Re: Das Ende der Spinnenkönigin
von Eoshan » So 25. Sep 2022, 19:23
Ein gutmütiges, mitleidiges Lachen entfloh ihrem Geist, als Königin Eacir sich darüber aufregte, dass sie es wagte, ihr ihren Haushofmeister zu entführen. Schliesslich hätte er ihr Rechenschaft abzulegen, denn er hätte sie verraten. Das war wohl nicht sonderlich diplomatisch, dass sie auf diese Aussage hin lachte. Es war nur so offensichtlich, dass Ayden Asar nicht Zorya Eacirs Haushofmeister war. Vielleicht hatten sie es so vereinbart, doch die Dunkelheit hatte für den Prinzen anderes vorgesehen. Sein Blut sang nicht zu dem der Spinnenkönigin. Die zwei würden niemals eine erfüllende Partnerschaft führen können und dass ausgerechnet die Frau, die sowohl Königin, als auch Schwarze Witwe war, das nicht erkannte, fand Eoshan ziemlich absurd.
*Ich weiss*, sandte sie dem Prinzen verständisvoll zurück, der noch reichlich orientierungslos wirkte von der abrupten Flucht. Ganz von alleine stellte er fest, dass er hier nicht sein sollte und dass er zurück nach Hayll müsse. Das war gut. Das bedeutete, dass sein Geist noch keinen grossen Schaden genommen hatte. Er war ein sehr starker Mann.
*Wir werden dafür sorgen, dass du so schnell wie möglich wieder zurück zu deiner Königin gehen kannst*, versprach sie ihm. Eoshan wusste schliesslich um Timaris Vergiftung und Kosta hatte angedeutet, dass sie hier das Gegenmittel gefunden hätten. Dies musste natürlich sofort zu der Königin von Hayll, damit sie sich Sion mit voller Kraft entgegen stellen konnte.
Um Ayden Asars Geist nicht zu verlieren, riet sie ihm, sich an ihm fest zu halten. Er sollte ihr schliesslich nicht zerbrechen. Mit einem ganz merkwürdigen Tonfall beteuerte er ihr, dass er sich sehr gerne an ihr festhalten täte. Eoshan musterte ihn irritiert, da sie nicht verstand, was diese Tonlage zu bedeuten hatte. Also eigentlich tat sie es schon, nur konnte sie nicht glauben, dass es jetzt hier in dieser Situation das zu bedeuten hatte, von dem sie dachte, dass es bedeutete. Andererseits, bisher war jede Vision, die sie von dem hayllischen Haushofmeister gehabt hatte, in diese Richtung gegangen. Vielleicht konnte der Man auch gar nicht anders. So wie Tänzer. Vielleicht sollte sie ihm nachher einmal anbieten, seinen Geist nach Zwangsnetzen zu untersuchen.
*Das ist das Verzerrte Reich*, antwortete sie ihm jetzt jedoch rasch, um sich von den Visionen abzulenken, die sie über den Prinzen gehabt hatte. Sie wollte vor ihm jetzt bestimmt nicht rot werden und erklärte ihm so, warum er sich hier so unwohl fühlte. *Es ist nicht für Unzerbrochene gedacht oder für Blutmenschen, die keine Schwarze Witwen sind. Deswegen musst du bei mir bleiben, damit du nicht zerbrichst. Aufwachen kannst du, sobald sie nicht mehr nach deinem Geist tastet und dich zerfetzen will. Noch ist sie nicht abgelenkt genug, als dass sie dich schon freigegeben hätte.*
Ihre Erklärungen schienen ihn jedoch nur weiter zu verwirren. Eoshan überraschte das nicht. Das ging den meisten so, die keine Schwarzen Witwen waren. Es war schwierig diese Welt des Geistes zu verstehen, geschweige denn zu erklären. Selbst für Schwarze Witwen bestand stehts Gefahr, sich im Grauen Reich zu verlieren.
