Re: Verstummt
von Kosta » Fr 7. Okt 2022, 21:39
Zu seiner Überraschung verzog Eneas diesmal nicht voller Abscheu das Gesicht und hielt ihm auch keine Standpauke, wie dumm es sei, sich so etwas zu wünschen. Wie wichtig Freiheit für jeden von ihnen war und dass es abartig und widerwärtig war, wenn man das nicht erstrebte. Nicht, dass Eneas das tatsächlich so sagen würde. Sein Freund fand schönere, kultiviertere Worte. Aber Kosta wusste genau, dass Eneas so fühlte. Er konnte selbst jetzt spüren, wie alles in Eneas danach rief, ihn zu schütteln und anzuschreien, weil er so dachte und sich so etwas wünschte. Dabei wusste Kosta gar nicht wirklich, was er sich wünschte. Er wollte, dass Eneas ihn verstand und ihn so akzeptieren konnte, wie er war. Er sehnte sich nach Härte und allumfassender Dominanz in jedem noch so kleinen Bereich. Es musste keine Sklave-Herr-Beziehung sein. Es kam dem nur sehr nahe und es dünkte Kosta einfacher, mit Eneas über eine Sklave-Herr-Bezieung zu sprechen, als über das Andere. Das Intimere.
Vorsichtig überlegte Eneas stattdessen, dass sie vielleicht einen Mittelweg finden könnten, denn er wisse, wie sehr es ihm gefiel, sich zu unterwerfen, oder ihm etwas gutes zu tun. Daran müsse sich ja auch nichts ändern. Kosta musterte Eneas nachdenklich. Er hatte das Gefühl, dass sich sehr wohl etwas daran ändern musste, solange Eneas es so Unwohlsein bereitete, wenn Kosta ihm gerne etwas gutes tat. Ausserdem wollte Kosta sich Eneas nicht unterwerfen, merkte der Krieger gerade etwas trotzig. Er wollte unterworfen werden. Unterworfen und geraubt werden. Das war ein grosser Unterschied. Ein heisser Unterschied.
Eneas zweifelte, dass er ihm ein richtiger Herr sein könnte. Das wusste Kosta. Deswegen hatte er so lange nichts gesagt. Nur, der Rosenstrauch, er hatte ihm Hoffnung gegeben, dass es vielleicht doch funktionieren würde, wenn er Eneas darauf ansprach. Leider vergebens. Wenigstens liess Eneas ihn nicht so überdeutlich spüren, wie falsch er das alles fand. Er versuchte es zumindest. Traurig blickte er auf die Rose in seiner Hand, während Eneas ihn anschaute und erklärte, dass er sich eine Partnerschaft wünschte, mit jemandem an seiner Seite und nicht unter mir. Kosta nickte sachte. Das hatte er schon gewusst. Natürlich konnte er völlig darin aufgehen, doch Eneas hätte ihn am liebsten auch selbständig. Und eigentlich, was war mit Eneas? Wollte er nicht auch völlig darin aufgehen?
Der ältere Krieger fragte ihn, wieso es ihm so sehr gefalle ein Sklave zu sein oder einem Herrn zu dienen. Gequält blickte Kosta auf. Dass Eneas das noch immer nicht wusste. Ausserdem stellte sein Freund die falschen Fragen. Beziehungsweise offenbarte er, dass er keine Ahnung hatte, was Kosta wirklich wichtig war an seinem Sklavendasein. Dass er nicht begriff, dass er sich frei fühlte. Es ging ihm auch nicht darum, irgendein Sklave zu sein oder irgend einem Herrn zu dienen. Kosta hatte eine Herrin, doch er war nicht bei ihr. Er war hier. Bei Eneas.
Dieser überraschte ihn damit, dass er ihn fragte, was ihn daran so erfüllen würde. Er würde es gerne verstehen. Nachdenklich blickte Kosta Eneas weiterhin an. Das war das erste Mal, dass Eneas sich nicht so gegen das Sklavensein sträubte. Kosta hatte das Gefühl, Eneas würde diesmal tatsächlich nach so langer Zeit endlich wieder einmal versuchen, ihn zu sehen und nicht das Bild das er von ihm hatte. Vielleicht das erste Mal überhaupt. Unwillkürlich schoss Hitze durch seinen Körper und er begehrte Eneas auf einmal heftig.
"Du willst es wirklich verstehen?" fragte er den Kapitän samten und rau zugleich, fixierte ihn mit seinem Blick, in den sich etwas dunkles, forderndes geschlichen hatte, liess ihn nicht mehr ausweichen oder fliehen. Sachte streichelte er über Eneas über die Wange hinunter zu seinem Kinn, welches Kosta sachte festhielt. Es schien diesmal Eneas die Sprache zu verschlagen, denn diesmal war er es, der wie erstarrt atemlos nickte. Es zauberte Kosta ein dunkles, gefährliches Lächeln auf die Lippen. Langsam kam er näher und streichelte Eneas mit sanftem Druck mit dem Daumen über dessen Lippen, liess sie in der Mitte ruhen. Langsam beugte er sich vor, so dass sie sich fast hätten küssen können, schaute Eneas dabei noch immer tief in die Augen.
"In dem Fall solltest wohl besser du mein Sklave sein, als ich deiner", lächelte er düster. Oh, er würde Eneas zu gerne zeigen, was es bedeutete, ein gewollter Sklave zu sein. Er würde ihn sich nehmen, ihm den Atem rauben und ihn zum Keuchen und Beben bringen. Er würde ihn so vollkommen vereinnahmen, bis Eneas endlich begriff, wie sehr Kosta ihn liebte. Dass er es schon immer getan hatte. Am liebsten würde er ihn sich gleich jetzt nehmen. So heftig, bis Eneas schrie vor lauter Leidenschaft. So wie damals, als er sich von ihm hier auf Nuranessa verabschiedet hatte. In der Hoffnung, Eneas würde ihn nicht gehen lassen. Aber das war nicht passiert und auch jetzt würde es nicht passieren, dass Eneas sich darauf einliess. Dazu war ihm seine Freiheit zu wichtig.
"Du hast da was an der Stirn", meinte er deswegen und deutete auf die Erdspur, die da hängen geblieben war. Alle Forderung und Begehren war wieder aus seiner Stimme verschwunden, als wäre es nie passiert. Es war dumm, dass es überhaupt passiert war. Kosta wollte Eneas nicht zu etwas drängen, was er nicht wollte. Anmutig erhob er sich rasch und liess seinen Freund bei den Rosen zurück, um zurück in den Innenhof zu gehen. Er hörte gerade, wie die Kinder von der Schule zurück kamen. Er könnte ihnen Vorschlagen, gemeinsam ein Eis zu essen oder sein Zimmer zu dekorieren, so wie sie es schon lange vorgehabt hatten. Die rote Blüte liess er in Eneas Händen zurück.