Re: Ein langer Weg
von Eneas » Di 11. Okt 2022, 14:01
Trotz ihres aufwühlenden Gespräches hielt Kosta an seiner Hand fest und Eneas genoss es schweigend. Wenigstens waren sie wieder so weit, dass sie dies zusammen hatten. Händchen halten. Es mochte simpel für Außenstehende sein, doch manchmal war es das einzige gewesen, was sie gehabt hatten. Eine verstohlene Berührung der Finger. Ein versteckter Händedruck. Für Eneas bedeutete es, dass sie immer noch zueinander wollten. Trotz aller Widrigkeiten, die sich ihnen in den Weg stellten. Manchmal sogar in der Form von ihnen selbst.
Gemeinsam gingen sie wieder nach drinnen. Zuerst zog Eneas sachte, dann war es Kosta, der voranging und sie in den großen Essensraum brachte, wo sie von der Priesterin und ihren Mädchen versorgt wurden. Sie waren so aufmerksam, dass Eneas sich vornahm ja nicht zu vergessen, dem Tempel am Ende eine große Spende zu machen. Doch momentan galt seiner Aufmerksamkeit allein Kosta und er merkte kaum, was für Essen ihnen vorgesetzt wurde. Abwesend dankte er den Frauen.
Schweigend saßen die beiden Krieger dann zusammen und aßen. Es war schwer, ein Gespräch in den Gang zu bringen, wenn die vorherige Aussprache noch wie eine dunkle Wolke über ihren Köpfen hing und ihr Gemüt verdüsterte. Sie konnten zwar das Gespräch über ihre Beziehung pausieren, aber nicht ihre Gefühle darüber.
Eneas fragte wie Kosta sich körperlich fühlte, doch das war alles was er als Konversationsstarter zustande brachte. Stattdessen überlegte er, wieso Kosta nichts mehr auf sein Angebot gesagt hatte, dass er sein Sklave sein würde. Genau das hatte Kosta ja vorgeschlagen und er schien zu glauben, dass es der einzige Weg war ihnen zu helfen. Eneas war davon nicht überzeugt, doch wenn er wollte, dass Kosta ihm glaubte, so sollte er im Gegenzug auch damit anfangen zu glauben. Es änderte jedoch leider nichts daran, dass er weiterhin Angst davor hatte, wie dieses Sklavensein ablaufen sollte und was Kosta wirklich vorhatte. Vielleicht würde er dann doch nicht darauf bestehen...
Abends in der Kammer drehte sich Eneas respektvoll um, damit Kosta sich ungestört seinen hochgeschlossenen Schlafanzug anziehen konnte. Darüber hatten sie auch geredet und Kosta ihm zu erklären begonnen wieso er sich bedecken wollte. Das Gespräch und Eneas' Versuche Kosta davon zu überzeugen, dass sein Körper immer noch seiner und 'echt' war, hatten leider nichts geändert, doch wenigstens wusste Eneas nun besser Bescheid. Es war auch ein kleiner Fortschritt gewesen.
"Gute Nacht. Versuch zu schlafen", sagte er Kosta, nachdem er das Licht gelöscht hatte und jeder von ihnen in sein eigenes Bett gegangen war. Es war auch ein Ratschlag an sich selbst, denn an Schlaf war kaum nicht zu denken. Immer wieder ging Eneas die Auseinandersetzung durch den Kopf und was alles an Worten gefallen war. Wie konnte er ruhig schlafen, wenn er nicht wusste, was aus ihnen wurde?
Da hörte er Geräusche von drüben aus Kostas Bett. Eneas blinzelte leicht und sah vorsichtig hinüber. Sein Herz schlug gleich schneller, als er sah, dass sein Liebster zu ihm hinüber kam und dann ohne zu Zögern zu ihm ins Bett stieg, sich unter die Bettdecke kuschelte und dann gleich an Eneas. Es fühlte sich so schön an. Eneas wagte es, sich an seinen Freund zu schmiegen. Es war ihm egal, dass sie fast wieder gestritten hatten. Trotzdem hätte er es kaum für möglich gehalten, dass Kosta zu ihm kam. Selbst hätte Eneas sich das nicht getraut.
"Ich möchte nicht, dass du ein Sklave sein musst, Eneas", begann sein Geliebter zu flüstern. Eneas spürte seine warme Stirn an seiner Haut. Kosta klang unsicher, wisperte, dass er nicht wusste, ob es half. Und wenn, dann würde es ihm nicht helfen, an Eneas' Liebe zu glauben.
"Aber ich tu das für dich", flüsterte er zurück, "Weil ich dich liebe..."
Sonst würde er sich dem bestimmt nicht unterziehen.
Kosta erklärte ihm, dass es helfen könne, dass Eneas ihn besser verstand und ihm glauben könne.
"Damit ich Gewissheit über was habe?", fragte der Hayllier zurück. In der Dunkelheit und gedämpft von der Decke war das Gespräch nur leise zu hören. Eneas spürte den warmen Körper seines Freundes an seiner Seite. Gerade hätte er allem zugestimmt, um sie wieder zusammenzubringen.
Kosta erwiderte nur ein knappes "Über mich.", doch Eneas wusste nicht genau wie er es meinte. Gewissheit, ob es mit ihnen gehen würde?
"Ich weiß, dass ich mit dir zusammen sein will", beteuerte der Krieger. Gleichzeitig war er verwirrt, ob Kosta ihn nun als Sklaven behandeln wollte oder nicht. Er flüsterte, dass er Angst hatte, dass es nicht funktionieren würde. Er wolle ihm nicht schon wieder weh tun, doch er befürchtete, es würde wieder passieren.
Eneas schloss ihn sachte in den Arm. "Wenn es nicht funktioniert, ja, dann streiten wir vielleicht wieder und tun uns weh", gab er zu, "Aber ich bin sicher, wir werden irgendetwas herausgefunden haben. Und sei es nur, dass es so nicht funktioniert. Und dann vertragen wir uns und probieren erneut. Ich will dir auch nicht weh tun." Das hatten sie jetzt schon öfter beteuert wie ein Mantra, aber es verhinderte es leider nicht. Wahrscheinlich waren sie gerade einfach in einer extrem verletzlichen Situation.
"Du hast sicher recht.. wir werden uns noch öfter weh tun... einfach, weil...", er suchte nach Worten. Sachte griff er nach Kostas Hand und legte sie an seine Brust. "Unsere Gefühle liegen gerade vollkommen offen für den anderen. Ungeschützt und wund. Deswegen ist jedes Wort, jede Handlung umso verletzlicher... Du sagst mir offen was du denkst und willst. Ich geb zu, das tut manchmal weh oder ist schwierig zu verarbeiten... aber so sollte es sein. Wir können endlich offen zueinander sein. Jedenfalls soweit es geht." Schließlich gab es da Erlebnisse, die Kosta ihm nicht sagen wollte. Und Eneas hatte seine eigenen Erfahrungen und Gefühle damals in Mineva, die er nicht preisgeben konnte.
"Es wird sicher alles gut solange wir nur zusammen sind", flüsterte Eneas und streichelte Kosta zärtlich über den Handrücken.