Der gemütliche Ritt zum Heim von Jona in der wärmenden Sonne wurde noch besser, als sein Schneehäschen von seinem Zuhause zu erzählen begann. Jona wurde dabei richtig lebhaft und erzählte ihm von seinen fünf Geschwistern und seiner Grossmutter. Er erzählte ihm von den Tieren, die sie hielten und was für Pflanzen sie anbauten. Je näher sie Jonas Zuhause kamen, desto mehr strahlte der Jugendliche. Hagen wurde davon völlig verzaubert. Er hätte Jona noch lange so zuhören können, wie er aufgeregt von seiner Familie und von seinem Leben hier plapperte. Man merkte ihm an, wie gern er hier war und wie sehr er sein Zuhause eigentlich vermisste.
Hagen kam der Gedanke, dass Jona nie von hier hätte wegziehen sollen. Er gehörte nicht in eine so gefährliche Stadt wie Linaka. Er gehörte hier hin, zu seiner Familie. Hier war er glücklich. Unwillkürlich bekam Hagen ein schlechtes Gewissen, dass er Jona dem alles entreissen wollte. Dass er ihn egoistisch mit zu sich nach Hause nehmen wollte. An einen Ort, von dem er nicht wusste, ob er dort wirklich willkommen war. Vielleicht sollte er Jona besser etwas Geld da lassen und dann ohne ihn weiter reisen. Hier war er sicherer. An seiner Seite hingegen war er beinahe schon gestorben.
Sobald er den kleinen Hof sah, vervielfachte er gedanklich die Summe, die er Jona dalassen würde. Das Dach des Stalls war halb eingefallen und das Haus wirkte so windschief, dass es unter dem Schnee beinahe begraben schien. Hier sollte man einiges machen, um den Hof wieder instand zu setzen. Was war das nur für eine Königin, die hier herrschte? Sie musste die Dorfbewohner schrecklich auspressen. Hagen konnte sich kaum vorstellen, dass all die Leute hier faul waren und deswegen alles verfiel. Zumindest nicht bei Jonas Familie. Nicht, wo Jona selbst so fleissig war, dass Hagen schon müde beim Zuschauen wurde. Als sie näher kamen, war auch prompt eine Frau zu sehen, die zwei schwere Holzkörbe über den Hof schleppte. Erschrocken zuckte Hagen zusammen, als sie diese einfach fallen liess. Hoffentlich war ihr keines der schweren Holzscheite auf den Fuss gefallen.
Jona kannte diese Sorge nicht. Sein Schneehäschen flog förmlich vom Pferd in die Arme seiner Mutter. Hagen lächelte gerührt über das herzliche Bild. Auch wenn es weh tat, weil er wusste, dass seine Mutter ihn nie so empfangen würde. Und weil es ihm noch deutlicher zeigte, dass Jona hierher gehörte und nirgendwo sonst. Hagen riss sich von dem Anblick los und schwang sich vom Pferd, um die Hexe ebenfalls zu begrüssen. Nun, wo er näher kam, sah er, dass sie recht dünn und abgezehrt wirkte. Eigentlich müsste er Lebensmittel hier lassen und nicht nur Geld.
"Hagen Thorndall", half er Jona mit einem charmanten Lächeln aus, als dieser ihn seiner Mutter vorstellte.
"Wir haben einiges der Reise über die Winde gemacht", hatte er das Bedürfnis die Sorgen der Mutter zu zerstreuen und kam sich dabei ganz schrecklich vor, weil er dafür verantwortlich war, dass ihr Sohn beinahe gestorben wäre. Weil Hagen nicht aufgepasst hatte, war der Winter schon weiter fortgeschritten, als er es für seine Reise geplant hatte. Das konnte in Glacia ganz schnell gehen. Aber natürlich war es keine Frage, dass Jona zuerst wieder hatte gesund werden müssen.
"Es freut mich, Euch kennen lernen zu dürfen, Lady Hjalte", grüsste er Jonas Mutter ehrlich erfreut und neigte respektvoll leicht den Kopf zur Begrüssung. "Erlaubt mir, Euch zu Eurem anständigen Sohn zu gratulieren. Ihr habt Ihn wahrlich zu einem fleissigen und ehrlichen, jungen Mann erzogen. Er hat mich sehr beeindruckt. Und bitte entschuldigt unser unangekündigtes erscheinen. Wir wollten Euch damit nicht erschrecken." Besorgt blickte er zu den Körben mit Feuerholz, die zu Boden gefallen waren.
"Bitte lasst mich Euch damit helfen." Hagen wollte sich schon nach einem Holzscheit bücken, als ihm in den Sinn kam, dass Jona genaue Vorstellungen hatte, was Adelige taten und was nicht. Es hatte auf Hagen ganz so gewirkt, als würde Jona sich sorgen, dass seine Eltern misstrauisch werden würden, dass etwas nicht stimmte, wenn Hagen sich nicht richtig als Adeliger verhielt.
"Darf ich das?" fragte er Jona also etwas irritiert. Normalerweise machte er einfach, wonach ihm der Sinn stand. Doch da er einen guten Eindruck bei Jonas Familie hinterlassen wollte, gab er sich Mühe, über das nachzudenken, was er tat.