Dulcie zwirbelte an einer ihrer roten Locken, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und sah zu dem schäbigen Haus empor, wo die Heilerin wohnte, die Laree so sehr schätzte. Es war einfach gewesen ihr einmal bis hierher zu folgen und oh, genauso interessant zu erfahren, dass die Hexe anscheinend nicht die einzige war, die so begeistert von der Heilerin war. Wenn sie so gut war... ach warum sollte Dulcie nicht auch einmal zu ihr gehen? Sie lächelte mädchenhaft, blickte sich noch einmal um und betrat dann den Hausflur, als sie sich sicher war, dass ihr auch niemand gefolgt war. Den Treppenflur hinaufsteigend, summte sie leise vor sich hin, ihr kurzer rostroter Faltenrock schwang bei jedem Schritt hin und her. Dulcie hatte ihre Signatur verschleiert und extra nicht die letzten Verletzungen, die sie von Ayden erhalten hatte, geheilt. Sie war extra unartig gewesen, damit er ihr besonders weh getan hatte.
Kurz bevor Dulcie an die Türe klopfte, begannen Tränen in ihre Augen zu steigen und sie klopfte erst, als einige Tränen über ihre Wangen kullerten. Die ältere Heilerin öffnete, blickte sie besorgt an.
"K-kann ich reinkommen? Laree hat... gesagt, ihr seid gut und und...", sie schluchzte mit zitternder Unterlippe, "Ich weiß nicht wo sonst hin..."
"Los los, komm rein, Mädchen." Die Heilerin überprüfte sie rasch mithilfe der Kunst und führte sie ins Innere der chaotischen Wohnung, bedeutete ihr auf einer Liege Platz zu nehmen. Routiniert wurde Dulcie untersucht, die sich derweil bemühte ihre Tränen zurückzuhalten und bei manchen Berührungen aufwimmerte. Als die Hayllierin dann die Tätowierung sah, nickte sie verstehend.
"Danke, dass ihr mir helft... ich bin noch nicht so lange in der Stadt, ich kenne niemanden..", hauchte sie mit erstickter Stimme.
"Du kennst jemanden. Leider die falsche Person", bemerkte die Heilerin knapp und begann sie zu heilen. Tröstend strich sie Dulcie auch über den Rücken, als sie anfing zu schluchzen, dass sie sich so sehr schämte und nicht mehr weiter wußte.
Danach blieb sie in einem flauschigen ihr viel zu großen Pullover zusammengesunken auf der Liege sitzen, blickte mit geröteten flehenden Augen zu der älteren Frau. "Darf ich vielleicht noch einen Tee mit euch trinken?", fragte sie kleinlaut, "Ich würd so gern mit jemandem reden..." Die Heilerin lächelte mütterlich.
"Natürlich, ich setze schnell einen auf. Dann kannst du dir alles von der Seele reden", bemerkte sie und Dulcie lächelte leicht. Ja, jemand würde sich hier alles von der Seele reden, aber das würde nicht sie sein. Die junge Rothaarige half der Hayllierin etwas unbeholfen mit dem Tee, gab ihr auch einen Zuckerwürfel in die Tasse. Danach rührte sie seelenruhig in ihrem eigenen Tee, nippte daran. "Dann erzähl einmal..."
Dulcie begann schüchtern herumzudrucksen, ungefähr so lange wie es dauerte bis der Würfel aus kristalliertem Wahrheitsserum sich im Tee der alten Frau aufgelöst hatte. Danach ging alles sehr einfach...
"Und wann habt ihr sie noch einmal mit Gualterio gesehen?", hakte Dulcie nach.
"Ein weiteres Mal im Badehaus, Laree hatte Verletzungen von Ayden, sie hat sie bemüht sie vor dem Kriegerprinzen zu verbergen. Er war da in schwerer Bewaffnung. Viel später in der Nacht wurde ich noch einmal zu ihr gerufen, dieses Mal in den Purpurdrachen. Ein Eyrier hatte sie sehr schlimm vergewaltigt und zugerichtet", berichtete die Frau bereitwillig.
