Re: Vatersorgen
von Timaris » Do 8. Dez 2022, 21:06
Auf Laera reagierte sie vorläufig nicht. Auch dann nicht, als sie gehorsam ihr Juwel zurück geben wollte. Was allerdings nicht hiess, dass Timaris es nicht mitbekam. Sie hatte sehr wohl, die aufmüpfige Wut in ihrem Blick bemerkt, als auch, dass sie sich freiwillig an die Regeln hielt und erst recht hatte sie den Blick gesehen, mit dem der Kriegerprinz die Heilerin gemustert hatte. Doch darauf reagierte sie nicht, sondern konzentrierte sich auf Gualterio.
Es wurde wieder einmal deutlich, dass er ein Soldat und kein Meuchelmörder war. Caleb zum Beispiel hätte sich davon nicht abhalten lassen, dass sie in einem belebten Raum waren, oder wenn er seine Juwelen nicht hätte einsetzen können. Es gab immer Mittel und Wege, wenn es notwendig war. Schliesslich war der Gang zu Larees Zimmer bestimmt nicht so voll oder gar ihr Zimmer selbst. Doch nach wie vor schreckte Timaris davor zurück, Malateste darüber auf zu klären. Der Kriegerprinz war ein Soldat mit einem ganz eigenen Ehernkodex. Sie wollte ihm nicht die Last des Meuchelmordes aufbürden.
Es folgten weitere unverschämte Worte und eine spöttische Verbeugung. Doch bevor sie darauf antworten konnte, wurde sie von einer Flut grausiger Bilder überschwemmt. Auf einmal wurde es dunkel, kalt und der Wind zerrte an ihren Haaren, an ihrem Kleid. Nicht dass eine Territoriumskönigin Einfluss auf das Wetter hatte, doch das Land reagierte auf sie, auf ihre Gefühle, wenn sie sie nicht unter Kontrolle hatte. So wäre auch das Erdbeben in Askavi zu erklären. Und deswegen holte sie der Sturm, der sich am Himmel zusammengebraut hatte, schneller ein als vermutet.
Rasend schnell stieg sie in den Abgrund und nach dem ersten Schock durchflutete sie eisige Ruhe. Den Schmerz schob sie einfach beiseite, um in Ruhe die Bilder betrachten zu können. Nicht, dass sie den Schmerz nicht spürte, doch es war nichts im Vergleich dazu, was sie erlebt hatte, als sie Minan gewesen war.
Minan, der weggesperrt wurde und den man nur heraus holte, um ihn zu quälen, um ihn herum zu reichen. Schmerzen. Blut. Hass anstatt Liebe. Enttäuschte Hoffnung, immer und immer wieder. Der Arm, der zu brennen schien. Atemnot. Wertlos. Die Flügel, die sie ihr, ihm abtrennte. Hässliche Narben am Rücken. Verlust. Imenser Verlust. Die Jagd im Wald. Gierige geifernde Wölfe. Sie kreisen sie/ihn ein, fallen über sie/ihn her. Dunkelheit.
Mit aller Kraft schob sie die Erinnerungen an und von Minan beiseite, fror sie ein. Jetzt endlich konnte sie sich wirklich auf die Bilder von Laree konzentrierten. Die Hexe sah schrecklich zugerichtet aus. Allerdings hatte Timaris Sklaven schon in schlimmerem Zustand gesehen. Unter anderem auch Aaron, mehrmals durch ihr Verschulden und einmal durch Aydens.
Aber auf jeden Fall waren die Verletzungen zu schlimm, als dass sie jetzt schon wieder Arbeiten durfte. Auch stutzte Timaris, als sie realisierte, woher das viele Blut kommen musste, denn äusserliche Wunden schien sie nicht viele zu haben. Dieser Bastard musste die Hexe innerlich aufgerissen haben.
Timaris sankt immer tiefer. Grün war schon längst passiert und Grau bald erreicht. Die kalte Wut ermöglichte es ihr, alles glasklar zu erkennen und kühl zu analysieren. So verpasste sie auch nicht den Moment, als die Heilerin nach Larees Mondzeit fragte. Das konnte doch nicht sein. Oder hatte Ayden sie wieder einmal vermietet? Oder... Gualterio!
