Re: In Sions Armee
von Laree » Mo 11. Sep 2023, 14:58
Selbst über die Maßen erschöpft, beobachtete Laree wie Tiger den Kampf mit dem Schnitter aufnahm, agil und katzengleich den Hieben des Rauchschwertes auswich und dann zum Angriff überging, seine scharfen Klauen eine tödliche Waffe, die mühelos durch die schwarze Kleidung und das Schild des Wesens schnitten. Schwer sank Gualterio davor auf die Knie, sein Anderthalbhänder entglitt ihm und fiel auf den Nadelboden. Mit von Tränen schmerzenden Augen blickte Laree zu ihm, der Schnitter mußte ihn noch schwerer verletzt haben als sie befürchtet hatte. Nein, er durfte nicht sterben, nicht jetzt, nicht wo noch so vieles zwischen ihnen stand. Wo sie ihm nicht hatte beichten können, dass sie ihn nicht wirklich hasste...
Laree mobilisierte noch einmal ihre Kräfte, versuchte sich trotz ihrer schmerzenden Hand zu erheben. Da spürte sie wie Malateste dem halben Tigerlaner schwach sandte, dass er nicht fallen dürfe, Maeve wäre schwanger von ihm. Die Hexe war genauso überrascht wie Tiger, der seinen Oberkörper reflexartig nach hinten bog um einen Schwerstreich auszuweichen. Dann sprang er nach hinten, starrte Gualterio entgeistert an.
"Willst du mich verarschen?!" Aber er mußte auch einsehen, dass man angesichts des nahenden Todes keine Scherze damit machte. "So eine Scheiße, jetzt hab ich was zu verlieren!" Trotzdem blieb Tiger nichts anderes übrig als wieder zum Angriff überzugehen, um dem Schnitter weiter zuzusetzen. Laree glaubte zu erkennen, dass der Kriegerprinz wesentlich entschlossener vorging.
Inzwischen hatte sie sich selbst aufgerappelt, fing den verschleierten Blick Gualterios auf. Sie hatten auch etwas zu verlieren... sie hatten einander zu verlieren. Woher Malateste noch die Kraft nahm sie zuversichtlich anzulächeln, wußte Laree nicht, doch vor ihr erschien ein komplett schwarzer Armbrustpfeil, schwebte noch kurz zitternd in der Luft und fiel zu Boden bevor die Hexe danach greifen konnte.
*Schaffst du noch einen Schuss? Ich habe dir gesagt das du die Beste bist*, sandte der Hayllier ihr, sein Speerfaden so schwach, dass sie ihn kaum wahrnahm. Eigentlich fühlte sie sich überhaupt nicht danach, noch irgendetwas zu schaffen, doch für Gualterio biss sie die Zähne zusammen, spannte die Armbrust erneut mit dem Bolzen, den sie zwischen den Laubblättern aufgeklaubt hatte.
"Ziel auf das Herz!", rief Tiger als er sah, dass Laree zu zielen versuchte. Trotz der Schmerzen war ihr Arm ruhig, sie wollte schon schießen, als dichter Rauch den Schnitter umhüllte. Verflucht, dachte die Hexe bloß, er konnte sie mal und sie drückte im gleichen Moment ab. Die Ruhe kam ihr fast unmenschlich vor, bisher hatten sie keinen Laut von dem Schnitter gehört, kein Schrei, kein schweres Atmen.
Neben ihr hatte sich Gualterio mühsam in die Höhe gekämpft, seltsamerweise nicht sein eigenes Schwert sondern die Waffe seines Feindes umklammert. Laree drückte sich dichter an ihn, suchte seine Nähe, die ihr Stärke gab. Aber auch Tiger kam zu ihnen, so dass sie mit dem Rücken zueinander standen.
"Wo ist er?", flüsterte Laree, denn als der Rauch sich langsam lichtete, sah man nichts mehr von ihrem unmenschlichen Angreifer. Sie spürte auch nicht die kalte Signatur des Schnitters, er schien einfach verschwunden zu sein wie als hätte es ihn nie gegeben. Hatte sie ihn überhaupt getroffen? Vorsichtshalber bemühte sie sich die Armbrust neu zu spannen, unterdrückt keuchend, ihr schwindelte vor Schmerz. Man hörte ihrer aller drei angespannten Atem, das Rauschen der Blätter um sie herum. Der Schnitter war weiterhin lautlos wie der Tod, den er mit sich brachte.
