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Puppenspiele





Puppenspiele

Beitragvon Dulcie » Sa 19. Aug 2023, 22:19

Dulcie zwirbelte an einer ihrer roten Locken, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und sah zu dem schäbigen Haus empor, wo die Heilerin wohnte, die Laree so sehr schätzte. Es war einfach gewesen ihr einmal bis hierher zu folgen und oh, genauso interessant zu erfahren, dass die Hexe anscheinend nicht die einzige war, die so begeistert von der Heilerin war. Wenn sie so gut war... ach warum sollte Dulcie nicht auch einmal zu ihr gehen? Sie lächelte mädchenhaft, blickte sich noch einmal um und betrat dann den Hausflur, als sie sich sicher war, dass ihr auch niemand gefolgt war. Den Treppenflur hinaufsteigend, summte sie leise vor sich hin, ihr kurzer rostroter Faltenrock schwang bei jedem Schritt hin und her. Dulcie hatte ihre Signatur verschleiert und extra nicht die letzten Verletzungen, die sie von Ayden erhalten hatte, geheilt. Sie war extra unartig gewesen, damit er ihr besonders weh getan hatte.
Kurz bevor Dulcie an die Türe klopfte, begannen Tränen in ihre Augen zu steigen und sie klopfte erst, als einige Tränen über ihre Wangen kullerten. Die ältere Heilerin öffnete, blickte sie besorgt an.
"K-kann ich reinkommen? Laree hat... gesagt, ihr seid gut und und...", sie schluchzte mit zitternder Unterlippe, "Ich weiß nicht wo sonst hin..."
"Los los, komm rein, Mädchen." Die Heilerin überprüfte sie rasch mithilfe der Kunst und führte sie ins Innere der chaotischen Wohnung, bedeutete ihr auf einer Liege Platz zu nehmen. Routiniert wurde Dulcie untersucht, die sich derweil bemühte ihre Tränen zurückzuhalten und bei manchen Berührungen aufwimmerte. Als die Hayllierin dann die Tätowierung sah, nickte sie verstehend.
"Danke, dass ihr mir helft... ich bin noch nicht so lange in der Stadt, ich kenne niemanden..", hauchte sie mit erstickter Stimme.
"Du kennst jemanden. Leider die falsche Person", bemerkte die Heilerin knapp und begann sie zu heilen. Tröstend strich sie Dulcie auch über den Rücken, als sie anfing zu schluchzen, dass sie sich so sehr schämte und nicht mehr weiter wußte.

Danach blieb sie in einem flauschigen ihr viel zu großen Pullover zusammengesunken auf der Liege sitzen, blickte mit geröteten flehenden Augen zu der älteren Frau. "Darf ich vielleicht noch einen Tee mit euch trinken?", fragte sie kleinlaut, "Ich würd so gern mit jemandem reden..." Die Heilerin lächelte mütterlich.
"Natürlich, ich setze schnell einen auf. Dann kannst du dir alles von der Seele reden", bemerkte sie und Dulcie lächelte leicht. Ja, jemand würde sich hier alles von der Seele reden, aber das würde nicht sie sein. Die junge Rothaarige half der Hayllierin etwas unbeholfen mit dem Tee, gab ihr auch einen Zuckerwürfel in die Tasse. Danach rührte sie seelenruhig in ihrem eigenen Tee, nippte daran. "Dann erzähl einmal..."
Dulcie begann schüchtern herumzudrucksen, ungefähr so lange wie es dauerte bis der Würfel aus kristalliertem Wahrheitsserum sich im Tee der alten Frau aufgelöst hatte. Danach ging alles sehr einfach...

"Und wann habt ihr sie noch einmal mit Gualterio gesehen?", hakte Dulcie nach.
"Ein weiteres Mal im Badehaus, Laree hatte Verletzungen von Ayden, sie hat sie bemüht sie vor dem Kriegerprinzen zu verbergen. Er war da in schwerer Bewaffnung. Viel später in der Nacht wurde ich noch einmal zu ihr gerufen, dieses Mal in den Purpurdrachen. Ein Eyrier hatte sie sehr schlimm vergewaltigt und zugerichtet", berichtete die Frau bereitwillig.
"Oh, wie furchtbar", steuerte Dulcie bei, rührte jedoch weiterhin seelenruhig mit dem Löffel in ihrer Teetasse umher. "Aber ich bin sicher, ihr habt sie gut versorgen können. Und was machte der Kriegerprinz dort?"
"Es war sehr knapp, wir haben die ganze Nacht um ihr Leben gekämpft. Besonders wegen ihren inneren Verletzungen und dass sie ihr Kind so früh verloren hat", antwortete die Frau. Zum ersten Mal horchte Dulcie so richtig auf und eine leise innere Aufregung erfasste sie. Eigentlich hatte sie nur mehr über ihre Konkurrentin herausfinden wollen, aber jetzt schien plötzlich eine verlockende Gelegenheit in greifbarer Nähe.
"Ein Kind?", hakte Dulcie im unschuldigen Tonfall nach, "Ich wußte gar nicht, dass sie schwanger war."
Die Hayllierin schüttelte betrübt den Kopf. "Das weiß nichtmal sie selbst. Es war noch so früh... ich habe alles getan, um sie zu retten und ihr die Fähigkeit zu erhalten noch einmal schwanger zu werden."
Die junge Rothaarige seufzte anteilsam, schüttelte den Kopf. "Wie schrecklich... meine arme Freundin, ich hatte ja keine Ahnung. Und wer weiß stattdessen davon?" Aufmerksam und abwartend blickte sie die Heilerin an.
"Die Königin hat mich zu sich zitiert, sie weiß Bescheid und auch Prinz Malateste", erzählte jene bereitwillig. Als Dulcie nachhakte, ob es auch Prinz Asar wußte, konnte sie nur vermuten. Oh, er wußte es. Dessen war sich Dulcie sicher. "Wir haben es extra vor ihr verborgen. Es würde sie zerstören. Das arme Mädchen hat schon genug erlitten, sie sollte sich nicht auch noch fragen was wäre wenn..."
Was wäre wenn sie es nicht verloren hätte. Was wäre wenn ihr Leben anders aussehen würde. Wer würde ihr denn auch diese Ideen in den Kopf setzen wollen?
Dulcie legte lächelnd einen Finger an ihre süßen geschwungenen Lippen. "Dann werde ich auch schweigen. Ich möchte schließlich nur das beste für meine Freundin..." Wer wohl der Vater war? Ayden bestimmt nicht. Hatte Laree noch andere Männer neben Gualterio gehabt? Sie würde es am ehesten wissen... Die junge Heilerin erhob sich. "Diese Unterhaltung wird unser kleines Geheimnis bleiben."
"Ich bin sehr verschwiegen", meinte die ältere Frau. Dulcie spielte mit einer ihrer roten Strähnen, nagte jungmädchenhaft an ihrer Lippe, trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Die Heilerin hatte nur noch Zeit ihre Stirn zu runzeln, da verkrampfte sich ihr Griff um die Tasse so fest, dass sie klirrend zu Boden fiel. Die Frau begann zu würgen und zu husten, krallte ihre Finger um ihre Brust dort wo ihr Herz war. Es dauerte nicht lange, da kippte sie nach vorne und rührte sich nicht mehr.
"Es gibt da so einen Spruch den mein Herr sehr mag. Selbstsicher, großspurig, faul, tot", bemerkte Dulcie lächelnd. Und sie wollte nicht riskieren, dass die Frau jemanden von diesem Gespräch erzählte. Die Hayllierin war ja auch selbst schuld, wenn sie nicht genauer aufpasste. Der Kern der Wahrheit war immer bitter und giftig. Die junge Frau spülte ihr Teegedeck in der Küche ab, räumte es zurück und kontrollierte auch, ob sich alles des verräterischen Zuckerwürfels aufgelöst hatte. Erst danach verließ sie die Wohnung und machte sich auf zurück zum Schloss. Wenn sie ihre Karten richtig ausspielte, würde sie bald schon Aydens Aufmerksamkeit ganz für sich haben. So wie es immer hatte sein sollen...
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von Anzeige » Sa 19. Aug 2023, 22:19

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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:20

Gualterio war fort. Dabei hatte Ayden ihr nichtmal erlaubt den Kriegerprinzen zu verabschieden. Ob er jetzt schon in Loraka war? Ob alles gut gegangen war? Sie wußte es nicht, sie hätte sich nur gewünscht wenigstens noch einmal mit ihm zu reden, wo sie doch nachdem Timaris sie mit Aaron erwischt hatte, nur einen letzten Kuss gehabt hatten bevor Laree dann von Ayden malträtriert worden war, was schließlich in den Dreier mit Timaris gegipfelt war. Am anderen Morgen war sie bei einer der Heilerinnen im Schloß gewesen und dann hatte der Prinz ihr immer irgendetwas zu tun gegeben, so dass sie gar keine Gelegenheit gehabt hatte sich fortzustehlen. Als sie es doch einmal versucht hatte, hatte er sie kurzerhand neben dem Schreibtisch wo ein Eisenring war festgekettet wie man einen Hund oder ein Pferd festband. Womöglich war es sogar besser so, das hatte sie vor einer rührenden Abschiedsszene bewahrt und sie hatte ihren Kopf wieder für andere Dinge frei. Es war ja auch viel problemfreier ohne ihn, Laree weigerte sich ihn zu vermissen.
Neben dem Kriegerprinzen war auch Timaris zusammen mit Aaron auf Urlaub, wobei es wohl eher nur ein Urlaub für die Königin werden würde, nicht so sehr für Aaron, ihrem Lieblingssklaven. Die Hexe hoffte bloß, dass der Prinz es heil zurück zum Schloß schaffte und er den Urlaub überstand, Ayden hatte da so etwas angedeutet was Laree gar nicht gefiel. Dafür war nun der Haushofmeister sozusagen die nächsten Tage die wichtigste Person im Palast und er schien es sehr zu genießen, selbst wenn es mehr Arbeit bedeutete. Es verging trotzdem kaum ein Tag an dem er nicht eine Frau mitbrachte und sich mit ihr vergnügte, es war schon fast zwanghaft. Somit hatte Laree mehr als genug zu tun damit hinter Ayden aufzuräumen.

An einem der Tage betrat sie eines seiner Schlafzimmer mit dem Vorsatz Ordnung zu schaffen, als sie bemerkte, dass es bereits wieder so sauber war wie als wäre es soeben neu bezogen worden. Allerdings war das Bett zu einem altmodischen Mädchentraum von einem Himmelbett geworden, schwere Samtvorhänge in rosé und lachs, dazu bestickte Kissen auf dem Bett, eine Tagesdecke mit Blümchen und Troddeln und noch dazu Dutzende von Porzellanpuppen, die am Kopfende des Bettes drapiert waren. Laree runzelte die Stirn, sich fragend welcher kranken Idee dieses Schlafzimmer entsprungen war und hoffend, dass sie kein Teil davon sein mußte.
Die Hexe schüttelte den Kopf, wollte nur die Bar auf der einen Seite des großen Raumes auffüllen, als sich eine Stimme meldete.
"Das hab ich schon gemacht", informierte Dulcie sie und Laree zuckte vor Schreck zusammen, fuhr herum, ihr Herz wie wild klopfend. Dulcie saß auf dem Bett, allerdings in adretten Puppenkleidern mit gedrehten roten Locken, einem Hut mit Schleife und ikonisch geschminkt wie eine Porzellanfigur. Sie sah bei weitem nicht so alt aus wie sie vermutlich war, obwohl Laree das Alter von ihr nicht genau wußte.
"Dunkelheit, du hast mich erschreckt! Was machst du hier?"
Dulcie lächelte mädchenhaft. "Auf Ayden warten." Sie zupfte an ihren Seidenstrümpfen mit Spitze, trug dazu schwarze Lackschühchen. "Wie findest du mich?"
"Ich hab dich überhaupt nicht gesehen. Was soll das werden?", fragte die Hayllierin zurück. Dulcie lächelte wieder, klimperte mit den Wimpern.
"Ein Puppenspiel natürlich. Ich kann auch ein paar Sätze sagen. Hab mich lieb. Bitte nimm mich in den Arm", machte sie vor und ließ es extra unschuldig und gleichzeitig hölzern klingen. Sie grinste, legte die Arme um die kleineren Puppen neben sich und wirkte so wie eine Königin in ihrem eigenen Reich.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Dulcie » Sa 19. Aug 2023, 22:20

Dulcie drückte eine Puppe an sich, krabbelte bis zum Rand des Bettes und lutschte an ihrem Daumen, während sie mit großen Augen zu Laree blickte. Jene lächelte nur spöttisch.
"Ich wußte ja, dass Ayden gerne mit Puppen spielt, aber dass er soweit geht...", zog sie über ihren gemeinsamen Herrn her. "Seine Kindheit muss... sehr interessant gewesen sein."
Die Heilerin grinste verschwörerisch, lehnte sich zurück und blickte zum Baldachin des Himmelbettes. "Du hast ja keine Ahnung...", gab sie zurück und ließ ihre Finger durch die Locken der Puppe in ihren Armen gleiten. Sollte Laree denken was sie wollte, aber Dulcie erregte es genauso wie Ayden für ihn eine zerbrechliche Puppe darzustellen, die er nach seinem Belieben benutzen konnte. So hatte ihn schon damals solange gereizt bis er sie doch durch ihre Jungfernnacht geleitet hatte. Gut... eher geprügelt hatte, aber von keinem anderen Mann hatte sie es erleben wollen. Sie war schon damals in den charismatischen Prinzen verliebt gewesen. Er hatte sie für zu jung und unreif befunden, gesagt, er würde erst mit ihr schlafen, wenn sie älter wäre, aber Dulcie hatte nicht locker gelassen, obwohl er ihr angedroht hatte, dass wenn sie es vor seinem gesetzten Datum tun würden, es umso schlimmer werden würde. Er hatte nicht gelogen...
"Aber du?", fragte Laree zurück und setzte sich zu ihr aufs Bett. Dulcie legte kurz einen Finger an ihre geschminkten Lippen.
"Ich bin auch schon dreißig Jahre bei ihm", verriet sie und setzte sich wieder auf. "Zwar bin ich jünger als du, aber in unsererm Kreis bist du das Nesthäkchen."
"Dafür bin ich immer noch für Hayll zuständig", hielt Laree dagegen. Nicht mehr lange, dachte Dulcie, sagte aber nichts dazu. Stattdessen seufzte sie laut und drückte dann mit ihrer kleinen Hand Larees Schulter. Die Hexe zuckte nicht zurück, sie hatten bereits miteinander geschlafen und sowieso beide nicht viele Berührungsängste.