"Oh, wie furchtbar", steuerte Dulcie bei, rührte jedoch weiterhin seelenruhig mit dem Löffel in ihrer Teetasse umher. "Aber ich bin sicher, ihr habt sie gut versorgen können. Und was machte der Kriegerprinz dort?"
"Es war sehr knapp, wir haben die ganze Nacht um ihr Leben gekämpft. Besonders wegen ihren inneren Verletzungen und dass sie ihr Kind so früh verloren hat", antwortete die Frau. Zum ersten Mal horchte Dulcie so richtig auf und eine leise innere Aufregung erfasste sie. Eigentlich hatte sie nur mehr über ihre Konkurrentin herausfinden wollen, aber jetzt schien plötzlich eine verlockende Gelegenheit in greifbarer Nähe.
"Ein Kind?", hakte Dulcie im unschuldigen Tonfall nach, "Ich wußte gar nicht, dass sie schwanger war."
Die Hayllierin schüttelte betrübt den Kopf. "Das weiß nichtmal sie selbst. Es war noch so früh... ich habe alles getan, um sie zu retten und ihr die Fähigkeit zu erhalten noch einmal schwanger zu werden."
Die junge Rothaarige seufzte anteilsam, schüttelte den Kopf. "Wie schrecklich... meine arme Freundin, ich hatte ja keine Ahnung. Und wer weiß stattdessen davon?" Aufmerksam und abwartend blickte sie die Heilerin an.
"Die Königin hat mich zu sich zitiert, sie weiß Bescheid und auch Prinz Malateste", erzählte jene bereitwillig. Als Dulcie nachhakte, ob es auch Prinz Asar wußte, konnte sie nur vermuten. Oh, er wußte es. Dessen war sich Dulcie sicher. "Wir haben es extra vor ihr verborgen. Es würde sie zerstören. Das arme Mädchen hat schon genug erlitten, sie sollte sich nicht auch noch fragen was wäre wenn..."
Was wäre wenn sie es nicht verloren hätte. Was wäre wenn ihr Leben anders aussehen würde. Wer würde ihr denn auch diese Ideen in den Kopf setzen wollen?
Dulcie legte lächelnd einen Finger an ihre süßen geschwungenen Lippen. "Dann werde ich auch schweigen. Ich möchte schließlich nur das beste für meine Freundin..." Wer wohl der Vater war? Ayden bestimmt nicht. Hatte Laree noch andere Männer neben Gualterio gehabt? Sie würde es am ehesten wissen... Die junge Heilerin erhob sich. "Diese Unterhaltung wird unser kleines Geheimnis bleiben."
"Ich bin sehr verschwiegen", meinte die ältere Frau. Dulcie spielte mit einer ihrer roten Strähnen, nagte jungmädchenhaft an ihrer Lippe, trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Die Heilerin hatte nur noch Zeit ihre Stirn zu runzeln, da verkrampfte sich ihr Griff um die Tasse so fest, dass sie klirrend zu Boden fiel. Die Frau begann zu würgen und zu husten, krallte ihre Finger um ihre Brust dort wo ihr Herz war. Es dauerte nicht lange, da kippte sie nach vorne und rührte sich nicht mehr.
"Es gibt da so einen Spruch den mein Herr sehr mag. Selbstsicher, großspurig, faul, tot", bemerkte Dulcie lächelnd. Und sie wollte nicht riskieren, dass die Frau jemanden von diesem Gespräch erzählte. Die Hayllierin war ja auch selbst schuld, wenn sie nicht genauer aufpasste. Der Kern der Wahrheit war immer bitter und giftig. Die junge Frau spülte ihr Teegedeck in der Küche ab, räumte es zurück und kontrollierte auch, ob sich alles des verräterischen Zuckerwürfels aufgelöst hatte. Erst danach verließ sie die Wohnung und machte sich auf zurück zum Schloss. Wenn sie ihre Karten richtig ausspielte, würde sie bald schon Aydens Aufmerksamkeit ganz für sich haben. So wie es immer hatte sein sollen...