ihm ein Duell anzubieten. Es stellte sich bald auch heraus woher Bonderus' Verhalten kam, der andere Soldat wollte von ihm noch seine Unterkunft im Fort wissen. Bovert blickte etwas pikiert drein, als der halbblinde Mann ihm eine Hand auf die Schulter legte, verschwörerisch lächelte, so dass sich seine Narbe etwas verzog. Trotzdem entlockte ihm der Kommentar über Frostseel ein kurzes Lachen. "Man könnte meinen, sie bräuchte mal wieder nen Schwanz zwischen den Beinen", entgegnete er schlagfertig. "Die Unterkunft zeig ich dir nachher, erst will ich was essen." Bovert schritt rasch aus. Vielleicht hatte Bonderus die Gerüchte über den Schnitter nur verbreitet, weil er neidisch auf die Männer waren, die da unten noch funktionierten. Nach dem Motto, wenn ich sie nicht haben kann, soll sie keiner haben. Aber Ernald hatte nicht viel Mitgefühl, im Gegenteil, es ließ ihn sich überlegen fühlen.
Bonderus kam auf die Sabotage zu sprechen. "Ein paar Verhütungstränke, was solls. Es wär schlimmer gewesen, wenns die Heiltränke oder andere Medizin erwischt hätte, finde ich", bemerkte er. Der Kriegerprinz fluchte genauso über die Interne wie alle anderen. Was kein Wunder war. Kein vernünftiger Soldat konnte diese Erbsenzähler leiden. "Hast du nicht gehört, es soll einen Verräter in den eigenen Reihen geben", flüsterte er, "Einer, der die Rebellen vorwarnt." Auch wenn man ihm nicht viel darüber gesagt hatte, so viel hatte er zumindest aufgeschnappt. Wenn er das auch niemals einem Mannschaftsgrad weitergegeben hätte, aber da Bonderus ein Korporal war, sagte er es ihm.
"Und nachdem du mir mein Fernglas wiedergegeben hast, wann gibst du mir meine Zigarren wieder?", scherzte er und betrat das Gutshaus, um in den großen Raum zu gehen, wo die Offiziere sich besprachen oder in diesem Falle zu Mittag aßen. Hauptmann Orekh war bereits da, was nicht verwunderlich war, nach dem Mann konnte man die Uhr stellen.
Sehr zu Boverts Unmut war aber auch Rashar anwesend. Er aß jedoch nicht, sondern war über einige Karten von Raej gebeugt, fertigte sich auf einem Stück dünnem Leder gerade selbst eine an. Neben ihm stand ein weiterer aus der Sechsten, der Kerl mit dem halb verbrannten Gesicht, der gestern noch solche Scherze auf Kosten der Zweiten gerissen hatte. "Kommandeur", begrüßte Ernald den flügellosen Eyrier steif.
"Feldwebel Bovert, Korporal Bonderus", erwiderte Rashar freundlich.
Der Blick des Feldwebels hatte sich inzwischen verdüstert. "Hier sind nur Offiziere erlaubt."
Rashar nickte bloß geistesabwesend, während der andere Mann zwei Schulterklappen eines Feldwebels herbeirief. "Ich würd sie ja annähen, aber ich will nicht damit prahlen", sagte er in einem kräftigen südländischen Akzent. Er grinste sein zweigeteiltes Lächeln.
Nun blickte auch Hauptmann Orekh auf, rümpfte die Nase. "Hier dürfen sich nur Offiziere aufhalten, die sich auch zu benehmen wissen. Kommandeur Karssail, ihr seid angehalten die Befehlskette in eurer Kompanie für jeden klar ersichtlich zu machen."
Der Eyrier lächelte fast entschuldigend. "Ihr habt Recht, Hauptmann. Feldwebel Zucker, euer Benehmen ist unentschuldbar. Setzt euch dort hin und näht eure Schulterklappen an, damit jeder sie sehen kann", wies er den Mann mit dem verbrannten Gesicht an. Bovert war nicht wirklich zufrieden über diese Rüge, denn sie hatte nicht wie eine geklungen. Und war der Kerl nicht gestern noch Obergefreiter gewesen? Er war sich nicht sicher, da die Leute in der Sechsten sich nie mit Titeln ansprachen, sie meist ihre Uniformsjacken mit den Schulterklappen nicht trugen und es so für einen Außenstehenden schier unmöglich war die Offiziere vom Rest zu unterscheiden.

Ernald setzte sich so weit weg wie möglich von dem angeblichen Feldwebel, während zwei jüngere Soldaten mit dem Essen für die Offiziere hereinkamen. Rashar arbeitete weiter an seiner Karte und aß nur beiläufig mit.
"Und, ist Feldwebel Lorcann schon aufgebrochen?", fragte der Kommandeur zwischendurch. Bovert fragte sich kurz woher Karssail das schon jetzt wußte, hatte Frostseel andere Offiziere informiert? Der Feldwebel hatte sich inzwischen gesetzt und seine Uniformsjacke über die Stuhllehne gehängt.
"Woher soll ich das wissen? Vermutlich sucht er noch die Leute zusammen oder pflückt seine Rekrutin vom Pfahl draußen", gab Ernald lapidar zurück, er hatte kein großartiges Bedürfnis mit dem Kommandeur der Sechsten zu reden. Normalerweise wäre es ein Privileg gewesen und ein kluger Karriereschritt sich mit einem Kommandeur gutzustellen, doch nicht ausgerechnet dem von der Sechsten.
Rashar punzierte irgendetwas mit einem kleinen Hämmerchen in das Leder vor sich, hielt inne und sah dann fragend auf. "Rekrutin?" Sein Blick wanderte zwischen Bovert und Bonderus hin und her.
"Die neue, diese Räubersbraut. Sie versucht den Pfahl hochzuklettern", erklärte der Feldwebel und begann sich Essen auf den Teller zu tun. Der Mann mit dem Spitznamen Zucker erhob sich, warf sich seine Jacke mit den halb angenähten Offiziersstreifen lässig über die Schulter.
"Ich kümmre mich drum", meinte er bloß und wollte den Raum verlassen. Ernald spülte seinen letzten Bissen rasch mit einem Schluck Wasser runter.
"Seht euch lieber vor. Der Schnitter hat ein Auge auf sie geworfen", bemerkte er mit einem Grinsen und Seitenblick zu Jason Bonderus. Zucker drehte sich leicht, so dass man nur seine unverbrannte Gesichtshälfte sah, die wohl für sich betrachtet durchaus als sehr ansehnlich durchgegangen wäre.
"Dann pass ich auf, dass er nur meine Zuckerseite sieht", erwiderte er scherzend und verschwand aus dem Zimmer.
Hauptmann Orekh gab bloß ein abschätziges Geräusch von sich und auch Ernald war froh, dass der Kerl weg war. So konnte er sich wieder an Bonderus wenden. "Was deine Einsatzbefehle betrifft... es geht los sobald Korporal Espwin wieder da ist. Routinemäßige Patrouille auf den großen Straßen und dann gibts es ein paar umliegende Dörfer..." Er blickte sich nach den Karten um, doch Rashar schien sie alle beschlagnahmt zu haben. "Entschuldigung, habt ihr die Umgebungskarte von Loraka?"
