Re: In Sions Armee
von Malateste » Mo 21. Aug 2023, 10:19
Der Kriegerprinz beugte sich gerade über die Karte Lorakas als Isobel eintrat und ihm den Rapport der Nachtwache überreichte. „Danke Gefreite Jiriki.“ Er blickte sie kurz an, nahm den Rapport entgegen und studierte dann wieder die Karte. Isobel blieb noch kurz stehen, ging dann aber als er keine weiteren Anweisungen gab. Sie hatte, genauso wenig wir er, das Gespräch von gestern nicht erwähnt.
Aufmerksam las er den Rapport durch. Nichts spektakuläres, aber auch nicht ruhig. Die Nachtwache hatte in Loraka einiges zu tun. In einer Hafenstadt brodelte es immer, auch wenn sie durch eine Armee besetzt war. Viele betrunkene Matrosen auf Landgang, Taschendiebe, Falschspiel, Schlägereien, Raub und ab und an Totschlag, waren nicht unüblich.
Nachdem er sich den administrativen Arbeiten gewidmet hatte, begab er sich ins Wachhaus. Die Soldaten die gerade nichts zu tun hatten putzten und scheuerten ihre Waffen und Rüstungen. Prüfend schritt er die Reihe ab und schaute zu. Alle waren klug genug in seiner Anwesenheit nicht zu Murren, doch Gualterio konnte sich vorstellen das es anderes klang wenn er den Raum verlassen hatte. Das Wachhaus hatte sogar eine kleine Waffenkammer. Er entdeckte dort, hinter einem verbeulten Schild in der Ecke, ein langes Schwert. Ihm war das Alter anzusehen, aber es war immer noch guter Stahl, es war leicht und es war gut ausbalanciert. Malateste setzte sich mit einem Wetztstein hin und schärfte das Schwert bis er prüfend mit der Fingerspitze über die Schneide strich und zufrieden brummte. Danach liess er das Schwert in seinem Juwelengepäck verschwinden.
Später schritt er die Stadt ab und inspizierte die Patrouillen. Malateste hatte dabei das Gefühl beobachtete zu werden. Er liess sich nichts anmerken, hob mal prüfend einen Apfel an einem Marktstand hoch und blickte sich verstohlen um, oder musterte am Hafen die Neuankömmlinge, liess seinen Blick aber weiterschweifen. Er glaubte in der Menge ein Gesicht zu erkennen, welches er heute schon auf dem Marktplatz gesehen hatte, doch der Kriegerprinz war sich nicht sicher. Falls er beschattet wurde, war der Beobachter verdammt geschickt. Vielleicht bildete er es sich nur ein, doch sein Instinkt trog ihn selten. Er war auf der Hut, und seine Hand lag ständig unbewusst auf dem Griff des gekrümmten Falchions an seiner rechten Seite.
Einige Zeit später kehrte der Korporal zum Wachhaus zurück, er hörte das unverkennbare Klacken von hölzernen Übungsschwertern aus dem Hof und ging Nachsehen. Einige der Gefreiten trainierten, unter ihnen Caldew, Nardek und auch Jiriki. Mit vor der Brust gekreuzten Armen beobachtete er seine Soldaten. Ihnen waren die Grundtechniken des modernen Schwertkampfs vermittelt worden, sie waren teilweise nicht schlecht, Jiriki zum Beispiel bewegte sich elegant und schnell, Nardek hatte ein gutes Reaktionsvermögen und sogar Gwyn hatte Talent, leider hatte er auch Angst und mangelndes Selbstvertrauen, was ihm dabei in die Quere kam.
„Aufgemerkt!“ Die Gefreiten hörten auf zu kämpfen und blickten ihn an, je nach Charakter neugierig, ängstlich, gleichgültig oder auch abweisend.
