Re: Der 17. Geburtstag
von Darken » Mo 7. Nov 2022, 21:07
Als er die Stimme von Caelvar hörte, war er zunächst irritiert, dass jemand sprach bis er sich wieder des Kriegers am Feuer entsann. Minans Kopf ruckte zu ihm herum und aus silbrigen unendlich traurigen Augen sah er den Eyrier unbeweglich an.
"Sie musste dich verraten. Es war nicht ihre Schuld."
Minan wandte bei den Worten wieder den Blick ab und sah in die Nacht hinaus und dorthin wo das schwache Glimmen war, hin und her tänzelte wie ein lockendes Irrlicht. "Ja.. es ist immer meine Schuld...", sagte er leise und wischte sich die Tränen fort. In seinem Geist klirrte und splitterte der Schrei von Hexe, ließ seinen schmächtigen Körper erzittern. Dann erhob sich Minan abrupt und immer noch den Umhang fest um sich geschlungen, ging er mit traumwandlerischen unsicheren Schritten auf das Licht zu, nicht bewußt, dass er zur Hälfte wieder im Verzerrten Reich weilte. Seine nackten Füße berührten Moos, Blätter und kleine Zweige aber um ihn herum verblassten die wirkliche Welt und die Bäume wurden zu hohen schwarzen Speeren, die den Himmel ankratzten. Das Strahlen wurde heller und blendender, Minans Augen tränten wieder als er darauf zuhielt. In seinen Ohren hallten klare Chöre aus silbernen Stimmen wieder, die den Schrei überdeckten. Die Speere lichteten sich und gaben den Blick frei auf eine Lichtung, im Grauen Reich war es eine weite Ebene mit einer hohen Stufenpyramide auf dessen obersten Plattform ein Thorn stand.
Minans Schritte hielten taumelnd darauf zu. Sie hatte ihn verraten, er war nicht mehr gewollt, er hatte nichts mehr...
Aber hier bist du gewollt... komm... komm her zu mir... Die singenden Stimmen waren wie Sirenenchöre, auf und abschwellend wie Wellen, die an der Pyramide empor leckten. Minan setzte den Fuß auf die erste Stufe, den Kopf in den Nacken gelegt um die Entfernung bis ganz oben abzuschätzen.
In der wirklichen Welt war sein Körper bereits nach einigen Schritten in den Wald hinein zusammengesackt und nur noch eine leblose Hülle mit offenen milchigen Augen.
Komm... komm weiter... nimm was dir gehört... Der Ruf zehrte an ihm, er ging weiter hinauf, gelockt von all den Versprechungen. Nein, du darfst nicht, sie dürfen dich nicht finden, es ist nicht gut, flackerte kurz eine warnende Stimme in ihm auf. Noch während er ging schraubte sich die Pyramide weiter in die Höhe, wurde fast zu einem ewig währenden Turm. Minan schwebte einfach hinauf, getragen von seinen Schwingen, die Arme weit von sich gestreckt. Die Musik schwoll zu einem dramatischen Gesang an als sein Körper sich über die oberste Plattform erhob und er den Thron erkannte. Ein verschlungenes Gebilde aus nackten gräulichen Menschenleibern, Geister der Zerbrochenen in Form gepresst und die Zwischenräume mit glühendem Eisen ausgefüllt. Der Thron veränderte ständig, die Menschen streckten ihre Finger hinaus, pressten ihre Münder an das Eisen, das ihnen hineinfloß und sie von innen aushöhlte.
Der Thron war leer. Nur daneben stand eine Frau, eine Schwarze Witwe mit bodenlangen schwarzen Haaren, die in tausenden Zöpfen geflochten waren. In ihrem Haar hingen ebensoviele weiße Lotusblüten und ihre Haut hatte die Farbe von poliertem Meerschaum.
Minan schwebte näher heran und seine Füße berührten den Boden vor ihr. Die Frau mit einem jugendlichen Gesicht lächelte, in ihren zarten Fingern hielt sie eine leuchtend rote Lotusblüte wie einen Blutstropfen.
Endlich bist du hier... wir haben so lange nach dir gesucht... wir wollen dir so viel zeigen... Ihre Stimme hatte ein Echo, was sich im Sirenengesang verlor und darin vermengte.