Rashar nickte, schob sie zu ihnen herüber, während er gerade mit einem Zirkel eine Entfernung auf einer anderen Karte maß und sie scheinbar aufs Leder übertrug, dabei immer wieder einen Blick auf einen halb zerknüllten Zettel mit Gekrakel warf. Bovert fragte sich warum der Mann sich überhaupt noch die Mühe machte, wenn die Sechste ohnehin bald zu ihrem vermutlich letzten Einsatz ausrückte.
"Also hier sind ein paar Dörfer, die einen Teil ihrer Erträge an uns liefern müssen. Die Lieferungen waren teilweise unregelmäßig oder zu wenig. Ihr solltet denen mal klarmachen, dass sie uns nicht betrügen können." Bovert deutete auf die Karte, aß zwischendurch weiter. "Und hier und hier sind Knotenpunkte der Winde wo wir kleinere Wachtürme stationiert haben. Eure Patroille sollte an ihnen entlang laufen, kontrollieren ob alles in Ordnung ist."
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Mo 4. Sep 2023, 16:56

Das der Feldwebel irritiert reagierte überraschte Malateste nicht, doch der schlechte Scherz über Frostseel traf genau den Humor dem Bovert so gerne frönte. Frauendfeindlich und derb. Ernald lachte auf und das Geschehene auf dem Wehrgang schien vergessen. Womöglich spielte Bovert aber genauso eine Scharade wie Gualterio es ihm gegenüber tat. Der hayllische Kriegerprinz war von sich selbst überrascht. Nie hätte er gedacht das er sich selbst vor einem Haufen Männer als impotent bezeichnen würde, bestimmt würden bald die ersten Scherze über ihn kursieren. Es nagte durchaus an Gualterios Selbstwertgefühl, aber er hatte es getan um Laree zu schützen und glücklicherweise konnte er sich gestern selbst beweisen, dass seine Libido doch noch funktionierte. Jedenfalls hatte er bei Laree keinerlei Probleme gehabt.
Die Sabotage an den Verhütungstränken war in Boverts Augen kein grosses Vergehen, hier konnte man sehr schön die Sichtweise einer Frau und die eines Mannes auf dasselbe Geschehen betrachten, viel mehr machte Bovert die andere Sache zu schaffen, ein Verräter war in ihren Reihen.
„Ja, ich habe bei Sions Ankunft davon gehört“, knurrte Malateste. „Aber lange wird er sich nicht mehr verbergen können.“ Leider war er selbst der Entdeckung des Maulwurfs keinen Schritt näher gekommen, um ehrlich zu sich selbst zu sein hatte Malateste keine Sekunde mehr daran gedacht seit er von Larees Ankunft erfahren hatte. Dabei wäre das der Kontakt zu den Rebellen.
„Hier Ernald, nimm eine von meinen.“ Malateste bot Bovert eine seiner Zigarren an während er seine halb Niedergerauchte in den Schlamm warf und austrat. „Ist eine Gute, die lässt so manches böse Wort vergessen.“
Zusammen betraten der Fledwebel und der Korporal das Gutshaus und den grossen Raum der alle möglichen Zwecke erfüllte. Zu dieser Stunde war er gut besucht, dafür sorgte die Essensausgabe für die Offiziere. Neben Hauptmann Orekh war auch der Kommandant der Sechsten, Rashar Karsail, anwesend. Er übertrug gerade eine Karte auf dünnes Leder und der Soldat mit dem halb verbrannten Gesicht blickte ihm dabei über die Schulter. Beim Eintreten des Feldwebels und des Korporals blickte Rashar auf und begrüsste beide freundlich. Gualterio lächelte zurück und tippte sich grüssend an die Hutkrempe. „Kommandeur“.
Malateste wurde anschliessend Zeuge wie die beiden komplett verschiedenen Einstellungen der beiden hier stationierten Kompanien aufeinanderprallten. Bovert grüsste den ranghöheren Kommandeur zwar, aber merklich kühl, nur um dann auf dem Soldaten herumzureiten weil er sich in einem Raum für Offiziere aufhielt. Der Mann mit dem verbrannten Gesicht nahm Ernald den Wind aus dem Segel und holte die Rangstreifen eines Feldwebels hervor. Es folgte ein kurzer Disput in den sich auch Orekh einmischte. Zucker, so wurde der Feldwebel genannt, erhielt eine Rüge von Rashar die offensichtlich keine war. Weder Karsail noch Zucker liessen sich aus der Ruhe bringen, was Bovert merklich zum Kochen brachte.

"Und, ist Feldwebel Lorcann schon aufgebrochen?", fragte Rashar ruhig nach. Gualterio war überrascht, entweder hatte Cal hier ihre Pläne kundgetan, oder Rashar hatte gute Informanten. Bovert setzte sich möglichst weit von den beiden Angehörigen der Sechsten hin.
"Woher soll ich das wissen? Vermutlich sucht er noch die Leute zusammen oder pflückt seine Rekrutin vom Pfahl draußen", antwortete Ernald mürrisch lapidar. Einen Augenblick hielt Karsail mit dem Puntzieren der Karte ein, blickte auf und fragte nach.
"Die neue, diese Räubersbraut. Sie versucht den Pfahl hochzuklettern", erklärte Bovert, während er sich Essen auf den Teller schöpfte. Gualterio studierte den Eyirier aufmerksam. Woher dieses Interesse an Laree?
„Sie hat es übrigens auf die Pfahlspitze geschafft, zähes Ding die Kleine“, merkte Malateste respektvoll an und nahm dann selbst einen Teller zur Hand.
Zucker erhob sich und warf sich die Uniformjacke mit den halb angenähten Rangstreifen lässig über die Schulter. Er erklärte, er würde sich darum kümmern und wandte sich zum Gehen. Malateste verkrampfte sich und spürte Eifersucht in sich hochwallen. Er sollte jetzt bei Laree draussen sein und nicht dieser Kerl! Für all die Offiziere vorhin auf dem Wehrgang hatte Malateste nur Verachtung übrig gehabt, aber keinen von ihnen würde er als Konkurrenz betrachten, bei Zucker war dies jedoch anders. Er gehörte zur Sechsten und Malateste ertappte sich seltsamerweise dabei das er ihn deswegen für einen von den „Guten“ hielt. Ebenfalls fiel ihm auf, dass der Gedanke Laree könnte jemanden anders interessant finden für ihn unerträglich war. Aber wieso? Sie waren nicht zusammen, sie war die Gefährtin von Ayden und sie hatte ihm oft genug klar gemacht, dass sie nichts weiter für ihn empfand.
"Seht euch lieber vor. Der Schnitter hat ein Auge auf sie geworfen", rief Ernald Zucker hinterher und grinste dabei zu Malateste rüber, der fand alles jedoch gerade gar nicht witzig. Vom Feldwebel der Sechsten konnte man aus seiner Position nur die heile Gesichtshälfte sehen, als er sich mit einem selbstironischen Scherz verabschiedete, und bekam dadurch eine Vorstellung von dem Gutaussehenden Mann der dieser einst gewesen war.
Nachdem Zucker verschwunden war begann Bovert Gualterio sein zukünftiges Einsatzgebiet zu erklären während dem er ass. Er liess sich von Rashar eine Karte der Umgabung Lorakas geben und deutete auf einige Dörfer die unter die Lupe genommen werden sollten und auf die bewachten Knotenpunkte der Winde bei denen der Hayllier auch nach dem Rechten sehen sollte. Gualterio hatte erst Mühe sich auf Bovert zu konzentrieren, immer wieder schweiften seine Gedanken zu Laree ab die draussen allein mit Zucker auf dem Übungsfeld war. Was hatte sie eigentlich auf der Spitze des Pfahls gemacht? Es sah beinahe so aus als ob sie mit dem Pfeil etwas angestellt hatte. Malateste wischte die Gedanken zur Seite, er durfte nicht immer nur an Laree denken, sein Auftrag war verdammt noch mal wichtiger!