„Ihr seid besser als ich erwartet habe.“ Der Kriegerprinz lächelte kalt und ging in die Mitte des Hofes. „Aber nicht gut genug um im Ernstfall zu überleben. Gefreiter Caldew, tritt vor.“ Der dünne Junge mit dem roten Haarschopf zuckte zusammen und blickte sich hilfesuchend um. „Brauchst du eine Spezialeinladung?“ donnerte Malateste und dGwyn trat vor. Man sah ihm an, dass er sich am Liebsten ganz weit weg gewünscht hätte. Gualterio streckte die Hand aus, rief mit der Kunst ein Holzschwert zu anderthalb Hand in seine Hand und reichte es Gwyn. Dann zog er leise sirrend sein geschliffenes Langschwert aus der Scheide. Der Kriegerprinz stellte sich in einer falschen Verteidigungsposition auf, das Schwert leicht zur Seite versetzt, seinen Körper entblössend. „Greif mich an Gefreiter Caldew. Los!“ Der Rotschopf zögerte kurz, machte dann aber mit seinem Holzschwert einen Ausfall und hieb auf das Schwert des Korporals ein. Malateste machte beinahe gemächlich einen Schritt zur Seite, liess Gwyn ins Leere laufen und dieser hatte plötzlich die Klinge des Korporals einen Millimeter vor seinem Hals, ohne das die Umstehenden gesehen hätten was passiert war. Caldew schielte mit grossen Augen auf den tödlichen Stahl an seinem Hals bevor Gualterio die Klinge wieder wegzog.
„Der Gefreite Caldew hat einen Fehler gemacht den viele Schwertkämpfer am Anfang, und teilweise auch bis zum Ende machen. Er hat auf das Schwert gezielt und nicht auf den Gegner. Beim Schwertkampf gilt es lange Schlagabtausche zu vermeiden, das Ziel ist es möglichst mit einem Hieb oder Stich euren Gegner zu töten oder schwer zu verletzen. Ich werde euch alle Huten, Schläge und Stiche beibringen, und auch wie ihr vorausseht was euer Gegner tut.“
Malateste nahm Cadlew das Holzschwert ab und musterte alle Anwesenden einzeln. „Und mit euren Fähigkeiten wird euer Selbstvertrauen steigen. Ich weiss, ihr fürchtet euch alle heimlich vor der Sechsten. Zu Recht. Wisst ihr wieso? Diese Leute haben nichts mehr zu verlieren und keine Angst vor dem Tod. Im Gegensatz zu euch.“ Malateste schritt die Reihe seiner Soldaten an, seine Stimme war eindringlich. „Jederzeit kann die Zweite an einen Frontabschnitt versetzt werden, und das ist keine ruhige Kugel wie Loraka. Darauf möchte ich euch vorbereiten, euch das Rüstzeug mitgeben, damit ihr eure Familien wieder sehen und das versprochene Stück Land bebauen könnt. Jeder von euch hat Freunde und Familie zuhause. Doch hier ist die Zweite eure Familie. Ihr werdet aufeinander aufpassen, ihr seid die Lebensversicherung eurer Kameraden und sie die eure. Ich werde aus euch Ledernacken machen. Irgendwann werden andere Soldaten flüstern wenn ihr vorbeizieht ‚das sind die von der zweiten, man sagt es seien die mutigsten und härtesten Ledernacken!’, und wenn ihr einmal alt im Schaukelstuhl sitzt und euren Enkeln beim Spielen zuschaut, werdet ihr zurückblicken und euren Dienst als eine der besten Zeiten eures Lebens sehen.“
Gualterio liess in seiner linken Hand das Schwert zu anderthalb Hnad erscheinen welches er in der Rüstkammer gefunden, geputzt und geschärft hatte, und hielt es Gwyn hin. „Das ist Tigerszahn, ein altes Schwert. Die Legende besagt, dass der Mut seiner Träger nach ihrem Tod in Tigerszahn übergeht und seinen Träger unterstüzt. Natürlich ist es eine Legende, doch die Vorbesitzer haben einige erstaunliche Leistungen damit vollbracht. Gefreiter Cadlew, Tigerszahn ist jetzt dein Schwert. Gib es nie mehr aus der Hand. Du wirst damit jeden Tag üben bis es zu einem Teil deines Körpers wird.“
Ungläubig blickte Gwyn auf das Schwert das der Korporal ihm entgegen hielt und dann zweifelnd auf Malateste, als ob er ihn nur auf den Arm nahm. Doch dann nahm er das Schwert entgegen und blickte strahlend zu seinen Kameraden bevor die tiefe Stimme des Kriegerprinzen die Aufmerksamkeit aller wieder aus sich zog.
„Ich werde euch eine alte, beinahe vergessene Schule mit dem langen Schwert lehren, das könnte euch einen Vorteil verschaffen. Holt ein Übungslangschwert und stellt euch in einer Reihe auf, wir beginnen mit der ‚Hut vom Tag’.“
Gualterio wusste nicht ob es ihm gelungen war zu seinen Soldaten vorzudringen, er wollte tatsächlich alles aus ihnen herausholen und ihren Stolz und ihr Selbstvertrauen wecken. Leider merkte er, dass er seine Leute zu mögen begann.