Re: Ein neuer Anfang
von Darken » So 13. Nov 2022, 18:55
Minan war etwas verwundert, als Eoshan ablehnte Caelvar freizulassen. War sie nicht gegen Sklaverei? Unsicher schaute er sie an, nickte dann aber, nachdem sie vorgeschlagen hatte morgen darüber weiterzureden.
"Ja, schlaf du auch gut...", wünschte er ihr noch Gute Nacht. Selber bezweifelte er, dass er gut schlafen könnte. Der junge Prinz ging zurück zu seinem Zimmer, verschloss die Türe hinter sich, zog die Hose aus und legte sich wieder ins Bett. Allmählich machte sich die Müdigkeit und Erschöpfung doch bemerkbar und so war er relativ schnell eingeschlafen.
Hexe rannte über ein dorniges Feld, ihre Füße waren blutig zerschnitten und zerkratzt. Sie hatte das Gefühl, sie lief schon seit Stunden, Tagen. Die pockennarbige Sonne klebte an ihrem Platz wie festgenagelt und der Himmel bestand aus blutigen Schlieren. Die Schmerzen zogen ihre Beine hinauf, und immer, immer hörte sie das Weinen eines Kindes, fern, es schien fast so, als wäre es nur das Echo eines Weinens und Schluchzend.
Aber das war nicht alles was sie begleitete. Etwas näherte sich. Näherte sich rasch. Ein Thron aus Dornen geriet ins Wanken und wurde dann einfach von der Erde verschluckt, die stachligen Felder wölbten sich und erzitterten. Wülste zogen sich durch die Landschaften, verschwanden, tauchten an anderer Stelle wieder auf. Und doch näherten sie sich Hexe, schienen sie zu umkreisen. Die Sonne ätzte rötliche Farbe vom Himmel und alles Licht schien nur noch blutrot zu sein.
Urplötzlich brach die Erde vor ihr auseinander, spuckte Dornen und Stacheln, um einem Geschöpf Platz zu machen, das sich hoch durch die Felder und den Himmel schraubte. Es waren triefende schwarze Schatten, lang wie Tentakel, die plötzlich ans rötliche Licht traten. Zuckend und wirbelnd bohrten sich mehrere um sie herum aus dem Erdreich heraus. Der erste erwischte Hexe, er fuhr einfach durch sie hindurch und spießte sie auf, doch kein Blut und keine Wunden waren zu sehen. Trotzdem waren die Schmerzen gräßlich, weit hinter der Grenze des Ertragbaren.
Sie wollte aufschreien, doch ihr wurde der Atem geraubt, als sie durch die Luft gewirbelt wurde wie ein Stück rohes Fleisch. Krachend kam sie auf einem Bett aus Dornen auf, die ihre Haut weiter zerrissen. Das rötliche Licht flackerte um sie herum im Takt ihres Blutes. Die Schatten kamen fließend zu ihr heran, wurden dann schneller, jagten über die Ebene dahin. Hexe versuchte sich aufzurichten, doch sie war zu schwach, hatte es nur bis zur Hälfte geschafft, stand wankend da und dann waren die Schatten da und durchbohrten sie vielfach...
Minan fuhr schreiend aus seinem Schlaf hoch. Er fühlte sich schweißgebadet, sein Herz pochte wie wild und keuchend blickte er in die Dunkelheit. Die Hölle, er hatte von der Hölle geträumt. Der Prinz sackte zurück auf die Kissen, wurde fast sofort wieder zurück in den Schlaf und den Traum gerissen.
Die Welt hatte ihre Farbe verloren. An sein Ohr drang Kampfeslärm, qualvolle Schreie. Seine Haut war mit fremden rotem Blut verschmiert, er lag zwischen aufgedunsenen, teilweise zerstückelten Leichen. Rasch rappelte er sich auf, hörte das Schnauben von Tieren, die dumpfen Schritte, die sie machten, wenn sie ganz in der Nähe mit den breiten Hufen auftrafen. Waffenklirren, der Geruch von Galle und Blut, Geschmack von Asche auf der Zunge.
Wieder Schreie, das Klirren von Glas, Hitze, die über ihm hinwegflammte. Er hatte keine Ahnung, was um ihn herum geschah. Minan wälzte sich auf den Rücken, starrte in den Himmel, der so dunkel war, dass er einen allein mit einem Blick in sich aufsaugen wollte, auf ewig in der unendlichen Finsternis, wo kein Licht war und gar nichts mehr. Dann erklang das Bersten von Metall und das Krachen von Holz, irgendetwas knarrte, neuerliche Schreie, das Brüllen einer abscheulichen Bestie.
Langsam rappelte Minan sich auf, seine schwarze Tunika war getränkt mit Blut, das Wappen darauf besudelt und nicht zu erkennen. Er blickte sich um, doch es herrschte zu viel Chaos, um es mit einem Blick zu erfassen, überall waren Kämpfe im Gange. Der Prinz kam an Kriegsgeräten und Wagen vorbei, teilweise umgeworfen, die Eisenstäbe von einer infernalischen Kraft aufgebrochen. Der schwarze Kopf eines Ochsen rollte Minan vor die Füße und das Hirn floß wie weiße Suppe aus ihm heraus, eine blutrote Zunge hing dem Tier aus dem Maul. Die Hörner bohrten sich kratzend in die Erde. Erschrocken machte er einen Satz zurück. Wo war er? Was war passiert? Ein Krieg herrschte, er kämpfte, doch er wußte nicht auf welcher Seite und um was gekämpft wurde.