"Ach, ich will mich doch gar nicht mit dir streiten, Laree. Ich bin nur froh, dass ich hier bin. Kannst du das nicht verstehen?", fragte sie um Verständnis heischend. "Früher ist Ayden viel mehr herumgereist... er war nicht nur in Hayll und hätte er Venka nicht getötet..." Dulcie brach ab. Mehr war nicht vonnöten gewesen Larees Neugier zu wecken.
"Venka?", hakte die Hayllierin nach. Die Heilerin machte ein erstauntes Gesicht.
"Oh, hast du geglaubt, du wärest die erste, die sich um seine Geschäfte in Hayll kümmert?", fragte sie zurück. "Früher war Venka dafür zuständig... aber... naja, du kennst seine Launen und Anfälle. Es ist nicht einfach unter ihm. Manchmal passiert eben schlimmes... besonders wenn man so lange in seiner Gegenwart ist." Dulcie zuckte mit den Schultern, während Laree etwas überrascht und dadurch schweigsam neben ihr saß.
"Naja, aber du kennst ihn mittlerweile bestimmt richtig gut, wo du doch jeden Tag mit ihm zu tun hast", fuhr die Heilerin fort und lächelte. Laree nickte nur zögerlich.
"Er lässt nicht wirklich zu, dass man ihn kennenlernt. Allenfalls seine Gewohnheiten", gab die Hexe zu, seufzte. "Und wenn die dann abrupt wechseln... manchmal ist er sehr anstrengend. Aber warum erzählst du mir das überhaupt alles?" Kritisch blickte sie Laree an. Dulcie wußte, dass sie vorsichtig sein mußte, die Hayllierin war nicht dumm und Mißtrauen war immer angebracht.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:21

Bei ihrer Frage warum Dulcie ihr das alles erzählte, blickte jene stattdessen auf ihre Schuhe, druckste ein wenig herum und wirkte seltsam verlegen. "Naja... ich weiß nicht, ob ich dir das sagen soll...", fing sie an. "Aber seitdem ich davon gehört habe... also nicht richtig gehört, ich habe nur Ayden und Timaris belauscht. Ich sollte es vermutlich nicht wissen, doch du weißt ja wie das ist, man ist immer neugierig und lauscht gerne..." Die junge Heilerin zupfte an ihrem Kleid, während Laree langsam ungeduldig wurde. Was sollte das alles? Sie hielt sich zurück zu fragen, wartete bis Dulcie von sich aus weitererzählte. "Ich bin selber ja noch so jung, aber für dich war es bestimmt schrecklich. Ich weiß nicht was ich an deiner Stelle getan hätte. Aber dass du dann noch bei Ayden bleiben kannst..."
"Wovon redest du bitte schön?", fragte die Hexe nun doch nach. Dulcie schwieg nochmal lange, blickte Laree aber etwas verwirrt an.
"Kannst du dir das nicht denken? Ich meine deine Schwangerschaft... dass du das Kind wegen Veticar verloren hast... hieß er Veticar? War das der eyrische Gesandte? Ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht etwas durcheinander bringe", redete die Heilerin weiter, doch Laree hörte sie kaum noch. Sie hatte das Gefühl, die gesamte Welt würde gerade in sich zusammenschrumpfen und sie dabei den Boden unter den Füßen verlieren. Abrupt erhob sie sich.
"Du.. mußt etwas verwechselt haben, dich verhört haben", meinte Laree stur, obwohl wieder die Bilder vor ihrem inneren Auge aufblitzten wie Veticar sie schlug und trat, wie sie danach auf dem Bett gelegen hatte und das Blut immer noch zwischen ihren Schenkeln hervorgeströmt war. Es war viel Blut gewesen... und ihre Juwelenkraft hatte nicht richtig funktioniert. Es fiel ihr erst jetzt auf, denn sie hatte sie gegen den Eyrier nicht eingesetzt... nein, nicht einsetzen können. Warum hatte sie das verdrängt? Ihr wurde schlecht.
"Ayden sagte, es wäre gut, dass du dich so schnell wieder von der Fehlgeburt erholt hast... Laree, geht es dir nicht gut? Ich wollte dir nicht zu nahe treten, aber ich verstehe jetzt warum das alles so schwer für dich fällt", sagte Dulcie und wollte ihr tröstend über die Hand streicheln. Laree taumelte einige Schritte zurück, hörte ihren Kelch klirren, während sie das Gefühl hatte in einen Abgrund zu stürzen. Nein, das konnte nicht sein. Sie wüßte doch wenn sie schwanger gewesen wäre, sie hatte Verhütungstränke genommen... und Ayden war sowieso unfruchtbar. Es war unmöglich...
Gualterio.

Wortlos stürzte sie aus dem Raum, rannte durch die Gemächer des Prinzen bis sie die Türe zu einem kleinen Gästebad aufstieß und sich dort wügend übergab. Keuchend sank Laree an der Wand nieder, rollte sich auf den kalten Fliesen zusammen, strich über ihren flachen Bauch und hatte das Gefühl alles zu verlieren. Nein, es konnte, es durfte nicht sein. Die Hexe rang nach Atem, schluchzte leise auf. Das Schloss kam ihr plötzlich riesig vor mit niemanden mit dem sie reden konnte oder der wußte was mit ihr war. Dann fiel ihr wieder ein woher Dulcie es gehört hatte. Es schien so als hätten es alle außer ihr gewußt. Warum? Damit sie sich keine Gedanken machte und brav weiter ihre Arbeit tat?
Laree blinzelte Tränen fort, versuchte die Bilder von Veticar zu verdrängen und was er alles mit ihr angestellt hatte. Nur seine Befriedigung hatte sie ihm verwehrt. Bloß zu welchem Preis? Sie war nicht schwanger gewesen. Ihre Gedanken pendelten haltlos hin und her. Laree brauchte Gewissheit, schniefend rappelte sie sich wieder auf. Sie mußte mit der Heilerin sprechen, sie würde es am besten wissen. Vielleicht hatte Dulcie ihr auch nur einen besonders gemeinen Schrecken einjagen wollen.
Dabei weißt du es doch längst... du weißt es. Laree biss sich auf die Lippen, kämpfte mit Trotz und Wut gegen eine Wahrheit an, die schon immer da gewesen war und sich ihr jetzt mit aller Macht aufdrängen wollte.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:22

Selbst als sie schon längst aufgestanden war, konnte sie das Bad nicht verlassen, mußte sich regelrecht dazu zwingen. Sie würde zur Heilerin gehen, sie zur Rede stellen. Bis dahin würde sie jegliche Behauptung, sie wäre... schwanger gewesen weit von sich weisen. Es war Unsinn, sie hatte ja immer verhütet und wegen den Drogen hatte sie nur ihre Juwelenkraft nicht verwenden können. So war es gewesen.
Laree atmete mehrmals tief durch, strich sich die Tränen beiseite und zog noch einmal ihre Schminke vor dem Spiegel nach ehe sie rasch das SChloß verließ, sich auf den Weg zur Stadt aufmachte. Dieses Mal kam ihr der Weg viel zu lange vor, hoffentlich war die Heilerin nicht beschäftigt, sie hatte viele Kunden aus dem zwielichtigen Bereich, die sich auf sie verließen. Die Hexe bemühte sich nicht zu sehr an das bevorstehende Gespräch zu denken oder was es bedeuten mochte. Ihr Inneres fühlte sich bereits rissig und porös an wie als könnte es bei der nächsten Enthüllung gleich zerbrechen. Nein nein, sie wollte nicht schwanger gewesen sein, sie wollte ohnehin keine Kinder. Wäre es dann nicht gut, dass sie es verloren hatte?
Laree kam bei dem Wohnhaus an, wo die Heilerin lebte, doch schon als sie die Treppe hochging, spürte sie nirgends die Signatur der Frau. Vielleicht machte sie einen Hausbesuch. Aber warum fühlte sie dann trotzdem eine Präsenz in der Wohnung der alten Hayllierin? Ihr ging auf, dass sie nie nachgefragt hatte, ob die Heilerin noch Familie hatte, vielleicht einen Mann oder gar Kinder. Laree klopfte an und ein älterer Hayllier mit grauem Haar öffnete ihr, blickte sie fragend jedoch auch zurückhaltend an.
"Entschuldigung... ich wollte zur Heilerin, ich bin eine gute Kundin, Laree Ivores", setzte die Hexe an, "Wann kommt sie wieder?"
Die Miene des Mannes wurde eine Spur trauriger, resigniert zuckte er mit den Schultern. "Meine Schwester kommt nie mehr wieder. Sie ist tot."
Mit den Worten hatte Laree überhaupt nicht gerechnet, es war wie als hätte ihr jemand in den Magen geboxt. "Wie...", hauchte sie nur, schüttelte betroffen den Kopf.
"Sie ist vor ein paar Tagen gestorben, es war ein schneller Tod soweit ich weiß, sie war alt", erklärte er. "Ich bin nur hier um ihre Wohnung aufzulösen."
Die Hexe wußte überhaupt nicht mehr was sie dazu sagen sollte. "Natürlich... es tut mir leid für euren Verlust... ich wünschte, ich hätte noch einmal mit ihr reden können bevor sie..." Und das nicht nur weil sie eine brennende Frage hatte. Der Mann bedankte sich, aber man konnte ihm ansehen, dass er sie am liebsten schnell losgeworden wäre, vermutlich hatte er viele ähnliche Anfragen bekommen, und so ging Laree wie betäubt die Treppe hinunter.

Es erschien ihr wie eine makabre Fügung der Dunkelheit, dass ihr eine Stütze nach der anderen entrissen wurde. Mit Gualterio konnte sie auch nicht darüber reden, er war weit weg in Raej. Gualterio... Laree seufzte unglücklich. Wenn sie wirklich schwanger gewesen war, dann war es sein Kind gewesen... sie hatte in der Zeit keinen anderen außer Ayden gehabt und auch zeitlich käme es ihn. Verdammte, schicksalshafte Nacht. Und warum sollte sie schwanger werden wenn es ihr doch sofort wieder genommen wurde?
Du hättest es so oder so verloren... Ayden hätte es niemals erlaubt. Nein, sie war ohnehin nicht schwanger gewesen! Ihre Gedanken und Gefühle rotierten, völlig neben sich stehend, ging sie durch die Straßen und Gassen von Draega, sah nichts und niemanden bis sie erkannte, dass sie im Hafenviertel am Dock starrte und voller Sehnsucht zu den Schiffen starrte. Laree mußte an ihre Schwester Kalliope denken, jene hatte einen Mann, Kinder. Es war ein einfaches Leben, aber soweit Laree wußte war Kalliope zufrieden damit. Und du selbst? Hin- und hergerissen zwischen zwei Männern, nur ein Spielzeug...
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:22

Vielleicht war sie etwas zu lange tief in Gedanken versunken am Kai auf- und abgegangen, noch dazu in einem hübschen freizügigen Kleid, so dass sie irgendwann ein Matrose von der Seite ansprach wieviel sie verlange. Laree blickte ihn wütend an. "Ich bin keine Hure! Such dir ne andre", entgegnete sie zornig. Dabei war sie im Grunde eine Hure, wie oft hatte sie jetzt schon für Ayden oder Hayll ihren Körper verkauft? Auch für Veticar war sie eine Hure gewesen... Laree ließ sich niedergeschlagen auf einer Kiste an den Docks nieder, starrte abermals zu den Schiffen. Ihr Leben kam ihr plötzlich nur noch wie Dreck vor, sie fühlte sich so schmutzig und mißbraucht wie damals bei Armandos, ihrem ersten Mann und ein Tolarim. Was hatte ihr diese Familie schon gebracht wenn nicht nur Kummer? Dann wäre sie nie in Aydens Bett gelandet, nie seine Hure geworden. Dann wäre sie nie schwanger geworden...
Nein, sie konnte Dulcie kein Vertrauen schenken und die Heilerin war tot, wen sollte sie fragen, um Gewissheit zu erlangen? Timaris? Ayden? Aber wer sagte ihr, dass sie nicht wieder nur angelogen wurde? Wieder glitten ihre Gedanken zu Malateste. Er war in der Nacht der Heilung dabei gewesen, er würde es vielleicht auch wissen... warum war es ihr überhaupt so wichtig? Laree konnte sich ohnehin nicht als Mutter sehen, das passte nicht in ihr Leben. Ach ja, was war denn das für ein Leben? Eines über das sie nichtmal selbst bestimmte und wo sie einen Mann, den sie sehr mochte, nicht frei treffen durfte. Gualterio sollte sie nicht so kümmern! Er war wie alle anderen Männer. Er war vermutlich heilfroh, dass sie das Kind verloren hatte. Ein Bastardkind eines Dienstmädchens...

Laree schluckte schwer. Warum tat der Gedanke weh? Allein der Gedanke schwanger gewesen zu sein, konfrontierte sie mit der Art wie ihr Leben war. Sie sollte es endlich schaffen sich von Ayden und diesem Leben lösen, es ein für allemale hinter sich lassen, damit er ihr nicht mehr weh tun konnte... aber es war schwer, denn sie empfand auch etwas für den Prinzen. Nur für welchen Preis? Wenn er diese Gefühle sowieso nicht erwiderte und sie nur mit Lügen abspeiste. Aber er hatte sie zumindest nie enttäuscht, er hatte ihr von vorneherein gesagt, dass er sie verletzen würde.
Oh Dunkelheit, hätte Dulcie doch nie etwas gesagt. Laree wollte sich all diese Fragen nicht stellen, es war besser gewesen nie aufzuwachen. Aber sie war aufgewacht und sie hatte das Gefühl, sie könne nicht mehr so weitermachen wie bisher. Doch vorher mußte sie Gewissheit haben und Gualterio fragen, ihm könnte sie vielleicht glauben.
Und... ihm vielleicht sagen, dass sie ihn gern hatte. Selbst wenn sie Angst davor hatte. Laree erhob sich, blickte noch einmal mit sich ringend zu den Schiffen, als ein Mann hinter sie anblaffte, sie solle gefälligst aus dem Weg. Hinter sich her führte er angekettete Sklaven.
"Mach Platz, mein Schiff legt bald ab", meinte er unwirsch. Die Hexe ließ sich nicht irritieren, schloss wieder zu ihm auf.
"Wohin fährt es, Lord?", fragte sie, weil sie so eine gewisse Ahnung hatte. Und tatsächlich erwiderte der Händler, dass es nach Raej zum großen Sklavenmarkt aufbreche. "Bitte nehmt mich mit. Ich zahle auch für die Überfahrt."
"Das ist kein Passagierschiff, Hexe, sondern ein Frachtschiff. Sucht euch was andres", wies er sie ab. Laree überholte ihn, stellte sich vor ihm auf. So schnell wollte sie nicht klein beigeben, vor allem weil sie das starke Gefühl hatte, dass sie nachher wieder der Mut verließ, sie in Hayll bei Ayden blieb und alles beim alten. So schenkte sie dem Händler einen verführerischen Augenaufschlag, stemmte eine Hand in die Hüfte, lächelte.
"Ich zahle wirklich gut", beharrte sie. Der Mann musterte sie von oben bis unten, ein lüsternes Glitzern blitzte in seinen goldenen Augen auf.
"Es gibt aber nur eine Kajüte für Passagiere und das ist meine", gab er zurück. Laree verstand, ihr Lächeln verlor nichts von seinem Elan, dafür war sie zu gut ausgebildet worden.