"Er ist noch da...", knurrte Tiger, warf einen Blick zu Malateste, nickte ihm zu und fuhr sich mit seinem Finger leicht über die Kehle. Dann rief er eine braune Tonflasche herbei, entkorkte sie. "Wie wärs mit nem bißchen deiner eigenen Medizin, hm?" Der Tigerlaner warf die Flasche empor, sprang und verpasste ihr einen Tritt, so dass sie durch die Luft segelte und ihre Flüssigkeit dabei in Kreisen verteilte. Dort wo die Tropfen auftrafen, zischte es leise, Blätter begannen zu verfallen, weggefressen von Säure.
Und im gleichen Moment konnte Laree den Schnitter wieder sehen als die Flasche gegen seinen Schild prallte und ihn einfach zerfraß. Der Bolzen steckte nicht mehr in seiner Brust, doch dort klaffte eine Wunde, schwarzes Blut sickerte hervor. Laree hätte am liebsten angewidert den Blick abgewandt, doch sie konnte nicht. Der Schnitter kam schnell auf sie zu, sein Langschwert dunkler als die Nacht selbst, es flirrte in der Luft, war kaum sichtbar und kam Laree in dem Moment vor wie die Schere, die jeden Schicksalsfaden durchtrennte. In einem flüchtigen Augenblick glaubte sie Tiger zu sehen, der sich in das Schwert warf, allein um seinen Gegner näher zu kommen, doch er wich gerade so noch aus. Laree erkannte eine Lücke und schoss auf den Waffenarm, Kleidung ebenso wie Sehnen und Knochen rissen auf.
Dann sah sie wie der Tigerlaner mit der Faust tief in den Brustkorb des Schnitters fuhr, seine Katzenaugen funkelnd vor Blutrausch, sie konnte seine spitzen Reißzähne erkännen als Tiger grinste.
"Das bin ich, der das letzte Bißchen aus deinem schwarzen Herz presst...", brachte er hervor, wankte aber auch und schien Schmerzen zu haben. Mit Entsetzen beobachtete Laree wie schwarze Stränge sich um Tigers Arm schlangen, der Kriegerprinz war kurz davor in die Knie zu gehen und schon war der Schnitter dabei seine freie Hand zu heben, Gift von den Fingerspitzen tropfend. "Jason, jetzt!"
Der Habicht auf einem der Äste kreischte laut, schlug mit den Flügeln, als Gualterio den Säbel in einer harten Bewegung gegen den Hals des Schnitters führte. Laree starrte bloß mit weit aufgerissenen Augen dorthin wie der immer noch maskierte Kopf des Schnitters recht unpathetisch nach hinten kippte und zu Boden fiel. Mit einem Aufbrüllen riss Tiger seine Hand zurück, ein dunkles Herz fest in seinen Klauen, blutig tropfend. Und endlich, endlich fiel der Schnitter. Die welken Blätter wirbelten beim Aufprall nochmal auf, sanken gleich wieder nieder.
Die Hexe taumelte keuchend zurück, sie wollte nicht mehr, sie konnte nicht mehr, es sollte endlich alles vorbei sein.
"Schnell, ich brauch ne Decke", rief Tiger, der das Herz inzwischen hatte fallen lassen. Als Laree sich nicht rührte, sondern ihn nur perplex anstarrte, riss der Kriegerprinz ungeduldig am Umhang Gualterios bis der Stoff sich mit einem Ratschen löste. Gleich darauf warf er den Umhang auf den Schnitter und versuchte die Ränder unten gepresst zu halten. Zunächst verstand Laree nichts von dem Getue, erst als sich unter dem blutgetränkten Stoff etwas zu bewegen begann, schluckte sie einmal leer.
"Es ist noch nicht vorbei?", rief sie fast hysterisch. Sie war wieder den Tränen nah.