Nachdenklich rieb der Kriegerprinz über sein Kinn. Bovert sprach offen über Malatestes gesamten Einsatz, jeder hier konnte mithören. Gualterio blickte zu Rashar der sich komplett auf seine Karte zu konzentrieren schien. Was wäre wenn der Kommandant der Maulwurf war? Zumindest war er immer gut informiert. Es würde Gualterio nicht überraschen wenn besagte Dörfer auf der Landkarte schon bald wüssten das Sions Soldaten sie aufsuchen würden. Zumindest hatte er noch einen Aufschub bis Espwin zurück kehrte. So lange konnte er noch in Loraka agieren. Ob Rashar heute Abend im „Kessel“ war?
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Re: In Sions Armee

Beitragvon NSC » Mo 4. Sep 2023, 16:57

Feldwebel Bovert

Nachdem der Soldat der Sechsten zum Glück gegangen war, konnte Bovert dem Korporal erklären was seine Aufgaben für die nächsten Tage sein würden. Jedenfalls sobald Espwin zurückkommen würde. Während Ernald weiter auf der Karte die verschiedenen Ziele aufzeigte, schien der Kriegerprinz bloß mit halbem Ohr zuzuhören, denn er stellte keine Nachfragen und starrte bloß vage auf das Pergament. Der Feldwebel zündete sich die Zigarre an, nachdem er die Spitze mit einem Messer angeschnitten hatte und nahm einen ersten Zug nachdem er das Feuer ein wenig an den Tabakblättern hatte fressen lassen.
"Präg dir die Umgebung genau ein, du mußt sie in- und auswendig kennen wenn es brenzlig wird", sagte er, warf einen Blick zu Bonderus und lächelte schmal. "Aber wem sag ich das? Einem trainierten schlachterprobten Veteran, nicht wahr?" Der es anscheinend nicht nötig hatte sich für diese Routineaufgabe anzustrengen. "Vermutlich hast du das dauernd in der Vierten gemacht oder?"
Bovert nahm noch ein Schluck Wasser, ihm war eigentlich mehr nach etwas stärkeres, doch Orekh hätte jeden achtkantig rausgeworfen, der sich im Dienst einen genehmigte. Bei so etwas war der Hauptmann sehr streng. Der Kommandeur der Sechsten hatte inzwischen sowohl sein Essen als auch anscheinend seine kartographische Tätigkeit abgeschlossen, denn er rollte das Leder zusammen, nickte ihnen nochmal allen zu. Als er hinaus ging, kamen einige andere Offiziere hinein, um ebenfalls Essen zu fassen.
Bovert grüßte seine Kollegen von der Zweiten etwas enthusiastischer, wünschte ihnen guten Appetit, erhob sich dann ebenfalls und ging mit dem Kriegerprinzen hinaus. "Fehlt nur noch die Unterkunft für deine Leute oder? Die Kommandeurin hat mich darüber informiert. Als dein Vorgesetzter...", konnte Ernald es nicht lassen Bonderus unter die Nase zu halten. Noch hatte er die Drohungen vom Wehrgang nicht ganz verwunden. So deutete der Feldwebel zu zwei großen Mannschaftszelten, die an der "Grenze" zu jenen Zelten standen wo die Sechste hausierte. Kein beliebter Ort. Dafür waren die Zelte nicht viel anders ausgestattet als der Rest, schmale Feldbetten, dünne Decken und ausgestreute Holzspäne, zwei Sturmlampen vorne und hinten beim Zelt, Eimer zum Auffangen von Wasser oder Abfall... es war nicht sonderlich komfortable, aber den Soldaten sollten es sich hier ja auch nicht gemütlich machen, sie sollten bestrebt sein bald auszurücken.
"Die zwei sollten ausreichend sein", sagte er, "Da vorne ist der Platz wo das Essen für die Mannschaften ausgeschenkt werden. Und das Lagerhaus dort drüben kennst du ja, falls deine Leute neue Ausrüstung brauchen. Was ich nicht hoffe, die Ressourcen sind genau bemessen", fügte er hinzu. Bovert warf die Zigarre fort in den Schlamm, klemmte einen Finger hinter den Gürtel und ließ Bonderus etwas Zeit seine neue Unterkunft zu bewundern. "Noch etwas anderes hat mir die Kommandeurin gesagt.." Er ließ eine kleine Schreibtafel erscheinen wo drei Namen draufstanden. "Diese drei sollen noch dazu kommen." Es war ein Obergefreiter und zwei Gefreite, Ernald sandte ihnen Speerfaden, dass sie bei ihm antreten sollten.
Wenig später kam ein schlanker gut gebauter Hayllier mit dunklem kurzgeschnittenem Haar, seine schwarze Uniform tadellos. "Obergefreiter Diego Vetinaldi, Sir", meldete er sich und salutierte korrekt. Es dauerte nicht lange und zwei weitere Soldaten kamen hinzu, salutierten ebenfalls. Beides waren es Dhemlaner mit leicht gebräunter Haut, noch jung, aber durchtrainiert.
"Und das müssen Gefreiter Alvaro Thiron und Gefreiter Jardin Parsawina sein", bemerkte Ernald. "Ihr seid mit sofortiger Wirkung dem Trupp von Korporal Jason Bonderus hier zugeteilt." Mit einem teils zufriedenen teils schmierigen Grinsen wandte sich der Feldwebel zu dem Kriegerprinzen um. "Hast du noch Fragen oder kann ich dich mit deinen Neuzugängen alleine lassen?"
Im Hintergrund sah man wie durch das Seitentor die Rekrutin gehumpelt kam, während der sogenannte Feldwebel Zucker neben ihr herging und mit ihr sprach. Die Hayllierin drückte ihr Handgelenke an sich, die mit Stofffetzen umbunden waren, die verdächtig aussahen wie ein Stück Uniformsjacke. Venka verdrehte die Augen bei irgendetwas was der Soldat aus der Sechsten sagte, grinste dann aber und ging mit ihm weiter zum Gutshaus, wo sie nach drinnen verschwanden.
"He, er ist weg." Bovert hatte seine Aufmerksamkeit schon längst auf den Wehrgang gerichtet. Etwas fehlte. Der Schnitter war nicht an seinem üblichen Platz dort oben. "Was sagt man dazu. Ich dachte schon, er wäre dort festgewachsen." Trotz allem hatte er seine Stimme etwas gesenkt, man wußte ja nie.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Malateste » Mo 4. Sep 2023, 16:59

Je länger Malateste sich in Boverts Nähe aufhielt, desto mehr verabscheute er den Mann. Eben hatte Ernald sich die Zigarre zugeschnitten und angezündet und schärfte Gualterio ein sich alles genau einzuprägen um ihn dann schmallippig anzulächeln.
"Aber wem sag ich das? Einem trainierten schlachterprobten Veteran, nicht wahr? Vermutlich hast du das dauernd in der Vierten gemacht oder?" Der Tonfall den der Feldwebel anschlug gefiel Malateste ganz und gar nicht. Oh, das schleimige Wiesel hatte ja gar keine Ahnung wie schlachterprobt sein Gegenüber war, aber dies würde er vermutlich nie erfahren.