Doch wie sie vorhin schon festgestellt hatte, war Prinz Asars Geist sehr stark. Er begriff allmählich, was um ihn herum geschah, wollte aufgeregt wissen, ob sie wirklich hier sei. Er meinte wohl physisch. Ob sie Zorya Eacir sehen könne. Eoshan lachte leise, erfreut, dass sie nicht zu spät gekommen war, seinen Geist zu retten. *Ja, ich bin auch in dem Reich in deiner Nähe, wo sich unsere Körper befinden*, gab sie zu. *Und ja, ich kann Zorya Eacir sehen. Sie ist ziemlich wütend. Leider hat sie noch immer nicht verstanden. Ich glaube nicht, dass sie noch zu retten ist. Aber komm, wir müssen weiter. Bevor sie uns hier findet. Es fällt ihr leichter, wenn wir an sie denken.*
Ayden Asar weiterhin an seinem Arm haltend, zog sie ihn weiter durch das Verzerrte Reich. Weil sie sich so schnell vorwärts bewegten, blieb es um sie herum vorwiegend grau. Nur schemenhaft waren hohe Felsen und tiefe Schluchten um sie herum zu sehen, die nicht selten ihre Form veränderten und zwischendurch wie dicke, uralte Bäume wirkten, die eine urtümliche Macht ausstrahlten. Die ihnen Sicherheit versprachen, wenn man sich an ihre Gesetze hielt.
Verwundert wollte der Prinz wissen, woher er sie kenne. Dabei musterte er sie eindringlich, bevor er meinte, dass er keine Frau vergessen täte, die so schön war, wie sie es sei. Nun war es an Eoshan, den Prinzen eindringlich zu mustern. *Wir sollten uns später wirklich über Zwangsnetze unterhalten*, rutschte es ihr besorgt heraus. Natürlich freute sie sein Kompliment. Besonders da er einem anderen Volk entstammte, welches wohl entsprechend auch andere Schönheitsideale hatte. Gleichzeitig nahm sie das Kompliment nicht so ganz ernst. Der Haushofmeister schien einfach nicht anders zu können.
*Du kennst mich nicht Prinz Asar*, erklärte sie dem Mann, damit er sich nicht weiter wundern musste. *Wir sind uns noch nie begegnet. Aber wir haben verschiedene, gemeinsame Bekannte und sind Verbündete.* Oh, das hätte sie wohl besser nicht senden sollen. Von Minan sollte sie ihm nichts erzählen und von Tania wollte sie ihm nichts erzählen. Gütige Dunkelheit, bloss nicht daran denken. Nicht rot werden. Rasch, sie mussten weiter.
*Nicht mich*, verneinte sie, dass Timaris Tolarim sie geschickt hätte. Als ob sich eine Dea al Mon von einer Hayllierin schicken lassen täte. Es gab wohl noch einiges mit dem Prinzen zu klären. Andererseits war es Eoshan gerade noch lieber, wenn er so wenig wie möglich wusste. Zumindest so lange, bis sie ausser Gefahr waren, dass ihre Geister gelesen wurde. *Jemand anderes ist deinetwegen hier*, beruhigte sie den Prinzen. *Sie ist allerdings keine Schwarze Witwe und kann nur deinen Körper schützen, nicht deinen Geist. So oder so war es jedoch ziemlich klar, dass jetzt der Moment ist, in dem wir angreifen sollen. Lady Tolarim unterstützt uns dadurch, dass sie Sions volle Aufmerksamkeit auf sich lenkt, damit er das schattige Dhemlan für einen Moment lang vergisst und wir es befreien können.* Danach war Terreille an der Reihe.
Weiter kam Eoshan jedoch nicht mit erklären, denn sie spürte auf einmal die Anwesenheit vieler Schwarzer Witwen, die ihre Netze verstreuten. Die Dea al Mon blieb derart abrupt stehen, dass der Prinz gegen sie prallte. Aber das machte nichts. Je näher er bei ihr war, desto sicherer war er. Eisern hielt sie ihn ganz dicht bei sich fest.
*Sie hat ihre Schwarzen Witwen zu Hilfe gerufen*, erklärte Eoshan wispernd. "Einen ganzen Stundenglaszirkel. Sie sind mächtig. Oh, aber ihre Netze sind nicht so stark, wie sie sein könnten.* Eoshan spürte, wie sie auch in dem Grauen Reich verteilt wurden und nicht nur in der Bibliothek. Manche der Schwarzen Witwen trugen hellere Juwelen als sie. Deswegen erkannte sie auch, dass die Frauen nicht ihr volles Potential ausschöpften. *Diese armen, gequälten Seelen*, erkannte sie voller Mitgefühl, was den Frauen angetan worden war. Sie hatte es ja schon in Hexes Traum gesehen, doch es jetzt noch einmal ganz direkt und traumlos zu spüren, machte es ungleich intensiver.