"Nicht wenn wir nicht verhindern, dass seine Freunde in Dhemlan davon erfahren!", gab Tiger laut zurück, während er gleichzeitig den Umhang niederzuhalten versuchte und mit der anderen Hand auf etwas unter dem Umhang einhackte. Als ein Schnabel sich durch den Stoff brach und dann ein Rabe freibrach, wurde Laree erst so richtig klar worum es ging. "Haltet den scheiß Vogel auf! Wenn wer Öl dabei hat, wär jetzt ne gute Idee es zu benutzen!"
Die Hexe kümmerte sich lieber um den Raben, der sich hatte befreien können. Viel zu schnell stieg er in die Lüfte empor und die in ihr Gesichtfeld ragenden Äste machten es ihr nicht unbedingt leichter. "Oh, Dunkelheit..." Wie sollte sie das schaffen? Die Zeit verrann schneller als sie jene fassen konnte. Aber Gualterio hatte gesagt, sie wäre die Beste... glaubte sie ihm etwa? Laree riss im letzten Moment die gespannte Armbrust hoch, drückte ab und verstärkte den Schuss mit Hilfe der Kunst, so dass der Bolzen weiterflog als er eigentlich sollte. Kurz hörte man ein martialisches Krächzen, dann fiel der getroffene Rabe zu Boden. Laree lehnte sich gegen den Baum hinter ihr, sank zitternd daran herab und ihre goldenen Augen leuchteten auf als im gleichen Moment nur wenige Schritte vor ihr die Überreste des Schnitters in Flammen aufging. Das Feuer züngelte gierig an dem schwarzen Stoff, zunächst nur schwach wie als wehrte sich der Assassine selbst jetzt noch, doch schließlich zuckten die Flammen höher und man hörte nichts mehr außer dem Knistern und Knacken des Feuers,
Tiger glitt auch zurück, nun nicht mehr ganz so geschmeidig wie vor dem Kampf, auch er war sichtbar angeschlagen. Denjenigen, den es aber am schlimmsten erwischt hatte, war Gualterio, sein Gesicht war wächsern und blass, in seinem verbleibenen Auge glomm das Gold nur schwach auf wie letzte Glut. Laree blickte ihn stumm an, dunkles kaltes Blut in Spritzern auf ihrem Gesicht und ihren Armen.
"Hier.. Freund, trink das. Wenn die Schnitter noch immer das gleiche Waffengift verwenden, ist das das Gegengift." Tiger hatte eine kleine Ampulle herbeigerufen und flößte dessen Inhalt dem Hayllier ein. Vorsichtig kroch Laree neben Gualterio, ihr Bein schmerzte wieder, nun wo das ganze Adrenalin des Kampfes abfiel, spürte sie jeden einzelnen Knochen. "Und ein Heiltrank, verschafft dir etwas mehr Zeit. Danach bleibt uns nichts anderes übrig als auf Regensang zu warten", fuhr Tiger fort und eine bauchige Flasche mit klarer Flüssigkeit erschien, die er Malateste auch noch zu Trinken gab.
"Er... schafft es doch oder?", fragte Laree leise so wie viele Male zuvor Gualterio das gleiche über sie gefragt hatte. Tiger schwieg, gemeinsam saßen sie am Rande des Feuers, es roch leicht nach verbranntem Fell und Laree erkannte, dass Tiger seinen Arm mit dem er das Herz des Schnitters umgriffen hatte, kurz ins Feuer hielt, dann rasch die kleinen Flämmchen erstickte. "Das ist nicht das erste Mal, dass du so etwas machst oder?", stellte sie fest. Er hatte viel zu genau gewußt was er hatte tun müssen, er hatte von den Raben gewußt als letzte Sendboten des Schnitters.
Der Kriegerprinz schüttelte den Kopf, das rötliche Licht des Feuers gab ihm ein noch wilderes Aussehen. "Nein...", gab er zu. "Und ihr beide kennt euch schon länger."
Es hatte keinen Sinn das zu leugnen, so nickte Laree bloß, sah besorgt zu Malateste und hielt seine Hand. "Bleib bei mir, ja?", bat sie ihn, wischte sich mit der gesunden Hand Tränen und Blut von der Wange, und lächelte kläglich.