"Dann teilen wir sie uns eben..." Es war vielleicht die bessere Alternative als in den Rumpf mit den Sklaven geworfen zu werden. Der Händler bot ihr seinen Arm an, war auf einmal gar nicht mehr so unfreundlich und so gingen sie gemeinsam den Steg hinauf aufs Deck der Segelfregatte. Laree blickte über die Reling zur Fassade von Draegas Hafenviertel. Dahinter konnte man die vielen Dächer und Kuppeln der anderen Häuser und Tempel erblicken bis sich weit in der Ferne auf dem letzten Hügel der Palast erhob. Eine tiefe Unruhe hatte Laree erfasst, sie hatte endlich etwas unternehmen, selbst wenn die Entscheidung aus Verzweiflung heraus geboren war. Aber sie konnte einfach nicht mehr, sie hatte das Gefühl, wenn sie auch nur einen Tag länger mit dieser quälenden Ungewissheit in Hayll blieb würde sie noch daran zerbrechen. Der Abgrund lauerte immer noch irgendwo in ihr.
"Mädchen, was suchst du eigentlich in Raej?", fragte der hayllische Händler sie. Laree versuchte jegliche Düsterkeit aus ihrem Blick zu vertreiben.
"Ich möchte nur eine Freundin besuchen, sie braucht Hilfe in ihrem Laden", erklärte sie. Die Hexe hatte tatsächlich ein paar Kontakte in Raej, aber sie hoffte, sie müßte nicht darauf zurückgreifen. Sie wollte nur Gualterio finden und ihn fragen... und dann? Sie durfte seine Mission nicht gefährden...
Laree sah zu wie man den Steg einzog, die Leinen löste und das Schiff langsam aus dem Hafen driftete, Draega hinter ihnen kleiner und kleiner wurde. Für einen Moment überkamen sie Panik und furchtbare Zweifel, Laree dachte sogar daran über Bord zu springen und zurückzuschwimmen, reumütig zurück zu ihm... aber der Moment verging zum Glück. Zum ersten Mal seit langer Zeit war sie allein auf sich gestellt.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:23

"Du solltest dich besser die nächsten Tage nicht so oft auf Deck sehen lassen", riss der Händler sie aus ihren Gedanken. "Die Mannschaft sieht das nicht so gern...." Er blickte an sie herab und plötzlich kam Laree selbst ihr kurzes Sommerkleid zu knapp vor. Vielleicht hatte er recht, doch eigentlich hatte sie gerade genug davon sich was von Männern vorschreiben zu lassen. Der Hayllier strich sich die schwarzen schulterlangen Haare zurück. "Wie heißt du überhaupt, Süße?"
Die Hexe lehnte sich gegen die Reling, Draega den Rücken zugewandt. "Venka", nahm sie den Namen des verstorbenen Püppchens, quasi ihrer Vorgängerin, es kam ihr gerade passend vor. "Und ihr, Herr?"
"Lord Foltan Jekra. Halt dich nur an mich und du kommst sicher in Raej zurecht." Er klemmte die Daumen hinter seine Brokatweste, grinste feist und offenbarte damit drei obere Goldzähne. Als das Segelschiff allmählich aufs offene Meer hinausfuhr, machte er eine Geste zum Achterdeck wo der Zugang zu den Kabinen war. Ihm war anscheinend die Kapitänskajüte zugeteilt worden, obwohl Laree bezweifelte, dass der Mann irgendetwas von Nautik verstand. Sie setzte sich neben ihn auf die Bank und blickte aus den gelblichen Butzenglasfenstern nach draußen, es war nicht viel zu erkennen, sie hörte vielmehr das Klatschen der Wellen gegen den Rumpf. Soweit sie wußte, würde das Schiff ohnehin nicht in gefährliche Wasser fahren, sondern in der Nähe der Küste bleiben an Shalador vorbei bis sie im Süden in Raej ankamen.
Zwei Männer brachten dem Händler Tablette mit gutem Essen.
"Bedien dich, Mädchen." Bei den Worten legte er unter dem Tisch die Hand aufs Knie, doch Laree sagte nichts dazu. Sie war im Geiste immer noch mit all den aufwühlenden Gedanken und Entscheidungen beschäftigt. Was hatte sie bloß getan? Sie sah Lord Jekra zu wie er Fetzen knusprigen Fleisches von einem Hühnchen riss, sich das Fett von den Fingern leckte.
"Wird es eine gefährliche Reise?", fragte die Hexe nach und nahm zum Beginn nur einen Schluck von dem Rotwein, aß etwas von dem Reis und dem Gemüse.
Der Händler winkte ab. "Bah, das Schiff besitzt Kanonen. Hab ich extra aufrüsten lassen, weil Piraten die Gegend unsicher machen. Aber wenn man in Küstensichtweite bleibt, trauen sie sich nicht näher."
"Und was ist mit den Schiffen... von Sion?", fragte Laree ein wenig leiser. Foltan blickte sie kopfschüttelnd an, legte dann einen Arm um sie.
"Du brauchst keine Angst haben. Kein Schiff wird uns angreifen und sicher nicht Sion", versicherte er, während sie sich fragte warum er sich dabei bloß so sicher war. Lange hatte sie keine Zeit darüber nachzudenken, denn der Händler drängte sich dicher an sie, wollte ihre Brüste streicheln, doch Laree nahm vorher seine Hand, führte seine Finger einzeln in den Mund und leckte sie sinnlich ab.

Danach ließ sie ihn sie anfassen, seine Hände erkundeten ihren Körper zielstrebig, massierten ihre Brüste gierig und Laree hörte bereits seinen schwerer gehenden Atem voller Verlangen. Foltan drückte ihr einen Kuss auf, den sie einfach erwiderte ohne darüber nachzudenken. Nein, sie wollte nicht denken, sie wollte weit weg sein von allem, wo keine Person sie anrührte, wo man nichts von ihr verlangte und über ihrem Kopf hinweg entschied.
Der Krieger hielt sich nicht länger damit auf sie zu streicheln, sondern räumte die Teller beiseite um sie bäuchlings über den Tisch zu legen und ihr Kleid hochzuschieben. Laree versuchte an etwas erregendes zu denken, doch natürlich drifteten ihre Gedanken dabei nur wieder zu Malateste und Ayden.
"Du mußt das auch verstehen", keuchte er, sie hörte das Klacken seines Gürtels, "Ein Mann braucht nunmal Gesellschaft und so hast du die beste Kajüte im Schiff und das gute Essen." Es klang fast wie eine Entschuldigung, hatte er etwa ein schlechtes Gewissen? Allerdings war es nicht groß genug, dass es ihn davon abgehalten hätte, ihr Höschen runterzuziehen und von hinten in sie einzudringen. Die Hexe stöhnte leise auf, krallte ihre Hände um die Tischkante und streckte ihr Gesäß ihm scheinbar willig entgegen.
Sie war fast dankbar, dass er sie von hinten nahm, so mußte sie ihm nicht viel vorspielen und er sah den Ausdruck in ihren goldenen Augen nicht. Sie dachte an einen goldäugigen Jungen mit gelockten schwarzen Haaren, eventuell mit der Entschlossenheit und Stärke seines Vaters und dem Temperament und Klugheit seiner Mutter. Aber ein Bild dieses Kindes wollte sich einfach nicht einstellen, nein, sie wäre nie Mutter, sie wollte das auch gar nicht sein. In ihrem Leben wollte sie ja nichtmal irgendeinen Mann geschweige denn ein Kind.
Foltan drang härter in sie, keuchte gepresst und war bald schon fertig, zog sich aus ihr zurück. Laree richtete sich wacklig auf, zog ihr Höschen wieder hoch und schob ihr Kleid hinunter. Danach suchte sie wortlos das Bad auf, wusch sich und wünschte sich jetzt schon in Gualterios Arme. Danach kehrte sie zurück zu Foltan, sie aßen weiter wie als hätte er sie eben überhaupt nicht flachgelegt. Die Reise kam ihr trotzdem quälend lang vor, denn es gab nichts zu tun außer des Tags oder Nachts ein- oder zweimal für die Gelüste des Händlers da zu sein. Er hatte ein Buch dabei, es war nur ein Almanach, aber Laree las ihn dennoch von vorne bis hinten.
Sie schlief schlecht, doch es lag nicht an dem Seegang. Am nächsten Tag jedoch riss sie ein Speerfaden aus ihrer Lethargie.
*Laree, wo bist du? Ich habe dich vor einer Stunde in meinem Büro erwartet. Wir haben Termine.*
Ayden! Laree saß kerzengerade im Bett. Neben ihr schlief der Händler zum Glück noch, bekam so nichts mit. Ihr Herz raste vor Angst wie als könne Ayden gleich die Türe aufreißen und vor ihr stehen. Aber ach, warum sehnte sie sich so sehr danach, dass er es tat? Ihr alle Entscheidungen entriss, sie zurück in ihr Leben trug. Nein, sie wollte dieses Leben nicht mehr! Sie ballte die Hände zu Fäusten, trieb die Nägel tief in ihren Handballen bis es schmerzte, um den Wunsch zu bekämpfen auf seinen Speerfaden zu antworten. *Laree? Wo treibst du dich herum? Melde dich gefälligst.*
Laree blieb standhaft. Sie war nicht mehr Laree, bloß Venka, eine tote Hure, die irgendwann nicht mehr gut genug gewesen war für ihn. Der Gedanke half um ihre Wut auf Ayden wachzurütteln. Je dringlicher er nach ihr sandte, desto weniger wollte sie antworten, selbst wenn in seinem Speerfaden bald mehr Sorge als Verärgerung mitschwang.
Bis er irgendwann ganz verstummte und Stille sich wieder um die Hexe legte. Plötzliche Kälte und Zittern ergriff sie ob dieser Entgültigkeit, sie schlang die Arme um sich selbst, rollte sich in die Decken und weinte leise.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:24

Den nächsten Tag und auch die darauffolgenden verbrachte Laree mit der steten Hoffnung und Angst Ayden könnte sich noch einmal bei ihr melden. Ob er sie für tot hielt oder für abtrünnig? Vielleicht war er auch froh sie losgeworden zu sein, womöglich war sie früh genug abgesprungen bevor er die Lust an ihr verloren und sie gehötet hätte. Die Hexe seufzte schwermütig, blickte über das Meer und wünschte sich zurück nach Draega. Gerade war die Zeit, wo sie ihre Entscheidung als dumm und töricht abtat, doch schon nach dem nächsten Wellenkamm konnte sie wieder ganz andere Gedanken hegen. Sie fühlte sich rastlos, aber war jetzt die Zeit der Zerrissenheit vorbei? Hatte sie sich für Gualterio entschieden oder nicht? Und wenn... wollte er sie überhaupt? Nein, erst würde sie ihn fragen was er wußte, ob er Dinge vor ihr verheimlicht hatte und wie er dazu stand. Sie mußte es einfach wissen.
Laree wurde brutal aus ihren zermürbenden Gedanken gerissen, als Bewegung in die Männer auf Deck kam. Sogar Foltan wurde geholt und ein Blick steuerbord machte dann auch klar wem der ganze Aufruhr galt. In der Ferne war ein anderes Schiff zu erkennen. Der Händler zog ein Fernrohr hervor und beobachtete damit das fremde Segelschiff, rief auch hoch zum Ausguck was jener sehen konnte.
"Es ist die E! Auf eure Gefechtspositionen!", schrie er dann aufgeregt. Laree wurde mehrmals beinahe umgerannt und sie suchte sich rasch eine sichere Stelle und zwar die neben Foltan.
"Was ist los?", fragte sie neugierig. Der Händler starrte sie entgeistert an.
"Was machst du noch hier oben? Los, geh unter Deck! Wenn sie dich hier sehen, drehen sie sicher bei", herrschte er sie an. Sollte sie sich jetzt geschmeichelt fühlen? Die Hexe bewegte sich nicht von der Stelle, starrte hinüber zu dem anderen Schiff vor dem die Mannschaft so viel Angst zu haben schien. Waren es am Ende Piraten? Das hatte ihr gerade noch gefehlt.
"Ich will sofort wissen wenn sie den Kurs ändern!", wies Foltan den ersten Maat an. Als Laree noch einmal nachfrug, ließ er sich doch zu einer unwirschen Erklärung herab. "Die E ist das schnellste Schiff in den Gewässern von Terreille, sie gehört dem berüchtigten Goldauge. Er überfällt mit Vorliebe solche Warentransporter wie wir es sind. Wollen wir hoffen, dass sie bereits volle Bäuche haben."
Es begann die Hexe plötzlich anzuwidern wie Foltan über die Sklaven von Waren sprach, er fürchtete nicht um deren Leben sondern nur um den Verlust seiner Investitionen. Sie wünschte sich irgendjemand würde dem Händler eine Lektion erteilen, allen arroganten egoistischen Männern. Aber sie wollte auch nicht in die Hände von Piraten gelangen.
Quälende Momente verstrichen, wo sie alle schweigend warteten und zusahen wie das Schiff nur einige Knoten entfernt an ihnen vorbeifuhr. So war sie genauso erleichtert wie alle anderen, als der Mann vom Ausguck schrie, dass sie den Kurs hielten. Foltan atmete erleichtert aus, wischte sich über die Stirn. "Sieht so aus als wären sie nicht hungrig gewesen."