Unvermittelt richtete sie ihren Blick auf den Kriegerprinzen. Das Gold ihrer Augen war ganz dunkel geworden. Ob er wusste, was dies bedeuten mochte. Timaris würde Ayden nach Larees Mondzeit fragen. Die Hexe schien zum gleichen Schluss zu kommen, was Gualterio aber nicht zu verstehen schien.
*Laree Ivores*, hallte es dunkel und von kalter Wut erfüllt durch die Köpfe der Anwesenden im Schloss, ganz besonders bei der entsprechenden Hexe. *Du bleibst wo du bist, bis ich dir jemanden geschickt habe, der dich zurück ins Bett bringt wird. Du wirst ihnen keinen Widerstand leisten.*
Anschliessend gab sie zwei starken Dienstboten den Befehl, die Hexe behutsam in ihr Bett zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie auch dort blieb. Dann rief sie das Geburtsjuwel von Laera herbei und gab es ihr gemeinsam mit seinem Aufstiegsjuwel.
"Hol Lady Crowan und kümmere dich gemeinsam mit ihr um Lady Ivores. Sofort." Ihre Stimme blieb die ganze Zeit ruhig, gelassen, eisig.
Dann erst widmete sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Kriegerprinzen. "Ausgerechnet du hast Angst vor dem Tod, wenn du gegen eine Übermacht für die Sicherheit einer Hexe kämpfen musst?", fragte sie leise aber freundlich. Viel zu freundlich. "Und wie kommst du auch nur auf den Gedanken, ich würde deinen Kopf je irgend jemandem ausliefern? Der gehört mir."
Sie liess ihn aber gar nicht erst antworten. "Wie konntest du sie nur zurück an ihre Arbeit gehen lassen? Hat der Kerker deinen Verstand verschimmeln lassen? Du hättest sie an ihr Bett fesseln und gleich darauf zu mir kommen müssen. Angst vor erwähntem Haushofmeister? Du hast ja keine Ahnung von der Beziehung von Ayden und Laree. Du wirst jetzt gehen."
Scharf sah sie ihn an, mit einem Blick, der keine Widerworte oder Ungehorsam duldete. "Du gehst in die Stadt und holst mir die Heilerin, die sich um Laree gekümmert hat. Ich will mich mit ihr unterhalten. Und anschliessend sorgst du dafür, dass Laree das Bett nicht mehr verlässt, bis sie die Erlaubnis dazu bekommt."
Eigentlich wäre sie jetzt selber gerne zu der Hexe gestürmt, um zu sehen wie es ihr ging. Doch Laree wäre jetzt wohl kaum glücklich sie zu sehen. Ausserdem musste sie erst aus ihrer kalten Wut kommen, wie ihr ihre Vernunft kaum verständlich zuflüsterte.
So blieb sie einfach regungslos stehen, achtete nicht mehr auf den Kriegerprinzen, kämpfte zur verzweifelt darum nicht weiter zu stürzen, sondern wieder wärmer zu werden. Oh Ayden hatte so Recht gehabt. Sie musste sich dringend erholen nach all den Geschehnissen. Sie hatte es ja auch gewusst, aber es ging nicht. Zuviel geschah, um das sie sich kümmern musste. Nun kam noch mehr hinzu, wo sie die Aufgaben des Haushofmeisters aufteilen und teilweise übernehmen musste. Sie musste einfach weiter durchhalten. Noch eine ganz Weile. Also wie beim Feuer der Hölle kam sie aus dem Abgrund?
Jemanden zerfetzen wäre jetzt gut. Jaaah, zerreissen. Sich auf jemanden stürzen und ihn dafür zu strafen, dass Laree so etwas angetan hatte. Blut sollte spritzen und nicht das der Hexe. Am besten jemand, der schuld daran war. Doch der eyrische Bastard war tot. Nur Gualterio war bei ihr.
"Geh!" stiess sie gepresst, schon beinahe panisch hervor. Ihr ganzer Körper zitterte vor Anspannung, vor Selbstbehherschung, die sie aufbringen musste, um sich nicht auf den Kriegerprinzen zu stürzen.
Jaahhh, geh, kleines Kriegerprinzchen,flüsterte die Mordlust in ihr. Geh! Renn und ich werde dich jagen.