Re: In Sions Armee
von Laree » Mo 4. Sep 2023, 17:00
Nachdem Zucker wieder zurück zum Fort in der Nähe gegangen war, schritt Laree alleine weiter und hielt auf den Pfahl zu. Dabei kam sie an dem vorbei was vermutlich den Parcour des Todes darstellen sollte. Für sie wirkte es so wie die kranken Fantasien eines Sadisten, der wohl einen Spaß daran fand zu beobachten wie Leute durch Matsch und Wasser fielen oder robbten. Es gab mehrere Kletterwände, Erdwälle, Seile mit denen man sich über Gruben schwang oder enge Tunnel aus stachligen Dornengeflecht. Noch lag alles still und wie ausgestorben dort, doch als Laree daran entlang ging, hörte sie die laute Stimme eines Mannes, der Befehle rief und andere, die ihm im Chor antworteten.
Die Hayllierin gelangte zu einem größeren gerodeten Platz, der an einer Seite von Zielscheiben begrenzt wurde. "Leeeegt an!", rief ein Dhemlaner, seine Uniform stand ihm, die dunklen Haare waren zurückgekämmt, seine goldenen Augen blitzten kraftvoll. Das mußte Alexis Lorcann sein. Ein bißchen konnte Laree die Heilerin verstehen, sie musterte den Mann genauer während sie langsam näher kam. Die Arbeit gefiel ihm, das konnte man sehen, es gefiel ihm auch Befehle zu geben. Vermutlich hätte es jedem gefallen zu sehen wie eine ganze Gruppe Soldaten auf sein Kommando mehr oder weniger synchron die Bogen spannten. "Feuer!" Die dunklen Pfeile schossen durch die Luft wie losgelassene schwarze Rachefeen. Wie Rauch, der viel zu schnell über dir zusammenschlägt...
Einige der anderen Rekruten wandten nach dem Loslassen der Sehne neugierig die Köpfe zu ihr, wisperten unterdrückt. Ein paar der Gesichter erkannte Laree wieder, Rekruten, die mit bei Korporal Espwins Trupp aus Garois gewesen war. Sie hatte dazu gehört. Jetzt kamen sie ihr so furchtbar weit weg vor, selbst die Gesichter hatten ihre Bedeutung verloren.
Die Hexe straffte sich, ging weiter auf Feldwebel Lorcann zu und erinnerte sich noch rechtzeitig daran vor ihm zu salutieren. Es war ein guter Salut, nicht zu lasch, aber auch nicht zu zackig. Das hatte sie nicht in der Armee gelernt, sondern bei Ayden wie sie sich schmerzlich erinnerte. Er mochte Rollenspiele... und es ärgerte Laree selbst, dass sie ihn vermisste. "Sir, Rekrutin Venka Ives meldet sich zum Training, Sir", setzte sie an und hielt dann dem Offizier die zwei übrig gebliebenen Zettel entgegen. "Ich weiß nicht welcher, aber einer von ihnen ist von Lady Winters für euch, Sir." Lorcann musterte sie aus interessierten Augen von oben bis unten, nahm dann die zwei Papiere entgegen, las sie beide sehr genau und gab ihr den, den sie der Priesterin in Loraka zeigen sollte, zurück.
"Nur Fernkampf für die nächsten drei Tage steht hier. Wo ist dein Bogen, Rekrutin?", fragte er sie. Laree rief den Kurzbogen und den Köcher herbei. "Wenn du hier antrittst, hast du das gefälligst schon alles angelegt. Draußen an der Front wirst du auch keine Zeit haben dir deine Sachen aus dem Juwelengepäck zu holen. Los, reih dich dort hinten ein", wies er sie im harten Tonfall an.
Würde er ihr nicht sagen was sie zu tun hatte? Laree hatte noch nie einen Bogen benutzt, Waffentraining war schließlich Sache der Männer. Gut, sie könnte ein bißchen mit dem Stilett umgehen und Dolche werfen, aber auch nur weil Ayden es ihr gezeigt hatte. Die Hayllierin ging langsam an den Grüppchen der anderen Rekruten entlang auf den letzten Platz zu wo noch etwas frei war. Es fühlte sich wie ein Spießrutenlaufen an, obwohl niemand etwas sagte, nicht ein schäbiges Wort oder abschätziger Blick. Aber sie alle schienen von den anderen gehört zu haben, dass sie von Räubern verschleppt worden war.