„Ach nein...“, lächelte Malateste zurück, „...das täuscht, ich war nur Ordonanz und hatte nie einen Ernsteinsatz und die Narbe und das blinde Auge stammt als ich Nachts besoffen auf dem Weg zur Latrine gestolpert bin.“ Malateste blickte zu Rashar. „Und es scheint ja auch erlaubt zu sein, Kopien der Karten anzufertigen, ich werde das heute auch noch tun.“
Er würde hier drin jede verdammte Karte kopieren und mit nach Hayll nehmen. Und als er an den von Gwyn angefertigten Stadtplan von Loraka dachte, wusste er wer ihm die Landkarte verfeinern würde. Bald hätte er eine bessere Karte der Umgebung als die auf welche gerade Asche von Boverts Zigarre segelte.
Karsail hatte seine Tätigkeit derweil auch abgeschlossen, er rollte seine Karte zusammen, verabschiedete sich mit einem Nicken und gab die Klinke beim Hinausgehen einem Schwall Offizieren der Zweiten in die Hand die zum Essen hereinströmten. Schlagartig besserte sich Boverts Laune und er scherzte mit den Angehörigen der Zweiten Kompanie ehe er in Begleitung des Kriegerprinzen, über dessen Kopf inzwischen eine dunkle Gewitterwolke zu schweben schien, verschwand und dessen Blick mit einer kalten Intensität unter dem Schatten der Hutkrempe hervor funkelte.
Malateste begleitete den Feldwebel über die ausgelegten Holzplanken zu den Mannschaftszelten. Ihm und seinen Leuten wurden zwei weisse Achtmannzelte zugeteilt und Gualterio bemerkte, dass es die letzten Zelte der Zweiten waren die vor dem Lagerteil der Sechsten Kompanie standen. Bovert spielte sich auf und betonte dem Kriegerprinzen gegenüber seinen Rang als Vorgesetzten. Der breitschultrige Korporal in Schwarz gab mit keinem Zeichen zu erkennen das er beeindruckt wäre und schlug den Zelteingang zurück um hineinzublicken. Das Übliche, die Zelte waren spartanisch eingerichtet, nur das Nötigste. Aber ehr brauchte er nicht.
Ernald erklärte ihm weiter, wo sich die Essensausgabe für die Soldaten befand und wo er Ausrüstung für seine Leute bekommen könnte. Bovert machte da aber gleich Abstriche und betonte die Resourcen seien genau bemessen. Gualterio war schnell mit der Musterung der Zelte zu Ende, viel gab es nicht zu sehen, und drehte sich wieder zu Ernald um, der sich mit einem in den Gürtel geklemmten Finger lässig in Pose geworfen hatte. Es war ihm anzumerken wie überlegen er sich fühlte. Er liess eine Schreibtafel erscheinen und erklärte, die Kommandeurin hätte ihm noch drei Leute zugeteilt, einen Obergefreiten und zwei Gefreite. Es dauerte auch nicht lange und die drei Soldaten gesellten sich zu ihnen, Bovert hatte sie offenbar mit einem Speerfaden herbestellt. Alle drei waren noch relativ jung Von den Namen und dem Äusseren her schätzte er den Obergefreiten als Hayllier und die beiden Gefreiten als Dhemlaner ein. Ihre Uniformen sassen tadellos und ihre Körper schienen gestählt. Das waren ausgebildete Soldaten. Malateste erwiderte ihren korrekten Salut und sein Blick bohrte sich dann in Vetinaldi. Was machte ein Hayllier in Sions Armee? Er würde Vetinaldi mal bei Gelegenheit ausfragen.
„Obergefreiter Vetinaldi, unter welchem Offizier haben sie bis jetzt gedient?“ Die Antwort kam umgehend.
„Erst Leutnant Aelor Feibos, Sir. Aber dieser ist bei der Übernahme von Loraka gefallen und seitdem waren wir bei Korporal Gabor Pathory, Sir.“
Gualterio nickte zufrieden und deutete auf das linke Zelt. „Gut, packt eure Soldatenkiste her und sucht euch ein Bett aus. Bald trifft der Rest meiner Leute ein. Macht euch bekannt.“
Der Kriegerprinz war froh, dass die drei Soldaten nicht aus Boverts oder Lorcanns Stall kamen, und er war sich sicher das sie nicht hier, sondern in Dhemlan ausgebildet worden waren. Trotzdem waren es drei Kuckuckseier die ihm hier von Frostseel ins Nest gelegt worden waren, darauf würde er Uhr und Urkunde setzen.
"Hast du noch Fragen oder kann ich dich mit deinen Neuzugängen alleine lassen?" Boverts schmieriges Lächeln widerte Malateste an.
„Nein, ihr habt es mir ja idiotensicher erklärt, Feldwebel.“ Die Betonung des letzten Wortes liess Spielraum für einige Interpretationen. In einiger Entfernung hinter Bovert konnte Gualterio plötzlich Laree sehen die in Begleitung von Zucker zum Gutshaus gehumpelt kam. Ihre Handgelenke waren provisorisch mit etwas verbunden das wie Uniformstoff aussah. Zucker sagte etwas und die Hexe rollte erst mit den Augen ehe sie dann aber lächelte. Malateste unterdrückte ein Aufknurren, aber gleich darauf waren beide aus seinem Blickfeld und ins Gutshaus verschwunden. Vermutlich waren sie auf den Weg in die Krankenstation. Laree hatte offenbar auch hier vor, Stammgast bei den Heilerinnen zu werden, genauso wie in Hayll. Sie brauchte noch nicht einmal Ayden dazu. Der Gedanke war böse und schmeckte in Malatestes Geist wie bittere Galle nach.
"He, er ist weg." Auf Boverts Ausruf hin folgte Gualterio dessen Blick und wusste sofort was er meinte, der Schnitter hatte seinen Platz auf dem Wehrgang verlassen und beinahe wirkte es, als ob dort nun etwas fehlte, so lange hatte seine Silhouette dort über das Lager gewacht. "Was sagt man dazu. Ich dachte schon, er wäre dort festgewachsen." Boverts Stimme wurde etwas leiser. Die feige Sau fürchtete sich.
„Vielleicht versteckt er sich wie der Schwarze Mann unter dem Bett in den Offiziersunterrkünften?“ Malateste lächelte süsslich und erntete einen bösen Blick vom Feldwebel, ehe dieser wortlos kehrt machte und verschwand.

Der Hayllier hatte nicht vor den Rest des Tages untätig zu verbringen. Er suchte Frostseel in ihrem Büro auf um ihr die Liste seiner Leute zu überbringen, die er gewissenhaft um die drei Neuzgänge verlängert hatte. Dann schlug er vor, Isobel den Rang einer Obergefreiten zu verleihen. Die Kommandeurin betrachtete erst ihn und dann die Liste. Sie wirkte wie immer äusserst unterkühlt, aber sie willigte ein, vorausgesetzt Korporal Galdos würde ihre Qualifikation bestätigen. Malateste war sich sicher, dass Espwin dies würde, auch dieser würde Isobels Fähigkeiten erkannt haben. Ein Stockwerk tiefer suchte der Kriegerprinz anschliessend Orekh in seinem Büro auf und bat um Erlaubnis den Gefreiten Gwyn Cadlew Zugang zum Kartenraum zu gewähren. Hauptmann Orekh überlegte während Malateste perfekt stramm stand. Vor dem Eintreten hatte er noch den Sitz seiner Uniform geprüft. Der Hauptmann schien nach dem Mittagessen in einigermassen aufgeräumter Stimmung zu sein, und gab dem Anliegen des Kriegerprinzen nach. Selbstverständlich musste er es noch schriftlich abfassen und siegeln, alles hatte schliesslich seine Ordnung hier. Aber am Ende hatte Malateste für den Gefreiten Cadlew die Erlaubnis sich exakt eineinhalb Stunden im Kartenraum aufzuhalten.
