Re: Ein normales Leben
von Merion » So 26. Feb 2023, 13:07
Minan schien ihm wirklich sehr böse zu sein und einfach nicht darüber reden zu wollen. Er gab zwar zu, dass es nicht so toll gewesen sei, aber nun wäre es okay und er würde es verstehen. Das konnte doch nicht wahr sein. Merion hatte sich jedenfalls noch längst nicht verziehen und überlegte fieberhaft, wie er das wieder gutmachen könnte.
"Ihr seid doch nicht nutzlos", wehrte Merion innig ab. "Minan, du kennst dich doch immer besser mit Kräutern und Heiltränken aus. Das ist ein sehr wichtiges Wissen und einen Kräutergarten kannst du doch bewirtschaften." Auch mit einem Arm. Merion blickte kurz zu der Stelle, wo Minan sich über die Schulter strich. Wie hatte man ihm das nur antun können?
"Ausserdem kannst du wunderschön zeichnen", versuchte er ihn aufzumuntern. "Ich bin mir sicher, dass noch einige gerne ein Bild von dir hätten. Und Darken kann gut schnitzen, oh oder die Lederarbeiten die ihr gemacht habt, sind doch auch sehr gut und schön. Damit könntet ihr auch etwas beitragen. Mein Vater macht das doch auch. Er gerbt Leder und verarbeitet es weiter. Das ist etwas sehr nützliches und wird immer gebraucht." Es war nicht böse gemeint, aber manchmal hatte Merion das Gefühl, Minan dachte viel zu viel nach, anstatt einfach einmal etwas zu machen.
"Darken muss mich nicht beschützen", wandte er leise ein. Scheu verschränkten sich ihre Finger in einem zärtlichen Spiel. "Zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Hier gibt es ja kaum Gefahren." Zumindest nicht für jemanden, der in Dea al Mon aufgewachsen war und von klein auf gelernt hatte, damit umzugehen. "Aber das heisst nicht, dass Darken nutzlos oder unfähig oder gar überflüssig ist. Ausserdem beschützt ihr alle mich vor etwas ganz grausamem." Minan blickte ihn verwundert an. Merion lächelte. "Ich beschützt mich davor einsam zu sein", erklärte er vertrauensvoll. "Ihr macht mein Leben wunderschön und glücklich. Das ist mir viel wertvoller und kostbarer, als wenn ihr mich mal vor ein paar Regentropfen oder ähnlichem schützt." Es gab hier wirklich kaum etwas, wovor man einander schützen konnte. Darken konnte sich eine andere Aufgabe suchen, wo er stark und hart war. Davon gab es sicherlich genügend.
"Du spielst sicher wieder alles nur herunter, tapferer Minan", schüttelte er lächelnd seinen Kopf. "Ich muss sehr wohl ausziehen. Ich lebe tatsächlich noch gerne zuhause, aber nicht zu dem Preis, dass du dich noch immer davor fürchtest, mich besuchen zu kommen, obwohl du meine Eltern kennen gelernt hast. Meine Eltern sind freundlich, Minan", beharrte er. "Gut, mein Vater ist eher schweigsam und ganz ähnlich wie Darken nicht sonderlich gut darin, Gefühle zu äussern. Sie machen sich eben einfach nur Sorgen um mich und wollen mich auch nur beschützen. Ich hatte nämlich wirklich arg hohes Fieber." Er hatte sich ja auch über den Rand der Erschöpfung getrieben, als er mit Minan auf den Winden wieder zurück gereist war.
"Ich weiss nicht, ob es helfen würde, wenn du ihnen von den Splittern erzählst", antwortete Merion nachdenklich. "Ich glaube nicht, dass sie das als Entschuldigung anerkennen würden. Es hälfe ihnen sicherlich, es zu verstehen, dennoch würden sie wohl der Meinung sein, dass Darken nicht so hätte aufbrausen dürfen. Wegen dem Auge? Meine Mutter bekommt wohl eine Kriese. Aber sie ist eine Heilerin und meine Mutter noch dazu. Das ist normal. Bestrafen werden sie dich sicherlich nicht. Dazu haben sie kein Recht." Dennoch konnte Merion nicht so recht sagen, wie seine Eltern reagieren würden. So ein blaues Auge, was aus einem Streit und nicht einem Übungskampf entstanden ist, war etwas vollkommen neues für sie alle.
"Vielleicht solltest du das andere erzählen", schlug Merion schliesslich zögernd vor. "Das würde wohl besser helfen, damit sie verstehen, warum Darken in so eine Panik geraten ist." Minan schaute ihn fragend aber auch sehr vorsichtig an. Er schien nicht so recht zu verstehen, was Merion meinte, schien aber eine ängstliche Ahnung zu haben. "Das mit deiner Mutter", führte Merion leise aber fest aus. Noch nie hatten sie darüber geredet. Vorallem, weil Merion es unbewusst oft verdrängt hatte und sich nicht sicher gewesen war. Nun hatte er aber das Gefühl, dass sie doch einmal darüber reden sollten, da es zwischen ihnen zu stehen schien. "Erzähl ihnen, was deine Mutter dir angetan hat. Dann werden sie verstehen können, warum du ihnen so misstraust und Angst vor ihnen hat. Erzähl ihnen, dass sie es war, die dein Vertrauen immer und immer wieder missbraucht hatte. Dass sie dir aus reiner Bosheit und Quälerei den Arm abgeschnitten und dir die Flügel ausgerissen hat. Dass sie dich zerbrochen und zersplittert hat. Und dass... dass sie dich, anstatt dich zu trösten, zu Sex gezwungen hat." Zum ersten Mal hatte er nun das Furchtbare ausgesprochen, was er die Zeit, die er nun seinen Gefährten hatte, so am Rande erfahren und sich zusammen gereimt hatte. Merion war schon wieder speiübel. Dennoch blieb er an der Seite seines Freundes und blickte ihn liebevoll an.