Sie wissen überhaupt nichts, dachte Laree grimmig.
Was wohl aus Mailin geworden war? Die andere Rekrutin, die von Aldo geschändet worden war. Die Glückliche... Laree entdeckte sie nicht mehr unter den anderen, war sie gestorben oder zerbrochen? Egal was es war, Laree fühlte bei dem Gedanken einen beißenden Stich bis sie merkte, dass es Neid war. Wenigstens mußte Mailin nicht mehr imn vollen Bewußtsein mit ihrer Vergangenheit leben, mußte sich nicht mehr an jede Einzelheit erinnern... sie dagegen konnte auch jetzt noch die Geräusche hören, ihr Gelächter, ihre Stimmen, die Gerüche wahrnehmen, ihr Schweiß, ihr Samen, ihr Blut...
"Venka? Erinnerst du dich noch? Lenear Tamin", sagte ein junger Lande, lächelte zögerlich.
"Es ist nur ein paar Tage her, natürlich erinnre ich mich noch", erwiderte Laree distanziert. Ob es nun an ihrer Stimme oder dem Ausdruck in ihren Augen lag, der schlanke Mann machte einen leichten Schritt zurück.
"Ja, sicher... ich dachte nur...", er brach ab. Ja, für mich hat es sich auch viel länger angefühlt, vollendete Laree im Stummen den Satz. Ihr leises Gespräch wurde von der ermahnenden Stimme Lorcanns unterbrochen.
"Ich will absolute Konzentration. Legt erneut einen Pfeil ein, die Bewegung vom Köcher zur Sehne hin muss sanft, präzise und schnell erfolgen. Die Zeit, die ihr damit verbraucht, einen Pfeil aufzulegen, kann ein Angreifer damit verbrauchen sein Schwert zu erheben und euch niederzustrecken!", erklärte er, während Laree noch damit beschäftigt war sich den dummen Lederköcher umzuhängen und bei Lenear abzuschauen wie sie den Bogen halten mußte. Was machte sie hier überhaupt? Sie gehörte in keine Armee, sie war keine Soldatin und sicher wollte sie auch nicht sanft, präzise und schnell einen Pfeil auflegen während irgendein Berserker auf sie zustürmte. Ihre Arme zitterten als sie dann endlich den Pfeil zwischen Finger und Sehne geklemmt hatte und ihr erster Schuss war so weit ab vom Kurs, dass sie die Zielscheibe der Gruppe neben ihnen am äußeren Rand traf.
Es war ihr egal. Was machte es schon, ob sie gut oder schlecht darin war? Vor ihrem inneren Auge spielten sich trotz allem gleiche Szenen ab. Wie sie aus dem Schlaf gerissen und gleich geschlagen worden war, um jegliche Gegenwehr schon im Keim zu ersticken. Finger, die harte rote Striemen an ihren Schenkeln hinterließen, unterdrückte Schreie und die Hitze zwischen den schlecht gegerbten Fellen auf denen sie lag....
"Nein, Venka, du greifst den Bogen falsch", riss der Feldwebel sie aus ihren quallvollen Erinnerungen. Als sich aber seine Hand auf ihre legte, sah ihn Laree gleich mit Todeswunsch in den Augen an. Lorcann stockte kurz. "Hier, deine Finger kommen dorthin. Jetzt nochmal", forderte er sie auf. Die Hayllierin sagte nichts, versuchte das Ziel anzuvisieren, ließ den Pfeil aber viel zu früh los, so dass er nichtmal die Zielscheibe erreichte. Sie hasste es! Sie wollte zurück nach Hayll, so sehr, egal wie hart Ayden sie für ihr Weglaufen bestrafen würde. Ob er sie überhaupt zurücknehmen würde? Und gleichzeitig wünschte sie sich, Gualterio stünde nun hinter ihr und nicht dieser Lorcann. Malateste hatte Recht, sie mußten unbedingt miteinander reden, aber sie hatte solche Angst davor. Er konnte gar nicht ermessen wieviel Angst... und teilweise bereute sie es auch, dass sie mit ihm in der Krankenstation geschlafen hatte. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Hatte sie um jeden Preis die Erinnerungen an die Reise auslöschen wollen oder hatte sie sich tatsächlich nach ihm gesehnt? Vermutlich beides. Laree konnte es auch nicht auf Gualterio schieben, dieses Mal war es eindeutig sie gewesen, die gefordert hatte. Anderseits hatte er sie nicht unbedingt von dieser Dummheit abgehalten... hauptsache, er kam zum Zug. Das Antlitz der Hexe verdüsterte sich mehr und der nächste Pfeil landete in der Nähe der schwarzen Mitte der Zielscheibe.