Der Rest der Reise verlief ohne weitere Zwischenfälle, auch wenn sie einmal in der Ferne zwei Schiffe mit schwarzen Segeln und roter Hydra darauf sahen, aber es schien den Händler lange nicht so beunruhigen wie die Piraten. Hatte er eine Vereinbarung mit Sion getroffen?
Dann liefen sie in Garois ein, oder zumindest dem Hafen dazu, die Stadt war groß und verlief noch weiter ins Landesinnere. Laree genoss das milde Klima, sie hatte sich Gedanken dazu gemacht wie sie nach Loraka kommen und schließlich dort unauffällig auf Gualterio treffen sollte ohne seine Identität zu lüften. Es gab zwei Möglichkeiten dazu. Die Hexe wußte, dass in der Nähe einer Kompanie auch immer ein Troß Leute waren, die von deren Bedürfnissen profitierten, aber als Frau blieb ihr da nur das Handwerk einer Hure und das wollte sie eindeutig nicht mehr. Die andere Möglichkeit war selbst in Sions Armee einzutreten, sich rekrutieren lassen. Sie hoffte, das wäre nicht zu auffällig, aber sie wußte, dass die Armee viele aufnahmen und auch so dreist war, "Botschaften" in anderen Reichen zu haben, vielleicht hatte sie also Glück in Garois.
"So, da wären wir", setzte Foltan an, musterte sie noch einmal, "Du solltest deine Sachen aus der Kabine holen... ich helfe dir."
Laree konnte sich denken was das bedeutete, er wollte ein letztes Mal das wahrnehmen was sie ihm die Fahrt über immer wieder geboten hatte. Langsam konnte sie den Hayllier nicht mehr sehen, obwohl er nicht so schlimm gewesen war wie andere Männer, die sie gehabt hatte. "Danke", erwiderte sie nur, ging mit ihm nach unten. Dort warf er sie auch relativ schnell aufs Bett, legte ihre Füße auf seine Schultern und begann sie mit kräftigen Stößen zu bearbeiten nachdem er erst einmal in sie eingedrungen war. Laree stöhnte auf, krallte ihre Finger ins Laken über ihr. Aber dieses Mal blieb es nicht dabei, dass Foltan sie nahm bis er seinen Höhepunkt gehabt hatte. Plötzlich rief er einen eisernen Ring herbei, beugte sich über sie und stieß so besonders hart in sie, so dass Laree aufkeuchte vor Schmerz. Gleichzeitig spürte sie das Metall um ihren Hals.
"Es tut mir leid", brachte der Händler laut atmend hervor, "Aber ein Mann muss von was leben. Und du bringst ein hübsches Sümmchen auf dem Sklavenmarkt ein."
Die Hexe verengte die goldenen Augen wütend, der Zorn durchströmte sie von Scheitel bis zur Sohle. Sie hatte genug, sie würde sich nichts mehr von diesem Mann oder irgendeinem bieten lassen. Ihre Finger krallten sich um den Unterarm, wo er seine Ringe trug, und riss ihn daran nach vorne. Scharfer Schmerz begann durch den Ring auf sie überzugehen, doch sie ignorierte es. Feste presste sie ihre Unterschenkel gegen den Hals Foltans, begann ihn verbissen mit dem Druck ihrer Beine zu würgen.
"Lass... los du.. Schlampe", keuchte der Hayllier, setzte den Kontrollring ein. Der Schmerz trieb sie fast in die Ohnmacht, doch Laree ließ nicht los, Tränen rannen ihr über die Wangen.
"Ich habe... bereits einen... Meister", stieß sie hervor, obwohl sie eigentlich hatte sagen wollen, dass sie keine Sklavin war. Aber es gab ihr seltsamerweise Kraft. Sie beugte ihren Kopf vor und biss stark in den Finger Foltans, dort wo er seinen Kontrollring trug. Mit der Kunst verstärkte sie den Druck ihrer Schenkel, biss gleichzeitig so fest in seinen Finger bis sie Blut schmeckte, Knochen splittern hörte und dann... ein fast unmenschliches Gurgeln des Sklavenhändlers. Im Augenblick wo sie ihm die Luft abschnürte, ergoss er sich zuckend in ihr ehe er über ihr erschlaffte und schwer auf ihr zu liegen kam. Laree atmete heftig, ließ ihre Beine sinken und spuckte den Finger aus. Sie hatte schon einmal einen Sklavenring getragen, sie hatte um die Schmerzen gewußt und es war blanke Ironie, dass sie ausgerechnet wegen Aydens Sadismus nun aus dieser Situation gekommen war. Trotzdem brauchte sie einen Moment um sich zu fangen und Foltan mühsam von sich zu schieben. Ihr Schoß schmerzte, ihr Hals ebenso und sie hatte den ekligen Geschmack von Blut im Mund. Laree blickte sich rasch um, ließ ihre Sachen verschwinden und zog sich an, legte danach eine Illusion um den Reif, damit niemand ihn sah und steckte auch den Finger mit dem Ring ein, weil sie das verdammte Ding so schnell nicht vom Finger bekam.
Danach deckte sie Foltan zu, so dass es vielleicht im ersten Moment aussah wie als schlafe er. Laree versuchte ihr rasendes Herz zu beruhigen, sie hatte schon einmal jemanden getötet, das letzte Mal diese Banditen in Draega, doch das hier war anders gewesen... intensiver. Außerdem jagte noch Adrenalin durch sie, sie mußte von dem Schiff runter. Die Hexe verließ die Kabine, ging nach oben. Sie wurde nur einmal aufgehalten, als sie den Steg runter wollte.
"He, wo ist Foltan?", fragte der Maat. Laree grinste anzüglich, zwinkerte ihm zu.
"Schläft noch. Danke für die Überfahrt und viel Glück gegen A... oder E...", erwiderte sie keck und stolzierte dann mit lasziven Hüftschwung den Steg hinunter, obwohl ihr alles weh tat.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:24

Es würde nicht lange dauern bis die Matrosen entdeckten, dass der Händler tot war und bis dahin mußte sie dringend weiter vom Hafen weg. Trotz ihrer innerlichen Aufgewühltheit versuchte Laree sich zu konzentrieren. Den Sklavenring mußte sie ebenfalls loswerden, sie wußte nur noch nicht wie, aber hier in der unmittelbaren Nähe zu einem der größten Sklavenmärkte war es gefährlich damit alleine rumzulaufen und früher oder später würde sie jemand sehen, der ein dunkleres Juwel als Opal trug. Die Hexe blickte sich immer mal wieder um, zügelte ihren Schritt, auch weil ihr das Gehen noch Schmerzen bereitete. Ihr war übel von dem Blutgeschmack in ihrem Mund, mehr aber noch von der Tatsache, dass sie einem Kerl den Finger abgebissen hatte.
Zudem war es schon länger her wo sie das letzte Mal in Garois gewesen war, zuletzt mit Ayden und der Gedanke daran schmerzte. Die Hexe wollte nicht mehr an ihn denken, das lag hinter ihr. Sie fuhr mit den Fingern über das kalte Metall des Halsringes. Wenn es nur so einfach gewesen wäre... Laree schlug rasch einen anderen Weg ein, als sie einige Wächter erkannte, sie trugen eine Uniform mit Wappen, von dem sie glaubte, dass es zur Provinz Zarragosa gehörte. Diejenige, die Hayll unterstützen wollte. Aber es war der völlig falsche Weg sich bei denen blicken zu lassen, stattdessen mußte sie einen Weg nach Loraka finden, möglichst bald.
Laree ignorierte einige Blicke des männlichen Geschlechts, entfernte sich weiter vom Hafen.
"He, warte", rief ihr dann plötzlich jemand hinterher. "Warte, du Sklavin! Lass dich anschauen! Wo ist dein Herr?" Die Hayllierin fluchte innerlich, blickte hinter sich und erkannte einen Prinzen mit starken Juwelen, und seinem Lakeien neben sich. Sie hielt sich nicht damit auf sich zu erklären, es gab keine gute Erklärung dafür, dass man ein Sklavenhalsband verbarg und vielleicht noch nach Blut und Samen roch. Laree begann zu rinnen, wobei ihre Schenkel noch mehr schmerzten. Verflucht, sie mußte es wenigstens bis nach Loraka schaffen. Sie kam auch ohne Ayden zurecht oder irgendeinem Mann, der ihr beistand. Das hatte sie schon vor Ayden geschafft und würde sie auch nach ihm.

Sie hetzte um eine Ecke und erkannte dann etwas ironisch vertrautes, die schwarz-roten Wimpel der dhemlanischen Armee. Drei Soldaten steuerten gerade auf ein Gebäude zu, neben der Türe hingen die Fahnen und zwei Männer davor hielten Wache. Es war bizarr, dass sie ausgerechnet dort, beim erklärten Feind Schutz finden sollte, aber was hatte sie zu verlieren? Sie wollte nicht auf dem Sklavenmarkt enden, dann lieber in der Armee Sions. Die Hexe wollte schon frech ins Gebäude den drei Soldaten hinterher, als sie einer der Wächter am Eingang aufhielt.
"Halt, was wollt ihr hier?", fragte er barsch. Laree widerstand der Versuchung hinter sich zu blicken, ob der Prinz ihr noch gefolgt war.
"Der... Armee beitreten?", fing sie an. Die Miene des Mannes wurde anders, er musterte sie einmal abschätzig von oben bis unten.
"Du? Dann versuch dein Glück. Den Gang runter und die erste Tür." Der Wächter deutete nach drinnen, er hatte ihr Halsband nicht gesehen und wahrscheinlich hielt er sie für irgendeine hoffnungslose Glücksritterin. Was sie gerade im Moment ja auch war. Laree hätte nicht gedacht, dass sie einmal einem Soldaten Sions dankbar sein würde, doch gerade bedankte sie sich ehrlich und betrat danach die Höhle des Löwen. Ein Blick nach hinten zeigte den Prinzen, der ihr mit seinen Dienern gefolgt war, aber jetzt nur in der Nähe des Einganges blieb, sich nicht näher traute.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:24

Wenn es die Höhle des Löwen war, so keine, die sich auf den ersten Blick erkennen ließ. Zwar liefen ihr allenthalben Männer in den schwarzen Uniformen mit dem roten Emblem über den Weg, aber niemand hielt sie auf, als sie den Gang entlang schritt. Nein, zwei nickten ihr sogar freundlich zu, auch wenn darunter ein paar taxierende Blicke waren. Laree gelangte in einen Raum, wo hinter einem Schreibtisch ein weiterer Uniformierter saß. Ein Krieger mit dunkelblondem kurzen Haar, einer schmalen Nase und ebenso schmalen Lippen. Er hob den Kopf und sah die Hexe aus braunen schimmernden Augen an. Dummerweise mußte er im gleichen Moment ihre Illusion erkannt haben, denn seine Augenbrauen schoben sich kritisch zusammen und sie spürte wie er die Kunst einsetzte, ihre Illusion durchbrach und dahinterblickte.
"Treibt dich die Angst vor deinen Häschern hierher oder ist das nur ein hübsches Andenken vom Sklavenmarkt?", fragte er und deutete zu ihrem Hals. Laree schob trotzig die Unterlippe vor.
"Ich bin keine Sklavin. Man wollte mich nur versklaven, aber ich habe mich gewehrt", erklärte sie und noch während sie es aussprach, klang es in ihren Ohren wie die dümmste Ausrede schlichtweg. Der Mann hinter dem Schreibtisch, beladen mit mehreren Akten, winkte sie näher heran und die Hexe folgte dem etwas widerwillig. Sie durfte es sich jetzt nicht mit diesem Kerl verscherzen wenn er für die Rekrutierung verantwortlich war. Er musterte sie interessiert.
"Das war nicht meine Frage", korrigierte er sie gelassen, "Ich habe gefragt warum du hier bist. Warum du der Armee beitreten willst. Denn das ist der Ort dazu und wenn du nur hier bist, um deine Verfolger abzuschütteln, muss ich dich enttäuschen."
"Ich möchte zur Abwechslung mal zu den Gewinnern gehören", erklärte Laree und meinte es auch so, das würde sie wirklich gerne einmal und nicht dauernd diejenige zu sein auf der alle nur herumtrampelten und nach ihrem Belieben verfuhren. Auch wenn das natürlich nicht die Gründe waren warum sie in die Armee wollte. Sie ließ die nutzlose Illusion verschwinden. "Ihr seht ja, dass das Leben es bisher nicht gerade gut mit mir meint."
Der Soldat schwieg kurz nachdenklich, lehnte sich zurück ehe er zu einem Entschluss gekommen schien. "Du hast dich also gegen Sklavenhändler zuwehr gesetzt? Dann bist du womöglich sogar brauchbar", erwog er. Laree ließ den abgebissenen Finger mit dem Kontrollring erscheinen.

"Ich versuch mich so gut zu verteidigen wie ich kann, auch wenn ich keine großartige Kämpferin bin...", wand sie leiser ein. Der Soldat betrachtete den blutigen Klumpen Finger kurz ehe er wieder das Wort an sie richtete.
"Hartknäckig scheinst du ja zu sein... Name?", fragte er, zog eine Liste hervor und zückte die Schreibfeder.
"Venka Ives", nannte Laree den Namen ohne zu Zögern. Wie einfach es nicht wäre einen neuen Namen anzunehmen und damit ein neues Leben. Nicht mehr länger Laree Ivores, das Dienstmädchen und Püppchen zu sein, sondern Venka Ives, die Soldatin. Nur, wollte sie das überhaupt? Natürlich hatte sie nicht vor in diesem Verein zu bleiben, beim erklärten Feind, aber ein neues Leben wollte sie schon. Dabei gibt es keine Märchen... auch nicht für dich. Das Träumen hatte sie schon als junges Mädchen schnell aufgegeben, denn eh man sichs versah, landete man in dem Bett eines Adeligen und alle Träume waren dahin, flüchtig nur wie der Geschmack von Brombeeren auf der Zunge...
Der Soldat fragte sie noch mehr, woher sie kam, wie alt sie war, ob sie Beeinträchtigungen oder Krankheiten hatte, trug auch ihre Klasse und Juwelenstärke ein, die er von selbst erkannt hatte.
"Irgendwelche Fähigkeiten?"
Ja, ich gebe anscheinend eine excellente Lustsklavin ab, dachte Laree bitter, hielt aber klugerweise ihren Mund. Sie verneinte auch, als der Mann sie fragte, ob sie Lesen und Schreiben konnte. "In Hayll war ich nur ein einfaches Dienstmädchen... aber sie haben mich rausgeworfen."
"Dann mach dort unten drei Kreuze hin", forderte er sie auf und reichte ihr das Papier. Laree bemühte sich, es nicht zu lesen, setzte nur ungelenk die Kreuze darunter und einfach so war sie in Sions Armee aufgenommen worden. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihr breit. Es war verdammt einfach hinein zu kommen und vermutlich dagegen um so einiges schwieriger am Ende auch wieder zu gehen. Der Krieger erhob sich und ging zu einer weiteren Türe.
"Komm mit, dann sorgen wir mal dafür, dass du deinen Halsschmuck loswirst. Sions Soldaten sind keine Sklaven", erklärte er und Laree behielt sich vor ihre Meinung dazu zu sagen. Sie hatte keine Ahnung wie es tatsächlich in Sions Reihen zuging, aber ihre Vorstellungen beinhalteten nichts Gutes. So folgte sie dem Mann langsamer, er hatte inzwischen den Kontrollring von dem toten Finger des Händlers gestreift. Sie kamen in einen Raum, der wie ein Lager wirkte, es gab mehrere offene Regale mit Schuhen, Uniformen, Gürteln, Helmen und dergleichen. Der Mann hielt ihr einen Gürtel hin und zunächst blickte Laree ihn mit großen Augen an. Wenn er sie fesseln wollte, mußte er das schon selbst machen.
"Zum Draufbeißen", sagte er dann knapp, "Das wird nicht angenehm, Ivie."
Zögernd nahm sie den Gürtel entgegen, hielt sich mit einer Hand an einem Regal fest. Ihr war klar, dass der Krieger seine Signatur auf den Ring einstimmen mußte, doch sie befürchtete, dass er diese Macht noch für sich ausnutzen wollte.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:26