*Lasst euch nicht von den Netzen einschüchtern*, sandte Eoshan ihren Gefährten ermutigend, da sie wusste, was ihre Kaste für einen einschüchternden Ruf hatte. *Man muss keine Schwarze Witwe sein, um ein Netz zu zerstören. Eure Juwelenkraft alleine reicht dafür.* Sie hoffte, dass ihre Worte gerade den Glaciern half, die ohnehin sehr wenig Kunst einsetzten.
*Ich weiss, was sie euch antut, Schwestern*, wandte sie sich anschliessend an die gegnerischen Schwarzen Witwen, liess aber alle Anwesenden mithören. *Ich weiss, wie Zorya Eacir euch foltert und unrechtmässig eure Fähigkeiten beansprucht.* Allen zeigte sie das grausige Bild von vielen Schwarzen Witwen zu sehen, die in einem Saal auf Betten lagen und denen Visionen um Visionen entzogen wurden. *Und wenn ihr ihr nicht gehorcht und euch von ihr foltern lasst, dann droht sie euch mit einem furchtbaren Tod*, fuhr Eoshan eindringlich fort und sandte ihre eigene Erinnerung, wo sie aufgehängte Schwarze Witwen auf dem Weg hier her gesehen hatten. *Ich kann verstehen, dass ihr Zorya Eacir unter diesen Umständen gehorcht und euch von ihr ausnutzen lässt.* Mitgefühl war zu spüren. Mitgefühl aber auch die Hoffnung, dass es sich ändern könnte. *Doch nun hat sich die Situation geändert. Zorya Eacir hat verloren, auch wenn sie es noch nicht weiss. Das Tor ist geschlossen. Das schattige Dhemlan ist von Sions Einflussbereich abgeschnitten.* Das war etwas übertrieben, doch Eoshan war sich sicher, dass sie dies bald würden bewerkstelligen können. Gerade war es nur wichtig, dass die Schwarzen Witwen auf sie hörten und sich umstimmen liessen. Oder wenigstens, dass ihre Mitstreiter nicht die Hoffnung verloren, bei dieser überzahl an Schwarzen Witwen.
*Es wird keine weitere Verstärkung für sie eintreffen*, stellte Eoshan den anderen Schwarzen Witwen unumstösslich klar. *Dies ist eure Gelegenheit, euch von ihr zu befreien und euer Leben zurück zu fordern. Ihr müsst ihr nicht weiter folgen. Sie hat keine Macht mehr über euch. Lasst sie fallen. Zorya Eacir hat verloren. Allerspätestens dann, wenn Sion erfährt, dass sie den Schlüssel zur Vernichtung seiner mächtigsten Feinde hat entkommen lassen. Ihm noch nicht einmal mitgeteilt hat, dass sie ihn hatte. Lasst seinen Zorn nicht auch euch treffen, sondern sagt euch lieber gleich los von ihr, so wie es die Hälfte der Wachen ohnehin bereits getan hat.* Eoshan war sich sicher, dass Sion so einen Fehler niemals verzieh.
*Komm, wir gehen denjenigen helfen, die von den Netzen gefangen wurden*, forderte sie ihren Begleiter auf, ohne auf die Antwort der anderen Schwarzen Witwen oder Zorya Eacir zu warten. Sie hatte sie gewarnt. Alles andere lag in deren Entscheidung. *Dann können wir mithelfen, anstatt uns hier nur zu verstecken.* Wirklich eine Wahl sich dagegen zu entscheiden liess Eoshan dem Haushofmeister jedoch nicht. Sie zog ihn vorsichtig weiter, wich immer mal wieder Netzen aus, die sie manchmal sehen konnte, manchmal aber einfach nur spürte.
Bis sie zu einem Fleckchen Erde gelangten, der stark an eine winterliche Tundra erinnerte. Auf dieser Insel im Verzerrten Reich befand sich ein grosser, kräftiger Löwe. Seine Mähne strahlte golden. Nur an seiner linken Flanke war eine alte, verheilte Narbe zu sehen. Auf seiner Brust prangte stolz ein zornig leuchtender Saphir. Der Löwe war sehr ungehalten über seine missliche Situation, in der er steckte und sie schien ihn auch zu erschrecken. Verständlich, denn er war in eine Grube Treibsand geraten und je heftiger er sich dagegen wehrte, desto tiefer versank er darin. Das wollte der Löwe gar nicht akzeptieren.