"Gut, weiter so. Die anderen auch!" Lorcann schritt den Weg zur Spitze zurück und die Übung im Bogenschießen setzte sich fort.
Larees Arme schmerzten, ihre Finger fühlten sich wund von der Sehne an, als der Feldwebel ihnen endlich eine Pause erlaubte. "Morgen werdet ihr in das Armbrustschießen eingeführt und lernt die Vor- und Nachteile beider Fernkampfarten kennen! Gehen wir über zum Nahkampf..." Die Hexe nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Feldflasche, folgte den anderen als sie sich sammeln sollten. "Du nicht. Setz dich dort hin und schau zu", befahl ihr Lorcann. Zunächst fügte sich Laree der Anweisung, sie war ja auch wirklich froh darüber ausruhen zu können. So saß sie auf einem Baumstumpf, beobachtete die anderen wie sie die Grundzüge des Schwertkampfes gezeigt bekamen. Der Feldwebel kam ihr wie ein guter Kämpfer vor, seine Bewegungen waren schnell und sauber. Trotzdem zweifelte sie nicht daran, dass Gualterio diesen Kerl ohne größere Schwierigkeiten zerlegen würde. Aber je mehr die Hexe dort saß und ihren neuen Kameraden zusah, desto deutlicher und schmerzhafter wurde das Gefühl des Ausgeschlossenseins. In den Tagen vor Loraka war der Wunsch zu dieser Stadt zu kommen, das einzige gewesen was ihren Lebenswillen hochgehalten hatte und jetzt wo sie angekommen war... es war schwer in irgendetwas noch einen Sinn zu erkennen. Konnte sie nicht einen neuen finden? Irgendetwas...
Die Hexe legte den Kopf in den Nacken, blickte nach oben in den blassen Himmel mit einigen Wolken wie der pockennarbige Arm eines Söldners. Früher hatte sie einmal an die Mutter der Nacht geglaubt, doch damals war sie noch ein Kind gewesen. Dann war ihr der Glaube an das Schicksal geblieben bis die Stränge an denen dieser Glaube hing immer dünner und weniger geworden war... der verzweifelte Wunsch, dass irgendetwas was ihr widerfahren war, einen Sinn gehabt hatte. Den Zweck vielleicht sie stärker zu machen, sie zu dem zu machen was sie jetzt war. Nur schien sie jede Tat weiter von sich selbst fortzutreiben, stolpernd in die Dunkelheit um sich darin zu verlieren. Es gab kein Schicksal, es gab keinen Sinn mehr... und ihr Glaube lag irgendwo verbrannt in dieser namenlosen Scheune.
Langsam erhob sich Laree wieder, blickte zu Lorcann, der in einer fließenden Bewegung einen Bogen gespannt hatte, um einen Pfeil abzuschießen. Der dunkle Strich floß durch die Luft und bohrte sich oben in die Spitze des Pfahls.
"Am Ende eurer Ausbildung werdet ihr diesen Pfeil runterholen!" Er ließ es sogar einige der Rekruten versuchen, die allesamt kläglich scheiterten. Vielleicht lag es auch an den Metallscheiben, die jeder an die Handgelenke gebunden bekam. "Diese repräsentieren Stärke und Disziplin. Ihr braucht beides um den Pfeil zu erreichen!"