Der Krieger steckte sich den Ring auf, er wirkte so, als hätte er das schon öfter gemacht. Wieviele ehemalige Sklaven wohl in der Armee dienten? Laree atmete tief durch, biss nun doch auf den Gürtel und hielt sich an dem Regal fest. Dann setzten bald schon die bekannten Schmerzen ein, sie kniff die Augen fest zusammen, keuchte unterdrückt.
"Tut mir leid, die Prozedur ist immer schmerzhaft, ist gleich vorbei", beruhigte sie der Soldat tatsächlich und klopfte ihr auf die Schulter. Die Hexe blickte zur Seite, sah über die unzähligen Uniformen und fühlte sich entsetzlich verloren. Was machte sie hier? War sie wahnsinnig? Sie wollte nicht hier sein, sie wollte zurück nach Hayll. Die Schmerzen wurden stärker, zwangen sie beinahe in die Knie, zudem fühlte sie sich immer noch schmutzig von dem Sklavenhändler, der sie so oft benutzt hatte. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, rasch blinzelte sie jene fort. Wenn sie erst einmal in Loraka war, würde alles gut werden, sagte sie sich vor. Sie würde Malateste wiedersehen, mit ihm reden können und alles wurde gut. Alles wurde gut, wenn sie erst dort war... an alles andere durfte sie nicht denken. Gualterio würde ihr sagen was passiert war, keine weiteren Lügen mehr und im Gegenzug würde sie sich nicht mehr verstecken, vielleicht würde sie endlich den Mut haben sich wirklich auf ihn einzulassen.
Ach... und das ist natürlich sein sehnlichster Wunsch, äfften ihre Selbstzweifel in ihrem Kopf. Er hat bestimmt jetzt schon eine andere gefunden, gerade in diesem Moment. Womöglich schwängert er gerne Frauen. Laree vertrieb die bitteren Gedanken rasch, keuchte auf, als die Schmerzen noch einmal sehr intensiv wurde und dann das Halsband von ihr abfiel.
Der Soldat zog sich den Ring vom Finger. "Das wäre geschafft, du kannst gehen, Ivie. Den Gang runter ist ein Hinterausgang und dann will ich dich hier nie wieder sehen." Er verschränkte die Arme vor der Brust. Laree blickte ihn überrascht an, schüttelte hastig den Kopf.
"Nein, ich will wirklich in die Armee, ich bin nicht wegen dem Halsband hier gewesen. Bitte, ihr müßt mich mitnehmen. In Hayll haben sie nur auf mir herumgetrampelt, ich hab so viel für das Land gegeben und nie etwas zurückbekommen", sprach sie eindringlich auf ihn ein, es entsprach der Wahrheit und der Krieger schien ihr allmählich zu glauben.
"Na gut, ich will nur, dass du dir im Klaren bist was es bedeutet zu Sion zu gehören. Das sollte keine leichtfertige Entscheidung sein. Und es ist gefährlich, es ist kein Spaziergang", schärfte er ihr an. Als Laree immer noch nickte und nicht von der Stelle wich, betrachtete er sie noch einmal eingehend und gab ihr dann eine Uniform. "Die müßte passen." Die Hexe bekam weitere Dinge überreicht, ein Rucksack über dem auch eine Decke gerollt und zusammengebunden war, schließlich hielt ihr der Mann ein Schwert entgegen.
"Oh.. ich dachte, ich bekomme zunächst nur ein Übungsschwert", bemerkte Laree zögerlich, nahm die Waffe an. Der Krieger grinste kurz amüsiert.
"Du wirst mit der Waffe töten, nicht Menschen damit ein bißchen kitzeln. Übungsschwerter gibt es nicht. Auch wenn du als Rekrutin im Gebrauch unterwiesen wirst", erklärte er ihr und deutete dann auf eine weitere Türe. "Dort kannst du dich umziehen, danach erwarte ich dich im Hof."

Er hatte sich bereits zum Gehen gewandt, als Laree ihn noch einmal zurückhielt. "Wohin komme ich denn?" Ein schrecklicher Gedanke durchschoss sie, was wenn sie direkt nach Dhemlan kam? "Ich... würd gern in Raej bleiben. An der Front", fügte sie hinzu. Für sie war die Front eigentlich in Dhemlan, eine Handbreit von Sion entfernt, aber der Soldat sah das bestimmt anders.
"Das habe ich nicht zu entscheiden, erst einmal kommst du mit anderen nach Loraka, das ist unser größerer Stützpunkt in Raej", antwortete er und öffnete die Türe. Laree lächelte ihn dankbar an.
"Danke... für eure Hilfe. In welcher Einheit seid ihr, wenn ich das wissen darf?", erkundigte sie sich.
"In der Zweiten. Und ab sofort sprichst du mich mit Sir an, Rekrutin", wies er sie im sanften Tonfall zurecht.
"Dann möchte ich auch in die Zweite... Sir." Damit hatte sie schon einmal das Problem umgangen zu erklären warum sie unbedingt in die zweite Kompanie wollte, sie wußte, dass Gualterio dort war. Wenn alles gut gelaufen war.
"Abwarten." Der Mann verließ die Ausrüstungskammer und die Hexe zog sich in den Umkleideraum zurück. Vermutlich sollte sie ihn nicht so lange warten lassen, so wusch sie sich nur schnell und begann dann die Uniform anzulegen. Sie war froh, dass es hier kein Spiegel gab, denn sie wollte nicht wissen wie sie als Soldatin Sions aussah. Laree zupfte sich noch die Haare zurecht, verzichtete aber auf viel Schminke. Danach betrachtete sie kritisch den schweren Rucksack und ließ ihn erstmal kurzerhand im Juwelengepäck verschwinden. Das Schwert schob sie in die Lederscheide an ihrem Gürtel, es war ein ungewohntes Gewicht an dass sie sich zunächst noch würde gewohnen müssen, dabei wollte sie sich überhaupt nicht daran gewöhnen, sie wollte auch keine Menschen damit töten. Sie hatte das Gefühl als würde sie immer noch in ihren Abgrund fallen, weiter und weiter mit keinem Weg zurück. Laree sehnte sich nach der starken Hand von Ayden, der sie sicher vor all diesen Dummheiten bewahrt hätte.
Sie seufzte kurz, machte sich dann daran den besagten Hof zu finden. Ein anderer Soldat, quasi nun ihr Kamerad, zeigte ihr freundlicherweise den Weg. Warum waren hier alle so nett? Es kam ihr mehr als seltsam vor, wie die Ruhe vor dem Sturm. Sie hatte die schlimmste Sorte Männer in dieser Armee erwartet, doch sie erschienen ihr hier fast normal, jedenfalls keine blutlüsternen und mordgeilen Monster, die dunkle Mächte anbeteten und Jungfrauen auf Altären opferten. Im Hof fand sie noch weitere Männer vor, allerdings auch eine Frau. Sie trugen alle die Uniform Dhemlans und keine Abzeichen, wahrscheinlich waren das die anderen Rekruten.
Es dauerte nicht lange, da kam der Soldat zu ihnen, der ihr vorhin geholfen hatte. "Antreten! Los, ich will, dass ihr euch in einer Reihe aufstellt und ein bißchen zackig", forderte er sie auf, verschränkte die Hände hinterm Rücken. Die Rekruten kamen dem mehr oder weniger erfolgreich nach. "Ich bin Korporal Galdos Espwin, in Zukunft will ich von euch nur die korrekte Anrede von Korporal oder Sir hören, ich will kein Lord, kein Prinz, kein Lady hören, hier gilt nur der Rang und den habt ihr gefälligst zu respektieren. Wie einige von euch schon wissen, werden wir gleich nach Loraka aufbrechen. Dort beginnt die eigentliche Ausbildung. Bis dorthin untersteht ihr direkt mir. Ihr seid verantwortlich für euch selbst, eure Ausrüstung und eure Kameraden. Raej ist sehr unsicher, es kann vorkommen, dass wir schon auf dem Weg angegriffen werden, deswegen erwarte ich oberste Wachsamkeit."
Laree schluckte leicht. Natürlich hatte sie Kämpfe erwartet, aber gleich sobald? Sie hatte noch nie ein Schwert geführt, immer einen Degen und die waren leichter. "Eure Ausrüstung solltet ihr sehr pfleglich behandeln, für Verlust und Verschleiß seid ihr verantwortlich", fuhr der Korporal fort. Es folgte eine längere Einführung was genau die Ausrüstung beinhaltete, wie man damit umging und auch seine Rüstung und Waffe reinigte.
"Wenn wir jetzt aufbrechen, marschieren wir in Zweierreihen und ich will kein Geplauder hören. Bleibt wachsam", ermahnte er sie. Galdos schulterte seinen eigenen Rucksack und sah dann zu Laree. "Rekrutin Ives, wo ist dein Rucksack?"
"In meinem Juwelengepäck, Sir." Sie hatte angenommen, sie würden irgendwie auf den Winden schnell nach Loraka kommen, je schneller desto besser, allein die Schiffsreise war ihr schon quälend langsam vorgekommen.
"Nicht alle hier verfügen über so etwas. Du wirst ihn tragen wie alle anderen, ist das klar?", schärfte er ihr ein und die Hexe nickte schnell. Ihr blieb nichts anderes übrig als sich das schwere Teil auf den Rücken zu wuchten. Die Vorstellung mit diesem Ding mehrere Tage zu... marschieren, erfüllte sie nicht gerade mit Hochgefühl. Aber jetzt wo sie die anderen Rekruten betrachtete, spürte sie, dass nur vier weitere Juwelen besaßen, zwei waren Blutleute und der Rest Landen. Insgesamt waren sie fünfzehn.
Langsam und noch etwas unkoordiniert setzte sich der Trupp in Bewegung, sie verließen den Hof durch ein großes Tor und marschierten dann durch die Straßen von Garois auf das südliche Stadttor zu. Laree bemerkte respektvolle oder auch ängstliche Blicke bei den Bürgern an denen sie vorbeikamen. Es war seltsam, kaum trug sie diese Uniform, wurde sie plötzlich respektiert. Die ganze Welt kam ihr verkehrt vor.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:26

Es dauerte nicht lange, da hatten sie die Stadtmauern von Garois hinter sich gelassen und schritten über den breiten noch gepflasterten Weg. Es war eigentlich ein schöner Tag, doch Laree bemühte sich nicht zurück zu blicken, sie war froh, dass sie aus der Stadt raus war und sie nun nach Loraka unterwegs waren. Nur kam ihr der Rucksack jetzt schon sehr schwer vor und die Lederscheide klatschte bei fast jedem Schritt gegen ihre Schenkel, was sie daran denken ließ wie Gualterio sie einmal mit der Degenscheide seiner Waffe geschlagen hatte. Vielleicht nicht gerade die besten Gedanken und so konzentrierte sich die frisch gebackene Rekrutin rasch wieder auf ihre Umgebung. Die zusammengewürfelte Gruppe zog durch Alleen von wohlduftenden Zypressen, vorbei an terrassenartig angelegten Feldern und in der Ferne liegende Dörfer aus Sandstein, die sich an die Hänge schmiegten. Galdos hatte sie gewarnt, dass sie womöglich jetzt schon mit Angriffen zu rechnen hatte, aber Laree wußte nicht wie offen die Kämpfe zwischen den zwei konkurrierenden Königinnen waren und wieviel die Bevölkerung davon wußte. Oder überhaupt die Männer um sie herum. Hatten sie eine Ahnung wofür sie sich verpflichtet hatten? Was waren ihre Gründe hier zu sein? Die Hexe ließ ihren Blick schweifen, sah zu der anderen Frau, die vor ihr ging. Ihre langen rotbraunen Haare waren zu einem strengen Zopf geflochten und sie schritt kräftig und zielstrebig aus. Ging sie hier mit Bauern und Handwerkern oder mit Schlächtern, Mördern? Laree vermochte es nicht zu sagen. Das einzige was die Gruppe verband waren die gleichfarbigen Uniformen.
Galdos ging an der Spitze und jedesmal wenn die Hayllierin ein schönes Plätzchen zum Rasten sah, zog er unerbittlich daran vorbei und der Weg kam ihr allmählich endlos vor. Dafür hatte sie ein Ziel. Am Ende würde Gualterio auf sie warten. Abgesehen davon, dass er nichts davon wußte. Wie er wohl reagieren würde? Laree verschob die Riemen ihres Rucksackes ein wenig, aber ihre Schultern taten trotzdem weh. Sie traute sich auch nicht das Gewicht mit der Kunst zu erleichtern, denn der Krieger besaß dunklere Juwelen und hätte es gewiss gemerkt.
Nach Stunden des zügigen Marschierens, hielt Galdos endlich. "Wir machen hier Rast." Die Truppe war schon dabei die Rucksäcke abzulegen und sich ins Gras am Wegesrand fallen zu lassen, als der Korporal die Hand hob. "Einen Moment. Ihr dürft nie eure Deckung vernachlässigen. Seht euch um, warum habe ich diesen Platz ausgewählt?", forderte er sie auf. Laree war zu müde um dem gleich zu folgen, ließ ihren Ranzen von den Schultern rutschen und sah erst dann auf.
"Es ist offen einsehbar", sagte ein Rekrut, ein schlacksiger junger Mann mit schwarzen welligen Haaren und einem kurzen Kinnbart. "Wenig Raum für Hinterhalte."
Die Hexe interessierte nur das kleine Bächlein in der Nähe wo sie ihren Durst stillen konnte und dass ein paar Bäume Schatten spendeten.
"Gut, merkt euch, dass ihr jeden Ort zum Rasten vorher genau in Augenschein nehmen müsst. Ihr müsst euer Terrein kennenlernen. Ich weiß, dass nicht alle aus Raej stammen, aber auch in fremdem Gebieten müßt ihr euch rasch zurecht finden können, das kann lebenswichtig sein", erklärte Galdos. "Zwei von euch halten die erste halbe Stunde Wache, zwei weitere die nächste, danach brechen wir wieder auf."

Laree ließ sich ins Gras sinken. Das konnte von ihr aus irgendjemand anderer machen, sie hatte kein Interesse sich in der Armee Sions hochzuarbeiten. Zu viel Aufmerksamkeit war auch nicht gut. Durstig nahm sie einen Schluck aus der Feldflasche, blickte zu der Frau, auch eine Hexe, die sich gleich freiwillig zum Wache schieben meldete. Na, wenn sie meinte. Laree aß etwas von dem Proviant und lächelte als sich einer der anderen Rekruten, ein Lande, zu ihr auf eine schmale Steinmauer am Wegesrand setzte.
"Ich bin Lenear Tamin und du?", fragte er. Laree stellte sich mit ihrem falschen Namen vor, aß ungerührt weiter. "Warum bist du dabei? Meinst du, wir kommen nach Dhemlan?"
"Ach, hier hab ich wenigstens Arbeit und Geld...", antwortete die Hexe vage, sah hinüber zu Lenid, er war schlank und besaß goldene Augen. Sein Name deutete auf einen Eyrier, doch Laree sah keine Flügel. "Und du?", fragte sie zurück. Der Lande zuckte mit den Schultern, scharrte mit dem Fuß in der Erde.
"Hab Schulden. Jetzt spring ich für jemanden ein, sollte eigentlich gar nicht hier sein", sagte er leise, auch wenn Laree noch nicht ganz schlau daraus wurde. Aber womöglich würde es noch hilfreich sein die Hintergründe der anderen Rekruten zu erfahren. Sie blickte zu zwei Männer, die sich anscheinend schon besser kannten, denn sie saßen zusammen und unterhielten sich leise. Der eine war groß, breitschultrig und kräftig wie ein Holzfäller, der andere dafür sehr klein und schmal mit einer dünnen Hakennase. Er spielte unruhig mit einem Messer in der Hand, aber von dem was sie erkannte, beherrschte er es gut. Der Mann merkte auch sofort, dass er beobachtet wurde, denn er sah gleich hinüber zur Hexe, die langsam den Blick abwandte.
"Kennst du irgendjemanden von hier?", fragte Laree den jungen Mann neben ihr. Er schüttelte den Kopf.
"Ich hoffe, ich muss nicht mit dem Schwert kämpfen, ich bin besser als Bogenschütze", meinte er. "Ich habe es auch dem Korporal gesagt, doch man bekommt erst seine entgültigen Waffen, wenn entschieden ist in welche Einheit man kommt."
"Korporal Espwin erscheint mir wie ein vernünftiger Mann", bemerkte Laree leiser und sah zu dem Krieger, der seine Muskeln streckte. Er kam ihr wirklich nett vor, was sie mehr beunruhigte als wie wenn er sie alle getriezt und mies behandelt hätte. Es war wie die Ruhe vor dem Storm. Denn was machte ein solcher Mann in Sions Armee? Aber sie kannte auch die Gerüchte, dass Sion Menschen jeglicher Art anzog, dass man ihm nicht widerstehen konnte. Oder war den Leuten egal wem sie dienten solange sie nur einen Zweck hatten und eine "gute" Art zu leben? Warum wurde jemand Soldat? sie hatte immer angenommen, weil man patriotisch war und sein Land verteidigen wollte, doch in dieser riesigen Armee waren sehr viele keine Dhemlaner. Warum waren sie dabei? Aus ähnlich verzweifelten Gründen wie Laree selbst?
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:27