Gualterio ging zurück zu den Zelten um beim Eingang seine Soldatenkiste am Fussende eines Feldbettes zu platzieren. Darin bewahrte er die offiziellen Uniformteile und andere Kleidung auf die er aus seinem Juwelengepäck hervorholte. Seltsamerweise waren die Gewandungsstücke aus dem Juwelengepäck allesamt mit Mehl behaftet, und er erinnerte sich amüsiert wie er heute Morgen in seiner Hektik unverpacktes Mehl im Juwelengepäck hatte verschwinden lassen.
Es dauerte nicht lange und seine restlichen Soldaten trudelten ein um ihre neue Unterkunft zu beziehen. Sie war nicht so komfortabel wie die im Wachhaus, aber zumindest in seiner Gegenwart wagte es niemand herumzumosern. Die drei Dhemlaner wurden erst von seinen zwölf Leuten aus dem Wachhaus misstrauisch beäugt, doch dies würde sich bald legen. Gualterio liess seine fünfzehn Soldaten vor den Zelten antreten. Der Anblick erfüllte ihn mit vagem Stolz. Es war eine gute Auswahl, er würde vieles aus ihnen herausholen können. Schade war es Raej und nicht Hayll, und schade waren die Soldaten der Feind.
„Aufgemerkt!“ Malatestes befehlsgewohnte Stimme donnerte über den Platz. „Ihr seid ab jetzt meine Soldaten. Ich bevorzuge es, wenn sich die Leute unter meinem Kommando kennen und vertrauen. Deswegen werdet ihr ab sofort zusammen Essen, Kampfübungen machen und eure Freizeit verbringen. Ich möchte mich auf euch verlassen können und ihr sollte dasselbe untereinander tun. Ich will keine Animositäten untereinander. Wenn ihr Probleme habt, tragt das aus und dann ist gut. Klar?“
Der eisige Blick des Kriegerprinzen machte klar, dass er alles so meinte was er sagte.
„Ihr werdet mehr Kampfübungen machen als der Rest, dafür werdet ihr auch besser als der Rest. Ich scheisse auf die Standardausrüstung. Wenn jemand mit dem Kurzschwert nicht klar kommt das ausgegeben wird, gibt er es im Lagerhaus ab und holt sich die Waffe die ihm liegt. Jeder Krieger hat ein Talent für eine bestimmte Waffe und dieses werde ich fördern.“
Gualterio nahm seinen breitkrempigen Hut ab und strich sich mit den Lederhandschuhen durch das blonde Haar. „Richtig los gehen wir es erst morgen. Heute Abend werden wir auf unseren zukünftigen Erfolg anstossen. Wir treffen uns im „Roten Hahn“ und da will ich sehen, ob ihr auch saufen könnt.“ Der Kriegerprinz lächelte schief. „Gefreiter Cadlew, vortreten.“ Der Rotschopf trat aus der Reihe, längst nicht mehr so zögernd wie auch schon. „Hier ist die Erlaubnis von Hauptmann Orekh das du dich für Eineinhalbstunden im Kartenraum aufhalten kannst. Ich möchte, dass du mir eine genaue Kopie der Karte von Lorakas Umland anfertigst. Und zwar auf ein handliches Format verkleinert. Ich habe deine Karte im Gutshaus gesehen und weiss du kannst das.“ Cadlews Augen funkelten vor Aufregung bei der Vorstellung in den Kartenraum des Forts zu gelangen. „Ihr dürft jetzt abtreten bis euer Dienst im ‚Roten Hahn‘ beginnt.“
Malateste salutierte und entliess seine Leute fürs Erste. Der Tag war schon fortgeschritten und die kurze Nacht forderte ihren Tribut, er war müde. Es ging hektisch zu in den Zelten als die Soldaten sich ihre spärliche Privatsphäre einrichteten, deftige Scherze machten und sich um die besten Betten im Zelt stritten, doch dies störte Malateste nicht der auf seinem Feldbett döste und Schlaf nachholte. In seinen Träumen sah er Laree wie sie den Pfahl hochkletterte die Farben waren blass, nur ihr roter Tanga und das Blut an ihren Handgelenken stachen hervor.
Der Abend war angebrochen als Malateste das Zelt verliess. Er trug wieder sein speckiges Lederwams mit dem er angereist war und sah wie ein erfahrener Söldner aus. Nur die über die Schultern geworfene Uniformjacke wies ihn als Mitglied der Armee aus. Bevor er in den „Roten Hahn“ ging, wollte er noch im „Schwarzen Kessel“ vorbeischauen. Er wollte Rashar besser einschätzen können, also macht er sich auf den Weg dorthin in der Hoffnung den Kommandeur anzutreffen.
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Re: In Sions Armee

Beitragvon Laree » Mo 4. Sep 2023, 17:00

Nachdem Zucker wieder zurück zum Fort in der Nähe gegangen war, schritt Laree alleine weiter und hielt auf den Pfahl zu. Dabei kam sie an dem vorbei was vermutlich den Parcour des Todes darstellen sollte. Für sie wirkte es so wie die kranken Fantasien eines Sadisten, der wohl einen Spaß daran fand zu beobachten wie Leute durch Matsch und Wasser fielen oder robbten. Es gab mehrere Kletterwände, Erdwälle, Seile mit denen man sich über Gruben schwang oder enge Tunnel aus stachligen Dornengeflecht. Noch lag alles still und wie ausgestorben dort, doch als Laree daran entlang ging, hörte sie die laute Stimme eines Mannes, der Befehle rief und andere, die ihm im Chor antworteten.
Die Hayllierin gelangte zu einem größeren gerodeten Platz, der an einer Seite von Zielscheiben begrenzt wurde. "Leeeegt an!", rief ein Dhemlaner, seine Uniform stand ihm, die dunklen Haare waren zurückgekämmt, seine goldenen Augen blitzten kraftvoll. Das mußte Alexis Lorcann sein. Ein bißchen konnte Laree die Heilerin verstehen, sie musterte den Mann genauer während sie langsam näher kam. Die Arbeit gefiel ihm, das konnte man sehen, es gefiel ihm auch Befehle zu geben. Vermutlich hätte es jedem gefallen zu sehen wie eine ganze Gruppe Soldaten auf sein Kommando mehr oder weniger synchron die Bogen spannten. "Feuer!" Die dunklen Pfeile schossen durch die Luft wie losgelassene schwarze Rachefeen. Wie Rauch, der viel zu schnell über dir zusammenschlägt...
Einige der anderen Rekruten wandten nach dem Loslassen der Sehne neugierig die Köpfe zu ihr, wisperten unterdrückt. Ein paar der Gesichter erkannte Laree wieder, Rekruten, die mit bei Korporal Espwins Trupp aus Garois gewesen war. Sie hatte dazu gehört. Jetzt kamen sie ihr so furchtbar weit weg vor, selbst die Gesichter hatten ihre Bedeutung verloren.