Und dann wandte sich Minan um und er entdeckte einen Streitwagen in den vordersten Reihen. Die Finsternis schien von dort ihren Ursprung zu haben und sich wie eine Säule wirbelnder Schattenzungen in den Himmel zu bohren. Gerade so als... ja, als träfen sich an diesem Punkt der Erdenleib und das Firmament, um irgendwann ganz aufeinander zu treffen, sich zu vereinen und alle die dazwischen waren zu zermalmen. Auf dem Streitwagen befand sich ein einzelner Mann in einer dunklen Kutte. Riesige gedrehte Hörner wuchsen dem Mann aus dem Kopf und er stand genau im Zentrum der Schattensäule, deren Auswüchse wild mal hier und mal dort hin zuckten, bereit jeden Gegner zu umgreifen und zu durchbohren. Jeder Widerstand seitens der Kämpfer wurde dahin gefegt wie leerer Wind. Die Schattenzungen zischten in hohem Bogen durch die Luft wie auf Beute hungrige Tiere und dort wo sie die Luft passiert hatten, hinterließen sie eine brennende Spur, als würde die Realität selbst verletzt und aufgerissen werden. Die Luft brannte, verzehrte sich, zerfiel zu Asche und wo sich Risse aufgetan hatten, da sickerte schwarzes Blut in die Welt und tropfe wie Regen zu Boden. Der Mann stand wie eine unverrückbare Statue auf dem Wagen und es sah nicht so aus als würde er jemals fallen. Plötzlich ruckte der Kopf des Mannes genau zu ihm, seine flammenden Augen durchbohrten Minan, der voller Entsetzen erstarrt war.
"Nein. Du. Siehst. Mich. Nicht!"
"Minan! Wach auf! Du hast einen Albtraum." Jemand rüttelte ihm an der Schulter und Minan riss die Augen auf, sah im ersten Moment gar nichts und panikte, strampelte um sich. Er hatte das Gefühl, die Decke würde sich auf ihn niedersenken und ihn zermalmen, es war bereits ganz wenig Platz.
"Wo bin ich?!"
Caelvar packte ihn und zog ihm unter dem Bett hervor. "Unter deinem Bett. Was ist passiert?", fragte er besorgt und half dem jungen Prinzen auf. Verwirrt und reichlich orientierungslos blickte sich Minan um, starrte zu dem Bett unter dem ihn der Eyrier gerade geholt hatte. "Wie.. ich verstehe nicht... Ich erinnere mich nicht mehr." Er rieb sich über das Gesicht.
"Du mußt geschlafwandelt haben. Kannst du dich nicht erinnern?"
Matt schüttelte Minan den Kopf. Er fühlte Beklemmung und auch Erschrecken, dass er woanders aufgewacht war wo er eingeschlafen war. Und er erinnerte sich überhaupt nicht, sich unter dem Bett versteckt zu haben.
"Ich hol dir etwas zu trinken." Der Kriegerprinz wandte sich zur Türe ehe er nochmal inne hielt. "Wann ist das letzte Mal her, dass du durchgeschlafen hast?"
Der zerbrochene Prinz blickte aus dem Fenster, wo der Morgen dämmerte. "Ich weiß nicht... ich glaube in Hayll. Mit Hilfe von Varisas Schlafmittel. Ansonsten..." Er überlegte kurz. "Es ist zulange her." Während Caelvar ging, suchte Minan das Bad auf und duschte sich, um den Schrecken der letzten Nacht abzuspülen. Er schlüpfte in eine grüne enge Hose, ein zweifacher Gürtel aus Eisennieten hing locker und leicht schief um seine Hüften, dazu streifte er sich schwarzes Shirt über. Dann setzte er sich ans Fenster vor den kleinen Tisch und lackierte sich die Fingernägel schwarz indem er den Pinsel dazu in den Mund nahm. Da ihm sein linker Arm nicht zu Verfügung stand, behalf er sich eben oft damit und konnte es mittlerweile relativ gut. Er versuchte nicht an die Träume zu denken und vieles war auch nur noch verschwommen da.
Zusammen mit Caelvar ging er zum Frühstück, versuchte sich nicht anmerken zu lassen wie zerschlagen er sich eigentlich fühlte. Der Kriegerprinz wollte dem Training der Dea al Mon beiwohnen, doch Minan streifte lieber herum, sah sich die Bibliothek genauer an und lieh sich ein Buch aus mit dem er dann in eine Laube schlenderte. Sie schien regelrecht aus den biegsamen Weidenästen geformt zu sein und die länglichen Blätter schillerten grün im Licht. Der Prinz setzte sich auf die gepolsterte Bank und wollte anfangen zu lesen, ein Buch über die Flora und Fauna von Dea al Mon, als ihn einen der Zweige sanft an der Stirn berührte. Die Müdigkeit, die ihn sowieso schon plagte, verstärkte sich noch weiter. Immer wieder fielen ihm die Augen zu und dann sackte sein Körper leicht auf die Bank und er war schon eingeschlafen kaum hatte sein Kopf das Polster berührt. Und es war ein sanfter, friedlicher Schlaf.