Sie brachen bald wieder auf und hatten ihr ihre Füße bisher noch keine Probleme bereitet, da sie vieles Stehen und Gehen von ihrer Arbeit als Dienstmädchen gewöhnt war, so begannen sie im Verlaufe des Tages zu schmerzen und wund zu werden. Laree bereute ihre Entscheidung sich überhaupt hatte rekrutieren zu lassen, sie bereute bald alles. Eine Hügelkuppe später sehnte sie sich wieder nach Malateste, dann verfluchte sie ihn bei der nächsten Wegbiegung und gab ihm an allem Schuld. Wenn er sie wirklich geschwängert hatte... nein, nein, es war nicht passiert und selbst wenn, es spielte keine Rolle mehr, sie hatte es ja verloren. Laree blinzelte und konzentrierte sich rasch wieder auf die Umgebung, um nicht auch noch zu heulen, das wäre alles andere als ein guter Einstieg als Soldatin. Am Ende setzte sie nur noch monoton einen Fuß vor den anderen bis sie in der Dämmerung ein Stück vom Weg entfernt kampierten.
Die Hexe wollte sich wieder ins Gras fallen lassen, aber dieses Mal hielt sie Galdos schon im Ansatz davon ab. "Die Mannschaftszelte müssen noch aufgebaut werden, wir haben drei Stück davon dabei." Er ließ entsprechende Bündel erscheinen und erklärte wie man die Stangen und Stoffplanen handhabte. Laree räumte zusammen mit Lenear den Untergrund von Steinen und Ästen frei.
"Ich komm mir vor wie bei den Pfadfindern...", murmelte sie und der Lande neben ihr grinste kurz, blickte dann aber sofort ängstlich zum Korporal hinüber, ob er es gehört hatte. Irgendwann standen dann auch die Zelte in einem Halbkreis und Laree breitete ihre Matte neben der der anderen Frau, eine Hexe namens Mailin, und Lenear aus. Sie kannte zwar niemanden hier genauer, doch es erschien ihr... sicherer neben einer Frau und einem Landen zu nächtigen, der ihr auch nicht allzu unfreundlich erschien.
In der Mitte des Lagers wurde Feuerholz zusammengeschichtet, die der hünenhafte Riese mit Namen Aldo dort ablud als wäre es bloß Stroh. Sein kleinerer Kumpane namens Fenthik entzündete den Reisig und bald schon prasselte das Feuer munter vor sich hin. Laree hätte jetzt gerne einfach nur was gegessen und wäre dann müde und erschöpft eingeschlafen, doch wie so oft hatte ihr Anführer anderes im Sinn.

"Peer, du hast Erfahrung im Kochen, lass dir von Venka helfen und danach teilen wir die Wachen ein. Wer schon bei der letzten Pause Wache gehalten hat, ist davon befreit", erklärte er. Die Hexe unterdrückte ein Seufzen, gesellte sich zu einem der zwei Blutmänner. Fragend blickte sie ihn an.
"Erfahrung im Kochen?", fragte sie skeptisch. Der Mann mit rotem Haar grinste linkisch.
"Küchenjunge. Du?"
"Dienstmädchen", gab sie zurück, was wohl erklärte warum sie nun diejenigen waren, die aus dem mitgebrachten Proviant etwas schmackhaftes kochten. Im Schein des Feuers saßen sie alle beisammen, leise Gespräche erfüllten die Luft ebenso wie das Zirpen von dutzenden Zikaden und das Knacken des Holzes. Es war fast schon friedlich, aber jedesmal wenn Laree im Licht die rote Hydra aufblitzen sah, wurde sie eines besseren belehrt. Sie trug ja selbst so eine verhasste Uniform. Die einzige andere, die sie neben ihrer Dienstmädchenuniform getragen hatte. Jetzt hätte sie alles darum gegeben wieder diesen knappen Fummel anziehen zu dürfen. Gut... nur nicht gerade hier. Die Blicke von Aldo und Fenthik, die auch noch zu den wenigen Juwelenträgern gehörten, passten ihr nicht so recht.
Als sie nun alle aßen, nötigte Galdos sie dazu sich in der Runde vorzustellen. "Ich weiß noch nicht, ob ihr weiterhin einer Einheit angehören werdet, doch bis wir in Loraka sind, solltet ihr nicht vergessen, dass ihr zusammengehört und für den anderen einstehen sollt."
Oh ja, Kameradschaft wird bei Sion ganz groß geschrieben, dachte die Hexe sarkastisch und aß schweigend weiter. Neben ihr bat Mailin darum wieder Wache halten zu können, sie wäre noch nicht müde, und da Laree dummerweise bei ihr saß wurde sie gleich mitausgewählt für die erste Wache. Nach und nach gingen die anderen schlafen, Laree war mindestens genauso müde und sie mußte dagegen kämpfen die Augen offen zu halten. Sie dachte an Ayden wie er sie manchmal in seinem Schlafzimmer gefesselt hatte, einfach gegangen war, ihr aber eingeschärft hatte, dass wenn er zurückkam sie besser wach sein sollte, sonst würde er sie hart bestrafen. Wie hatte sie nicht manche Stunde gegen den Schlaf angekämpft, oder wenn sie noch bis spät in der Nacht über Zahlenkolonnen gebrütet hatte. Da würde doch diese Wache ein Klacks sein.
Bis ihr einfiel, dass sie eigentlich überhaupt keine Ahnung hatte was sie beim Wache halten machen mußte. Zögernd blickte sie hinüber zu der anderen Hexe, die Holzscheite nachlegte. "Warum bist du eigentlich hier?", fragte Laree leise.
"Geht dich das irgendwas an?", zischte Mailin und schob sich eine der rotbraunen Haarsträhnen zurück hinters Ohr. So viel dazu, dass sie als Frauen zusammenhalten sollten. Laree schnaubte verärgert.
"Ich wollt dir nicht auf die Füße treten, sei nicht so empfindlich", gab die Hexe Kontra. Mailin schürzte abschätzig die Lippen.
"Du redest über Empfindlichkeit?", fragte sie zurück. Laree wollte gleich wissen wie sie das meinte. Die Hexe schärfte ihr Schwert gekonnt mit einem Wetzstein. "Du passt nicht in die Armee, du hast hier nichts verloren."
Wut machte sich augenblicklich in der Hayllierin breit, von dieser Frau würde sie sich nichts sagen lassen und sie war bereit bissige Widerworte zu geben, als Mailin rasch die Hand hob und aufmerksam lauschte. Vom nahegelegenen Waldrand hörte man etwas Knacken und Rascheln.
"Ich geh nachsehen, du bleibst hier und hälst Stellung", zischte Mailin und verschwand mit gezogenem Schwert in der Dunkelheit sobald sie den Kreis des flackernden Feuerscheines verließ. Laree blieb angespannt stehen, horchte in die Nacht und zog nur provisorisch das Schwert, es lag schwer in der Hand und sie fühlte sich nicht gerade besser damit. Ob sie Galdos bescheid geben sollte? Ob sie Mailin nach sollte? Sie hatte recht, sie gehörte nicht hierher, sie war keine Soldatin und sie wollte auch nicht kämpfen. Wenn nur Gualterio hier wäre...
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:27

Verdammt! Mailin war schon viel zu lange weg und Laree hörte nichts mehr aus der Richtung. Der Impuls der anderen Frau zu folgen, obwohl jene sie vorher noch so patzig angefahren hatte, war schnell getroffen. Zur Sicherheit legte die Hexe einen opalen Schutz um sich, ihre Finger fassten den Griff des Schwertes fester, aber es machte sie nicht sehr viel ruhiger. All ihre Sinne waren angespannt, als sie so leise wie möglich den kleinen Hang hochging zum Waldrand. Die letzten Lichter des Feuers liebkosten noch warm ihren Rücken, dann wurde es kalt und dunkel. Laree hätte am liebsten eine Lichtkugel herbeigerufen, doch es war nicht so klug in der Finsternis anzuzeigen wo genau sie war. Vor allem als sie unmittelbar vor sich das Verwenden von Kunst spürte. Dennoch war alles totenstill. Irgendjemand mußte einen Hörschutz ausgesprochen haben und bestimmt nicht Mailin.
Jetzt überlegte Laree doch, ob sie nicht Galdos zur Hilfe rufen sollte. Sie wollte ihm auch entsprechend senden, als sie merkte, dass ihr Speerfaden an einer Wand aus fremder dunkler Kunst abprallte. Verflucht, sie war längst in dem Schild des Fremden drin, wäre sie doch stehen geblieben. Laree blickte sich gehetzt um, die Baumstämme ragten wie schwarze Speere in die Höhe. Dann spürte sie einen Luftzug und wie etwas ihren eigenen opalenen Schild streifte, ihn aber nicht ganz durchdrang. Flink wich sie zur Seite aus, drehte sich zu ihrem unbekannten Angreifer um. Larees Augen füllten sich mit Wut.
"Fenthik", erkannte sie den kleinen Mann mit einem Messer in der Hand. An seinem Gürtel steckten noch weitere, er trug auch nicht mehr die dhemlanische Uniform. "Du Arschloch, was soll das?"
"Wir brauchten nur einen sichren Weg aus der Stadt, aber jetzt gehen wir unsere eigenen Wege", erklärte er mit einem schmierigen Grinsen. "Und du wirst uns nicht verpfeifen."
"Hab ich auch nicht vor, von mir aus könnt ihr machen, dass ihr wegkommt", entgegnete Laree, versuchte einen Schritt nach hinten, doch wieder blockierte sie das Schild von Fenthik. Jetzt wo sie in dem Kreis war, hörte sie auch etwas weiter entfernt das Grunzen und Stöhnen eines anderen Mannes. Aldo. Diese Schweine vergriffen sich an Mailin. Laree hob ihr Schwert an. "Ihr.. lasst sie sofort gehen", forderte sie mit zitternder Stimme.
Fenthik lachte dreckig. "Bestimmt nicht. Oh, und dich nehmen wir auch mit", gab er zurück und griff sie blitzschnell mit dem Messer an.

Laree wich noch im letzten Moment aus, die Messerklinge traf gegen ihr Schwert. Adrenalin schoss durch ihr Blut. Sie wollte bestimmt nicht draufgehen ausgerechnet wegen den zwei Männern, die nicht zu Sions Armee gehören wollten. Welch Ironie. Statt zu versuchen in Richtung des Lagers zurückzulaufen, hielt sie auf die eindeutigen Geräusche von Fenthiks Kumpanen zu. Von hinten traf sie eine Machtkugel, die nur durch ihren dünner werdenden Opalschild etwas von ihrem Schmerz verlor, so taumelte die Hexe nur noch nach vorne durchs Dickicht. Zwischen einigen Büschen war der hünenhafte Krieger über Mailin gebeugt und nahm sie unbeherrscht. Larees Blick ging nur kurz zu den leeren Augen der anderen Frau, um zu wissen was ihr widerfahren war. Eisige Wut kroch in Laree hoch. Sie hatte diese Sorte Männer so satt, diese Veticars und Foltans und Aldos. Der Krieger war aufgesprungen, mit heruntergelassenen Hosen und blutigem Speer. Ihr Schwert zuckte genauso in die Höhe, sie machte sich nicht die Mühe irgendeinen grazilen Streich auszuführen, blindlings stach sie nach ihm, ihre goldenen Augen übervoll mit Mordlust.
Ihre Klinge wurde im letzten Moment von einem Schild aufgehalten, Schweißtropfen bildeten sich auf ihrer Stirn vor Anstrengung dagegen zu halten. Das Metall bohrte sich Zentimeter für Zentimeter durch die Schicht aus Kunst.
"Ihr.. nehmt mich nicht... mit", presste sie entschlossen hervor. Als der Krieger ausholen und sie schlagen wollte, riss sie das Schwert zur Abwehr zurück, Blut benetzte ihr Gesicht, Aldo knurrte vor Schmerz, über seinen verletzten Unterarm strömte das Blut. Trotzdem wankte Laree von der Wucht zurück, stolperte nach hinten genau in die Arme Fenthiks, der sie eingeholt hatte. Seine Klinge legte sich an ihre Kehle.
"Ah, hier haben wir eine Kämpferin. Wehr dich so viel du willst, es hört dich doch keiner." Laree versuchte ihn mit ihren Füßen zu treten. Aldo kam fluchend auf sie zu, hielt sich den Arm.
"Töte das Biest lieber und lass uns verschwinden. Wir sind noch zu nah am Lager", meinte er.
"Du hast recht." Fenthik holte aus und hieb dann Laree mit dem Knauf des Messergriffes an die Schläfe. Praktisch sofort umwölkte sie tiefe Schwärze und sie sackte bewußtlos zusammen.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:27