Die Hexe straffte sich, ging weiter auf Feldwebel Lorcann zu und erinnerte sich noch rechtzeitig daran vor ihm zu salutieren. Es war ein guter Salut, nicht zu lasch, aber auch nicht zu zackig. Das hatte sie nicht in der Armee gelernt, sondern bei Ayden wie sie sich schmerzlich erinnerte. Er mochte Rollenspiele... und es ärgerte Laree selbst, dass sie ihn vermisste. "Sir, Rekrutin Venka Ives meldet sich zum Training, Sir", setzte sie an und hielt dann dem Offizier die zwei übrig gebliebenen Zettel entgegen. "Ich weiß nicht welcher, aber einer von ihnen ist von Lady Winters für euch, Sir." Lorcann musterte sie aus interessierten Augen von oben bis unten, nahm dann die zwei Papiere entgegen, las sie beide sehr genau und gab ihr den, den sie der Priesterin in Loraka zeigen sollte, zurück.
"Nur Fernkampf für die nächsten drei Tage steht hier. Wo ist dein Bogen, Rekrutin?", fragte er sie. Laree rief den Kurzbogen und den Köcher herbei. "Wenn du hier antrittst, hast du das gefälligst schon alles angelegt. Draußen an der Front wirst du auch keine Zeit haben dir deine Sachen aus dem Juwelengepäck zu holen. Los, reih dich dort hinten ein", wies er sie im harten Tonfall an.
Würde er ihr nicht sagen was sie zu tun hatte? Laree hatte noch nie einen Bogen benutzt, Waffentraining war schließlich Sache der Männer. Gut, sie könnte ein bißchen mit dem Stilett umgehen und Dolche werfen, aber auch nur weil Ayden es ihr gezeigt hatte. Die Hayllierin ging langsam an den Grüppchen der anderen Rekruten entlang auf den letzten Platz zu wo noch etwas frei war. Es fühlte sich wie ein Spießrutenlaufen an, obwohl niemand etwas sagte, nicht ein schäbiges Wort oder abschätziger Blick. Aber sie alle schienen von den anderen gehört zu haben, dass sie von Räubern verschleppt worden war.
Sie wissen überhaupt nichts, dachte Laree grimmig.

Was wohl aus Mailin geworden war? Die andere Rekrutin, die von Aldo geschändet worden war. Die Glückliche... Laree entdeckte sie nicht mehr unter den anderen, war sie gestorben oder zerbrochen? Egal was es war, Laree fühlte bei dem Gedanken einen beißenden Stich bis sie merkte, dass es Neid war. Wenigstens mußte Mailin nicht mehr imn vollen Bewußtsein mit ihrer Vergangenheit leben, mußte sich nicht mehr an jede Einzelheit erinnern... sie dagegen konnte auch jetzt noch die Geräusche hören, ihr Gelächter, ihre Stimmen, die Gerüche wahrnehmen, ihr Schweiß, ihr Samen, ihr Blut...
"Venka? Erinnerst du dich noch? Lenear Tamin", sagte ein junger Lande, lächelte zögerlich.
"Es ist nur ein paar Tage her, natürlich erinnre ich mich noch", erwiderte Laree distanziert. Ob es nun an ihrer Stimme oder dem Ausdruck in ihren Augen lag, der schlanke Mann machte einen leichten Schritt zurück.
"Ja, sicher... ich dachte nur...", er brach ab. Ja, für mich hat es sich auch viel länger angefühlt, vollendete Laree im Stummen den Satz. Ihr leises Gespräch wurde von der ermahnenden Stimme Lorcanns unterbrochen.
"Ich will absolute Konzentration. Legt erneut einen Pfeil ein, die Bewegung vom Köcher zur Sehne hin muss sanft, präzise und schnell erfolgen. Die Zeit, die ihr damit verbraucht, einen Pfeil aufzulegen, kann ein Angreifer damit verbrauchen sein Schwert zu erheben und euch niederzustrecken!", erklärte er, während Laree noch damit beschäftigt war sich den dummen Lederköcher umzuhängen und bei Lenear abzuschauen wie sie den Bogen halten mußte. Was machte sie hier überhaupt? Sie gehörte in keine Armee, sie war keine Soldatin und sicher wollte sie auch nicht sanft, präzise und schnell einen Pfeil auflegen während irgendein Berserker auf sie zustürmte. Ihre Arme zitterten als sie dann endlich den Pfeil zwischen Finger und Sehne geklemmt hatte und ihr erster Schuss war so weit ab vom Kurs, dass sie die Zielscheibe der Gruppe neben ihnen am äußeren Rand traf.
Es war ihr egal. Was machte es schon, ob sie gut oder schlecht darin war? Vor ihrem inneren Auge spielten sich trotz allem gleiche Szenen ab. Wie sie aus dem Schlaf gerissen und gleich geschlagen worden war, um jegliche Gegenwehr schon im Keim zu ersticken. Finger, die harte rote Striemen an ihren Schenkeln hinterließen, unterdrückte Schreie und die Hitze zwischen den schlecht gegerbten Fellen auf denen sie lag....
"Nein, Venka, du greifst den Bogen falsch", riss der Feldwebel sie aus ihren quallvollen Erinnerungen. Als sich aber seine Hand auf ihre legte, sah ihn Laree gleich mit Todeswunsch in den Augen an. Lorcann stockte kurz. "Hier, deine Finger kommen dorthin. Jetzt nochmal", forderte er sie auf. Die Hayllierin sagte nichts, versuchte das Ziel anzuvisieren, ließ den Pfeil aber viel zu früh los, so dass er nichtmal die Zielscheibe erreichte. Sie hasste es! Sie wollte zurück nach Hayll, so sehr, egal wie hart Ayden sie für ihr Weglaufen bestrafen würde. Ob er sie überhaupt zurücknehmen würde? Und gleichzeitig wünschte sie sich, Gualterio stünde nun hinter ihr und nicht dieser Lorcann. Malateste hatte Recht, sie mußten unbedingt miteinander reden, aber sie hatte solche Angst davor. Er konnte gar nicht ermessen wieviel Angst... und teilweise bereute sie es auch, dass sie mit ihm in der Krankenstation geschlafen hatte. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Hatte sie um jeden Preis die Erinnerungen an die Reise auslöschen wollen oder hatte sie sich tatsächlich nach ihm gesehnt? Vermutlich beides. Laree konnte es auch nicht auf Gualterio schieben, dieses Mal war es eindeutig sie gewesen, die gefordert hatte. Anderseits hatte er sie nicht unbedingt von dieser Dummheit abgehalten... hauptsache, er kam zum Zug. Das Antlitz der Hexe verdüsterte sich mehr und der nächste Pfeil landete in der Nähe der schwarzen Mitte der Zielscheibe.
"Gut, weiter so. Die anderen auch!" Lorcann schritt den Weg zur Spitze zurück und die Übung im Bogenschießen setzte sich fort.

