Laree nahm den Dolch entgegen, den Malateste ihr zurückgab, steckte ihn in einer routinierten Handbewegung zurück in seine Lederscheide. Der Kriegerprinz antwortete ihr durch einen Speerfaden, so dass sie sich äußerlich schweigend anblickten. Gualterio gab vor, dass Zorya die Schwarze Witwe höchstwahrscheinlich früher oder später erwischt hätte. Womöglich hätte Kaileena Wochen oder Monate gehabt. Selbst wenn nicht, so würden täglich Schwarze Witwen unter Zorya und Sion zu leiden haben. Die Informationen, die sie erhalten hatten, könnten ihnen helfen. Malateste setzte sich in Bewegung, Laree folgte ihm langsam. Ihr Magen fühlte sich immer noch flau an und das wurde auch überhaupt nicht besser als sie wieder durch den Hinterausgang verschwanden.
*Welcher Tod ist es schon wert? Ich kann morgen sterben. War es dann dies alles Wert?*, sandte er ihr dabei. Die Hexe starrte entschlossen und zornig auf seinen breiten Rücken. Er durfte nicht sterben. Er mußte zurückkommen.
*Es muss irgendetwas wert sein. Umsonst mach ich das hier alles nicht. Irgendwas muss es bedeuten*, erwiderte Laree, ihr Gedankenfaden schwankend zwischen Verbissenheit und Hilflosigkeit. Gualterio drehte sich zu ihr um, blickte sie an ehe er zustimmte, dass es das wert gewesen war. Laree trat aus dem Schatten des Gebäudes heraus. Auf seine Aufforderung Kaileenas Worte zu interpretieren, zuckte sie mit den Schultern. "Ich bin keine Schwarze Witwe, ich bin nur eine dumme Soldatin. Woher soll ich das wissen?" Außerdem war es gefährlich hier darüber zu reden. Wenn einer der anderen Soldaten davon Wind bekam, dass sie den Aufenthaltsort einer Schwarzen Witwe gedeckt hatten...
"Lass uns irgendwo was essen gehen. Wo wir ungestört sind", schlug Laree vor. Dann konnten sie sich unterhalten und die letzten Worte Kaileenas zerpflücken. "Man achtet auf jedes Wort von Schwarzen Witwen, sucht darin einen tieferen Sinn, denn es könnte ja eine Vision sein... bei normalen Menschen käme man nie auf den Gedanken. Seltsam oder?" Vielleicht waren am Ende auch die Worte einer Schwarzen Witwe sinnlos. Laree wollte kein Spielball des Schicksals sein, obwohl sie wahrscheinlich bei Fortuna sowieso nicht hoch im Kurs stand. Manche Menschen hatten kein Schicksal. So etwas pathetisches hatten nur die Mächtigen, Adeligen und Reichen.
Sie wurden fündig bei einem Stand, der über einigen Kohleofen gerösteten Reis mit Hühnchen- und Kaninchenfleisch verkaufte. Eingerollt in dünne Teigscheiben, damit man es auch irgendwie ohne Geschirr und Besteck essen konnten, reichte ihnen der gebeugte Mann mit zerfurchtem Gesicht ihre Mahlzeiten. Sie schlenderten aus der Stadt, näher zum Meer hin. Hier waren sie auch letzte Nacht gewesen. Viel hatte sich nicht verändert. Laree sah zu den Wellen. Dhemlan war hier näher als Hayll. Auf der anderen Seite des Ozeans.
"Du kannst nicht sicher sein was ihre Worte bedeuten", ergriff die Gefreite das Wort, nahm einen Bissen von dem heißen Reis. "Wenn Zorya sie erwischt hatte, können das alles Lügen sein. Die Spinnenkönigin ist gerissen. Denke ich", schob Laree hinterher. "Vielleicht hat ihr tatsächlich einst eine Perlenkette gehört und die hat sie Tiger gegeben. Wenn das stimmt... dann ist er tiefer hierin verstrickt als auch nur irgendeiner weiß. Feodorian.. ich weiß nicht wer das ist. Es klingt wie eine Eyrierin, der er die Kette hatte geben wollen", überlegte sie. Laut Kaileena hatte Tiger die Kette aber einem Freund gegeben. Wer war das und wie war eine einzelne Perle in den Kartenraum der Offiziere gelangt? Rätsel über Rätsel.
"Ich weiß nicht, was das alles zu bedeuten hat. Nur dass es etwas altes ist. Denk doch mal... als Sion vor einigen Monaten an die Macht gekommen ist, da hatte er sofort einige mächtige Anhänger, die hinter ihm standen und alles in die Wege geleitet haben." Die Brandung tönte lauter, Wellen kämpften sich an den Strand. "Die sind doch nicht aus dem Nichts aufgetaucht oder?"