Als sie wieder zu sich kam, aber noch nicht die Augen öffnete, schmerzte ihr Kopf ungeheuerlich von dem Schlag, den sie abbekommen hatte. Das war leider nicht alles was schmerzte. Laree roch noch den Samen eines Mannes an ihr, roch zudem Schafsfett von einer Decke auf der sie lag, das spürte sie. Die Hexe hätte aufschreien und heulen mögen, doch sie tat nichts dergleichen, sie dachte nur daran wie angenehm es war wenn Ayden sie danach streichelte, zärtlich küsste und seine Stimme einen ganz weichen Klang bekam. Sie wollte jetzt neben ihm liegen, er würde ihr sagen, dass sie eine Dummheit begangen hatte und wie sie es hätte richtig machen können. Oh Mutter der Nacht, sie wollte zurück in Hayll sein, sie wollte die Augen nicht öffnen. Laree versuchte sich von der Verzweiflung und Angst nicht überwältigen zu lassen. Sie mußte nur bis nach Loraka kommen und Gualterio sehen. Und immer noch war sie zwischen diesen beiden Männern zerrissen, ihr ganzer Weg wo ihr scheinbar andauernd Steine in den Weg gelegt wurden, zeugte davon.
Langsam schaffte sie es ihre Angst zu bekämpfen, blinzelte leicht. Ihr Blick schweifte über das Lammfell bis sie eine Reihe von Männern sah, die dort lagen und schliefen. Von unten hörte sie irgendwie Gelächter und raue Stimmen. Die Hexe wagte es ein wenig den Kopf zu heben, erkannte, dass sie in einem Zwischengeschoss irgendeines Schuppens war. Unten konnte sie Fenthik zusammen mit anderen erkennen, sie saßen um einen Topf, aßen und tranken. War das sein Räuberlager? Sie mußte hier unbedingt weg, möglichst leise, doch es war nicht daran zu denken, dass sie einfach die Leiter herunterkletterte, denn jeder hätte sie gesehen.
Hier oben gelangte der Feuerschein der Fackeln nicht so sehr hin, Laree sah sich weiterhin leicht um, wagte kaum zu atmen. Vorsichtig kroch sie auf ein Fenster zu, früher mußten sie hier durch Waren nach oben geholt haben, denn es gab immer noch die alte Winde für die Befestigung eines Flaschenzuges. Laree stieg so leise wie möglich über einen schnarchenden Mann, betete, dass niemand sie hier oben bemerkte. Die Hexe hatte sich schon halb durchs Fenster geschoben, draußen war es immer noch dunkel, erst weiter am Horizont sah man einen kleinen hellen Streifen.
Einer der Kerle rührte sich und erschrocken sprang Laree gleich sofort. Es war tief, so federte sie ihren Sprung automatisch mit der Kunst ab, landete in feuchtem Gras. Sie wußte nicht wo sie war, aber es sah so aus wie ein verfallener Hof zwischen einigen Bäumen. Ging dort hinten wirklich die Sonne auf oder war es ein Feuer? Verwirrt und immer noch mit heftigen Kopfschmerzen rannte sie in die Richtung von der sie glaubte, dass es Süden war. Würde sie ihre Einheit wiederfinden? Was war mit Mailin?
Laree stockte kurz. Nein, sie hatte die andere Frau dort oben nicht gesehen und wenn, würde sie bestimmt nicht umkehren. Mitten im Lauf stolperte sie über ihre Hose, weil sie offen war, rasch zog Laree sie wieder hoch, machte sie zu und hastete weiter über einen brachliegenden Acker. Gerade wollte sie einen Sichtschutz um sich legen und nach Galdos senden, als sie plötzlich etwas hartes mit voller Wucht in den Beinen traf. Sie hörte etwas knacken, schrie vor Schmerz auf und fiel der Länge nach hin. Ihr linkes Unterbein tat höllisch weh, Tränen traten ihr in die Augen. Laree wollte durch den Schmerz hindurch einen Speerfaden senden, aber es war schon zu spät. Sie wußte es in dem Moment wo sie Fenthiks Signatur spürte. Dennoch robbte sie stur weiter von ihm fort bis er bei ihr war, ihr heftig in die Seite trat.

"Hast du gedacht, ich pass nicht auf dich auf?", fragte er sie, trat gleich noch einmal zu so dass Laree nach Luft schnappte, sich keuchend zusammenrollte. Sie hätte es wissen sollen... es war nie einfach, nie. Dann waren auch noch andere Männer da, einer riss sie am Kragen ihrer Uniform hoch, so dass Fenthik sie ins Gesicht schlagen konnte. "Jetzt hör mal zu, du spurst oder wir töten dich doch. Jetzt gib deine Juwelen her, du brauchst sie nicht mehr."
"Niemals!" Sie spuckte ihm ins Gesicht, kassierte dafür natürlich gleich noch einen Schlag. Laree wurde den ganzen Weg zurück zum Schuppen geschleift und geschlagen, obwohl sie sich dagegen wehrte, am Ende war ihr Körper übersät mit blauen Flecken und Abschürfungen. Noch nie hatte sie jemand dazu gezwungen ihre Juwelen abzugeben, nichtmal Ayden oder Timaris, sogar nicht Sions Armee. Aber vielleicht töten sie dich doch, dachte sie und sie hatte Angst, sie wollte nicht sterben, nicht hier irgendwo im Nirgendwo. Trotzdem hatte sie ihren Stolz, wehrte sich bis zuletzt bis sie doch schluchzend ihre Juwelen herbeirief und Aldo sie ihr mit einem feisten Grinsen abnahm. Wie gern hätte sie dieses Grinsen in einen blutigen Strich verwandelt.
Der Krieger ging mit ihren funkelnden rose und opal Juwelen zu einem alten Brunnen, hielt die Juwelen nochmal in die Höhe und ließ sie dann unter Gelächter seiner Kumpanen in den tiefen Schacht fallen. Ihr Herz wollte springen als sie das dumpfe Aufplatschen hörte.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:27

"Verflucht nochmal, Schlampe, hör auf zu zappeln", keuchte Fenthik, als er über ihr war und als er versuchte sie zu küssen, biss ihm Laree hart in die Unterlippe. Sie dachte nicht daran aufzugeben, nichtmal jetzt als ihr alles weh tat und sie nur mühsam aus einem Auge sehen konnte, da das andere wegen seiner Schläge zugeschwollen war. Ihr linkes Schienbein wummerte schmerzhaft, aber jetzt mußte sie es eh nicht belasten, da sie irgendwo auf dem Boden in der Scheune lag, Stroh ihre nackte Haut kratzte.
Irgendwann war es vorbei und man ließ sie in Ruhe, der Morgen war aufgegangen. Laree kauerte sich in der Ecke zusammen, raffte die Reste ihrer Uniform zusammen. Sie dachte nicht mehr an Flucht, sie dachte an viel mehr... ihre Blicke gingen über die Gestalten im Halbschatten, die meisten schliefen, andere betranken sich weiter oder würfelten um Geld. Aldo schob ihr mit der Fußspitze einen Tonteller mit Essen zu. Sie zweifelte überhaupt nicht daran, dass irgendjemand darein gespuckt hatte, aber Laree aß den Eintopf trotzdem, sie hatte Hunger, doch es änderte nichts daran wie ausgelaugt sie sich fühlte. Es gab nur ein Feuer in ihrem Inneren, das sie antrieb und dessen Schein sie auch nicht mehr aus ihren goldenen Augen vertreiben konnte.
Sie ballte ihre Hände kurz zu Fäusten, obwohl selbst diese kleine Bewegung schmerzte. Sie würde hier wieder wegkommen, sie würde es nach Loraka schaffen. Alles andere zählte nicht mehr. Zur Hölle mit Ayden, zur Hölle mit Gualterio, zur Hölle mit allen Männern. Es zählte nur noch Loraka.
Kurz bevor sie einschlief, durchfuhr sie der schreckliche Gedanke, dass sie nicht mehr auf die Verhütungstränke in ihrem Juwelengepäck zurückgreifen konnte. Was wenn sie es nicht schaffte zu fliehen? Dunkelheit, sie wollte nicht schwanger werden. Welch Ironie... da sie deswegen überhaupt aufgebrochen war. Aber bei Gualterio war es etwas anderes... ach ja? Sein Bastardkind hättest du etwa liebend gerne ausgetragen? Das stimmte auch nicht. Trotzdem stellte Laree sich vor, dass der Kriegerprinz bei ihr war, sie festhielt, dass er die große Gestalt hinter ihr war und nicht Aldo, der dort lag und seinen Rausch ausschlief. Zitternd von dem inneren Feuer in ihr, das so kalt war, schlief Laree irgendwann doch ein.

"So, zurück an die Arbeit, Kleine." Der Mann schloss seine Hose wieder und Laree löste sich zitternd von der Hofwand, raffte ihre halb zerrissene Hose wieder hoch und griff nach den Eimern, um in Richtung Stall zu humpeln. Die Bande besaß ein paar Ziegen, die sie melken sollte. Es war nicht ihre einzige Aufgabe, sie rollte Zigarren, beharkte ein kleines Gemüsebeet, fütterte Hühner, flickte Kleidung, kochte das Essen, häutete und weidete Tiere aus, die die Männer zurückbrachten. Aber nie zogen alle gemeinsam los, es blieben immer zu viele zurück, um auch nur an eine Flucht zu denken. Ihr größter Kampf war der gegen die Erschöpfung, eine innere Erschöpfung, die sich langsam in ihr breit machte, obwohl sie das beständige Gefühl hatte, sie müsse schreien, wenn sie auch nur ein weiterer Kerl berührte. Doch sie taten es. Solange bis Laree sich tatsächlich wünschte, Sion käme her und würde ganz Raej in Schutt und Asche legen, es kümmerte sie nicht. Sie kümmerte gar nichts mehr außer nach Loraka zu kommen.
Zwischendurch fragte sie sich, wo Korporal Galdos und die anderen Rekruten waren, ob sie immer noch auf normalem Wege nach Loraka gingen, ob sie Hilfe holten. Aber solche Gedanken waren lächerlich, niemand würde kommen und sie retten, schon gar nicht Soldaten aus Sions Armee. Auch nicht Gualterio, der ja nichtmal wußte, dass sie hier war. Niemand wußte es, sie war auf sich allein gestellt. Ihr Bein war blau angeschwollen und fühlte sich richtig taub an, dafür tat ihr der Rest des Körpers überall weh, dass es keine Rolle mehr spielte.
Die Hexe wartete, allmählich hatte sie das Zeitgefühl verloren wie lange sie schon hier war. Es kam ihr wie Jahre vor, doch vermutlich waren es nur Tage gewesen. Bis die gesamte Bande zu einem Raubzug aufbrachen von dem sie sich viel Beute erhofften. Nur einer blieb zurück, um auf Laree aufzupassen. Sobald die anderen gegangen waren, kam er auf sie zu, grinste sie feist an und kratzte sich an seinem Bauch.
"Du, Hexchen, wirst dich jetzt ganz besonders um mich kümmern", entschied er. Laree ließ sich zu ihm ziehen, nickte willig. Oh ja, sie würde sich ganz besonders um ihn kümmern... dieses eine Mal würde sie sich nicht wehren. Im Gegenteil, sie verlangte sogar noch nach mehr und immer mehr bis der Mann schließlich irgendwann erschöpft aber sehr befriedigt einschlief. Laree blieb atmelos neben ihm liegen, wartete noch einen Moment ehe sie sich leise aufrichtete, sich wieder anzog und nach draußen zum Brunnen humpelte. Sie hatte nicht viel Zeit, es war ungewiss wann die anderen wiederkommen würden oder wie lange der Krieger am schlafen blieb. Sich bemühend nicht zu hastig zu sein, holte sie den Eimer, hängte ihn in die alte Winde des Brunnens und ließ das Seil langsam nach unten gleiten. Der Brunnen wurde nicht mehr benutzt, es gab stattdessen einen Fluss weiter weg, weswegen Laree bisher nicht die Möglichkeit gehabt hatte nach ihren Juwelen zu fischen. Sie brauchte ja nur einen Splitter, einen einzigen, einer ihrer Ohrringe würde genügen.
Sie zog den schweren Blecheimer wieder nach oben, die Winde quietschte in ihren Ohren viel zu laut, sie hatte das Gefühl man würde das verräterische Geräusch noch meilenweit hören. Laut atmend zog sie den gefüllten Eimer zu sich auf den Brunnenrand, begann das brackige Wasser und den Schlamm rasch mit bloßen Händen zu durchwühlen. Komm schon, komm schon...
Aber der Eimer barg keine geliebten Schätze und so mußte sie ihn erneut runterlassen. Laree tat es so oft bis ihre Arme schmerzten und sie vor lauter Benommenheit nicht mehr wußte, ob es überhaupt je irgendwelche Juwelen dort unten gegeben hatte. Sie zog das Seil gerade ein weiteres Mal an, als sie durch die geöffnete Scheunentür sah wie sich der Mann regte. Laree wurde schneller, das raue Seil schürfte ihre Handflächen auf. Hastig löste sie den Eimer von der Winde, sie hatte zu viel Angst erwischt zu werden, dass sie es nicht wagte ihn hier zu untersuchen und ihn mitnahm zum Gehege wo die Hühner waren. Bitte, bitte, es mußte einfach dieses Mal geklappt haben, sie würde sich sonst noch in den scheiß Brunnen stürzen.
Ihre freie Hand tastete schon in dem Schlamm umher.
"He, wo willst du hin?" Laree zuckte zusammen, blickte zu dem Krieger, der träge näher kam. "Was hast du da?"
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:28

"Nur damit zum Abort", erklärte die Hexe. Der Mann blickte kurz in den Eimer, grunzte was undefinierbares und trollte sich wieder. Laree atmete auf, ging zum Hühnerstall und öffnete dahinter ihre schlammige Faust. Ein silbernes Fußkettchen mit einem ihrer Opaljuwelen schimmerte ihr entgegen und ihre goldenen Augen erwiderten das Leuchten. Sie würde hier weggekommen. Noch heute nacht, nahm sie sich vor.
Zunächst rief Laree einen der Verhütungstränke herbei, schluckte ihn hastig. Danach dankte sie der Dunkelheit, gut und Ayden, dafür, dass sie diverse Gifte und Mittel mit sich trug. Sie würde bis heute abend warten bis alle da waren. Rasch verbarg die Hexe ihr Juwel wieder und machte sich an die Arbeit. Ihr schmerzte immer noch alles, der letzte war auch nicht besonders sanft gewesen, doch nun konnte sie das alles vergessen und sich auf ihr Ziel konzentrieren. Loraka. Das kalte Feuer in ihrem Inneren brannte heller weiter.
Es dauerte noch eine Weile bis die Banditen zurück waren und bis dahin hatte Laree schon einen großen Topf mit Eintopf gekocht und gebratene Kaninchen dazu. Außerdem hatte sie das zweite Bierfass mit Schlafmittel versehen. Es wäre zu auffällig gewesen, sie gleich alle zusammen zu vergiften. Sie hoffte nur, dass alle ordentlich tranken und sich niemand wunderte wenn einer nach dem anderen einschlief. Aber vermutlich wären sie da schon von dem ersten Fass Bier so betrunken, dass sie nicht mehr viel mitbekamen.
Hätte sie sonst gehofft, die Kerle würden nie mehr wiederkommen, konnte es ihr jetzt nicht schnell genug gehen. Endlich weg, sie konnte es nicht erwarten dieser Hölle zu entkommen. Und wenn sie erwischt wurde? Wenn Fenthik das Bier überprüfen würde? Sie mußte mittrinken... aber es würde gehen. Laree rief noch einmal ihr Juwel auf ihre Handfläche, betrachtete das funkelnde Kleinod und ließ es danach rasch verschwinden. Die Stunden vergingen, der Abend brach herein und irgendwann kam die Bande tatsächlich wieder, gut aufgelegt und johlend. Nur ein paar Männer hatten Verletzungen, augenscheinlich von einem Kampf, die Laree versorgen durfte.
"Hier, damit du endlich was richtiges zum Anziehen hast." Sie warfen ihr ein weißes Kleid hin, das aber auch schon bessere Zeiten gesehen hatten. Laree wollte gar nicht wissen, ob die Frau, der sie es entrissen hatten, dabei noch gelebt hatte oder nicht. Rasch zog sie es an, mußte dann aber mit ansehen wie sie ihre Uniform unter lautem Gegröhle im Feuer verbrannten. Laree sah zu wie sich der schwarze Stoff in den Flammen zusammenzog, rasch zur Asche zerfiel. Es schmerzte die Uniform zu verlieren, obwohl sie im Normalfall nichts dagegen hatte, wenn man Sions Uniformen, Embleme und Fahnen in Freudenfeuern verbrannte.
In einem unbeobachteten Moment konnte sie wenigstens noch die rotgestickte Hydra retten, da der dickere Stoff dort nicht ganz so schnell verbrannt war. Sie sollte besser froh sein, dass sie nicht noch in der Uniform steckte während sie brannte.