Larees Arme schmerzten, ihre Finger fühlten sich wund von der Sehne an, als der Feldwebel ihnen endlich eine Pause erlaubte. "Morgen werdet ihr in das Armbrustschießen eingeführt und lernt die Vor- und Nachteile beider Fernkampfarten kennen! Gehen wir über zum Nahkampf..." Die Hexe nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Feldflasche, folgte den anderen als sie sich sammeln sollten. "Du nicht. Setz dich dort hin und schau zu", befahl ihr Lorcann. Zunächst fügte sich Laree der Anweisung, sie war ja auch wirklich froh darüber ausruhen zu können. So saß sie auf einem Baumstumpf, beobachtete die anderen wie sie die Grundzüge des Schwertkampfes gezeigt bekamen. Der Feldwebel kam ihr wie ein guter Kämpfer vor, seine Bewegungen waren schnell und sauber. Trotzdem zweifelte sie nicht daran, dass Gualterio diesen Kerl ohne größere Schwierigkeiten zerlegen würde. Aber je mehr die Hexe dort saß und ihren neuen Kameraden zusah, desto deutlicher und schmerzhafter wurde das Gefühl des Ausgeschlossenseins. In den Tagen vor Loraka war der Wunsch zu dieser Stadt zu kommen, das einzige gewesen was ihren Lebenswillen hochgehalten hatte und jetzt wo sie angekommen war... es war schwer in irgendetwas noch einen Sinn zu erkennen. Konnte sie nicht einen neuen finden? Irgendetwas...
Die Hexe legte den Kopf in den Nacken, blickte nach oben in den blassen Himmel mit einigen Wolken wie der pockennarbige Arm eines Söldners. Früher hatte sie einmal an die Mutter der Nacht geglaubt, doch damals war sie noch ein Kind gewesen. Dann war ihr der Glaube an das Schicksal geblieben bis die Stränge an denen dieser Glaube hing immer dünner und weniger geworden war... der verzweifelte Wunsch, dass irgendetwas was ihr widerfahren war, einen Sinn gehabt hatte. Den Zweck vielleicht sie stärker zu machen, sie zu dem zu machen was sie jetzt war. Nur schien sie jede Tat weiter von sich selbst fortzutreiben, stolpernd in die Dunkelheit um sich darin zu verlieren. Es gab kein Schicksal, es gab keinen Sinn mehr... und ihr Glaube lag irgendwo verbrannt in dieser namenlosen Scheune.
Langsam erhob sich Laree wieder, blickte zu Lorcann, der in einer fließenden Bewegung einen Bogen gespannt hatte, um einen Pfeil abzuschießen. Der dunkle Strich floß durch die Luft und bohrte sich oben in die Spitze des Pfahls.
"Am Ende eurer Ausbildung werdet ihr diesen Pfeil runterholen!" Er ließ es sogar einige der Rekruten versuchen, die allesamt kläglich scheiterten. Vielleicht lag es auch an den Metallscheiben, die jeder an die Handgelenke gebunden bekam. "Diese repräsentieren Stärke und Disziplin. Ihr braucht beides um den Pfeil zu erreichen!"
Zunächst ließ er aber alle damit trainieren, korrekte Schwünge und Hiebe mit dem Schwert auszuführen. Laree ging auf den Feldwebel zu, blickte ihn von unten auf entschlossen an.
"Sir, ich würde gerne daran teilnehmen", erklärte sie. Der Dhemlaner schüttelte erstmal rigoros den Kopf.
"Hab ich dir befohlen aufzustehen? Zurück auf deinen Platz", erwiderte er bestimmt. Laree blieb stur vor ihm stehen, in ihren Augen glitzerte immer noch der Widerschein des Feuers von der Scheune.
"Sir, ich möchte kämpfen", beharrte die Hexe. Der Feldwebel dachte noch kurz darüber nach, schien dann aber zu einem Entschluss gekommen zu sein und rief noch ein weiteres Set Metallscheiben herbei.
"Auf deine Verantwortung, Rekrutin. Und du trainierst mit diesem Schwert..." Das erste Mal war sein Lächeln eindeutig boshafter Natur als er ihr einen Anderthalbhänder reichte bei dem Laree schon ohne Gewichte Probleme haben würde es zu führen. Sie blickte mit großen Augen darauf. "Oder willst du deine Meinung ändern?" Bei der Frage schob sie ihre Unterlippe trotzig vor, schüttelte den Kopf.
"Nein, Sir."
Auch als ihre Arme nach den ersten Versuchen das Schwert anzuheben, schon schmerzten, machte Laree verbissen weiter. Die anderen warfen ihr verstohlene Blicke zu, aber sie sahen ja auch nicht wogegen die Hexe ankämpfte. Die Gewichte zogen ihre Hände jedesmal wieder nach unten, sie stolperte mehrmals und der Druck auf ihre Beine machte sich irgendwann schmerzhaft bemerkbar, als er flammend in ihrem Bein aufbrach und durch ihren ganzen Körper schoss. Laree hörte nicht auf, beschwerte sich nicht einmal. Sie hörte auch nicht die Stimme des Feldwebels, dass das Training fürs erste beendet war, sie sah nicht die erschöpften Rekruten, die ihre Metallscheiben auf einen Haufen warfen und in Richtung Fort marschierten.
"Venka?" Die leiste Stimme Lenears. "Es ist vorbei... wir können gehen..."
Aber am Ende kämpfte Laree immer noch, allein auf einem verlassenen Platz, der mit seiner Ödnis genausogut überall hätte sein können. Sie kämpfte weil es nichts mehr gab wofür sie hätte kämpfen können. Jedesmal wenn sie mit dem verletzten Bein auftrat, erinnerte sie der Schmerz an ihre versuchte Flucht. Die Hexe hatte das Gefühl, dass das Schwert all die dunklen Erinnerungen und Empfindungen waren, die versuchten sie in den Abgrund zu ziehen. Ihr Blick glitt zu dem großen Pfahl in der Nähe. Stärke und Disziplin... nein, Lorcann hatte unrecht. Damit würde sie die Spitze nicht erreichen. Die schwere Waffe fiel ihr aus der Hand, sie humpelte hinüber zu dem Baumstamm, betrachtete die Metallscheiben, die an Lederriemen an ihren Handgelenken baumelten, dann glitt ihr Blick zurück zu dem Pfeil oben. Würde es weit genug oben sein um das eisige Feuer nicht mehr in sich zu spüren? Vielleicht würde sie zulassen, dass es doch noch Hoffnung gab... und Glaube. Wenn nicht an das Schicksal, dann doch an etwas anderes.
Laree warf die Metallscheiben mit Schwung nach vorne und sie verhakten sich hinter dem Pfahl ineinander. Dann begann der Aufstieg. Bei den ersten Versuchen rutschte sie stets ab, landete mehr als einmal schmerzhaft auf dem Bein, wo das heilende Netz längst wieder aufgerissen war. Das Leder riss an ihren Handgelenken, schnitt tief ins Fleisch, als sie langsam den Aufstieg begann. Die Schlaufe immer wieder nach oben werfend, sich dagegen stemmend, zog sich die Hexe Stück für Stück empor. Irgendwann wandte sie einmal den Kopf, sah hinüber zum Fort. Sie konnte die Schemen von Menschen hinter den Palisaden erkennen. Laree machte ungehindert weiter, rutschte etwas nach unten, fing sich noch gerade so. Warmes Blut rann ihr über die Unterarme. Sie wußte nicht wie lange es dauerte bis ihre Fingerkuppen sich hart in das Holz oben gruben und Laree sich verbissen nach oben schob. Ihr war schlecht und schwindelte vor lauter Anstrengung, ihre Beine zitterten und sie wußte nicht wie sie es bloß auch wieder hier runterschaffen sollte. Wollte sie überhaupt wieder runter? Die Hexe zerrte an dem Pfeil, der im Holz steckte und kippte leicht nach hinten als die Spitze sich mit einem Ruck löste.