"Warum habt ihr nach mir gesucht?" Minan blickte sie an.
Es gibt jemanden, der möchte dich gerne kennenlernen. Er hat viele von uns ausgeschickt, extra um dich zu suchen... ich bin Lenka. Sie hielt ihm die Blume entgegen. Nimm... sie wird der den Weg zu uns zeigen und wir können dich auch immer finden... wenn du bei uns bist, wird dir niemand mehr weh tun, es wird dir gut gehen und alle werden dich respektieren... Die junge Schwarze Witwe blickte zu dem Thron. Du bist nicht wie die anderen Zerbrochenen... du thronst über ihnen... du bist besser...
Die Blüte strahlte im verführerischen Rot. Minan lauschte jedoch auf den Gesang im Hintergrund und auch hier reagierte ein Teil von ihm darauf. Seine Augen begannen dunkel und rein wie schwarzes Perlmutt zu glänzen.
Sie darf uns nicht entdecken, sie darf uns nicht preisgeben. Und ich kenne Verführungen wenn ich sie sehe und ich werde ihnen nicht erliegen. Ich nicht. Der Tänzer lächelte schwungvoll.
Seine goldenen Augen glänzten vor Wollust, seine Lippen kräuselten sich verschlagen, er streckte die Arme nach ihr aus. In seinem Inneren fühlte er den Takt seines Herzens, eine übermächtige bestimmende Melodie.
"Komm her zu mir... komm..." Er drehte den Spieß einfach um, lockte nun die fremde Schwarze Witwe und trieb dabei wieder ein wenig tiefer, entfernte sich von ihr. Die Frau glaubte sich ihrer Beute sicher, kam auf ihn zu, er glitt tiefer, wartete bis sie näher kam.
Ich kenne einen Ort wo du viel Macht bekommen könntest. Malst du immer noch Bilder? Wir sind sehr an deinen Visionen interessiert, sagte sie ihm. Immer noch die Blume halten, folgte Lenka ihm, ihre schwarzen überlangen Haare wehten in einem Wind, der doch nicht da war. Die Pyramide im Hintergrund verblasste, verschwand hinter den grauen Nebeln. Minan schloss die Schwarze Witwe in seine Arme und blickte sie lächelnd an.
"Gleich... " Er zog sie mit sich in tiefere Schichten des Grauen Reiches, küsste sie dabei verheißungsvoll und kostete ihre Lippen während sie vollkommen in Trance aufstöhnte und sich dichter an ihn presste. Nun war er es, der Versprechungen gab und eine Versuchung darstellte, der die fremde Schwarze Witwe sogar weiter ins Verzerrte Reich folgte. Nur irgendwann regte sich noch ein Funken Widerstand in ihr, ihre Haut schimmerten wächsern.
Ich... kann dir.. nicht so weit folgen... komm mit zu mir...
Der Tänzer lächelte und die Wollust in seinen Augen strahlten auf sie über, seine Kleidung verschwand und ihre nackten Körper rieben sich aneinander. Die roten Blume zerfiel dazwischen und ihre weichen Blütenblätter trieben unbemerkt in den grauen Wogen davon.
"Nur noch ein Stück... und ich gebe dir alles was du dir jemals erhofft hast zu fühlen...." Er leckte so sanft über ihren Mund, dass sie erschauderte vor Erregung. "Alles...", lockte er und ihre Geister fielen in die tieferen Schichten des Reiches, das nur den Wahnsinnigen und Zerbrochenen vorbehalten war. Lenka lächelte in vollkommener Verzückung bis abrupt etwas in ihrem Blick zerbrach. Kurz darauf folgte ihr eigenes Erstaunen als sie merkte wie ihre Juwelen zerbrachen, dünn wie Glas, das unter zu heftigem Druck zersprang....
Minan ließ sie los und sie fiel weiter in die Tiefe, die Arme noch nach ihm ausgestreckt. Ihr Mund stand zu einem unhörbaren Schrei offen, ebenso wie ihre Augen weit aufgerissen waren. Dann verblasste ihr Geist immer weiter, verdorrte wie eine Blume ohne Licht und Wasser.
Die Musik verblasste und Minan stellte mit grausigem Entsetzen fest, dass er ganz bewußt einen Menschen zerbrochen hatte. Nein... er hatte nicht gewollt... nein...