Danach setzten die Männer sich um das Feuer, wollten trinken und essen und Laree bediente alle, wobei es kaum einer unterlassen konnte ihr auf den Hintern zu schlagen oder sie anderweitig anzufassen. Sie schnappte das Geprahle der Kerle auf wie sie irgendwelche armen Dorfbewohner abgeschlachtet hatten. Es erklärte auch, warum sie nicht gleich alle über sie herfallen, sie waren schon... gesättigt. War es gemein, dass Laree es freute?
Auch trank sie von dem Bier, aber als sie neues Essen heranschaffte, zwang sie sich draußen zu übergeben, damit das Schlafmittel sie nicht beeinträchtigte. Trotzdem war ihr nicht wohl, ihr Kopf schmerzte, vielleicht auch von der wegen dem Zigarrenrauch stickigen Scheune, zudem war ihr sehr heiß. Doch die Hexe mußte nur einmal ihr schlimmes Bein anzusehen, um zu wissen, dass sie höchst wahrscheinlich an einer Blutvergiftung litt.
Sie mußte sich zu Fenthik setzen, diesem kleinen Gauner dessen Gesicht grau schien mit einem stoppeligen Dreitagebart und fettigen schwarzen Haaren, die ihm in Strähnen ins Gesicht ragten. Nachher wirst du schlafen, dachte Laree, nachher wirst du für immer schlafen. Seine vom Bratenfett schmierigen Hände griffen unter ihr Kleid, streichelten über ihre Schenkel. Sie hielt ihren Blick starr ins Feuer gerichtet. Fenthik verweigerte ihr jedoch selbst das, als er irgendwann ungeduldig in ihr Haar griff und sie mit dem Kopf in seinen Schoß drückte, damit sie ihn auch auf diese Weise bediente. Laree hob und senkte ihren Kopf, ließ sich von seiner befehlenden Hand in ihren Locken führen. Währenddessen dachte sie an das zweite Fass Bier, was in der Mitte stand und schon angezapft war. Nach und nach wurden die Gespräche weniger und noch während Laree sich bemühte nicht dem Drang zu folgen zuzubeißen, wurde der Griff von Fenthiks Hand schwächer ehe sie schließlich ganz zur Seite sackte und er nach hinten kippte.
Die Hexe machte trotzdem noch weiter, wagte erst nach einer Weile ihren Kopf zu heben. Sie hörte das Prasseln des Feuers, den nächtlichen Wind draußen und wie er an den losen Scheunenbrettern zerrte. Ansonsten war es still. Laree lächelte, erhob sich und blickte über die Männer hinweg, die alle schlafend vor ihr lagen. Das Feuer in ihrem Inneren hatte längst ihre goldenen Augen erreicht in denen es kalt loderte. Langsam humpelte sie zu einem der Kerle wo sie einen scharfen Dolch sah, löste ihn vom Gürtel und setzte die Klinge dann an seiner Kehle an. Sie hatte Ayden schon dabei zugesehen, sie konnte das. Ein kurzer Atemzug und es war vollbracht. Aber Laree hörte nicht bei dem einen Mann auf. Sie blendete alle Schmerzen aus, versuchte den Tanz des Feuers zu ignorieren, der in ihrem Fieber neue Formen bildete, meistens die Umrisse einer Hydra mit ihren vielen in alle Richtungen ausschlagenden Köpfen. Als nächstes tötete sie Fenthik und Aldo. Nein, die beiden wollte sie sich bestimmt nicht zum Schluß aufheben, sie hatten die stärksten Juwelen und sollten sie aufwachen, so wäre die einzige Person, die hier starb, sie selbst, das wußte sie. Das Messer zog durch ihre Hälse wie das zärtliche Streicheln einer Frauenhand. Blut bedeckte ihre Oberkörper wie rote Decken, breitete sich auf dem Boden aus. Bald vermischte sich der Zigarrenrauch mit dem metallischen Geruch nach Blut.
Am Ende war sie beim letzten angekommen, sie wußte nichtmal seinen Namen. Laree starrte auf den daliegenden Körper. Es war nur ein Körper, das war kein Mensch. So hatten die Männer vermutlich auch über sie gedacht, oder sie besaßen einfach kein Gewissen, das sie gehindert hätte. Anderseits... wann hatte sie schonmal einen Mann mit Gewissen getroffen?
Ächzend schleifte sie den Bewußtlosen nach draußen, atmete fast gierig die frische Nachtluft ein. Ihr weißes Gewand war mittlerweile nass und schwer von dem Blut der Männer. Humpelnd und stolpernd zog sie den Mann bis zum Brunnen, fesselte Hände und Füße, setzte sich auf ihn und schüttete einen Eimer Wasser über seinem Gesicht aus, wartete bis er wieder wach wurde. Direkt als er sich regte und die Augen aufschlug, hielt sie ihm den Dolch an die Kehle.
"Ich lasse dich am leben, wenn du mir meine Juwelen wieder aus dem Brunnen hochrufst", sagte sie ihm. Der Mann wandt sich unter ihr, aber Laree drückte rasch die Klinge fester an seine Haut, ein kleines Blutrinnsal trat sofort darunter hervor. "Wenn ich du wäre, würde ich das lassen. Und denk nichtmal dran deine Kunst für etwas anderes einzusetzen. Ich bin schneller mit dem Messer."
"W-was soll das?", fing der Kerl an. Laree hieb ihm mit kräftigem Ruck das Messer in die Schulter, was den Mann zu einem lauten Aufschrei brachte.
"Meine Juwelen! Los, ruf sie herbei, du widerliches Arschloch! Mach schon!", trieb sie ihn im fast hysterischen Tonfall an, riss den Dolch zurück. Der Mann unter ihr war noch benommen von dem Schlafmittel, brauchte mehrere Anläufe um ihre Juwelen aus dem Brunnen empor schweben zu lassen und die Hexe trieb ihn immer wieder an indem sie ihn schlug und ihn anbrüllte, ihre Juwelen forderte. Er versuchte auch zu senden, doch natürlich antwortete ihm niemand mehr. Laree beugte sich zu ihm vor.
"Ruf so viel du willst... du bist ganz allein...", hauchte sie, streichelte ihm mit dem Handrücken über die Wange. Mit der anderen Hand stieß sie den Dolch seitlich von unten nach oben in seinen Hals, so dass die Spitze am Ende aus seiner Wange ragte. Der Mann gab ein gurgelndes unmenschliches Geräusch von sich und die Hexe erhob sich rasch von ihm, als sie spürte, dass er starb und dabei auch die Kontrolle über seine Körperfunktionen verlor. Der Tod war keine schöne Angelegenheit und sie verstand niemanden, der ihn romantisch verklärte. Er war harte, harte Arbeit. Mit fieberndem Kopf zog sie den Toten zurück in die Scheune, nachdem sie ihre Juwelen genommen und am Gras den Schlamm notdürftig abgestreift hatte und auch die Ziegen und Hühner befreit hatte, damit sie in der Wildnis der Nacht davonliefen.
Mehrmals stolperte sie, weil sie ihr linkes Bein nachziehen mußte. Danach, als auch der letzte Mann bei seinen Kumpanen lag, griff sie nach einer Fackel und warf sie ins Heu, das sofort Feuer fing. Die Flammen wanderten über den Boden, krochen die Wände rasend schnell empor, umzüngelten die Toten wie Schlangen. Laree verließ die Scheune und brachte sich einige Schritte in Sicherheit, wo das hohe Gras um ihre Beine strich. Ihre Shilouette hob sich rotumrandet vom Nachthimmel ab wie sie dastand und die brennende Scheune mit ausdruckslosem Gesicht betrachtete. Sie spürte die Hitze des Feuers, die der Wind zu ihr hinüberwehte und doch erreichte sie die Wärme nicht. Rötlicher Widerschein der Flammen spiegelten sich auf ihrem Gesicht wieder wie liebkosende Hände. Funken umtanzten sie, stiegen danach weiter empor in den dunklen Himmel. Der Wind spielte mit ihren schwarzen Haaren, warf die Locken vor und zurück. Nur ihr Kleid blieb reglos, das Blut hatte sich tief in den weißen Stoff gesaugt, sammelte sich an den herabhängenden Fetzen und tropfte von dort langsam aber beständig zu Boden.
Als die Luft begann nach verbranntem Fleisch zu riechen, wandte sie sich ab.
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Re: Puppenspiele

Beitragvon Laree » Sa 19. Aug 2023, 22:28

Sie taumelte über das Gras in der Nacht, im Rücken die brennende Scheune, in der Hoffnung sie würde irgendwann auf eine Straße kommen und dort weiterwissen. Laree schleifte ihr geschwollenes Bein nach sich, ihr Kopf schmerzte und schwarze Flecke tanzten vor ihrem Gesichtsfeld wann immer sie den Kopf zu hastig wandte. Ihr war furchtbar heiß, das Fieber war durch die Anstrengung von vorhin noch weiter gestiegen, auch wenn ihr das kaum noch bewußt war. Loraka. Sie mußte... nach Loraka. Manchmal glaubte Laree es sogar in der Ferne zu sehen, die hohen Türme, Paläste mit verzierten Kuppeln... bis sie realisierte, dass es Draega und das Schloß waren was sie sich da zusammenfantasierte. Die Hexe stolperte über eine Wurzel, fiel der Länge nach hin und schürfte sich noch dazu den Unterarm übel auf. Keuchend blieb sie liegen, in ihren Ohren klingelte das Gelächter der toten Männer, die um sie herumstanden und sie verhöhnten, anzügliche Bemerkungen fallen ließen.
"Nein... geht weg..." Sie rollte sich zusammen, erzitterte. Was hatte sie nur getan? Sie hatte alle umgebracht... willkommen in der Riege der Massenmörder. Laree hob den Kopf, ihre Augen waren gerötet, doch man sah keine Tränen.
Los, steh auf, beweg dich weiter!
"Ayden?" Laree starrte auf den blonden Prinzen in einiger Entfernung. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte finster auf sie herab. Unmöglich, er kann nicht hier sein, dachte sie in einem klaren Moment. Dennoch raffte sie sich mühsam auf, humpelte auf ihn zu. "Ich wollte dich nicht verlassen... ich konnte einfach nicht mehr... bist du böse?" Die Hayllierin kroch zu ihm, stolperte wieder. Er war sofort bei ihr, zischte ihr ins Ohr. Ohne mich bist du überhaupt nichts. Sieh nur wohin dich dein Verrat gebracht hat. Wag es ja nicht zu mir zurückgekrochen zu kommen.
Er weckte ihren Trotz und ihre Wut. Sie hatte sich auch alleine behauptet, sie brauchte niemanden. Die Zähne zusammengebissen wankte sie orientierungslos weiter. Wo willst du hin, hm? Du würdest Loraka nicht mal finden, wenn ich dich bis dorthin kutschieren und dich vors Stadttor werfen würde.
"Ich brauche dich nicht!", schrie sie bis ihre Kehle weh tat. Aber niemand war da, der sie hören konnte. Verdammtes Fieber... aber sie mußte weiter. Verlief die Straße nicht im Osten? Wo war Osten? Wo war sie? Wer... war sie?
In der Ferne vermeinte sie eine kleine Gestalt auszumachen, hielt eilig darauf zu und als sie näher kam, erkannte sie, dass es ein hayllischer Junge war mit großen goldenen Augen und schwarzem glänzendem Haar. Bist du meine Mami?
Laree keuchte auf, kniff die Augen fest zusammen. "Geh weg...", wimmerte sie, sank zurück auf den Boden. "Ich kenn dich nicht..." Ihr Gesichtsfeld wurde immer kleiner und sie fror, obwohl ihre Haut brennend heiß war. Noch einmal öffnete sie ihre Augen, blickte nach vorne und erkannte in einem Winkel ihres Verstandes, dass die gerade Linie, die in den Horizont führte wohl eine Straße sein mußte. Verschwommen waren da die Umrisse eines Pferdes, das sich von der Dunkelheit abhob.
"Sion", krächzte sie und hob die Hand ehe ihr der Arm wieder schwer in den Staub zurückfiel. Dann nichts mehr. Nur Schwärze.

Eine entsetzliche Kälte umfing sie als sie ihr Bewußtsein zurückerlangte. Eisiges Wasser schwappte über ihren nackten Körper, Laree riss die Augen auf, strampelte panisch um sich und schrie, wehrte sich gegen den Griff von einem vollkommen schwarzgekleideten Mann, der sie in ein Flussbett drückte. Er war groß, sein langer schwarzer Mantel hatte sich unten mit Wasser vollgesogen. Im fahlen Morgenlicht konnte sie nichtmal sein Gesicht ausmachen, da vom Hals bis zur Nase eine schwarze Maske war. Nur graue Augen waren erkennbar, die Laree ausdruckslos anblickten und sie weiterhin unbarmherzig festhielten.
Die Hexe wehrte sich verbissen, aber der Fremde war viel stärker. Sie dachte, er wolle sie ertränken, doch stattdessen zog er sie irgendwann wieder aus dem Fluß raus, trug ihren zitternden nackten Körper zu einem Lagerfeuer und legte sie dort auf eine Decke, die er dann mit routinierten Handgriffen fest um sie wickelte, so dass sie sich kaum noch rühren konnte. Verschwommen blickte sie den Mann an, der sich neben sie kniete und ihr anschließend etwas aus einer Ampulle einflößte. Hustend schluckte Laree die bittere Flüssigkeit und spürte wie die Wärme sich in ihr ausbreitete, doch es war nicht mehr das extrem hohe Fieber, das sie im Griff gehabt hatte.
Der Maskierte hielt ihr den angesegten roten Fetzen mit der Hydra entgegen, deutete mit seinen schwarzen Handschuhen auf das Symbol. Laree nickte schwach, dann sackte ihr Kopf zurück und sie war wieder weg.
Als sie das nächste Mal wieder zu sich nahm, war ihr schwindlig und sie fühlte sich benommen. Alles bewegte sich und es dauerte eine Weile bis sie realisierte, dass sie auf einem Pferd saß. Bisher hatte ihr Kopf gegen die Mähne des Tieres gelehnt, hinter ihr saß der Fremde und hielt die Zügel. Sie waren auf einer Straße, es war vielleicht später Nachmittag, sie wußte es nicht genau.
"Wer...", sie räusperte sich, ihre Kehle war trocken, "Wer seid ihr?"
Laree erhielt keine Antwort, doch dann hielt er ihr seine Hand näher hin und sie erkannte auf dem Rücken des Handschuhes das Emblem der Hydra eingeprägt. Sion, er gehörte zu Sion. Sie war noch nie so erleichtert über diesen Umstand gewesen. Dann schlief sie wieder benommen ein, obwohl sie noch so viele Fragen auf den Lippen hatte.
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