Schwer atmend blickte sie auf den Pfeil in ihren blutigen Händen. Sie wollte nichts lieber als zurückfinden. Vielleicht konnte sie ihre kleine Hoffnung auf den Pfeil schreiben, und wenn es so sein sollte, würde der Pfeil irgendwie sein Ziel erreichen und sie es mit ihm. Laree hob den Kopf, sah in die Ferne, wo sie die Stadt erblickte. Sie konnte wieder zurück... irgendwo mußte noch eine Welt sein, die Sinn ergab. Die Hexe beugte sich über den Pfeil und begann mit ihren Fingernägeln unbeholfen Buchstaben in das Holz des Pfeilschafts zu ritzen. Sie hätte ihr Messer nehmen können, doch sie hatte es in ihrem Juwelengepäck verschwinden lassen, um sich nicht damit zu belasten und im Moment fühlte sie sich überhaupt nicht dazu die Kunst anzuwenden. So fiel es ihr noch schwerer den Pfeil zurück ins Holz zu treiben, nachdem sie mit ihrem Werk fertig war. Danach blieb sie zitternd auf dem Pfahl sitzen, starrte in die Ferne.

"He, Venka?", riss sie eine Stimme aus ihrer Trance. Laree blinzelte, das Blut an ihren Armen war mittlerweile getrocknet. Am Fuße des Pfahls stand Zucker und blickte zu ihr hoch. "Wie is die Aussicht?"
"Komm doch rauf und finds selbst raus", erwiderte sie bloß knapp. Die Hexe hatte nicht erwartet, dass der Mann bloß nickte und dann den Pfahl schnurstracks mithilfe der Kunst hochkletterte. Laree verzog das Gesicht. "Du schummelst."
Zucker grinste, wobei seine auf einer Seite verbrannten Lippen sich verzogen. "Warum sollt ich mich an die Regeln halten? Tut ja sonst auch keiner", erwiderte er und setzte sich neben sie. Womöglich hatte er Recht, es war dumm gewesen den Pfahl mit diesen Gewichten zu erklimmen. Was es bewies es? Dass sie irgendwo noch den Glauben an das Gute in sich besaß?
"Was willst du hier?", überging sie seine Frage. Der Soldat streckte seine Hände nach ihr aus und Laree versuchte ihn gleich zu schlagen, obwohl die Gewichte ihrem Schlag die Stärke nahmen.
"Ganz ruhig, Kleene. Ich wollt dir nur helfen diese Dinger abzunehmen", erklärte er, öffnete die Knoten der Lederriemen. "Un ich dacht, ich hol dich vom Training ab." Zucker betrachtete ihre Verletzungen kritisch. "Das haste absichtlich gemacht oder? Ne weitere ruhige Nacht in der Krankenstation, was?"
Laree zuckte mit den Schultern, entzog ihm ihre Hände rasch. Vielleicht war es ein erwünschter Nebeneffekt gewesen mit den Verletzungen wieder in der Krankenstation zu landen. Der Gedanke in einem der großen Zelte mit all den anderen Rekruten zu liegen... in Angst, dass man sie jederzeit aus dem Schlaf reißen und über sie herfallen könnte... anderseits in der Krankenstation war sie auch geweckt worden, und sie hatte auch Sex gehabt. Zum Glück wußte Gualterio nichts über diese Parallele. Laree hatte es so gewollt, schlechte Erinnerungen mit guten zu ersetzen, die dennoch einander ähnelten.
"Vielleicht", gab sie leise zu. Zucker entledigte sich seiner Uniformsjacke und riss einen der Ärmel in Streifen. Laree blickte ihn mit großen Augen an. Nicht wegen dieser unsinnigen Tat, sondern weil eine Kette um seinen Hals dadurch unter seinem Hemd hervorgerutscht war. Zwei Ringe baumelten an der Kette und sie wirkten nicht wie Eheringe.
"Kannste aber auch nich ewig machen, Venka. Kannst bei mir schlafen." Er sah sie aus goldenen Augen an. Sie suggerierten ein langlebiges Volk, er besaß auch dunkle Haare, die jedoch teilweise hellere Strähnen aufwiesen, vielleicht gefärbt.
"Das würd dir so passen", knurrte sie und schlug ihn gegen die Brust, als er ihre Hände ergriff um die Stofffetzen um ihre blutigen Handgelenke zu wickeln. "Bist du auch aus Hayll oder Dhemlan?", fragte sie, nachdem Zucker bloß linkisch lächelte. Manchmal waren die zwei Völker schwer auseinander zu halten.
"Dhemlan. Vor langer Zeit", fügte er hinzu. "War seit Jahrzehnten nicht mehr da. Ich helf dir runter." Er streckte die Arme aus und Laree brauchte etwas bis sie sich an ihn drückte. Zucker setzte wieder die Kunst ein, um sie beide nach unten zu bringen. Kurz bevor die Hexe sich von ihm löste, sah sie noch einmal zu den Ringen. Aus der Nähe hatte sie sie nun erkannt.
"Welcher davon ist deiner?", fragte sie. Zucker strich sich abwesend über die Wange mit den verästelten Brandnarben.
"Was glaubst du denn?", gab er ernst zurück und ließ die Kette wieder unter seinem Hemd verschwinden. Danach stellte Laree keine Fragen mehr und sie gingen zurück zum Fort. Der Prinz wollte sie stützen wegen ihrem Bein, doch sie wehrte jedesmal ab.
"Es sollt wirklich rote Uniformen geben", griff er einen Scherz von vor dem Training auf, blickte Laree feixend an. "Dann würd sie zu deinem Tanga passen."
Die Hayllierin verdrehte die Augen, grinste dann aber kurz. "Wieviele Wetten gibt es schon über mich?", erkundigte sie sich. Sie war nicht dumm, sie kannte das Gerede von Männern.
"Ich hab von einer gehört, ich hör mich für dich um", bot er an und begleitete sie ins Gutshaus. Mittlerweile tat Laree jeder Schritt höllisch weh, aber sie ließ sich nichts anmerken. "Wer ist Ayden?", fragte er. Die Hexe warf Zucker einen durchdringenden Blick zu.
"Was glaubst du denn?", erwiderte sie und betrat die Krankenstation rasch, sie wollte seine mögliche Antwort nicht hören und vor allem wollte sie Aydens Namen gerade nicht noch öfter hören. "Lady Winters?"
Die Heilerin war gerade dabei einen anderen Soldaten zu verarzten. Als sie Laree dort stehen sah, wurde ihr Blick gleich sorgenvoll.
"Ich hab doch gesagt, du sollst dich schonen. Hat Feldwebel Lorcann sich nicht daran gehalten?", erkundigte sie sich. Laree schüttelte den Kopf.
"Nein, das war ich", gab sie zu. Zucker verabschiedete sich knapp mit dem Kommentar, dass er Krankenstationen noch nie hatte leiden können.
"Wenns dir wieder besser geht, können wir uns ja mal treffen", bot er an und verließ den Raum. Die Hexe wußte nicht was sie davon halten sollte. Nicht, dass sie Zucker wegen seiner Verletzungen abstoßend gefunden hätte, er war zwar rau aber auch ganz nett. Soweit sie das bis jetzt beurteilen konnte. Gewiss würde er auch ein fantastischer Liebhaber sein. Aber sie wollte jemand anderen... jedenfalls die meiste Zeit über.
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