Rasch eilte Eoshan mit Prinz Asar zu dem Löwen, da sie ihm helfen wollte, das Netz loszuwerden. Wenn man einmal darin gefangen war, war es nur sehr schwer, sich davon zu befreien. Selbst als Schwarze Witwe. Der Löwe mit der Signatur eines Kriegerprinzen konnte sich nicht selbst befreien. Panik machte schien sich in ihm breit zu machen, als die zwei unbekannten Signaturen auf ihn zutraten. Bedrohlich brüllte er sie an, schlug mit seiner mächtigen Pranke nach ihnen. Eoshan war jedoch ausser Reichweite stehen geblieben und stemmte nun empört ihre Hände in die Hüften.
*Magnus Askermark*, donnerte sie resolut. *Hör augenblicklich auf, mich anzubrüllen. Das ist sehr unhöflich. Bin ich doch hier, um dich zu befreien.* Der Löwe, irritiert über die Unerschrockenheit, die sich ihm entgegen stellte, zuckte nervös mit den Ohren. *Jetzt tu doch nicht so*, lockte Eoshan sanfter. *Du kennst mich doch. Wir waren die letzten Wochen Weggefährten. Na komm. Erfühl meine Signatur.* Sanft hielt sie ihm ganz unbedrohlich ihre Hand vor die grosse Schnauze, damit er daran schnuppern konnte. Was der Löwe erst misstrauisch, dann neugierig und aufgeregt tat. Anschliessend schnaubte er abfällig über die seine Situation. So sollte es nicht sein. Eoshan lachte zustimmend.
*Genau, so soll es nicht sein*, bestätigte sie freundlich. *Wir werden dir raushelfen, wenn du uns lässt.* Bei dem Wörtchen wir, ruckte der schwere Kopf des Löwen hoch, damit er nun Prinz Asar dunkel anknurren konnte. Seine Ohren hatte er flach zurück gelegt und aus seiner Kehle war ein dunkles, bedrohliches Knurren zu hören.
*Ja, er wird mithelfen*, stellte Eoshan streng klar. *Prinz Askermark, das ist Prinz Ayden Asar, Haushofmeister von Königin Timaris Tolarim*, stellte sie die beiden Männer dem Protokoll folgend einander vor. *Er ist unser Verbündeter. Prinz Asar, dies ist Prinz Magnus Askermark aus dem Stamm von Königin Savah Thorne.* Sie liess den beiden Männern einen Moment für eine würdevolle Begrüssung. Etwa zwei Herzschläge lang.
*So, dann können wir jetzt weiter machen, nachdem das geklärt ist?* fragte sie drängend und machte ziemlich deutlich, dass dies nur eine rhetorische Frage gewesen war und die Männer sich zu fügen hatten, da sie ihrer Meinung nach schon viel zu viel Zeit mit dem Geplänkel verloren hatten. Bestimmt zog sie Prinz Asar mit sich hinunter, und legte ihre Hände flach auf den Boden.
*Ich werde die Stränge des Netzes zerschneiden und du baust ihm eine Rampe, damit er aus dem Treibsand steigen kann*, wies sie den Haushofmeister an. Selbst wenn es ihm sehr unangenehm war hier im Verzerrten Reich, dafür würde er nicht viel Kraft brauchen. Mehr eigentlich eine gute Vorstellungskraft. Es würde auch seinen Geist gesund halten, wenn er ihn benutzte.
Tatsächlich gelang es dem Prinzen auch relativ rasch eine Rampe für Magnus zu erstellen, der erst noch unsicher, dann aber kraftvoll aus seinem Gefängnis sprang. *So ist es gut*, lobte Eoshan die beiden Männer und kraulte den Löwen hinter dem Ohr. *Und jetzt ab mit dir zurück an die Seite deiner Königin. Sie wird dich brauchen.* Damit sandte sie den Geist von Magnus wieder zurück in seinen menschlichen Körper. Ayden Asar zog sie jedoch weiter mit sich.
*Das war ja gar nicht so schwer*, lächelte sie zuversichtlich. *Das kommt eben davon, wenn man jemanden zwingt. Diese Person wird niemals ihr ganzes Potential ausschöpfen können. Entsprechend schwach und von der Juwelenkraft abhängig sind die Netze unserer Gegnerinnen.* Leider waren es so viele von ihnen, womit sie ihre Unfähigkeit wett machten. Eoshan tat ihr möglichstes, dagegen anzukämpfen. Gemeinsam mit Prinz Asar gelangte sie auf eine grüne Wiese, auf der eine junge Buche stand. Brutal wurde sie von einer Schlingpflanze langsam aber sicher erwürgt.