Re: Ein Neubeginn
von Kosta » Mi 12. Okt 2022, 10:49
"Ich auch nicht", flüsterte Kosta und hielt seinen Freund innig fest, der sich trostsuchend an ihn klammerte. Nein, er hatte wirklich nicht geahnt, dass der brutale Tolarim hier eine Rolle spielte. Doch eigentlich hätte er es wissen müssen. Das, was Eneas bei ihm hatte erleben müssen, hatte den Krieger sehr geprägt. Aber in seiner Ungeduld und seinem Egoismus hatte er ebenfalls gedacht, dass Eneas das überwunden hätte. Dabei, so etwas konnte man nie ganz abschütteln.
"Manchmal vergisst man es", versuchte er Eneas zu beruhigen. "Wenn man aufgeregt, müde oder überfordert ist, dann vergisst man manchmal, dass man eigentlich damit umgehen kann. So wie du mir damals gezeigt hast, dass die Dunkelheit, etwas schönes und gutes sein kann. Damit hast du absolut Recht. Aber manchmal, da vergesse ich, daran zu denken und bekomme wieder Angst. Das ist normal. Das gehört dazu." Das wussten sie auch von den vielen Sklaven, die sie befreit hatten. Doch es war etwas anderes, das am eigenen Leib zu spüren. Zumal sie auch viele der Sklaven einfach nur befreiten und andere auf Nuranessa ihnen halfen, mit dem Leben klar zu kommen. Sie selber segelten oft dem nächsten Abenteuer entgegen und mussten sich dem nicht so stellen.
Fest an ihn gekuschelt nuschelte Eneas, dass er wisse, dass er nicht Nevander sei. Es täte ihm leid. Kosta schüttelte seinen Kopf. Nein, dafür musste Eneas sich nicht entschuldigen. Er war nur froh, dass sie herausgefunden hatten, was Eneas so quälte. Sein Freund hatte einfach beschlossen, dass er Nevander überwunden hatte, damit er nicht weiter darüber nachdenken musste. Er hatte daran gearbeitet, dass er keine Probleme mehr mit den Rollenspielen hatte und nun hatte er gedacht, hier wäre es ähnlich. Doch das war es nicht. Eneas war sehr plötzlich wieder mit seinen Missbräuchen konfrontiert worden. Es gab da offensichtlich noch einiges zu verarbeiten.
Eneas löste sich etwas von ihm, aber nicht ganz und erzählte ihm, dass er gedacht hätte, es würde ihn nicht belasten. Die Worte, die Ringe, es sei so plötzlich gekommen. Eneas fluchte und wollte, dass es vorbei ist. Unwillkürlich musste Kosta grinsen. Sie wussten Beide, dass es so nicht ging. Aber manchmal tat fluchen trotzdem gut. Sein Freund beteuerte ihm, dass er sich an den Vertrag und die darin vereinbarten Sachen halten wolle. Nur hätte er nicht geahnt, dass es so schwer werden würde. Es hätte doch wie ein Rollenspiel sein sollen.
"Es ist kein Rollenspiel", schüttelte Kosta seinen Kopf. Zärtlich streichelte er Eneas etwas über die Schultern. "Es ist so viel mehr, als ein Rollenspiel. Oder auch ganz viel weniger. Was auch immer es ist, ein Rollenspiel ist es ganz bestimmt nicht. Das habe ich dir versucht zu sagen." Auf Nuranessa und beim Tempel. Eneas hatte ihm bis jetzt nicht glauben wollen oder können. Er hatte stur auf seinen eigenen Vorstellungen beharrt und war verletzt gewesen, als Kosta ihm zu erklären versucht hatte, dass er diesbezüglich etwas unflexibel war. Engstirnig hatte er es genannt und Kosta somit vollkommen aus dem Konzept gebracht.
"Dass du jedoch auf diese Weise begreifst, dass es kein Rollenspiel ist, das wollte ich nun wirklich nicht", beteuerte er traurig. Er wusste doch, wie schwer es Eneas fiel, an Nevander Tolarim und an die Missbräuche zu denken, geschweige denn, darüber zu reden.
"Aber du hast auch Recht, Eneas", versuchte er ihn aufzumuntern und zu trösten. "Es kann niemals ganz echt sein. Denn gewisse Sicherheiten hast du trotzdem, die andere Sklaven sonst nicht haben. Ich würde dir niemals antun, was er dir angetan hat. Niemals." Da würde er sich viel eher selbst hingeben. "Das... das was er getan hat, war Krieg gegen dich. Ein Zerstörungsfeldzug, um dich zu vernichten. Das will ich nicht. Selbst wenn die Welt sonst untergehen würde. Alles was ich will, ist näher an dich heran zu kommen."