Zunächst ließ er aber alle damit trainieren, korrekte Schwünge und Hiebe mit dem Schwert auszuführen. Laree ging auf den Feldwebel zu, blickte ihn von unten auf entschlossen an.
"Sir, ich würde gerne daran teilnehmen", erklärte sie. Der Dhemlaner schüttelte erstmal rigoros den Kopf.
"Hab ich dir befohlen aufzustehen? Zurück auf deinen Platz", erwiderte er bestimmt. Laree blieb stur vor ihm stehen, in ihren Augen glitzerte immer noch der Widerschein des Feuers von der Scheune.
"Sir, ich möchte kämpfen", beharrte die Hexe. Der Feldwebel dachte noch kurz darüber nach, schien dann aber zu einem Entschluss gekommen zu sein und rief noch ein weiteres Set Metallscheiben herbei.
"Auf deine Verantwortung, Rekrutin. Und du trainierst mit diesem Schwert..." Das erste Mal war sein Lächeln eindeutig boshafter Natur als er ihr einen Anderthalbhänder reichte bei dem Laree schon ohne Gewichte Probleme haben würde es zu führen. Sie blickte mit großen Augen darauf. "Oder willst du deine Meinung ändern?" Bei der Frage schob sie ihre Unterlippe trotzig vor, schüttelte den Kopf.
"Nein, Sir."
Auch als ihre Arme nach den ersten Versuchen das Schwert anzuheben, schon schmerzten, machte Laree verbissen weiter. Die anderen warfen ihr verstohlene Blicke zu, aber sie sahen ja auch nicht wogegen die Hexe ankämpfte. Die Gewichte zogen ihre Hände jedesmal wieder nach unten, sie stolperte mehrmals und der Druck auf ihre Beine machte sich irgendwann schmerzhaft bemerkbar, als er flammend in ihrem Bein aufbrach und durch ihren ganzen Körper schoss. Laree hörte nicht auf, beschwerte sich nicht einmal. Sie hörte auch nicht die Stimme des Feldwebels, dass das Training fürs erste beendet war, sie sah nicht die erschöpften Rekruten, die ihre Metallscheiben auf einen Haufen warfen und in Richtung Fort marschierten.
"Venka?" Die leiste Stimme Lenears. "Es ist vorbei... wir können gehen..."
Aber am Ende kämpfte Laree immer noch, allein auf einem verlassenen Platz, der mit seiner Ödnis genausogut überall hätte sein können. Sie kämpfte weil es nichts mehr gab wofür sie hätte kämpfen können. Jedesmal wenn sie mit dem verletzten Bein auftrat, erinnerte sie der Schmerz an ihre versuchte Flucht. Die Hexe hatte das Gefühl, dass das Schwert all die dunklen Erinnerungen und Empfindungen waren, die versuchten sie in den Abgrund zu ziehen. Ihr Blick glitt zu dem großen Pfahl in der Nähe. Stärke und Disziplin... nein, Lorcann hatte unrecht. Damit würde sie die Spitze nicht erreichen. Die schwere Waffe fiel ihr aus der Hand, sie humpelte hinüber zu dem Baumstamm, betrachtete die Metallscheiben, die an Lederriemen an ihren Handgelenken baumelten, dann glitt ihr Blick zurück zu dem Pfeil oben. Würde es weit genug oben sein um das eisige Feuer nicht mehr in sich zu spüren? Vielleicht würde sie zulassen, dass es doch noch Hoffnung gab... und Glaube. Wenn nicht an das Schicksal, dann doch an etwas anderes.
Laree warf die Metallscheiben mit Schwung nach vorne und sie verhakten sich hinter dem Pfahl ineinander. Dann begann der Aufstieg. Bei den ersten Versuchen rutschte sie stets ab, landete mehr als einmal schmerzhaft auf dem Bein, wo das heilende Netz längst wieder aufgerissen war. Das Leder riss an ihren Handgelenken, schnitt tief ins Fleisch, als sie langsam den Aufstieg begann. Die Schlaufe immer wieder nach oben werfend, sich dagegen stemmend, zog sich die Hexe Stück für Stück empor. Irgendwann wandte sie einmal den Kopf, sah hinüber zum Fort. Sie konnte die Schemen von Menschen hinter den Palisaden erkennen. Laree machte ungehindert weiter, rutschte etwas nach unten, fing sich noch gerade so. Warmes Blut rann ihr über die Unterarme. Sie wußte nicht wie lange es dauerte bis ihre Fingerkuppen sich hart in das Holz oben gruben und Laree sich verbissen nach oben schob. Ihr war schlecht und schwindelte vor lauter Anstrengung, ihre Beine zitterten und sie wußte nicht wie sie es bloß auch wieder hier runterschaffen sollte. Wollte sie überhaupt wieder runter? Die Hexe zerrte an dem Pfeil, der im Holz steckte und kippte leicht nach hinten als die Spitze sich mit einem Ruck löste.
Schwer atmend blickte sie auf den Pfeil in ihren blutigen Händen. Sie wollte nichts lieber als zurückfinden. Vielleicht konnte sie ihre kleine Hoffnung auf den Pfeil schreiben, und wenn es so sein sollte, würde der Pfeil irgendwie sein Ziel erreichen und sie es mit ihm. Laree hob den Kopf, sah in die Ferne, wo sie die Stadt erblickte. Sie konnte wieder zurück... irgendwo mußte noch eine Welt sein, die Sinn ergab. Die Hexe beugte sich über den Pfeil und begann mit ihren Fingernägeln unbeholfen Buchstaben in das Holz des Pfeilschafts zu ritzen. Sie hätte ihr Messer nehmen können, doch sie hatte es in ihrem Juwelengepäck verschwinden lassen, um sich nicht damit zu belasten und im Moment fühlte sie sich überhaupt nicht dazu die Kunst anzuwenden. So fiel es ihr noch schwerer den Pfeil zurück ins Holz zu treiben, nachdem sie mit ihrem Werk fertig war. Danach blieb sie zitternd auf dem Pfahl sitzen, starrte in die Ferne.
"He, Venka?", riss sie eine Stimme aus ihrer Trance. Laree blinzelte, das Blut an ihren Armen war mittlerweile getrocknet. Am Fuße des Pfahls stand Zucker und blickte zu ihr hoch. "Wie is die Aussicht?"
"Komm doch rauf und finds selbst raus", erwiderte sie bloß knapp. Die Hexe hatte nicht erwartet, dass der Mann bloß nickte und dann den Pfahl schnurstracks mithilfe der Kunst hochkletterte. Laree verzog das Gesicht. "Du schummelst."
Zucker grinste, wobei seine auf einer Seite verbrannten Lippen sich verzogen. "Warum sollt ich mich an die Regeln halten? Tut ja sonst auch keiner", erwiderte er und setzte sich neben sie. Womöglich hatte er Recht, es war dumm gewesen den Pfahl mit diesen Gewichten zu erklimmen. Was es bewies es? Dass sie irgendwo noch den Glauben an das Gute in sich besaß?
"Was willst du hier?", überging sie seine Frage. Der Soldat streckte seine Hände nach ihr aus und Laree versuchte ihn gleich zu schlagen, obwohl die Gewichte ihrem Schlag die Stärke nahmen.
"Ganz ruhig, Kleene. Ich wollt dir nur helfen diese Dinger abzunehmen", erklärte er, öffnete die Knoten der Lederriemen. "Un ich dacht, ich hol dich vom Training ab." Zucker betrachtete ihre Verletzungen kritisch. "Das haste absichtlich gemacht oder? Ne weitere ruhige Nacht in der Krankenstation, was?"
Laree zuckte mit den Schultern, entzog ihm ihre Hände rasch. Vielleicht war es ein erwünschter Nebeneffekt gewesen mit den Verletzungen wieder in der Krankenstation zu landen. Der Gedanke in einem der großen Zelte mit all den anderen Rekruten zu liegen... in Angst, dass man sie jederzeit aus dem Schlaf reißen und über sie herfallen könnte... anderseits in der Krankenstation war sie auch geweckt worden, und sie hatte auch Sex gehabt. Zum Glück wußte Gualterio nichts über diese Parallele. Laree hatte es so gewollt, schlechte Erinnerungen mit guten zu ersetzen, die dennoch einander ähnelten.
"Vielleicht", gab sie leise zu. Zucker entledigte sich seiner Uniformsjacke und riss einen der Ärmel in Streifen. Laree blickte ihn mit großen Augen an. Nicht wegen dieser unsinnigen Tat, sondern weil eine Kette um seinen Hals dadurch unter seinem Hemd hervorgerutscht war. Zwei Ringe baumelten an der Kette und sie wirkten nicht wie Eheringe.
"Kannste aber auch nich ewig machen, Venka. Kannst bei mir schlafen." Er sah sie aus goldenen Augen an. Sie suggerierten ein langlebiges Volk, er besaß auch dunkle Haare, die jedoch teilweise hellere Strähnen aufwiesen, vielleicht gefärbt.
"Das würd dir so passen", knurrte sie und schlug ihn gegen die Brust, als er ihre Hände ergriff um die Stofffetzen um ihre blutigen Handgelenke zu wickeln. "Bist du auch aus Hayll oder Dhemlan?", fragte sie, nachdem Zucker bloß linkisch lächelte. Manchmal waren die zwei Völker schwer auseinander zu halten.
"Dhemlan. Vor langer Zeit", fügte er hinzu. "War seit Jahrzehnten nicht mehr da. Ich helf dir runter." Er streckte die Arme aus und Laree brauchte etwas bis sie sich an ihn drückte. Zucker setzte wieder die Kunst ein, um sie beide nach unten zu bringen. Kurz bevor die Hexe sich von ihm löste, sah sie noch einmal zu den Ringen. Aus der Nähe hatte sie sie nun erkannt.
"Welcher davon ist deiner?", fragte sie. Zucker strich sich abwesend über die Wange mit den verästelten Brandnarben.
"Was glaubst du denn?", gab er ernst zurück und ließ die Kette wieder unter seinem Hemd verschwinden. Danach stellte Laree keine Fragen mehr und sie gingen zurück zum Fort. Der Prinz wollte sie stützen wegen ihrem Bein, doch sie wehrte jedesmal ab.
"Es sollt wirklich rote Uniformen geben", griff er einen Scherz von vor dem Training auf, blickte Laree feixend an. "Dann würd sie zu deinem Tanga passen."
Die Hayllierin verdrehte die Augen, grinste dann aber kurz. "Wieviele Wetten gibt es schon über mich?", erkundigte sie sich. Sie war nicht dumm, sie kannte das Gerede von Männern.
"Ich hab von einer gehört, ich hör mich für dich um", bot er an und begleitete sie ins Gutshaus. Mittlerweile tat Laree jeder Schritt höllisch weh, aber sie ließ sich nichts anmerken. "Wer ist Ayden?", fragte er. Die Hexe warf Zucker einen durchdringenden Blick zu.
"Was glaubst du denn?", erwiderte sie und betrat die Krankenstation rasch, sie wollte seine mögliche Antwort nicht hören und vor allem wollte sie Aydens Namen gerade nicht noch öfter hören. "Lady Winters?"
Die Heilerin war gerade dabei einen anderen Soldaten zu verarzten. Als sie Laree dort stehen sah, wurde ihr Blick gleich sorgenvoll.
"Ich hab doch gesagt, du sollst dich schonen. Hat Feldwebel Lorcann sich nicht daran gehalten?", erkundigte sie sich. Laree schüttelte den Kopf.
"Nein, das war ich", gab sie zu. Zucker verabschiedete sich knapp mit dem Kommentar, dass er Krankenstationen noch nie hatte leiden können.
"Wenns dir wieder besser geht, können wir uns ja mal treffen", bot er an und verließ den Raum. Die Hexe wußte nicht was sie davon halten sollte. Nicht, dass sie Zucker wegen seiner Verletzungen abstoßend gefunden hätte, er war zwar rau aber auch ganz nett. Soweit sie das bis jetzt beurteilen konnte. Gewiss würde er auch ein fantastischer Liebhaber sein. Aber sie wollte jemand anderen... jedenfalls die meiste Zeit über.